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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0



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EXODUS: GODS AND KINGS (Ridley Scott/USA, UK, E 2014)


"Who are you?" - "I am."

Exodus: Gods And Kings (Exodus: Götter und Könige) ~ USA/UK/E 2014
Directed By: Ridley Scott

Ägypten, vor 3300 Jahren: Nachdem der alte Pharao Seti (John Turturro) das Zeitliche gesegnet hat, übernimmt sein Sohn Ramses (Joel Edgerton) die Regentschaft. Setis Ziehsohn Moses (Christian Bale), den der Verblichene lieber als seinen Nachfolger gesehen hätte, erfährt indes von dem alten Nun (Ben Kingsley), dass er, anders als er zeitlebens geglaubt hat, kein Ägypter ist, sondern ein Waisenkind aus den Reihen der versklavten Herbräer. Ramses verbannt Moses daraufhin kurzerhand aus seinem Reich. Jenseits der Grenzen findet der Verstoßene eine Frau (María Valverde) und erhält seine göttliche Bestimmung. Er soll zurück nach Ägypten gehen und sein Volk in die Freiheit führen. Da der Pharao sich zunächst quer stellt und jede von Moses' überbrachten Forderungen mit noch drakonischerer Behandlung der Hebräer beantwortet, lässt Gott zehn Plagen auf die Ägypter herab. Ramses lässt die Hebräer ziehen, will die Schmach jedoch nicht auf sich sitzen lassen. Moses' Flucht durch das geteilte Rote Meer endet für die ihn unerbittlich verfolgenden Ägypter in einer letzten Katastrophe.

Gewidmet seinem Bruder Tony, der sich ob dessen möglicherweise im Grabe umdreht: In seiner vierten, sich historischen Monumentalwerks annehmender Arbeit (sein großes Debüt "The Duellists" sowie "1492: Conquest Of Paradise" außen vorgelassen), wird Ridley Scott nun also auch noch biblisch. Auch, wenn "Exodus: Gods And Kings", soviel gleich vorweg, DeMilles "The Ten Commandments" in keiner Weise das Wasser reichen kann, so verbindet ihn mit diesem doch vor allem eines: Die Geschichte des Exodus der Hebräer aus Ägypten ist und bleibt purster Bibel-Camp, egal, wie seriös auch der Ansatz sein mag, den ganzen Schmarren möglichst authentisch und vielleicht auch hier und da noch mit physikalischen Erklärungsansätzen für die eine oder andere Plage aufzupeppen. "Gladiator" war ein kraftvoller Actionfilm, "Kingdom Of Heaven" und "Robin Hood" markierten zumindest historisch interessantes Schau-Kino. "Exodus" nun muss jedwede Attribuierungen dieser Art leider entbehren; er erzählt schlicht einen unsympathischen Bibelabschnitt rund um unsympathische Leute. Und wie arrangiert er dies? Folgerichtig auf unsympathische Weise. Christian Bale als zottiger Stammesführer ist noch okay, ein paar Altstars wie Kingsley oder Sigourney Weaver sind immerhin schickes Beiwerk. Eine chargierende Krampe wie Joel Edgerton jedoch ausgerechnet als den hybrischen Ramses zu besetzen, wo doch jeder noch Yul Brynner im Kopf hat, das ist eine von mehreren Todsünden, auf die Scott aus welchen Gründen auch immer, nicht verzichten mochte. Weitere sind der augenscheinliche Verzicht auf Pomp und Pracht: Wo bei DeMille in VistaVision alles golden glänzte, Massen von Statisten dirigiert wurden, die Spezialeffektkunst einen neuen Zenit erreichte und der Himmel über Ägypten knallig blau leuchtete, da ist es bei Scott bloß permanent bewölkt und versandet. Noch nichtmal schön (im Sinne von: ästhetisch) anzuschauen ist sein Film. Immerhin: Dass der Nil sich blutrot färbt, weil Monsterkrokodile auf alles losgehen, was darin kreucht und fleucht (nebst ganzen Schiffsbesatzungen) ist eine urkomische Interpretation, dass Ewen Bremner (Spud aus "Trainspotting") als geschwätziger Frühwissenschaftler dem Pharao auf die Nüsse geht und dann hingerichtet wird, ein seltsam eklektisch-witziges Element. Na ja, und ich gebe zu, dass ich mich allen obigen Gejammers zum Trotze vortrefflich unterhalten habe. Es passiert eben viel in dieser Antik-Soap. Nur ernstnehmen kann man Scotts Jüngsten bei aller (aufrichtigen) Liebe zu dem immer häufiger taumelnden Altmeister leider überhaupt nicht.
Der Gute wird auf seine alten Jahre noch zum ausgewiesenen Zelluloid-Käser. Aber da steht er ja nicht allein.
Immerhin noch eine Hauch weniger albern als "Noah".

6/10

Ridley Scott Bibel Israel Ägypten Camp period piece


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LET US PREY (Brian O'Malley/UK, IE 2014)


"You know who I am. You always knew."

Let Us Prey ~ UK/IE 2014
Directed By: Brian O'Malley

Rachel (Pollyanna McIntosh) begeht just ihre erste Schicht auf einem kleinen Polizeirevier eines schottischen Provinzstädtchens. Nach und nach füllen sich die Zellen des anhängenden Gefängnisses: Der ständig seine Frau verprügelnde Lehrer Beswick (Jonathan Watson) sitzt bereits; der delinquente Jugendliche Caesar (Brian Vernel) hat in Rachels Beisein einen Mann (Liam Cunningham) überfahren, der zunächst verschwindet und kurze Zeit später aufgegriffen wird. Als er den ihn untersuchenden Amtsarzt Hume (Niall Greig Fulton) verbal provoziert, dreht dieser durch und attackiert den Fremden. Rasch wird Rachel klar: Der geheimnisvolle Fremde weiß deutlich mehr als er sagt, nicht nur über seine Zellennachbarn, auch über die drei weiteren Cops. Um Mitternacht soll die finale Wahrheit ans Licht kommen...

"Let Us Prey" ist gewiss kein überraschender Film. Sein zeigefreudiger Härtegrad ist beträchtlich, entspricht allerdings dem gegenwärtigen Standard. Die Inszenierung ist sauber, jedoch ohne Risikofreude. Der Plot schließlich erfüllt ebenfalls wohlfeile Antizipation. Somit wäre daraus auch kein wirklich sensationelles Geheimnis zu drehen: "Pleased to meet you, hope you guess my name."
Diesmal ist also der charismatische Liam Cunningham, renommiert durch diverse Auftritte bei seinem Spezi Neil Marshall und natürlich in "Game Of Thrones", der Gehörnte - allerdings ohne Hörner oder Hufe.
Der Fremde kommt immer dann herbei, wenn es unbeschreibliche Gräueltaten zu sühnen gibt, derer kein irdisches Gericht mehr Herr werden kann. Die erbeuteten Seelen gehen schließlich ins Inferno ein, wo sie die höllische Population auffüllen werden. In den paar Stunden erzählter Zeit von "Let Us Prey" führt man uns gleich einen ganzen Pulk mieser Drecksäcke, Sadisten, Irrer, Religionsfanatiker, reueloser, promisker Schweinehunde vor. Von denen hat es unter Garantie jeder verdient, des Satans fette Beute zu werden und so geht der Herr der Unterwelt am Ende mitsamt seiner Rabenschar und einer neu hinzugewonnenen Konkubiene und Sympathisantin von hinnen. Es ist ein dreckiger Job, aber einer muss ihn machen.
"Let Us Prey", der just davon berichtet, braucht man sich allerdings nur dann anzuschauen, wenn man es wahlweise schön deftig mag, auf britische bzw. irische Genreware steht oder gern der wundervollen Pollyanna McIntosh bei der Arbeit zuschaut. Für mich waren das drei Gründe, und immerhin gute.

7/10

Brian OMalley Kleinstadt Satan Madness Serienmord Schottland Splatter Nacht


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HOUSEBOUND (Gerard Johnstone/NZ 2014)


"What about your menstruating pattern?" - "I beg your pardon?"

Housebound ~ NZ 2014
Directed By: Gerard Johnstone

Die kriminelle Kylie (Morgana O'Reilly) wird nach einem Überfall auf einen Bankautomaten erwischt und zu einem achtmonatigen Hausarrest im Hause ihrer Mutter Miriam (Rima Te Wiata) und ihres Stiefvaters Graeme (Ross Harper) verdonnert, eine elektronische Fußfessel inklusive. Kylie gibt sich angesichts der Situation zunächst betont renitent und rotzig, muss ihre Aufmerksamkeit jedoch bald einem neuen Sachverhalt widmen: Im Hause ihrer Mutter scheint es nämlich umzugehen. Zusammen mit dem hilfsbereiten Wachbeamten Amos (Glen-Paul Waru) kommt Kylie einigen Geheimnissen um die Wohnstatt und ihre Nachbarschaft auf die Spur, so etwa, dass ihr Haus einst eine Resozialisierungs-WG war, in der ein grauenhafter, unaufgeklärter Mord verübt wurde und dass ihr Nachbar Kraglund (Mick Innes) seltsame Verhaltensweisen an den Tag legt. Spukt möglicherweise das damals ermordete Mädchen heuer als unerlöster Geist durchs Gemäuer? So einfach, wie die Dinge zunächst scheinen, liegen sie dann aber doch nicht.

Überraschend liebenswerte Komödie aus Neuseeland, superwitzig, stellenweise spannend (wobei entsprechende Momente nicht überbewertet werden sollten) und vor allem frisch und mit viel Herz inszeniert. Dass Gerard Johnstone ganz besondere Sympathien für die outcasts und Sonderlinge dieser Welt bereithält, wird spätestens zum Ende des Films hin deutlich und verleiht ihm allein schon seine spezifische Note. Dass zuvor bereits ein reizvolles Kaleidoskop aus spleenigen Charakteren rund um die rebellische Kylie (toll und schöner als jedes gepimpte Medien-Starlet: Morgana O'Reilly) angelegt wird, von denen die meisten sich im späteren Verlauf der Geschichte als recht konträr zu den zuvor geschürten Zuschauererwartungen erweisen werden, entpuppt sich als nicht minder liebenswert. Johnstones Gespür für feinen, klug formulierten Humor jedoch macht "Housebound" erst wirklich zum unerwarteten Überflieger. Fast pausenlos gibt es Anlässe zum Schmunzeln und manchmal auch zum Prusten, wobei speziell Rima Te Wiata ein famoses Talent für Komik besitzt.
Sehr lobenswert zudem - es freut mich persönlich besonders, dies einmal festhalten zu können - die rundum vorzüglich gelungene, deutsche Synchronfassung, zumal für einen solchen Nischenfilm. Hier wurde in jeder Beziehung brillante Arbeit geleistet, von den Übersetzungen über das Script bis hin zum auffallend sorgfältigen Sprecher-Casting. Es gibt offensichtlich doch noch Hoffnung für die Synchronbranche.

9/10

Gerard Johnstone Mutter & Tochter Madness Coming of Age Familie Haus


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INTERSTELLAR (Christopher Nolan/USA, UK, CA 2014)


"Mankind was born on Earth. It was never meant to die here."

Interstellar ~ USA/UK/CA 2014
Directed By: Christopher Nolan

Die Zukunft: Der Planet Erde wendet sich schlussendlich gegen seinen todbringenden Virus - die Menschheit. Die Nahrungsmittel werden zusehends knapper, nur noch besonders resistente Feldfrüchte wie Mais können überhaupt angebaut werden und etliche Jugendliche werden zu Farmern zwangsausgebildet. Dennoch sorgen Dürre und Sandstürme immer wieder und überall für verheerende Ernteeinbußen. Durch einen augenscheinlichen Zufall stoßen der Ex-Ingenieur Cooper (Matthew McConnaughey) und seine aufgeweckte Tochter Murph (Mackenzie Foy) auf einen Hinweis, der sie in die Wüste führt. Dort stoßen sie auf ein im Geheimen operierendes NASA-Team unter dem Astrophysiker Brand (Michael Caine), das bereits seit Jahren an Plänen zur Evakuierung der Menschheit gen Weltall arbeitet. Kurzerhand wird Cooper auserkoren, mit drei Crewmitgliedern und einem Roboter einen Raumflug zu begehen, der sie durch ein Wurmloch in der Nähe des Saturn in eine andere Galaxie führt, wo es lebensfreundliche Welten geben soll. Die entsprechenden Daten hätten frühere Pioniere wie der Astronaut Mann (Matt Damon) bereits vor längerer Zeit übersandt. Um seine Kinder retten zu können, nimmt Cooper den Auftrag an - im Wissen, dass die Zeit im All für ihn und seine Crew sehr viel langsamer vergehen wird als auf der Erde.

Wenn ein neuer Nolan angekündigt wird, sinkt die globale Filmgemeinde ja bereits vorab ehrfürchtig zur Anbetung auf die Knie. Wer mich kennt, weiß, dass ich den Mann nicht nur überaus unsympathisch finde, sondern seinen Filmen auch mit steter Skepsis begegne, die sich dann im Nachhinein doch immer halbwegs relativiert, weil Nolans Filme hinter all ihrer Egozentrik und dem penetranten Autogewichse ihres Meisters eigentlich ganz okay sind. Im Falle "Interstellar" muss ich sogar sagen: deutlich besser als ich angenommen hatte und bei aller üblichen Behaftung mit den mir unangenehmen Facetten, ohne die ein Kino-Abgott Nolan eben längst nicht mehr kann, ein patenter SciFi-Film. In audiovisueller Hinsicht ist "Interstellar" zunächst einmal über jeden Zweifel erhaben. Die grandiosen Weltraum-Impressionen drücken einen in den Sitz, hier und da kommt etwas Spannung auf und die ausgedehnte Erzählspanne erlaubt diverse Wendungen und Plotkniffe, die besonders dann ihre Wirkung entfalten, wenn man sich vorab möglichst wenig über den Film informiert hat. Doch auch etliche Schwächen machen sich breit, etwa hinsichtlich der laut und dick vor- und aufgetragenen Message des Films: Liebe und nichts als Liebe kann die Menschheit vor ihrem selbst herbeigeführten Ende retten! Wenn ein furztrockener Technokrat wie Nolan, der Film gern mit Mathematik verwechselt, so etwas behauptet, dann wird es albern. Überhaupt die sich unmissverständlich als warnender Zeigefinger gerierende, pralle Öko-Message des Films: viele andere hätten sie effektvoll vermitteln mögen, mit seiner gezielt unbeteiligten, resignierten Inszenierung des nahenden Endes bleibt sie in "Interstellar" bloß Behauptung: die Erde ist am Arsch, die Menschheit zum baldigen Hungertod verdammt, es ist zu spät. So what? Selbst schuld. Und gut. Ein bisschen wenig "shocking", n'est-ce pas?
Dann der mittlerweile notorische Matthew McConnaughey. Okay, der Typ ist derzeit der heißeste Scheiß am Platze, aber wäre nicht gerade das ein Grund, mal auf ihn zu verzichten? Vielleicht beim nächsten Mal. Schließlich die Ambition des Films: Er will mit allen Mitteln große space opera sein, die dereinst mit den Großen des Genres in einem Atemzug genannt werden soll: "2001: A Space Odyssey", weder das bescheidenste, noch das unoffensichtlichste Vorbild, schimmert aus allen Winkeln, Nischen, Ecken, Lücken. Dass soviel unverhohlene Anbiederung eigentlich das Gegenteil bewirken sollte, scheint die Nolan-Gemeinde noch nicht gewahr worden zu sein. Aber gut. Von all den kleinen und großen Fettnäpfchen, bei denen Christopher Nolan gar nicht anders kann, als mitten rein zu treten, weil er eben Christopher Nolan ist und sie für sich persönlich gepachtet zu haben scheint, abgesehen, bietet "Interstellar", dies sei nochmals betont, wirklich ordentliches Genre-Entertainment. Die Welt jedoch wird er - obgleich er es so gern würde - auch nicht retten.

8/10

Christopher Nolan Zukunft Dystopie Familie Vater & Tochter Raumfahrt Aliens


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EXISTS (Eduardo Sánchez/USA 2014)


"Hey you! I wanna be your friend!"

Exists ~ USA 2014
Directed By: Eduardo Sánchez

Fünf Freunde reisen zu einem Wochenendtrip in eine Jagdhütte inmitten der texanischen Wälder. Bei der nächtlichen Anreise fahren sie etwas nicht Definierbares mit dem Wagen an, denken sich jedoch zunächst nichts dabei. Brian (Chris Osborn), dessen Onkel Bob (Jeff Schwan) die Hütte gehört, weiß allerdings etwas mehr als die Anderen: Hier draußen soll der legendäre Bigfoot umtriebig sein, weshalb Brian auch gleich eine Minikamera dabeihat - nämlich um die mögliche, unheimliche Begenung dokumentieren zu können. Tatsächlich schließt man bald Bekanntschaft mit dem haarigen Gesellen, doch der ist - aus verständlichen Gründen - alles andere als gut auf die Kids zu sprechen und knöpft sich einen nach dem anderen von ihnen vor...

Niemand Gerinigerer als Eduardo Sánchez, der die nicht abebben wollende found footage/embedded filming-Welle dereinst mit "The Blair Witch Project" erst lostrat, wagte sich an den jüngsten Beitrag zu einem ebenfalls alles andere als unbehauenen Subgenre-Mythos: Dem des Bigfoot oder Sasquatch nämlich. Dass dieser praktisch mit der subjektiven Kamera als Protagonistenauge einhergeht, ist ebenso wenig innovativ wie überhaupt das gesamte Szenario, das sich Sánchez für seine Mär zurechtgelegt hat. Zu Beginn erfahren wird mit einem kleinen, aber wesentlichen Postulat noch Wichtiges: Der Bigfoot ist normalerweise friedlich und harmlos - es sei denn, man provoziert ihn! Dass die spaßsüchtigen Städter genau dies - wenn auch unbeabsichtigt - auf das Böseste exerzieren und noch nichtmal einen Schimmer davon haben, ist der Motor dieser neuerlichen Sasquatch-Attacke. Immerhin darf man Sánchez gratulieren: Gewönne sein Film auch mit Sicherheit keinen Innovationspreis, so ist er doch zumindest der bisher ansehnlichste der jüngeren Bigfoot-Schocker. Hier und da wird es ordentlich spannend, die Bigfoot-Verkleidung sieht wirklich gut aus und das dann sogar halbwegs versöhnliche Ende bringt ein wenig ökologische Differenzierung mit ins Boot (...okay, das ist möglicherweise ein wenig übertrieben, aber zum Schönreden gestattet).
Der "Orca" unter den Bigfoot-Filmen!

6/10

Eduardo Sánchez Texas embedded filming Bigfoot Rache Monster Slasher


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THE BORDERLANDS (Elliot Goldner/UK 2013)


"I apologize for now serving another master."

The Borderlands ~ UK 2013
Directed By: Elliot Goldner

Zusammen mit dem Hobby-Filmer Gray (Robin Hill) haben zwei Kongregationasmönche des Vatikan, Deacon (Gordon Kennedy) und Mark (Aidan McArdle), die Aufgabe, der Authentizität einer angeblichen himmlischen Manifestation in einer kleinen englischen Provinzkirche nachzugehen. Der dort tätige Pater Crellick (Luke Neal), der dem Ereignis beigewohnt hat, glaubt felsenfest an die Auserwähltheit seines Gotteshauses, derweil die drei Investigatoren von einer Inszenierung seitens Crellick ausgehen. Doch bald lassen sich bestimmte Fakten nicht länger verleugnen: In der Kirche ist urplötzlich Babygewimmer zu hören, Dinge bewegen sich wie von selbst und ein unsichtbares Wesen scheint umher zu schleichen. Schließlich entdeckt Deacon hinter einem Bücherregal einen uralten Gang, der in die Tiefe führt. Der schließlich herbeigerufene, in Exorzismusdingen bewanderte Vater Calvino (Patrick Godfrey) ist sich sicher: Diese Kirche ist kein Himmelszugang, sondern führt zur genau diametralen Institution...

Spannender "embedded filming"-Beitrag aus England, in dem aus einem Minimum an Ressourcen ein Maximum an Wirkung evoziert wurde. Mit einem dem wesentlich breitgefächerter flankierten "As Above, So Below" nicht unähnlichen Topos, nämlich der Entdeckung eines unterirdischen Labyrinths, das ein Tor zur Hölle bildet, liegt hier das eindeutig bessere, gewichtigere Werk vor. Unter Verzicht auf nahezu jedweden S-F/X-Mummenschanz macht Goldner mit einfachsten Mitteln einen bösen, kleinen Genrefilm, in dem allein unlokalisierbare Geräusche und kurz aufblitzende Erscheinungen im Bildwinkel bereits eine Gänsehaut erzeugen. Mit dem Gang in das in der Tiefe liegende Labyrinth erreicht der Nervenkitzel schließlich seine höchsten Sphären, zumal man zu jenem Zeitpunkt ahnt, aber nicht recht weiß, was dort unten lauert. Eine definitive Antwort diesbezüglich bleibt Goldner uns dann auch ganz bewusst schuldig, wie überhaupt Ursächlichkeiten und Kausalitätsschemata hier und da stark von der Interpretation des Zuschauers abhängen. Doch verleiht gerade das "The Borderlands" seinen Status des Sehenswerten.

8/10

Elliot Goldner Independent embedded filming Kirche Hölle Exorzismus


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SPHERE (Barry Levinson/USA 1998)


"No, Jerry. Don't do that."

Sphere ~ USA 1998
Directed By: Barry Levinson

Vier Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen, der Psychologe Norman Goodman (Dustin Hoffman), die Biologin Beth Halperin (Sharon Stone), der Mathematiker Harry Adams (Samuel L. Jackson) und der Astrophysiker Ted Fielding 8Liev Schreiber) werden zu einem streng geheimen Stützpunkt im Pazifik geflogen, ohne ihre Aufgaben zu kennen. Am Zielort angekommen, erfahren sie, warum man sie hergebracht hat: In rund 300 Metern Tiefe befindet sich ein riesiges Raumschiff, das dort offenbar bereits seit über zwei Jahrhunderten schlummert, von dessen Bord jedoch noch immer Signaltätigkeiten gemessen werden. Nach einem Tauchgang zu einem unterseeischen Forschungslabor, dem 'Habitat', betreten die Angereisten das Schiff und stellen fest, dass es irdischer Herkunft ist, aus der Zukunft stammt und in der Zeit zurückgereist ist. Zudem befindet sich ein außerirdisches Artefakt an Bord, eine große, golden schimmernde Kugel mit durchlässiger, flüssiger Außenhülle. Nachdem jeder der Forscher nach und nach Kontakt mit dem Gebilde hatte, beginnt es mit ihnen zu kommunizieren: Es handelt sich um eine extraterrestrische Entität, die Menschen ermöglicht, ihre Geistesphantasien Form annehmen zu lassen. Die Ängste der Wissenschaftler manifestieren sich und werden für alle Beteiligten zur tödlichen Gefahr...

Ein später Nachklapp zu der Unterwasser-Genrefilmwelle der Spätachtziger und bereits Barry Levinsons zweite Crichton-Adaption nach "Disclosure" und für einige Zeit sein erster echter Genrefilm. Dass im Falle "Sphere" aus einmal gemachten Fehlern keine fruchtbaren Rückschlüsse für eine progressive Weiterarbeit gezogen wurden, erweist sich als das Augenfälligste am letztlich freigegebenen Resultat. Wie im "Vorgänger" überschreitet Levinson häufig und dabei scheinbar blindlings die Grenzen zur Albernheit, was sich speziell in den Szenen äußert, wenn das Alien Kontakt zu den menschlichen Besuchern aufnimmt und der Film sich nie gänzlich entscheiden kann, ob er der Wesenheit in ihrem kindlich-naiven Gestus Sympathie entgegenbringen oder es als handfeste Bedrohung ausmachen soll.
Die Chance, speziell im Hinblick auf den limitierten Handlungsort eine wirklich klaustrophobische Atmosphäre zu erzeugen verpasst der Film; was sich da alles wie und warum in physische Gegenwärtigkeit und Gefahr verwandelt, wird nicht immer ganz schlüssig aufgelöst und bedient häufig eher den rein oberflächlichen Affekt - so etwa die Sache mit den Jules-Verne-Büchern, die ab Seite 87 leer sind. Im Prinzip gerät "Sphere" spätestens nach der Laborbrand-Sequenz, die die Wissenschaftler zum neurotischen Trio dezimiert, in jene Bredouille der Hilflosigkeit, die den weiteren Verlauf der Geschichte immer wieder in beachtliche Trash-Nähe rückt. Das Ende, das die drei Überlebenden erkennen lässt, dass sie nunmehr allmächtig sind und sie dann kurzerhand ihre Fähigkeiten zwecks einer selbstgewählten Vollamnesie gebrauchen lässt, markiert schließlich den Gipfel der Zugeständnisse an Wasauchimmer.
Man liest, dass während der bereits laufenden Produktion das Budget stark gekürzt wurde - ob speziell dieses Faktum sich nachteilig auf Levinsons Film auswirkte, kann ich nur mutmaßen. In jedem Fall fand ich es ärgerlich, dass bei so vil ohnehin vorhandener Liebäugelei mit Camp und B-Movie nicht wenigstens noch der Riesenkrake zu sehen ist.

5/10

Barry Levinson Michael Crichton Kurt Wimmer Aliens Ozean Zeitreise


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INTO THE BADLANDS (Sam Pillsbury/USA 1991)


"I smell the aroma of cash."

Into The Badlands (Land der Vergessenen) ~ USA 1991
Directed By: Sam Pillsbury

Drei düstere Wildwest-Geschichten verzahnen sich lose durch den jeweils involvierten Kopfgeldjäger T.L. Barston (Bruce Dern): Der gesuchte Outlaw McComas (Dylan McDermott) findet kurz vor der fluchtbedingten Überquerung des Rio Grande in der Hure Blossom (Helen Hunt) seine große Liebe, muss sich jedoch noch seinem Jäger Sheriff Starett (Andrew Robinson) stellen. // Die Farmersfrau Alma Heusser (Mariel Hemingway) will sich um ihre von ihrem Ehemann (Loren Haynes) zurückgelassene Nachbarin Sarah (Lisa Pelikan) kümmern, findet in dieser jedoch nurmehr ein fieberndes, psychisches Wrack vor. Derweil tobt draußen ein Schneesturm und ein aggressives Wolfsrudel sucht nach Beute. // Barston fängt und erschießt den gesuchten Schwerverbrecher Red Roundtree (Michael J. Metzger). Als er dessen Leiche in sein Heimatstädtchen zurückkarrt, muss er feststellen, dass dort nurmehr ein paar verwitterte Männer leben, die ihren alten Kumpel Red ordnungsgemäß beerdigen wollen. Barston will die "wervolle" Leiche jedoch nicht herausrücken. Dass er sich im Folgenden in der Wüste verirrt, erleichtert ihm seinen Beutefang nicht...

Ein durchaus beachtlicher TV-Western, der aus der kurzen Renaissance heraus entstand, die das Genre in den Frühneunzigern im Gefolge von "Dances With Wolves" erlebte. In "Into The Badlands" werden drei Kurzgeschichten unterschiedlicher AutorInnen zu einem mitunter bewusst sperrigen Mystery-Stück voll von einiger allegorischer Undurchsichtigkeit verwoben. Schemen, Trugbilder und Übernatürliches gewinnen im Laufe des Films immer mehr an Bedeutsamkeit und kulminieren schließlich in der starken "Hauptstory" um den von Bruce Dern herrlich gespielten bounty hunter Barston. Der Kopfgeldjäger erlebt in diesem Zuge eine erneuerte Ikonographie als eine der unsterblichen Gestalten wildwestlicher Mythologie: Er ist als sicherlich makelbehaftete Figur aus dem Gefüge der Sagen von einst ebenswenig wegzudenken wie Sheriffs und Marshalls, Kavalleristen und Indianer, Desperados und Outlaws. Insofern ist es nur recht und billig, dass T.L. Barston sich mit seinem unglamourösen Ende als verirrter und ausgehungerter Verlierer nicht zufrieden geben mag und kurzerhand wieder aus seinem erdigen Grab aufersteht, um als ikonologische Entität auf der Suche nach Kriminellen und Belohnungen weiter durch den Staub zu pilgern.

7/10

Sam Pillsbury TV-Film Episodenfilm Kopfgeldjagd


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THE BABADOOK (Jennifer Kent/AUS, CA 2014)


"You can bring me the boy."

The Babadook ~ AUS/CA 2014
Directed By: Jennifer Kent

Die Altenpflegein Amelia (Essie Davis) lebt mit ihrem knapp siebenjährigen Sohn Samuel (Noah Wiseman) in einem Vorort von Adelaide. Samuel ist nicht eben wie andere Kinder; seine blühende Phantasie gebiert Monster, die es zu bekämpfen gilt, er neigt zum Außenseitertum und die anderen Kinder meiden ihn, wenn sie ihn nicht gerade aus der Reserve zu locken versuchen. Amelia versucht sich so gut es geht mit der Situation zu arrangieren, wünscht sich jedoch insgeheim, ein ganz "normales", unkompiziertes Kind zu haben. Damit nicht genug, hadert sie mit ihrem Dasein als Witwe und alleinerziehende Mutter: Ihr Mann Oskar (Benjamin Winspear), Sams Vater, ist just bei einem Autounfall in jener Nacht ums Leben gekommen, in der er Amelia zur Entbindung ins Krankenhaus fuhr.
Als Sam das Kinderbuch "Mister Babadook" entdeckt und sich von Amelia vorlesen lässt, wird dessen Titelgestalt, ein finsteres, böses Wesen, zu einer neuerlichen Obsession Sams. Doch diesmal ist alles noch schlimmer als sonst: Sam scheint wirklich von der Existenz des Babadook überzeugt zu sein und bald mehren sich auch für Amelia die Zeichen, dass es sich beim Babadook um mehr als eine Phantasiegestalt handeln muss...

Mit "The Babadook" ist der Jungfilmeacherin Jennifer Kent ein ausgezeichnetes Langfilmdebüt geglückt. Nicht nur einer der grausligsten und spannendsten Horrorfilme der letzten Monate und Jahre ist dabei herausgekommen, sondern vor allem eine intelligente Reflexion über die möglichen Nöte der modernen, westlichen Mutter. Die These, dass der Babadook (trotz all seiner schrecklichen Auftritte und Lebenszeichen im Film) lediglich als Metapher zu begreifen ist für Amelias psychisches Konglomerat aus verdrängter Trauer und erzieherischer Unwägbarkeit, gekoppelt vielleicht noch mit weiterverzweigten Problemen wie Isolation und Stress, halte ich im Nachhinein für geradezu zwingend. Vieles spricht ohne Umschweife dafür. Allein Amelias Haus und dessen Einrichtung in tristem Schwarz und Grautönen symbolisieren eine merkwürdige Morbidität, die zum Einen nicht recht zu der jungen Frau passen mag und zum Anderen völlig fehlgewählt als Lebensumgebung eines kleinen Kindes scheint. Dann der Junge: Ein sich mitunter wahrlich schrecklich gebärdendes Gör, bei dessen Verhaltensausfällen einem selbst noch vor der Mattscheibe die Fremdscham die Krause hochkrabbelt. Kurzum: Amelia, zu Beginn des Films noch ganz Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs, hat sich in den folgenden neunzig Minuten durch genau einen solchen zu kämpfen - in seinen denkbar schrecklichsten, konsequentesten Auswüchsen sozusagen.
Wenn Horror und Poesie ihre ja genuin sehr enge Verwandtschaft so luzide durchscheinen lassen wie in "The Babadook", dann weiß man, man hat es mit jemandem zu tun, der Film und Genre begriffen hat, zumal das ultimative Grauen sich hierin als genau das identifiziert findet, was es stets war: als eine Spiegelung seelischer Abgründe.

10/10

Jennifer Kent Mutter & Sohn Madness Dämon Australien Adelaide





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