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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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SETTE NOTE IN NERO (Lucio Fulci/I 1977)


Zitat entfällt.

Sette Note In Nero (Die sieben schwarzen Noten) ~ I 1977
Directed By: Lucio Fulci

Die übersinnlich begabte Virginia (Jennifer O'Neill) glaubt, im Zuge einer Vision ein Jahre zuvor geschehenes Verbrechen entdeckt zu haben. Tatsächlich findet sie hinter einer Wand im leerstehenden Landhaus ihres Gatten Francesco (Gianni Garko) die eingemauerte, mittlerweile skelettierte Leiche einer jungen Frau. Mit Virginias ursprünglicher Annahme deckt sich dieser Fund jedoch nicht: In ihrer Vision sieht sie eine alte, sterbende Dame und das Zimmer des Leichenfundes sieht exakt so aus wie in der Gegenwart. Mithilfe des Parapsychologen Luca (Marc Porel) erkennt Virginia nach und nach die Wahrheit: Den vergangenen Mord hat sie lediglich durch Zufall entdeckt, was sie tatsächlich sah, war die Zukunft...

In "Sette Note In Nero" laufen kreative Kräfte zusammen, die Fulcis vorletzten Film vor seinem zweiten Frühling als Splatter-Maestro (danach kam noch der Spätwestern "Sella D'Argento") zu einem, wenn auch vergleichsweise spät entstandenen Hauptwerk des Giallo machen: Sein Team bestand unter anderem aus Dardano Sacchetti (Co-Script), Sergio Salvati (dp) und Fabio Frizzi, dessen unvergessliche, titelgebende "sieben Noten" dem Film einen motivischen Dreh- und Angelpunkt verleihen und ihn ganz nebenbei zu einer wunderbaren Poe-Hommage verhelfen. Ohne den inflationären Gebrauch blutiger Details, wie er bei dem Kollegen Argento bereits Usus war, gelang es Fulci, ein höchst atmosphärisches Werk zu fertigen, dessen Storywendungen, so man bereit ist, deren immanente PSI-Elemente als ihren wesentlichen Bestandteil zu akzeptieren, sich nicht nur schlüssig, sondern darüberhinaus sogar zwingend gestalten. Die überaus sorgfältige Inszenierung in Kombination mit der gekonnten Bildsprache lassen bis ins Detail höchste Könnerschaft erkennen. Einer der schönsten Filme des Regisseurs, dem man, ein kleines, wenngleich völlig verdientes Wunder, just sogar eine gelungene Erstsynchronisation nebst auch sonst durchweg erfreulicher Veröffentlichung zuteil werden ließ. Wiederum ein Schule machendes Beispiel für die überfällige, hiesige Neuentdeckung der alten Meister. Bleibt dringlichst zu hoffen, dass in äquivalenter Form bald noch "Lizard" und "Duckling" nachfolgen.

8/10

Lucio Fulci Toskana Siena Giallo


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LAST EMBRACE (Jonathan Demme/USA 1979)


"A moment of reverence, please."

Last Embrace (Tödliche Umarmung) ~ USA 1979
Directed By: Jonathan Demme

Als bei einer ihm geltenden Mordattacke seine Frau (Sandy McLeod) erschossen wird, bleibt US-Agent Harry Hannan (Roy Scheider) schwer traumatisiert zurück. Nach sieben Jahren in einem Nerven-Sanatorium versucht Hannan, in sein altes Leben zurückzukehren, doch noch immer scheint ihm jemand nach dem Leben zu trachten. Während seine frühere Abteilung in ihrem nach wie vor verstört wirkenden Mitarbeiter ein Sicherheitsrisiko zu sehen beginnt, entdeckt Harry, dass jemand aus dem Hintergrund gezielt jüdischstämmige Männer ermordet, die allesamt etwas mit einem vor Jahrzehnten florierenden New Yorker Bordellbetrieb zu tun haben.

Mit "Last Embrace" inszenierte der vormalige Corman-Eleve Jonathan Demme eine sich durchaus luzide präsentierende Hitchcock-Hommage, wobei Anspruch und Realisierung nicht durchweg eine konforme Richtung einschlagen. Die Narration erweist sich in Relation zum eigentlich einfachen Rache-Plot im Sujetkern als allzu ambitioniert, um nicht zu sagen umständlich. Der zugrunde liegende Roman ist mir zwar nicht bekannt, es liegt jedoch nahe, dass dieser unwesentlich mehr als eine ordinäre Kriminalgeschichte vorlegt, während Demmes Arbeit beinahe zwangsweise den Hauch großangelegten Suspense zu atmen trachtet; die inhaltlichen Irrungen und Wirrungen, die Harry Hannan, seiner Ikonographie entsprechend einen verwirrten Profi, eigentlich nicht so sehr ins Bockshorn jagen dürften, wie es im Film letzten Endes geschieht, bekommen einen reinen Alibi-Charakter. Dennoch ist der Gute auf diverse Hinweise und Hilfen von außen angewiesen, deren Einsatz (Sam Levene!) sich mitunter kaum minder mysteriös gestaltet als die auf ihn abzielende Verschwörung. Die Auflösung des Ganzen schließlich erweist sich als eher alberne, völlig von der Kontemplation des Zuschauers abhängige Offenbarung, die, anders als es etwa bei De Palma der Fall ist, gar nicht recht um ihr triviales Wesen zu wissen scheint.
Ein absoluter Regiefilm also, in dem Form und Inhalt in einiger Unrelation zueinander stehen.

7/10

Jonathan Demme New York Verschwörung ethnics Madness Rache Prostitution Serienmord


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BORGMAN (Alex van Warmerdam/NL, B, DK 2013)


Zitat entfällt.

Borgman ~ NL/B/DK 2013
Directed By: Alex van Warmerdam

Der obdachlose Borgman (Jan Bijvoet) und seine zwei Freunde Ludwig (Alex van Warmerdam) und Pascal (Tom Dewispelaere) werden von einer Gruppe Kleinstädter mit Waffen gejagt und können knapp entkommen. Der Grund für die Hatz bleibt vorerst unklar. In einem luxuriösen Vorstadtviertel verlangt Borgman daraufhin im Hause einer offenbar recht wohlhabenden Familie nach einem Bad. Nachdem Ehemann Richard (Jeroen Perceval) ablehnt, provoziert Borgman ihn und lässt sich von dem Rasenden zusammenschlagen. Gattin Marina (Hadewych Minis) fühlt sich in der Schuld des verletzten Borgman und beherbergt ihn insgeheim im Gartenhäuschen. Marina kann zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, welche Tragweite Borgmans Pläne wirklich haben und mit welcher Entschlossenheit er und seine Verbündeten diese durchzusetzen trachten...

Ein bemerkenswertes Beispiel einerseits für bissige Milieukritik und für trefflich eingefädelte Zuschauermanipulation andererseits. Welche Wirkung "Borgman" hinterlässt, welche Eindrücke er auf seine Rezpientenschaft ausübt, das findet sich wohl so sehr in der politischen, ethischen und auch ästhetischen Determination des seiner jeweilig ansichtigen Individuums verankert, wie im Falle nur weniger anderer Filme, die ich in jüngerer Zeit geschaut habe.
Zunächst mal ist "Borgman" ein neuerliches, hervorragendes Zeugnis davon, welch wunderhübsch fieses, subversives Kino immer wieder in unseren Nachbarländern entsteht. Van Warmerdam fährt eine unerbittliche Frontalattacke gegen Spießertum und bourgeoise Oberflächlickeit; gegen postmoderne Indoktrinationen kapitalistischer Lügenkonstrukte und materiellen Erfolgsstrebens. Richard und Marina sind das inkarnierte Albtraumpaar: Wohlhabend, gelangweilt, gestesst, zivilisationskrank. Für ihn zählt nurmehr der dicke Gehaltscheck zur Bewahrung etablierter Lebensstandards; für sie, von Migräne und Isolationsdepressionen geplagte Familienmutter ohne Lebensmission, der schöne Schein. In ihrem Atelier fabriziert sie nichtssagende, vulgäre Kunst und erniederigt ansonsten das dänische Au-Pair-Mädchen Stine (Sara Hjort Ditlevsen). Hauptleitragende dieser Familienfarce sind erwartungsgemäß die drei Kinder (Elve Lijbaart, Dirkje van der Pijl, Pieter-Bas de Waard), die unter dem sie allseits umgebenden Neurosengeflecht erdrückt zu werden drohen.
Diese Lesart erlaubt es, Borgman und seine Truppe als eine Art "Gesellschafts-Feuerwehr" zu betrachten. Die krankmachenden Elemente werden aus dem Leben der Kinder hinausgemerzt und sie selbst zu Mitgliedern jener (noch) kleinen, vielleicht gerade im Erstarken begriffenen Anarchisten-Schar. Möglicherweise rekrutiert sich das mysteriöse Quintett auch aus Aliens oder zumindest deren Botschaftern; jedenfalls manipulieren sie gern am Rückenmark ihrer Aspiranten herum und verschaffen sich dadurch deren Gefügigkeit. Auch Borgman selbst trägt jedenfalls eine entsprechende Narbe spazieren...
Aller Undurchsichtigkeit und Analysiereinladungen unabhängig ist van Warmerdam mit "Borgman" aber vor allem eine böse Anarcho-Komödie gelungen, wie es wohl seit "Fight Club" keine mehr von solcher Entschlossenheit gab. Der gewaltvoll forcierten Dekonstruktion der Institution 'Familie' und all ihrer Anhängsel beizuwohnen hat mir jedenfalls diebische Freude bereitet und ich war am Ende geradezu erleichtert, dass die vier Kids, Stine inbegriffen, aus ihrer grauenhaften Vorstadthölle extrahiert werden konnten.

10/10

Alex van Warmerdam Niederlande Surrealismus Groteske Satire home invasion


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LA NOCHE DE LOS BRUJOS (Amando de Ossorio/E 1974)


Zitat entfällt.

La Noche De Los Brujos (Woodoo - Inferno des Grauens) ~ E 1974
Directed By: Amando de Ossorio

Eine kleine Forschergruppe reist in den Dschungel von Bumbasa, um dort bedrohte Wildtiere zu studieren. Niemand von ihnen kann ahnen, dass in direkter Nachbarschaft zu ihrem Zeltlager eine frühere Kultstätte der Eingeborenen liegt, wo selbige einst Frauen geopfert und in Vampirinnen verwandelt haben. Die Zauberer von anno dunnemals sind mitnichten tot und kehren ins Leben zurück, um auch die just angereisten Mädchen zu ihren Sklavinnen zu machen.

Das Interessanteste an Amando de Ossorios Film, den er just nach dem dritten Teil seines Templer-Zyklus zubereitete, ist, wie er es schafft, aus einem nichts an Gehalt einen knapp anderthalbstündigen Spielfilm aufzublähen. "La Noche De Los Brujos" geriert sich merklich als Schnellschuss ohne besondere Ambitionen, gestrickt mit der heißen Nadel und gefilmt zwischen Tür und Angel. Das, was uns hier als zentralafrikanisches Areal verkauft wird, könnte ebensogut der Stadtpark von Bad Tupflingen sein; es gibt lediglich drei Schauplatzwechsel und die Spezialeffekte erschöpfen sich in Vampirzähnen, etwas Kunstblut, Trockeneis und einem Dummy mit appem Haupt. Der von den bösen Zauberern praktizierte Voodoo-Kult entpuppt sich als Gemengelage aus allem, was Ossorio gerade einfiel: afrikanische Folklore, Leopardenmenschen, Zombies und Vampire. Die in Untote verwandelten Girls treten urplötzlich allesamt in Buschbikini-Uniform an und hüpfen in Zeitlupe und mit gefletschten Hauern durch die - ziemlich mies - künstlich umnachteten Bilder, sind jedoch eigentlich ganz einfach zu vernichten: man braucht ihnen bloß den Schal wegzunehmen. Die Rolle des "mysteriösen" Tomunga (José Thelman) bleibt genau das: mysteriös und hier und da gibt es ein ausgesucht schönes Paar Brüste zu bewundern. Jack Taylor wird in einem Fixierbad ersäuft und das Ende wurde schamlos bei "The Fearless Vampire Killers" geklaut.
Wenn ich es mir recht überlege, zeugt die Kombination all dessen dann doch von einem höchst illustren Maß an Fantasie.

5/10

Amando de Ossorio Afrika Voodoo Zombies Vampire Europloitation


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NELLA STRETTA MORSA DEL RAGNO (Antonio Margheriti/I, D, F 1970)


Zitat entfällt.

Nella Stretta Morsa Del Ragno (Dracula im Schloss des Schreckens) ~ I/D/F 1970
Directed By: Antonio Margheriti

Der Journalist Alan Foster (Anthony Franciosa) kommt in eine Taverne, um den Schriftsteller Edgar Allan Poe (Klaus Kinski) zu interviewen und platzt mitten in ein Gespräch zwischen Poe und seinem Bekannten Lord Blackwood (Enrico Osterman). Foster erklärt, dass er nicht an Übernatürliches glaube und wettet mit Blackwood, dass er unbeschadet eine Nacht in dessen Spukschloss verbringen könne. Tatsächlich muss sich Foster in den folgenden Stunden nicht nur eines Schlimmeren belehren lassen - diese Nacht in Blackwood Castle wird zugleich die letzte seines irdischen Lebens sein...

Mit "Nella Stretta Morsa Del Ragno", dem man in der deutschen Fassung unsinnigerweise eine Dracula-Konnexion angedichtet hat (wohl, weil es damals schick war und das trademark "Dracula" zu jener Zeit ein flugs einlösbares Versprechen für flotten Billighorror), ist ein Remake in eigener Sache. Margheriti verfilmte nämlich seinen erst sieben Jahre zuvor entstandenen "Danza Macabra" nochmal, wobei dieses "Auffrischung" schon ein wenig im Verdacht verhobener Sinnfälligkeit steht. Margheriti kann eigentlich unmöglich geglaubt haben, seinem Publikum mit "Nella Stretta" etwas besonders Exklusives darzubieten. Die Geschichte wurde faktisch 1:1 übernommen, die sehr anmutige Poesie des Originals jedoch nicht. Stattdessen gibt es diesmal Farbe und Scope und mit Franciosa und Kinski immerhin zwei hervorragende Schauspieler. Dafür muss man wiederum Barbara Steele missen, die ja ein gutes Stück zur Ikonographie von "Danza Macabra" beigetragen hatte. Zumindest sie erhält Michèle Mercier als undead dame in distress kein gleichwertiges Substitut. Den verrückten Professor präsentiert diesmal Peter Carsten, der vortreffliche Score stammt wiederum von Riz Ortolani.
Vergisst man zumindest streckenweise den ja eigentlich zwingenden Vergleich zwischen Alt und Neu findet man aufgrund der vielseitigen Kompetenz dann doch noch einen ganz schönen Film vor, der um diese Zeit sicherlich einen der besseren Margheritis darstellt. Das Schüren von Atmosphäre und Schauerromantik gelingt ihm nämlich doch noch ganz passabel und man schaut somit gern hin. Das ist mehr als die meisten aktuellen Genre-Produktionen von sich behaupten können.

7/10

Antonio Margheriti Remake period piece Edgar Allan Poe Bruno Corbucci Schloss Vampire


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STOKER (CHAN-WOOK PARK/UK, USA 2013)


"Effective for what?" - "To get your attention."

Stoker ~ UK/USA 2013
Directed By: Chan-wook Park

Nach dem Tod ihres geliebten Vaters (Dermot Mulroney) taucht plötzlich dessen langvermisster Bruder Charlie (Matthew Goode) bei der Beerdigung und danach in der rural gelegenen Villa von India (Mia Wasikowska) und ihrer nunmehr verwitweten Mutter Evelyn (Nicole Kidman) auf. Für die eigensinnige India kommt Onkel Charlie einer Mischung aus Uneinschätzbarkeit und heimlicher Bewunerung gleich. Ebenso scheint sich der aparte, junge Mann für sie zu interessieren. Bald jedoch muss India feststellen, dass Onkel Charlie mehr als nur eine dunkle Seite verbirgt - und nicht nur er...

Eine weitere Reverenz-Erweisung an Altmeister Hitchcock; im Speziellen diesmal an dessen persönlichen Lieblingsfilm in eigener Sache - "Shadow Of A Doubt". Allerdings kommt Park, dessen Regiefähigkeiten ich unbehelligt wissen möchte, über ein respektables Maß an Ehrerbietung nicht hinaus. Sein Film bläht sich nämlich mit pompöser Bildsprache so gewaltig auf wie ein Heißluftballon, nur um dann doch wieder bei seinem bodenständigen Kriminalplot zu landen, der, das Vorbild beweist es eindrucksvoll, mit einer intimeren, sehr viel privateren Inszenierung doch wesentlich mehr Geschlossenheit erreicht. Auch, dass die Bezugsebene zwischen Nichte und Onkel - in "Stoker" kennt man sich nicht, weil die psychotischen Auswüchse des Guten bereits seit Jahren aktenkundig sind und Charlie ebenjene in Verwahrung verbracht hat - wird von dort nach hier in mir unbegreiflicher Weise variiert und vermutlich auch verwässert. "Shadow Of A Doubt" bezog eines seiner inneren Hauptspannungsmomente ja gerade aus der Tatsache, dass die Nichte Charlie ihren namensvetterlichen Onkel stets so anhimmelte und eben all die Jahre bloß zu jung war, um den Wolf im Schafspelz auszumachen.
Geschmackssicher nimmt "Stoker" sich ganz sicher aus und er kommt entsprechend schick daher - allerdings bleibt er unter seiner Oberfläche über weite Strecken leer und fad - wie ein wertvoller Gobelin, der kalten Unterputz verbirgt.

5/10

Chan-Wook Park Mutter & Tochter Familie Coming of Age


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HONEYMOON (Leigh Janiak/USA 2014)


"But you're different. You're different."

Honeymoon ~ USA 2014
Directed By: Leigh Janiak

Frisch verheiratet begeben sich Bea (Rose Leslie) und Paul (Harry Treadaway) für ihre Flitterwochen in das Cottage von Beas Eltern, das an einem idyllischen Waldsee liegt. Eines Nachts läuft Bea in den Wald und Paul findet sie dort ohne ihr Nachthemd und wie hypnotisiert. In den nächsten Tagen meint er, immer schwerwiegendere Veränderungen an ihr vorzufinden: Bea kann sich nicht an bestimmte Begebenheiten oder Wörter in ihrer gemeinsamen Vergangenheit erinnern, probt ganze Sätze vor dem Spiegel, wenn sie sich allein wähnt und vermeidet Körperlichkeiten. Ihr Nachthemd findet Paul zerrissen und mit Schleimspuren daran im Wald. Irgend etwas muss mit Bea in der betreffenden Nacht geschehen sein - und zwar nicht bloß somnambules Umhergetappse.

Die Ehe, die große Unbekannte. Man kann sich ja noch so gut kennen, aber erst der Ringtausch scheint eine Lizenz zu beinhalten, sein Inneres vor dem Anderen nach außen zu kehren und diverse Dinge fallen einem nach und nach auf, die vielleicht zuvor in dieser Form undenkbar gewesen wären. "Honeymoon" lässt sich recht umweglos als metaphorisches Konstrukt bezüglich dieser Phänmenologie lesen - das geliebte Wesen verwandelt sich mittelbar nach der Hochzeit in etwas, das man gar nicht mehr so wie vorher lieben kann, geschweige denn möchte. An Zulawskis "Possession", der ja auch eheliche Entfremdung zum Thema hat, erinnert "Honeymoon" hier und da: Auch diesmal gibt es Schleim und Monströses anstelle von besiegelter Zweisamkeit, allerdings in verhaltenerer und etwas weniger mehrdeutiger Form. Einer wirklichen conclusio enthält sich Janiaks Film, wenngleich sich recht gezielte Vermutungen anstellen lassen. Vielmehr geht es ihm um das sachte Anwachsen des Unbehagens, den höchst privaten Schrecken, der einen befällt, wenn das vertraut Geglaubte sich plötzlich als Mysterium erweist.

8/10

Leigh Janiak Ehe Wald Flitterwochen


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L'ANNÉE DERNIÈRE À MARIENBAD (Alain Resnais/F, I 1961)


Zitat entfällt.

L'Année Dernière À Marienbad (Letztes Jahr in Marienbad) ~ F/I 1961
Directed By: Alain Resnais

Eine Frau, A (Delphine Seyrig) und ein Mann, X (Giorgio Albertazzi) begegnen sich in einem mondänen Kurhotel. X versucht, A davon zu überzeugen, dass man sich bereits vor einem Jahr kennen (und auch lieben) gelernt und dass sie ihn nach einer kurzen Romanze dazu angehalten habe, noch über ebendiese Distanz auf sie zu warten. Nun allerdings will A nichts mehr von einer wie auch immer gearteten Bekanntschaft mit X wissen; sie sähe ihn heuer zum ersten Mal.

Resnais' zweiter Langfilm "L'Année Dernière À Marienbad" gibt sich jede Menge Mühe, Kunst zu sein. Narration und Chronologie verschwimmen zusehends, die an Installationen erinnernden Bilder gleichen artifiziellen Arrangements, symbolisch für die unterschiedlichen Versionen der beiden Protagonisten wechseln die Perspektiven häufig aufs Abenteuerlichste, so dass sich in der einen Einstellung noch der berühmte Lustgarten im Hintergrund zeigt und in der anderen eine Furt. Die gezeigten Abläufe folgen, so sich dieses Verb hier überhaupt anbietet, bestenfalls einer Traumlogik; Assoziation, stream of consciousness, Unterbewusstsein, Sublimierung. Vielleicht findet all das im Zuge einer Hypnosesitzung beim Psychiater statt, die eine erlebte Vergewaltigung aufarbeiten soll, möglicherweise auch den sich seiner Schuld unbewussten Täter therapiert. Wenngleich Delphine Seyrig traumhaft schön ist und der mit ihr anscheinend legal verbendelte Sacha Pitoëff als M allein durch seine hohlwangige Physiognomie gepflegten Grusel verbreitet (ein Stück weit ist "Marienbad" nämlich auch Horrorfilm und seine Figuren sind Gespenster), so erweist sich die perfekt komponierte Photographie (Sacha Vierny) als die größte Attraktion des Films. Die in verschiedenen bayrischen Palästen und Schlössern getätigten Aufnahmen zeigen das namenlose Hotel selbst als eine Art schlafenden Organismus, dessen lange Gänge voller Gemälde, feinster Teppiche und Bergen von Stuck es wie ein unendliches Adergeäst durchziehen.
"Marienbad" ist kein im Vorbeigehen zu konsumierender Film, er will eher erfahren denn gesehen werden. Zeit seiner Existenz stößt er Massen von Publikum vor den Kopf und hat bereits in seiner frühesten Aufführungszeit die Leute in Scharen aus dem Kino gejagt. Über solche Filme weiß man heute: Sie sind oft die lohnenwertesten.

9/10

Alain Resnais Alain Robbe-Grillet Volker Schlöndorff Nouvelle Vague Surrealismus period piece


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SUBLIME (Tony Krantz/USA 2007)


"Welcome to the Outback Snakehouse."

Sublime ~ USA 2007
Directed By: Tony Krantz

Aus einer routinierten Darmspiegelung kurz nach seinem 40. Geburtstag wird für den gesetzten Ehemann und Familienvater George ein nicht enden wollender Albtraum: Schwach und am Tropf hängend liegt er in seinem Krankenhauszimmer und erhält die Nachricht, dass man an ihm versehentlich eine andere Operation durchgeführt habe, die zur Reduktion körperlicher Schweißproduktion dient. Aus seinem sich nicht bessernden Zustand heraus versucht George, die Hintergründe dieses "Kunstfehlers" zu klären. Ist er möglicherweise ein zu verschleiernder Fall und darf deswegen nicht das Krankenhaus verlassen? Wer ist sein mysteriöser Pfleger (Lawrence Hilton-Jacobs) und was passiert Furchtbares in dem offiziell stillgelegten Nebenflügel des Hospitals? Soll George möglicherweise für immer zum Scheigen gebracht werden? Realität und verzerrte Wahrnehmung verschwimmen immer mehr, bis George nur einen Ausweg sieht: Die Flucht nach vorn!

Diese DTV-Produktion des kurzlebigen Warner-Genre-Ablegers "Raw Feed" fand ich überraschend gut. Tatsächlich vermag es der Film, sein Publikum im Gefolge des unglückseligen Protagonisten George - sofern unaufgeklärt - über mindestens zwei Drittel seiner Laufzeit im Vagen zu belassen. Ich selbst etwa dachte im Vorhinein, es würde sich um einen Organhandel-Thriller mitsamt unfreiwilligem Spender handeln, wurde dann jedoch eines deutlich Positiveren belehrt. Tatsächlich ist die gleich von der ersten Erzählsekunde an betonte, inhaltliche Komposition überaus ausgeklügelt und sinnhaft, woran sich die Form hervorragend angliedert. Sicherlich schimmern auch hier mehr oder weniger eindeutige Inspirationen und Vorbilder hervor, an Finchers "The Game" erinnert man sich gelegentlich oder hier und da an Tarsems "The Fall". Ein wirklicher Genrefilm ist "Sublime", vielleicht muss man das derart konstatieren: glücklicherweise, nicht. Dafür bekleidet er klare, existenzielle und auch medizinisch-ethische Standpunkte und propagiert an seinem bitteren, aber doch erlösungsbetonten Ende eine der elemetarsten Botschaften der Menschheitsgeschichte: den möglichst ungehinderten Gebrauch des individuellen, freien Willens.

8/10

Tony Krantz DTV Krankenhaus Koma Ehe


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THE WOMAN IN BLACK (James Watkins/UK, CA, S 2012)


"Don't go chasing shadows, Arthur."

The Woman In Black (Die Frau in Schwarz) ~ UK/CA/S 2012
Directed By: James Watkins

Für den Londoner Angestellten Arthur Kipps (Daniel Radcliffe), verwitweter und alleinerziehender Vater eines vierjährigen Jungen (Misha Handley), wird es brenzlig: Seine depressiven Episoden haben ihn schon beinahe seine Anstellung gekostet, als er den Auftrag erhält, den Nachlass einer verstorbenen Dame, Mrs. Drablow, zu sichten, die ihr abgelegenes Haus Eel Marsh mitten im nordenglischen Marschland, in der Nähe des Dörfchens Gifford bewohnte. Mit Ausnahme des offenherzigen Squire Sam Dailey (Ciarán Hinds) begegnen ihm die Einwohner Giffords durchweg mit hohem Misstrauen. Niemand will etwas mit Eel Marsh House zu tun haben oder darüber sprechen. Der Grund dafür wird Arthur bald nur zu einleuchtend: In dem Haus hat sich dereinst Mrs. Drablows Schwester Jennet Humfrye (Liz White) das Leben genommen, nachdem man ihr zunächst ihren Sohn Nathaniel weggenommen hat und dieser dann im Marschland ertrunken ist. Ihr hinterlassener Fluch besagt nun, dass jedesmal, wenn sie als geisterhafte "Frau in Schwarz" jemandem erscheint, eines oder mehrere Kinder sterben müssen. Arthur erfährt diese Weissagung bald am eigenen Leibe, und mehr, als ihm lieb sein kann...

Nach dem im heutigen New York angesiedelten, sehr konventionellen Thriller "The Resident" bildet "The Woman In Black" die nächste Produktion der revitalisierten Hammer; ein in jeder Beziehung hinreißender, vor allem jedoch erlesen fotografierter Gruselfilm im viktorianischen Gewand; sich auf "alte" Tugenden des Genres besinnend, indem er von langen Einstellungen und gemächlichen Kamerafahrten Gebrauch macht und überhaupt sehr geschmackvoll mit seinen vortrefflichen Ingredienzien verfährt. Der auf einem - angesichts seiner in punkto Zeitkolorit blendend getroffenen Atmosphäre - noch erstaunlich jungen Roman (1983) von Susan Hill basierende gothic horror verzichtet dabei bis auf wenige, dafür umso wirkungsvoller eingesetzte Ausnahmen auf modischen Digitalkintopp. Stattdessen gedenkt man der früheren Hammer-Qualitäten: set pieces, Interieurs, Kostüme sind von ausgesuchter Noblesse und Authentizität, die Landschaftsbilder gleichen oftmals den Gemälden zeitgenössischer Romantiker und sogar Daniel Radcliffe als trauriger junger Notarsadlatus in direkter Erbfolge eines Jonathan Harker überzeugt trotz seiner schweren Zauberer-Bürde. Für alle Liebhaber von haunted house movies, besonders von jenen, die in England (oder zumindest in Neu-England) angesiedelt sind, eine unbedingte Pflichtveranstaltung!

9/10

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Filmtagebuch von...

Funxton

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