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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0



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AM TAG ALS DER REGEN KAM (Gerd Oswald/BRD 1959)


"Wennde schon saufen musst, dann kauf' dir wenigstens was Ordentliches."

Am Tag als der Regen kam ~ BRD 1959
Directed By: Gerd Oswald

Westberlin: Der kriminelle Werner Maurer (Mario Adorf) hat eine kleine Gang um sich geschart, die er mit eiserner Hand kontrolliert und mit deren Hilfe er bereits diverse Raubüberfälle gedreht hat. Seinem Vater (Gert Fröbe), einst erfolgreicher Internist, darf wegen eines Kunstfehlers nicht mehr praktizieren und ist nunmehr schwerer Alkoholiker. Für Robert (Christian Wolff), ein Mitglied aus Werners Clique, wird es derweil zu viel: Er hat sich in ein Flüchtlingsmädchen (Corny Collins) aus dem Osten verliebt und will mit ihr ein neues Leben beginnen. Zaghaft vertaut er sich dem Polizisten Thiel (Horst Naumann) an...

Neorealistischer Ausläufer angesiedelt in Westberlin, im Gefolge von anderen Jugendporträts der fünfziger Jahre unter der Produktionsägide von Artur Brauner entstanden, dabei jedoch eines der fesselndsten mir bekannten Exemplare der Gattung. Gerd Oswald stand eine durchweg exzellente Besetzung zur Verfügung, die betont still, methodisch und vor allem ohne zu chargieren aufspielt und für die - nominell Christian Wolff, Elke Sommer, Ernst Jacobi oder Claus Wilcke -, "Am Tag als der Regen kam" vielfach als eines von mehreren Karriere-Sprungbrettern fungierte. Besonders hervorstechend ist dabei Mario Adorf als trauriger Rebellionsverbrecher, dessen Pläne und deren Drumherum weniger Ausdruck von echter, krimineller Energie sind denn vielmehr seine private Replik auf eine öde, verkorkste Jugend in der künftigen Mauerstadt. Gert Fröbe indes stellt einmal mehr unter Beweis, dass er einer der größten deutschsprachigen Schauspieler nicht nur der Stunde, sondern ganz allgemein war und ist. Eine beeindruckende, herzzereißende Leistung in einem analog dazu brillant inszenierten Zeitporträt, das zudem exemplarisch dazu taugt, all jenen, die hinter dem deutschen Kino der Wirtschaftswunderjahre bloßen, kunstbefreiten Eskapismus wähnen, eine ordentliche Lektion zu erteilen.

9/10

Gerd Oswald Berlin Subkultur Vater & Sohn Alkohol Freundschaft Jugend


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GRADUATION DAY (Herb Freed/USA 1981)


"You don't look Irish." - "I'm Lebanese." - "You look Italian." - "You look Lebanese."

Graduation Day ~ USA 1981
Directed By: Herb Freed

Als Laura Ramstead (Ruth Ann Llorens), Sprintstar aus der Leichtathletik-Equipe von Coach Michaels (Christopher George), nach einem siegreichen Lauf an Überanstrengung stirbt, ist die gesamte High School entsetzt, zumal die Abschlussfeier der Seniors kurz bevorsteht. An Lauras Statt soll ihre ältere Halbschwester Anne (Patch Mackenzie), die bei der Navy ist, das Zeugnis entgegennehmen. Doch just mit Annes Ankunft in der Kleinstadt beginnt ein mysteriöser Mörder im Jogging-Anzug, die anderen Mitglieder des Track-Teams zu meucheln...

"Graduation Day" ist einer der vielen Slasher seiner Tage, vordergründig recht unspannend, dafür jedoch durch ein paar besonders obskure Spitzen aus dem Gros der Gattung herausragend. Herb Freed, der später felsenfest behauptete, er habe nicht gewusst, dass er mit seinem Film an irgendeiner "Welle" partizipiert haben solle, leistet sich ein paar bizarre inszenatorische Dreistigkeiten, die seinen Film zu gut zwanzig Minuten Extraredundanz aufplustern - so etwa etliche Füllszenen um die "sportliche" Teenie-Clique (u.a. Linnea Quigley), in denen zumeist ganz wichtig Joints geraucht werden, eine dramaturgisch betrachtet völlig unnütze Reck-Kür in Zeitlupe, und, am Dreistesten, der entsetzlich in die Länge gezogene Auftritt einer enervierenden Band namens Felony mit ihrem "Hit" "Gangster Rock", der gegen zwei aufeinander folgende Morde des Killers geschnitten wird und zu dem permanent irgendwelche Partykids mir Rollschuhen im Kreis um die Bühne fahren.
Interessant für Genre-Historiker wird "Graduation Day" ergo infolge seiner paradoxen Erscheinung, durch seine schöne Besetzung (neben George und Quigley treten Michael Pataki und Carmen Argenziano ins Feld, die sich unter anderem o.a., schnittigen Dialog liefern) und schließlich seinen ziemlich unikalen Humor. So dieser denn freiwillig intendiert war, wovon ich jetzt einfach mal ausgehe.

5/10

Herb Freed Schule Slasher Splatter Independent Serienmord Leichtathletik Marihuana


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V/H/S: VIRAL (Justin Benson, Gregg Bishop, Todd Lincoln, Aaron Moorhead, Marcel Sarmiento, Nacho Vigalondo/USA 2014)


"Why didn't you tell me?"

V/H/S: Viral ~ USA 2014
Directed By: Justin Benson/Gregg Lincoln/Aaron Moorhead/Marcel Sarmiento/Nacho Vigalondo

Ein junger Mann (Garrett Bales), der beinahe zwanghaft alles auf Video aufnimmt, hetzt einer Verfolgungsjagd hinterher, um das gefilmte Material später online stellen zu können. Seine Hatz quer durch die Nachbarschaft führt ihn schließlich zu einem ausgetrockneten Abwasserkanal und einer schrecklichen Erkenntnis. / Der Zauberer Dante (Justin Welborn) hat durch den originalen Mantel des großen Entfesselungskünstlers Harry Houdini selbst magische Fähigkeiten errungen. Doch der Mantel fordert seinen blutigen Tribut. / Dem Wissenschaftler Alfonso (Gustavo Salmeron) ist es gelungen, mittels einer selbstkonstruierten Maschine ein Tor in eine Spiegelwelt zu schlagen. Durch dessen Pforte erscheint sein Gegenstück (Gustavo Salmeron). Die beiden Alfonsos tauschen für fünfzehn Minuten ihre Rollen und entdecken jeweils "Ungewohntes". / Eine Gruppe jugendlicher kalifornischer Skater (Nick Blanco, Chase Newton, Shane Bradey) macht sich am "Día de los Muertos" aus Langeweile kurzerhand auf nach Tijuana, um dort herauszufinden, was es mit einem berüchtigten Tunnel auf sich hat. Vor Ort angekommen stoßen sie auf eine Gruppe satanischer Kultisten, die offenbar die Ankunft eines Dämons vorbereiten und die Jungs attackieren. Diese jedoch zeigen sich - zunächst - wehrhaft. / Eine mysteriöse Schönheit (Jayden Robinson) heiratet ein Monster im Zuge einer bizarren Zeremonie.

Dieser jüngste Beitrag soll also die "V/H/S"-Reihe beenden. Der allgemeine Tenor, besonders das einhellige Echo der vernichtenden Fanstimmen auf der imdb, zerreißt "Viral" in der Luft und betont mit schöner Regelmäßigkeit, wie gewaltig er doch im Vergleich zu den ersten beiden Filmen abfiele. Nun, diesen Tiraden möchte ich mich nicht anschließen, wenngleich die offensichtlichen Kritikpunkte, die "Viral" en gros feilbietet, es sicher vereinfachen, dem Projekt ein großflächiges Versagen zu bescheinigen. Jene detailliert aufzuzählen, wäre mir an dieser Stelle zu müßig; nur soviel: Die embedded-Filming-Struktur, die ja bereits grundsätzliche, dramaturgische Probleme in Schnitt und/oder Zeitmanagement beinhaltet, wird hier noch großzügiger ausgelegt als ohnehin schon. Immer wieder kommt es zu wie aus dem Nichts erscheinenden, objektiven Behelfseinstellungen und das zunächst aus dem Film verbannte Finalsegment "Gorgeous Vortex" offenbart sich schließlich als reines "extra", das weder bezüglich seiner exaltiert-avantgardistischen Form noch hinsichtlich seines surrealen Inhalts zum Rest aufschließt und somit gewissermaßen zu Recht herausgeflogen ist.
Die anderen drei Episoden nebst Rahmenhandlung (und zwei kleinen Einschüben) beinhalten indes mehr oder weniger klassischen Genrestoff in leicht aufgefrischten Varianzen, wie sie in ähnlicher Form auch in jeder anderen Genre-Anthologie hätten vorkommen können und die hier und da mit einigen schönen Ideen auftrumpfen. Einen knalligen Rundumhammer wie die Episode "Safe Haven" aus "V/H/S/2" darf man beim Trilogie-Abschluss jedoch ebensowenig erwarten wie anderweitige, etwaige Innovationen. Ja, "V/H/S: Viral" vermag das Niveau der Vorgänger nicht aufrecht zu erhalten, er ist aber ganz gewiss auch nicht die "katastrophale Zeitverschwendung", als die er gern durch den Dreck gezogen wird.

5/10

Sequel Justin Benson Gregg Bishop Todd Lincoln Aaron Moorhead Marcel Sarmiento Nacho Vigalondo Episodenfilm embedded filming Sekte Parallelwelt Magie Monster found footage Satanismus


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EXODUS: GODS AND KINGS (Ridley Scott/USA, UK, E 2014)


"Who are you?" - "I am."

Exodus: Gods And Kings (Exodus: Götter und Könige) ~ USA/UK/E 2014
Directed By: Ridley Scott

Ägypten, vor 3300 Jahren: Nachdem der alte Pharao Seti (John Turturro) das Zeitliche gesegnet hat, übernimmt sein Sohn Ramses (Joel Edgerton) die Regentschaft. Setis Ziehsohn Moses (Christian Bale), den der Verblichene lieber als seinen Nachfolger gesehen hätte, erfährt indes von dem alten Nun (Ben Kingsley), dass er, anders als er zeitlebens geglaubt hat, kein Ägypter ist, sondern ein Waisenkind aus den Reihen der versklavten Herbräer. Ramses verbannt Moses daraufhin kurzerhand aus seinem Reich. Jenseits der Grenzen findet der Verstoßene eine Frau (María Valverde) und erhält seine göttliche Bestimmung. Er soll zurück nach Ägypten gehen und sein Volk in die Freiheit führen. Da der Pharao sich zunächst quer stellt und jede von Moses' überbrachten Forderungen mit noch drakonischerer Behandlung der Hebräer beantwortet, lässt Gott zehn Plagen auf die Ägypter herab. Ramses lässt die Hebräer ziehen, will die Schmach jedoch nicht auf sich sitzen lassen. Moses' Flucht durch das geteilte Rote Meer endet für die ihn unerbittlich verfolgenden Ägypter in einer letzten Katastrophe.

Gewidmet seinem Bruder Tony, der sich ob dessen möglicherweise im Grabe umdreht: In seiner vierten, sich historischen Monumentalwerks annehmender Arbeit (sein großes Debüt "The Duellists" sowie "1492: Conquest Of Paradise" außen vorgelassen), wird Ridley Scott nun also auch noch biblisch. Auch, wenn "Exodus: Gods And Kings", soviel gleich vorweg, DeMilles "The Ten Commandments" in keiner Weise das Wasser reichen kann, so verbindet ihn mit diesem doch vor allem eines: Die Geschichte des Exodus der Hebräer aus Ägypten ist und bleibt purster Bibel-Camp, egal, wie seriös auch der Ansatz sein mag, den ganzen Schmarren möglichst authentisch und vielleicht auch hier und da noch mit physikalischen Erklärungsansätzen für die eine oder andere Plage aufzupeppen. "Gladiator" war ein kraftvoller Actionfilm, "Kingdom Of Heaven" und "Robin Hood" markierten zumindest historisch interessantes Schau-Kino. "Exodus" nun muss jedwede Attribuierungen dieser Art leider entbehren; er erzählt schlicht einen unsympathischen Bibelabschnitt rund um unsympathische Leute. Und wie arrangiert er dies? Folgerichtig auf unsympathische Weise. Christian Bale als zottiger Stammesführer ist noch okay, ein paar Altstars wie Kingsley oder Sigourney Weaver sind immerhin schickes Beiwerk. Eine chargierende Krampe wie Joel Edgerton jedoch ausgerechnet als den hybrischen Ramses zu besetzen, wo doch jeder noch Yul Brynner im Kopf hat, das ist eine von mehreren Todsünden, auf die Scott aus welchen Gründen auch immer, nicht verzichten mochte. Weitere sind der augenscheinliche Verzicht auf Pomp und Pracht: Wo bei DeMille in VistaVision alles golden glänzte, Massen von Statisten dirigiert wurden, die Spezialeffektkunst einen neuen Zenit erreichte und der Himmel über Ägypten knallig blau leuchtete, da ist es bei Scott bloß permanent bewölkt und versandet. Noch nichtmal schön (im Sinne von: ästhetisch) anzuschauen ist sein Film. Immerhin: Dass der Nil sich blutrot färbt, weil Monsterkrokodile auf alles losgehen, was darin kreucht und fleucht (nebst ganzen Schiffsbesatzungen) ist eine urkomische Interpretation, dass Ewen Bremner (Spud aus "Trainspotting") als geschwätziger Frühwissenschaftler dem Pharao auf die Nüsse geht und dann hingerichtet wird, ein seltsam eklektisch-witziges Element. Na ja, und ich gebe zu, dass ich mich allen obigen Gejammers zum Trotze vortrefflich unterhalten habe. Es passiert eben viel in dieser Antik-Soap. Nur ernstnehmen kann man Scotts Jüngsten bei aller (aufrichtigen) Liebe zu dem immer häufiger taumelnden Altmeister leider überhaupt nicht.
Der Gute wird auf seine alten Jahre noch zum ausgewiesenen Zelluloid-Käser. Aber da steht er ja nicht allein.
Immerhin noch eine Hauch weniger albern als "Noah".

6/10

Ridley Scott Bibel Israel Ägypten Camp period piece


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DER KNOCHENMANN (Wolfgang Murnberger/AUT 2009)


"Des is moi Privatsach'. Gehen's jetzt."

Der Knochenmann ~ AUT 2009
Directed By: Wolfgang Murnberger

Brenner (Josef Hader), durch Bertis (Simon Schwarz) Hilfe nunmehr tätig als Inkasso-Beauftragter für eine Auto-Leasing-Firma, soll in der Provinz einen gewissen Alexander Horvath ausfindig machen, der die letzten Raten für seinen Beetle nicht bezahlt hat. Im Wirtshaus "Löschenhof", das von dem freundlichen, aber bärbeißigen Wirt Löschenkohl (Josef Bierbichler) betrieben wird, endet die Spur betreffs Horvath zwar abrupt, dafür ergeben sich jedoch neue Fährten. Löschenkohls Sohn Pauli (Christoph Luser), der seinem Vater eifersüchtig das Gasthaus streitig macht, will unbedingt herausfinden, wohin immer wieder große Beträge vom Hauskonto verschwinden. Brenner verkuckt sich derweil in Paulis Frau Birgit (Birgit Minichmayr) und soll dem alten Löschenkohl urplötzlich helfen, die Zwangsprostituierte Valeria (Dorka Gryllus) über die slowakische Grenze nach Österreich zu schaffen. Den Alten umwittern derweil noch sehr viel dunklere Geheimnisse...

Mit "Der Knochenmann", dem dritten Teil der just zur Tetralogie angewachsenen Kino-Reihe um den Privatschnüffler Brenner, erreicht die Reihe ihren bisherigen Höhepunkt. Wo bereits "Silentium!" einen recht heftigen Kurswechsel aufzeigte, indem er sich in Auslegung und Gestus deutlich derber gestaltete als der Erstling "Komm, süßer Tod", wirkt "Der Knochenmann" nochmal eine Spur bitterböser. Hier nämlich ist es, wie der abermals phantastische Off-Kommentator bereits vorab versichert, die Liebe, in all ihren manchmal unfairen, furchtbaren Ausprägungen, die jener tiefschwarzen Geschichte Zucker gibt. Alle lieben sie oder haben Sehnsucht; der Brenner, der alte Löschenkohl, sein Sohn, dessen Frau, die arme Valeria (bezaubernd tragisch: Dorka Gryllus), der Alexander Horvath und sogar der Berti, der es irgendwie gar nicht fassen kann. Doch es gibt nichts umsonst im verschneiten, österreichischen Grenzgebiet: Um seine Angebete aus dem slowakischen Puff herausholen zu können, wird Löschenkohl Senior (Bierbichler erinnerte mich, wie überhaupt die gesamte Koloratur des Films, ein bisschen an seine Rolle in und gemeinhin an Tykwers eisigen "Winterschläfer") zum unaufhaltsamen, hackebeilschwingenden Serienmörder, den eine Leiche mehr oder weniger kaum schert, nicht allein, weil er die Grenze einmal überschritten hat, sondern fürderhin aufgrund seiner formidablen "Entsorgungsmöglichkeiten" (welche er, mahnt ahnt es, wohl noch weiter perfektionieren würde, käme ihm der Brenner nicht irgendwann drauf).
Bierbichler präsentiert sich hier als entfernter, österreichischer Verwandter der texanischen Sawyers, der nicht nur seine Knochenmühle auf Dauerbetrieb hält, sondern dem Brenner zwischendurch auch mal ein zartes Zuhälter-Gulasch serviert, das dieser genüssich vertilgt. Komm, böser Tod!

10/10

Wolfgang Murnberger Wolf Haas Brenner Wien Hotel Prostitution Slowakei Bratislava Vater & Sohn Österreich


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SILENTIUM! (Wolfgang Murnberger/AUT 2004)


"Vergiss' es, Brenner. Wir sind hier in Salzburg."

Silentium! ~ AUT 2004
Directed By: Wolfgang Murnberger

Brenner (Josef Harder) arbeitet als Kaufhausdetektiv in Salzburg, doch nicht für lang. Gottfried Dornhelm (Peter Streimel Weger), der Schwiegersohn des Präsidenten (Udo Samel) der Opern-Festspiele, hat sich nämlich umgebracht. Ausgerechnet, nachdem er kurz zuvor den hiesigen Erzbischof (Franz X. Schuch) bezichtigt hat, sich vor Jahren an den Schülern des Jungeninternats "Mariana" vergangen zu haben, so auch an ihm selbst. Dornhelms Witwe Konstanze (Maria Köstlinger) glaubt indes nicht an Selbstmord und engagiert Brenner, sich einmal genauer im Mariana umzusehen. Nachdem ihm ein Kreuz auf den Kopf gefallen ist, trifft Brenner seinen alten Kumpel Berti (Simon Schwarz) wieder und stößt gemeinsam mit ihm auf eine Schweinerei nach der anderen, in die Hochkultur und Klerus gleichermaßen involviert sind...

Mit etlichen charmanten Querverweisen an eherne Klassiker wie Polanskis "Chinatown" oder Hitchcocks "North By Northwest" bestückt, toppt der zweite Brenner-Film seinen Vorgänger noch. Allerdings ist auch das Thema um vergangene Missbrauchsfälle im Kirchenrahmen, die die erst ein paar Jahre später die Medien flutenden Anklagen realer Opfer vorwegnahmen, ein heißes Eisen, ebenso wie der sich zum "Retter der Kirche" aufspielende Präfekt Fitz (Joachim Król), der seine Prostitutionsaktivitäten mit seiner göttlichen Rettungsmission rechtfertigt. Der Humor ist nochmal deutlich schwärzer, bitterer, sarkastischer und vor allem geschmacksentgleister als in "Komm, süßer Tod": Wenn etwa Jürgen Tarrach sich als feister Startenor von einer gehemmten, jungen Zwangsprostituierten in den Mund pinkeln lässt ("Jungfrauensekt ist wie Schmieröl für meine Stimmbänder!"), dann geben Lachen und Empörung sich exemplarisch für den gesamten Film die Klinke in die Hand. Herbert Fux und Christoph Schlingensief haben erstklassige Gastauftritte und der Brenner, der sich zu Beginn der 'whole bloody affair' eine WG mit einem ausgestiegenen Ex-Nazi teilt, der später einen üblen Heldentod zu sterben hat, wächst einem nochmal mehr ans Herz. Super.

9/10

Wolfgang Murnberger Wolf Haas Salzburg Kirche Internat Prostitution Pädophilie Menschenhandel Rache Österreich


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KOMM, SÜSSER TOD (Wolfgang Murnberger/AUT 2000)


"Ich will lieber nicht nochmal gerettet werden."

Komm, süßer Tod ~ AUT 2000
Directed By: Wolfgang Murnberger

Der Wiener Ex-Polizist Simon Brenner (Josef Hader) liebt Joints, Bourbon und Jimi Hendrix' Gitarrensoli. Seit er bei der Polizei, der er zu Dienstzeiten stets ein Dorn im Auge war, entlassen wurde, hält er sich mit allem über Wasser, was schnelles Geld bringt, nebenberuflich auch als Prtivatdetektiv. Gegenwärtig arbeitet er als Rettungssanitäter auf Probe bei den "Kreuzrettern", einem privaten Krankentransportdienst, der in starker Konkurrenz zum deutlich straffer organisierten "Rettungsbund" steht. Gemeinsam mit dem Zivi Berti (Simon Schwarz) und der leichtlebigen Angelika (Nina Proll) stößt Brenner auf einen seltsamen Doppelmord an zwei Kollegen vom Rettungsbund, dem fast umgehend ein weiterer Mord an dem ebenfalls bei den Kreuzrettern beschäftigten "Piefke" Gross (Bernd Michael Lade) folgt. Während Brenner die Hauptakteure hinter den Gewaltakten zunächst beim Konkurrenzunternehmen vermutet, sitzt der tatsächliche Feind in den "eigenen Reihen".

Wenn es heißt: "Jetzt ist schon wieder was passiert...", dann wissen glückliche Priviligierte bereits qualitätssiegelgleich, wohin die Reise geht. Der Wahlwiener Wolf Haas hat sechs Brenner-Romane verfasst, von denen bislang vier verfilmt wurden. Die eigentümlichen Kriminalfälle des kiffenden Privatdetektivs, in die selbiger stets durch bizarre Zufälle hineinstolpert und sich regelmäßig durch persönliche Berührungspunkte stark involviert findet, werden von einer auktorialen Erzählstimme mit herzlicher Lakonie kommentiert. Ich habe leider noch keines der Bücher gelesen, man vernimmt jedoch allerorten, dass die Adaptionen überaus kongenial ausfallen sollen, was angesichts der sich von Film zu Film steigernden Qualität große Lust zumindest auf die bis dato unverfilmten Werke macht.
Brenner ist ein Typ, den man lieben muss. In sich vereint er Elemente des slackenden Althippies, des bauernschlauen Kleinschnüfflers und des wehrhaften hardboiled-P.I. klassischen Zuschnitts. Er mäandert eher durch seinen Alltag, nachdem er infolge fast zweier Jahrzehnte im Staatsdienst uniformlos durch Österreich streift und, diametral zu seinem sicherlich vorhandenen Intelligenzpotenzial, eigentlich gar kein echtes Interesse daran hat, sich zum gesellschaftlich anerkannten Erfolgsmenschen zu mausern. Dann doch lieber ein Tütchen und ein Fläschchen Bier dazu. Dass seine meist auf unfällige Art und Weise zustande kommenden Aufträge ihn immer wieder auch vor tiefe soziale Abgründe führen, gehört zum gut-bösen Ton der ihn umkreisenden Storys.
In "Komm, süßer Tod" ist es das privatisierte Rettungswesen, das als obszöne Wucherung kapitalistischer Pervertiertheit längst zu extrem unlauteren Mitteln greifen muss, um angesichts starker Konkurrenz zu bestehen. Dass Brenners Chef (Michael Schönborn), den als Nachfolger seines Vaters alle nur als "Junior" bezeichnen, längst nicht nur ein arroganter Stöpsel ist, sondern über seine kriminellen Umtriebe hinaus auch noch wahnsinnig, stimmt einen nicht eben zuversichtlich angesichts der nächsten bevorstehenden Fahrt im KTW. Vielleicht jedoch wird man dann auch an den Brenner denken und, Dialyse hin oder her, wohlweislich schmunzeln.

8/10

Wolfgang Murnberger Wolf Haas Österreich Wien Rettungsdienst Brenner


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L'UMANOIDE (Aldo Lado/I 1979)


"Golob go. Bar-bra... my friend." - "Now I know there's hope."

L'Umanoide (Kampf um die 5. Galaxis) ~ I 1979
Directed By: Aldo Lado

In ferner Zukunft: Der böse Lord Graal (Ivan Rassimov) befreit sich aus seinem Weltraum-Gefängnis und nimmt Kurs zur Erde, die in Äonen den Namen 'Metropolis' trägt. Dort regiert Graals Bruder (Massimo Serato) mit gütiger und gerechter Hand; etwas, was der Lord auf den Tod nicht erträgt. Darum will er Metropolis erobern. Ihm zur Seite stehen die laszive Lady Agatha (Barbara Bach) und der diabolische Dr. Kraspin (Arthur Kennedy). Letzterer hat eine Maschine erfunden, mit der man Menschen zu willenlosen, dafür jedoch superstarken und unbesiegbaren Zombies - Humanoiden - umformen kann. Erstes Opfer jener Maschine wird der freundliche, aber riesige Raumfahrer Golob (Richard Kiel). Die hübsche Barbara Gibson (Corinne Clery), ihr kleiner, geheimnisvoller Schüler Tom Tom (Marco Yeh) und der tapfere Nick (Leonard Mann) erreichen es jedoch, Golob zu überreden, ein nettes Monster zu werden und ihnen beim Kampf gegen Graal zu helfen.

Yikes! Hier haben die Italos sich in ihrem liebenswerten Plagiierungswahn, der zur Zeit der Spätsiebziger bekanntlich in schönster Blüte stand, nach Luigi Cozzis "Starcrash" gleich nochmal vorgeknommen, den Lucas zu hauen und entsprechend halluzinogenes Wurstbrät aus dem Wolf gezogen. Man muss sich das einmal vergegenwärtigen: Eine mit heißester Nadel gestrickte, gnadenlos zusammengeklaute SciFi-Geschichte, teils peinlichst geklöppelte Plastikminiatureffekte, gleich drei Stars aus den letzten beiden (nebenbei supererfolgreichen) Bond-Filmen, ein abgeschobener, tattriger Hollywood-Suff-Senior, dazu die Italo-Grandseigneurs Rassimov und Serato; ein obskurer, chinesischstämmiger Kinderdarsteller im Judodress als heimlicher Superheld (der bei Bedarf zwei Lichtpfeile abschießende Mumienengel aus dem Orkus herbeirufen kann) und Kip, der Robohund. Richard Kiel als Titelheld, die Wüste Negev als Außendrehort. Hinter der Kamera unter anderem Lado, Castellari, Margheriti, De Rossi und Morricone mit seinem mutmaßlich miesesten Film-Score. Dass all das in Kombination nichts anderes als hinhauen muss, steht außer Frage. "L'Umanoide" ist ein buchstäblich unglaublicher Streifen, der in seinem kompromisslosen Selbstverständnis vortrefflich dazu taugt, Zeitgenossen, die glauben, sie könnte nichts mehr erschüttern, mit offenem Mund zurückzulassen. Als Kind habe ich Lados Film geliebt und jetzt weiß ich auch wieder, warum: Es bedarf eines allem aufgeschlossenen, kindlichen Weltverständnisses ohne die ewigen, misstrauischen Hinterfragungszwänge des Wachstums und vor allem gesegnet mit der unwiederbringlichen Fähigkeit, alles widerspruchslos hinzunehmen. In dessen güldenem Besitz kann man sich in "L'Umanoide" noch bedingungslos hineinfallen lassen oder es als Erwachsener zumindest gerinfgfügig reaktivieren. Gestern habe ich mich manchmal wieder gefühlt wie ein Sechsjähriger. Dass da ein paar italienische Schlitzohren versuchten, mit lauwarmer Käsepizza 'ne schnelle Lira zu machen, war mir indes egal.
Ein dreifach' Hoch auf Golob, Kip und Tom Tom!

6/10

Aldo Lado Enzo G. Castellari Antonio Margheriti Zukunft Trash Europloitation mad scientist


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LET US PREY (Brian O'Malley/UK, IE 2014)


"You know who I am. You always knew."

Let Us Prey ~ UK/IE 2014
Directed By: Brian O'Malley

Rachel (Pollyanna McIntosh) begeht just ihre erste Schicht auf einem kleinen Polizeirevier eines schottischen Provinzstädtchens. Nach und nach füllen sich die Zellen des anhängenden Gefängnisses: Der ständig seine Frau verprügelnde Lehrer Beswick (Jonathan Watson) sitzt bereits; der delinquente Jugendliche Caesar (Brian Vernel) hat in Rachels Beisein einen Mann (Liam Cunningham) überfahren, der zunächst verschwindet und kurze Zeit später aufgegriffen wird. Als er den ihn untersuchenden Amtsarzt Hume (Niall Greig Fulton) verbal provoziert, dreht dieser durch und attackiert den Fremden. Rasch wird Rachel klar: Der geheimnisvolle Fremde weiß deutlich mehr als er sagt, nicht nur über seine Zellennachbarn, auch über die drei weiteren Cops. Um Mitternacht soll die finale Wahrheit ans Licht kommen...

"Let Us Prey" ist gewiss kein überraschender Film. Sein zeigefreudiger Härtegrad ist beträchtlich, entspricht allerdings dem gegenwärtigen Standard. Die Inszenierung ist sauber, jedoch ohne Risikofreude. Der Plot schließlich erfüllt ebenfalls wohlfeile Antizipation. Somit wäre daraus auch kein wirklich sensationelles Geheimnis zu drehen: "Pleased to meet you, hope you guess my name."
Diesmal ist also der charismatische Liam Cunningham, renommiert durch diverse Auftritte bei seinem Spezi Neil Marshall und natürlich in "Game Of Thrones", der Gehörnte - allerdings ohne Hörner oder Hufe.
Der Fremde kommt immer dann herbei, wenn es unbeschreibliche Gräueltaten zu sühnen gibt, derer kein irdisches Gericht mehr Herr werden kann. Die erbeuteten Seelen gehen schließlich ins Inferno ein, wo sie die höllische Population auffüllen werden. In den paar Stunden erzählter Zeit von "Let Us Prey" führt man uns gleich einen ganzen Pulk mieser Drecksäcke, Sadisten, Irrer, Religionsfanatiker, reueloser, promisker Schweinehunde vor. Von denen hat es unter Garantie jeder verdient, des Satans fette Beute zu werden und so geht der Herr der Unterwelt am Ende mitsamt seiner Rabenschar und einer neu hinzugewonnenen Konkubiene und Sympathisantin von hinnen. Es ist ein dreckiger Job, aber einer muss ihn machen.
"Let Us Prey", der just davon berichtet, braucht man sich allerdings nur dann anzuschauen, wenn man es wahlweise schön deftig mag, auf britische bzw. irische Genreware steht oder gern der wundervollen Pollyanna McIntosh bei der Arbeit zuschaut. Für mich waren das drei Gründe, und immerhin gute.

7/10

Brian OMalley Kleinstadt Satan Madness Serienmord Schottland Splatter Nacht





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Funxton

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