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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0



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THE KING AND I (Walter Lang/USA 1956)


"Death is not worse pain than an empty life."

The King And I (Der König und ich) ~ USA 1956
Directed By: Walter Lang

Im Jahre 1861 kommt die britische Lehrerin Anna Leonowens (Deborah Kerr) an den Hof des Königs von Siam (Yul Brynner), um dessen Kinderschar die abendländische Kultur näher zu bringen. Doch auch der König selbst benimmt sich in vielerlei Hinsicht wie ein unreifes Kind, lebt seine Egomanie und Mysoginie, obschon sich hinter seinem oberflächlichen Getue ein eigentlich liebenswerter Mensch verbirgt, den es Anna im Laufe der Zeit sogar herauszuschälen gelingt.

Diese Kino-Adaption von Walter Lang ist die berühmteste der Biographie Anna Leonowens durch Margaret Langdon und des sich später anhängenden Broadway-Musicals von Rodgers und Hammerstein. Bereits zehn Jahre zuvor hatte es eine (unmusikalische) Variation von John Cromwell gegeben, die bislang letzte kam 1999 von Andy Tennant - wiederum ohne Songs und Tanz. Die Rolle des Königs Mongkut bildete Yul Brynners Karrierestamm und verfolgte ihn von 1951, als er den Part erstmalig auf der Bühne gab, über die vorliegende Verfilmung, für die Brynner den Oscar erhielt, eine kurzlebige TV-Sitcom von 1972 bis hin zu zahlreichen weiteren Bühneninszenierungen, von der er die letzte 1985, vier Monate vor seinem Krebstod, durch seine unnachahmliche Performance bereicherte. Über 34 Jahre hinweg prägte Brynner somit jenen fiktionalisierten König Mongkut, doppelt so lang, wie der reale Monarch dereinst auf dem Thron saß.
Wie verwachsen Brynner mit seiner Leibrolle war, lässt sich an diesem bunten, sämtliche schönen und campigen Attribute von Hollywood-Musicals in sich vereinenden Leinwandstück ablesen. Der sonst häufig so ernste, mimisch wie gestisch eher karg auftretende Darsteller bringt hierin einen Mut zu Humor und offener Theatralik auf, die sich nur als Kompensation für seine sonstige Arbeit interpretieren lässt. Er lacht und singt, schwitzt und springt. Deborah Kerr, wenngleich liebenswert wie je und natürlich das eigentliche figurale Zentrum des Films, muss dagegen beinahe zwangsläufig verblassen. Was von "The King And I" in dieser Fassung bleibt, ist vor allem ihr verlockend zuckriger, bunter Kitsch in Scope und ihre untadelige, progressive Botschaft an all die echten und falschen Monarchen der Welt. Et cetera, et cetera, et cetera.

8/10

Walter Lang Rodgers & Hammerstein Thailand Bangkok period piece Freundschaft Musik Erwachsenenmärchen Historie


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GOING MY WAY (Leo McCarey/USA 1944)


"I'm going to sleep well tonight."

Going My Way (Der Weg zum Glück) ~ USA 1944
Directed By: Leo McCarey

Der etwas unkonventionell arbeitende Pfarrer Chuck O'Malley (Bing Crosby) kommt in die New Yorker Pfarrei 'St. Dominic', um dort seinen alternden Kollegen Fitzgibbon (Barry Fitzgerald) als 'Kurator' zu unterstützen. Fitzgibbon lässt sich merklich ungern in die althergebrachten Karten pfuschen und reagiert anfangs etwas beleidigt auf O'Malleys Methoden, die unter anderem die Verkupplung einer jungen Ausreißerin (Jean Heather) mit dem Banker-Sohn Haines Jr. (James Brown) sowie die Installation eines Chors für die zumeist auf der Straße herumhängenden Jungen des Viertels beinhalten. Schließlich werden aus den beiden Männern jedoch gute Freunde, bis O'Malley, der sich als eine Art "Feuerwehr"-Geistlicher entpuppt, vom Bischoff zu seinem nächsten Auftrag abberufen wird.

McCareys unter der Last der Jahre doch recht betulich wirkender Film, der für Bing Crosby eine veritable Heldenrolle stiftete, ist so brav und schmerzlos, dass es schon fast wehtut. "Going My way" zeichnet auf die denkbar bravste Weise den Weg eines verständigen Kirchenmannes nach, der mit Strohhut auf dem Kopf zu Werke geht und Musik als das Allheilmittel für jedwedes Böse in der Welt kultiviert. Ob er dabei Kinderlieder oder das "Ave Maria" trällert, ist nebensächlich; Jedwedes wird mit derselben anmutigen Inbrunst vorgetragen. Der Charakterisierungs-Kniff liegt darin, O'Malley als vormaligen Lebemann zu präsentieren, der die Priesterweihen erst recht spät angenommen hat und der daher deutlich mehr Praktiker ist als viele seiner eher angestaubten, prmanent mit dem Katechismus wedelnden Amtsgenossen. Sein größtes Verdienst liegt schließlich darin, den dickköpfigen Fitzgibbon "weichzuklopfen" und ihm neue Energie zuzuschustern.
Als weicher Film, der ganz nebenbei auch ein bisschen für das (als selbstverständlich formulierte) militärische Engagement junger Männer in Übersee wirbt, war "Going My Way" nebenbei der große Oscar-Gewinner seines Jahres.

6/10

Leo McCarey New York Kirche Freundschaft Best Picture Musik


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KINDERARZT DR. FRÖHLICH (Kurt Nachmann/BRD 1972)


"Ich verlange Dr. Sssss!"

Kinderarzt Dr. Fröhlich ~ BRD 1972
Directed By: Kurt Nachmann

Sein erster Arbeitstag endet für den frisch examinierten Mediziner Dr. Fröhlich (Roy Black) frustrierend: In der Klinik seines künftigen Schwiegervaters (Heinrich Schweiger) haben nämlich weder die Patienten noch das Personal etwas zu lachen. Also erstmal raus aus der Stadt. Da kommt Fröhlichs Studienkollege Hansi Bichler (Hansi Kraus) mit seinen Nöten gerade recht: Er soll die Praxis seines Onkels (Kurt Nachmann) im bayrischen Kuhdorf Sonnberg übernehmen, hat jedoch nur studentische Flausen im Kopf und daher nichts an entsprechender Kompetenz vorzuweisen. So reist Dr. Fröhlich als kurzfristiger Stellvertreter Hansis gen Alpen und wird vor Ort mit allerlei Verwechslungsgarn und spinnerten Dorfbewohnern, aber immerhin auch mit der großen Liebe konfrontiert.

Wäre die typisch anarchische Form, die die Lisa-Produktionen dieser Jahre im Regelfalle aufweisen, nicht, man wäre glatt versucht, einen Schmalztopf unterm Fernseher zu platzieren, um die infolge von Roy Blacks öligen Auftritten freiwerdenden Rohstoffe zwecks kulinarischer Weiterverwendung aufzufangen. Wenn der König des Schmierschlagers in der Kirche zum Dorfe schmetternd das 'Ave Maria' intoniert und dazu die Ikonen katholischer Frömmigkeit ins Bild gerückt werden, dann droht sich das Maß jedenfalls akut selbst zu überfüllen. Glücklicherweise sind da aber noch Urgesteine wie Georg Thomalla, Ralf Wolter, Heinz Reincke und Rainer Basedow (kurz vorm endgültigen Durchdrehen), die sogar Blacks unsägliche Vorstellung als schleimiger Kinderliebhaber mit unergründlichen Gelüsten unterm weißen Kittel vergessen machen. Da gibt es dann doch noch manches zu belachen und zu bestaunen, ganz so, wie es sich für Münchner Komikkino jener Ära geziemt.

5/10

Kurt Nachmann Bayern Alpen Dorf Lisa-Film


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YOU'RE NEVER TOO YOUNG (Norman Taurog/USA 1955)


"This is a girls' school!" - "That's why I like it here."

You're Never Too Young (Man ist niemals zu jung) ~ USA 1955
Directed By: Norman Taurog

Weil sie einem gewalttätigen Diamantendieb (Raymond Burr) in die Quere kommen, kommen Mädchenschullehrer Bob Miles (Dean Martin) und Friseurlehrling Wilbur Hoolick (Jerry Lewis) bald ziemlich in die Bredouille. Besonders für den armen Wilbur, dessen Sakko als unfreiwilliges Versteck für den geraubten Klunker herhalten muss, wird es eng. So gibt er sich kurzerhand als Vierzehnjähriger aus und avanciert - zunächst unerkannt - zum Schützling von Bobs Freundin und Kollegin Nancy (Diana Lynn). In der Mädchenschule fühlt sich Wilbur sogar sichtlich wohl, doch der Verbrecher ist ihm auf den Fersen.

Hübsch durchgreschossener Martin/-Lewis-Spaß, der die Ikonographie beider Figuren durch ihre Rollen noch weiter vorantreibt. Lewis als camouflierter, flausenköpfiger Teenager und Martin als Sportlehrer in einer Mädchenschule - das kam fst schon einem Treppenwitz gleich und war darüberhinaus brillantester Metahumor. Dabei war das Duo bereits sichtlich dabei, sich mehr und mehr zu zerstreiten. "You're Never Too Young" zeigt das so anschaulich wie kaum ein anderer Film der beiden; Martin wird des Öfteren zum Opfer von Lewis' fiesen Scherzen, wird von einem Friseurstuhl durch die Gegend geschleudert und sogar noch am Ende, als er bereits sicher vor ihm zu sein glaubt, im Zug überrascht. Ich neige durchaus zu der Überzeugung, dass Martins genervtes und Lewis' vor heimlichem Sadismus leuchtende Gesichter dabei keinesfalls reine Staffage sind. Anyway, Taurogs bester Film um die zwei Entertainer bleibt für mich "Living It Up", wenngleich auch dieser eine buchstäbliche Schau darstellt.

7/10

Norman Taurog Jerry Lewis Slapstick Schule Freundschaft Sidney Sheldon Zug Martin/Lewis


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THE CADDY (Norman Taurog/USA 1953)


"Excuse me. I have to win a tournament."

The Caddy (Der Tolpatsch) ~ USA 1953
Directed By: Norman Taurog

Tagelöhner Harvey Miller Jr. (Jerry Lewis) könnte ein grandioser Golfer sein, hätte er nicht die seltsame Neurose, in Gegenwart von Zuschauern keinen Abschlag auf die Reihe zu bekommen. Um dennoch etwas Geld zusammenkratzen und seine Braut Lisa (Barbara Bates) ehelichen zu können, plant er daher die Eröffnung einer Golfschule. Da lernt er Lisas Bruder Joe Anthony (Dean Martin) kennen, wie Harvey ein vagabundierender Hallodri. Doch Joe besitzt ein Naturtalent für Golf und macht sich mit Harvey als seinem Lehrer und Caddy auf, ein Star der Szene zu werden. Am Ende kommt freilich alles ganz anders...

In ihrem neunten gemeinsamen Film exerzieren Martin und Lewis aufs Neuerliche das bekannte Schema ihrer businessträchtigen Partnerschaft durch, wie stets etwas ungleich gewichtet. Während Martin als der amouröse Latin Lover par excellence "That's Amore" zum Besten gibt, bekommen wir Lewis als naiven Tropf, als Baby in Mannesgestalt, das wie ein frisch aus seinem Ei geschlüpftes, putziges Alien staunend die Welt entdeckt. Man schließt Freundschaft und bricht miteinander, weil der eine den anderen erwartungsgemäß übervorteilt und am Ende emanzipiert man sich wechselseitig, denn die wahre Stärke liegt in dder Vereinigung. So ließen es sich die beiden Stars nicht nehmen, in einem (hinlänglich überflüssigen) Schlussgag auf ihre realen Doppelgänger zu treffen. "The Caddy" ist, wenngleich immens unterhaltsam und für Freunde des Duos verpflichtendes Programm, einer der weniger gut gealterten Martin/Lewis-Filme. Frank Tashlin war mit seiner geflissentlich hellsichtigeren Perspektive der Dinge ganz eindeutig der bessere Mann für die beiden.

6/10

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ROCK-A-BYE BABY (Frank Tashlin/USA 1958)


"Five! I'm better than the matador!"

Rock-A-Bye Baby (Der Babysitter) ~ USA 1958
Directed By: Frank Tashlin

Als ihr bewusst wird, dass sie ein Baby erwartet, sieht die Hollywood-Diva Carla Naples (Marilyn Maxwell) ihre Karrierefelle davonschwimmen. Doch ihr Manager Harold Hermann (Reginald Gardiner) hat den rettenden Einfall: Für die Zeit des nächsten Drehs soll Carla ihr Neugeborenes in die vorübergehende Pflege einer zuverlässigen Pflegeperson geben. Dafür kommt nur Carlas Jugendliebe, der treu-naive Clayton Poole (Jerry Lewis) in Frage. Dieser staunt nicht schlecht, als ihm nach der Gefallens-Zusage an Carla Drillinge ins Haus flattern, doch Clayton bewältigt seine ersatzväterlichen Aufgaben meisterlich und mit Hingabe. Derweil bemerkt Carlas Vater Gigi (Salvatore Baccaloni), der von seiner berühmt gewordenen Tochter eigentlich nichts mehr wissen will, die Familienähnlichkeit, riecht Lunte und wird weichherzig, während seine jüngere Tochter Sandra (Connie Stevens) Clayton umschwirrte wie eine Motte das Licht.

Turbulente Musical-Comedy im bewährten Tashlin-Lewis-Stil, mit ähnlich vielen Gesangsnummern wie die vergangenen Kollaborationen mit Dean Martin ausnahmslos in quietschvergnügter VistaVision-Atelierkulisse gefilmt und daher noch zusätzlich realitätsentrückt wirkend. Der Anarchie-Faktor der Gags wird diesmal zugunsten eines potenzierten Familientauglichkeitsfaktors nochmals gedrosselt - "Rock-A-Bye Baby" ist so zuckersüß und brav wie ein Disney-Film und daher auch weitestgehend ohne echten Biss. Dafür sorgt noch zusätzlich die - ansonsten sehr sympathisch ausfallende - Installation von Lewis' Co-Star, des fülligen Tenors Baccaloni, der seinen Part des verwitweten Klischee-Italo-Patriarchen gleichermaßen aufbrausend wie weichherzig ausfüllt und beinahe schon als der heimliche Protagonist des Films bezeichnet werden darf. So ist das Ganze auch die märchenhaft anmutende Story einer Familienzusammenführung im ethnischen Kleinstadt-Milieu, die, wie so oft bei Lewis, prononciert, dass das Herz Amerikas eigentlich ein kunterbuntes Völker-Flickwerk ist.

7/10

Frank Tashlin Jerry Lewis Baby Kleinstadt Preston Sturges


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LIVING IT UP (Norman Taurog/USA 1954)


"Oooh, the fever's coming back!"

Living It Up (Der sympathische Hochstapler) ~ USA 1954
Directed By: Norman Taurog

Als überregional bekannt wird, dass der im Wüstenkaff Desert Hole beheimatete, unbedarfte Banhofsvorsteher Homer Flagg (Jerry Lewis) mit einem Wagen aus dem Atombombentestgebiet herumkutschiert, nun offenbar verseucht ist und nur noch wenige Tage zu leben hat, avanciert er zum tragischen Helden der Nation. Die New Yorker Klatschjournalistin Wally Cook (Janet Leigh) wittert einen dicken Story-Fisch und will Homers letzten Wunsch erfüllen: Zwei Wochen New York mit allem Drum und Dran, für die Wallys Chef (Fred Clark) bereitwillig die Spesen übernimmt. Homer jedoch ist mitnichten krank: Sein Kumpel, der Provinzmedizinier Steve Harris (Dean Martin) hat eine dumme Fehldiagnose erstellt. Um an die hübsche Wally heranzukommen, beschließen er und Homer jedoch, das offerierte Spiel mitzuspielen und die Vorzüge der Großstadt in vollen Zügen zu genießen - bis der Schwindel auffliegt.

Einer der schönsten Martin-Lewis-Arbeiten, die so ziemlich alles auffährt, was die Kunst des Paares auszeichnet: Urkomische Szenen und tolle Musical-Nummern, von denen besonders der wie ein Derwisch aufdrehende Jerry Lewis profitiert. Einem Schimpansen auf Amphatamin gleich hüpft, springt und albert er sich durch den Film als gäbe es kein Morgen mehr. Dazu präsentiert "Living It Up" ganz wunderbare Kulissen, die der ohnehin latenten Irrealis der Martin/Lewis-Szenerien Rechnung tragen. Ganz offensichtlich auf dem Studiogelände der Paramount errichtet, sehen die "New Yorker" Straßenzüge in etwa so authentisch aus wie Gene Kellys Traummetropole in Minnellis "An American In Paris" - alles sauber, adrett, aus Plastik und künstlich beleuchtet; Taurog eröffnet dies ganz wunderbare Gelegenheiten zur Abwicklung von Sketchen und Gesangsszenen, eingebunden in ein klassisches Screwball-Szenario. Höhepunkte insbesondere der lewis'schen Darbietung stellen eine entfesselte Jitterbug-Sequenz mit Sheree North dar, eine Hospitalszene, in der Lewis parallel drei Spezialärzte, einen österreichischen, einen französischen und einen chinesischen, austricksen muss und sich zu diesem Zweck kurzfristig in jeden einzelnen von ihnen verwandelt, sowie die gemeinsame Darbietung mit Martin von "Ev'ry Street's a Boulevard in Old New York". Klassisches Entertainment.

8/10

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GROSSE FREIHEIT NR. 7 (Helmut Käutner/D 1944)


"Es gibt nichts, was ein Mann nicht vergessen kann... wenn er ein Mann ist!"

Große Freiheit Nr. 7 ~ D 1944
Directed By: Helmut Käutner

Weil er sich zeitlebens für seinen nichtsnutzigen Bruder Jan (Kurt Wieschala) aufgerieben hat, muss Seemann Hannes Kröger (Hans Albers) sich als Unterhaltungssänger im 'Hippodrom' auf St. Pauli seine Moneten zusammenverdienen, statt zur See zu fahren. Als Jan stirbt, erfüllt Hannes ihm seinen letzten Wunsch und kümmert sich um Jans frühere Liebschaft Gisa (Ilse Werner), die er mit nach Hamburg nimmt. Hannes verliebt sich in das zarte Mädchen, ist jedoch unfähig, ihr seine Gefühle in romantischer Weise zu vermitteln. Stattdessen verguckt sich Gisa in den Hafenarbeiter Willem (Hans Söhnker), der ihr nach allen Regeln der Kunst den Hof macht. Hannes ist am Boden zerstört, fasst jedoch nun endlich wieder das Herz, anzumustern.

Wunderschöner Terra-Farbfilm, dessen durchaus akkurate Milieuschilderung des Paulier Nachtlebens Goebbels so sehr auf die Palme brachte, dass seine Aufführung im großdeutschen Reich, mit Ausnahme des Protektorats Böhmen und Mähren, wo er zu weiten Teilen auch entstanden ist, untersagt wurde. Keine aufrechten Helden, kein Propaganda-Potential - nur eine realistisch erzählte Dreiecksgeschichte, aus der ausgerechnet der Protagonist (der ursprünglich Johnny heißen sollte, auf Goebbels' Insistieren hin jedoch zu 'Hannes' umgetauft werden musste) als Verlierer hervorgeht. Das hatte keinerlei sozialrelevante Funktion für den NS-Apparat und brauchte daher auch keine Popularität.
Die autoromantisierende Zeichnung des Hamburger Hafen-Milieus, der nächtlichen Glitzerwelt, der schäbigen Huren und Alleinunterhalter, besoffener Matrosen und altkluger Weltenbummler ist stilbildend für alles, was danach noch fürs Kino über St. Pauli gemacht wurde. Und Albers wird nach wie vor und wohl auch auf ewig mit dem "blonden Hans" assoziiert.
Echtes, relevantes deutsches Kulturgut.

9/10

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ALL THAT JAZZ (Bob Fosse/USA 1979)


"It's showtime, folks!"

All That Jazz (Hinter dem Rampenlicht) ~ USA 1979
Directed By: Bob Fosse

Joe Gideon (Roy Scheider), Arbeitstier, promisker Lebemann, Kettenraucher, Trinker und Ex-Familienvater ist in der Welt des Showbiz zu Hause, parallel inszeniert er eine gigantische neue Broadway-Show, schneidet seinen letzten Film und versucht, seiner Tochter (Erszebet Foldi) zumindest ein halbwegs guter Vater zu sein. Die Warnhinweise seines langsam streikenden Herzens nimmt er nicht ernst und so landet er mit einem Infarkt im Krankenhaus. Selbst der sich anschließende Bypass kann sein Temperament nicht zügeln. Als er mit letzter Kraft einräumt, dass er noch leben möchte, ist es jedoch zu spät. Seine finalen Momente spielen sich vor seinem Auge ab wie eine weitere von ihm choreographierte Revue.

"All That Jazz", dieses Monster von einem Film, habe ich nach fünfzehn Jahren Pause und immer wieder greifenden Aufschüben zum zweiten Mal gesehen, hat mich heuer völlig weggeblasen und ist prompt durchgestartet bis unter meine vorderen Lieblingsfilme. Ein definitives künstlerisches Statement seines Urhebers Bob Fosse, der Joe Gideon als alter ego seiner selbst auf der Leinwand abbildet. Roy Scheider in einem darstellerischen One-Man-Kraftakt ohnegleichen, eine reichhaltig-komplexe Erzählweise, in der das Innenleben des Protagonisten mittels perfekter Stilsierung zum Leben erwacht, ohne besondere Rücksicht auf Konventionen oder vorgebliche Anbindungen an die realis. Eine unbestechlichere, künstlerisch purere Studioproduktion dürfte es selbst in den vergleichsweise freien, frühen Siebzigern kaum gegeben haben; Fosse aber setzt sich und sein Werk mittels bewundernswert unbelasteter Stringenz durch. Wegen seiner stilistischen Kraft auf der einen Seite und seines thanatischen Themas auf der anderen zugleich erhebend und niederschmetternd. Eine universelle Bestandsaufnahme nicht zuletzt seines Milieus und dessen Funktionsmechanismen dürfte kaum möglich sein: selbst der Größte ist austauschbar; so etwas wie einen "König der Unterhaltungskunst" gibt es nicht, allerhöchstens in der Autosuggestion. Am Ende war ich vollkommen fertig, durch die Mangel gedreht und fühlte mich wie Joe Gideon kurz vorm Exitus. Ein Wahn-Sinn.

10*/10

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Funxton

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