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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0



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GOOD MORNING, VIETNAM (Barry Levinson/USA 1987)


"Hey, this is not a test. This is rock and roll!"

Good Morning, Vietnam ~ USA 1987
Directed By: Barry Levinson

Im Sommer 1965 kommt der AFRS-Radio-DJ Adrian Cronauer (Robin Williams) geradewegs aus Griechenland in Saigon an. Er soll den eher bieder geführten, lokalen Militär-Radiosender für die G.I.s durch seine sowohl von brachialer Wortkomik als auch von erlesenem Musikgeschmack geprägten Shows aufwerten. Während das vornehmlich im Feld befindliche Publikum seine Moderationen liebt und seine Shows zum wahren "Soundtrack des Krieges" avancieren, ist Cronauer seinen Vorgesetzten Dickerson (J.T. Walsh) und Hauk (Bruno Kirby) mit seinen oftmals bissigen Parodien ein Dorn im Auge: Cronauer setzt sich über Nachrichtenzensur hinweg, verballhornt gnadenlos die US-Außenpolitik nebst deren Vertreter und gilt Teilen der Kommandatur daher bald als subversives Element in den eigenen Reihen. Als sich Cronauers einheimischer Freund Tuan (Tung Thanh Tran) als antiamerikanischer Terrorist entpuppt, hat Dickerson endlich sein finales Alibi dafür gefunden, Cronauer abzusetzen.

Unter den vielen Vietnamkriegsfilmen der dritten Welle, die in der zweiten Hälfte der Achtziger durch die Kinos schwappte, nimmt "Good Morning, Vietnam" eine Sonderstellung ein. Er verzichtet fast gänzlich darauf, US-Militärs bei Kampfhandlungen zu zeigen sondern schildert vielmehr den perversen Normalzustand einer Großstadt, in der eine überseeische Invasionsmacht sich anschickt, Weltpolizei zu spielen und sich in die internen Belange einer Nation am anderen Ende der Welt einzumischen. Erst durch Robin Williams in seiner authentischen Rolle des tatsächlichen Airman Adrian Cronauer, der mit seinem improvisierten Schallgeschwindigkeitsgeschnatter das personelle und moralische Zentrum des Films bekleidet, erreichte Levinsons fünfte Kino-Regie allerdings ihren so spezifischen Auftritt. Jene Mischung aus manischem Humor auf der einen und verzweifelter Betrübnis auf der anderen Seite kennzeichnet Williams' künftiges Œuvre wie keine andere seiner darstellerischen Facetten und war zugleich wohl auch tragisches Abbild seiner realen Identität. Davon profitiert "Good Morning, Vietnam" einerseits beträchtlich, bezieht aus dieser Windrichtung jedoch gleichfalls manche Pathosschwelle.
Wie aus "Diner" gewohnt, stellt sich der Einsatz zeitgenössischer Songs sowohl in qualitativer wie quantitativer Hinsicht als eines der Herzelemente des Gesamtwerks da - James Bowns "I Got You (I Feel Good)" und ganz besonders Louis Armstrongs "What A Wonderful World" etwa erlebten durch "Good Morning, Vietnam" jeweils eine Renaissance, die ihre ursprünglichen Erfolgsgeschichten sogar noch überstrahlte. Im Falle des Satchmo-Titels ist diese Anekdote besonders komisch: Der Song wurde 1967 aufgenommen, zwei Jahre also, nachdem die Ereignisse des Films sich ansiedeln.

8/10

Barry Levinson Musik Biopic Vietnam Saigon Vietnamkrieg period piece Freundschaft Terrorismus Militär


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EIN MÄDCHEN AUS FLANDERN (Helmut Käutner/BRD 1956)


"Der hatte'n Riecher für Blumen. War Lehrer."

Ein Mädchen aus Flandern ~ BRD 1956
Directed By: Helmut Käutner

Leutnant Alexander Heller (Maximilian Schell), dessen Vater General Haller (Friedrich Domin) längst eine militärische Legende im Kaiserreich ist, kämpft 1914 an der Front in Flandern. Als er mit seiner Garnison durch ein kleines Dorf zieht, begegnet er der scheuen Angeline (Nicole Berger), die er fortan nicht mehr vergessen kann. Immer wieder sucht er während der Kriegsjahre nach dem Mädchen, das ihrerseits die heimischen Partisanen unterstützt, und dessen weitere Odyssee es in ein Arbeitslager und später, als Zigarettenmädchen, in ein Brüsseler Bordell verschlägt. Alexanders Romanze mit seiner Angeline jedoch bleibt trotz aller kriegerischen Wirrnisse stets präsent, bis er am Ende sogar bereit ist, für sie zu desertieren.

Eine bittersüße Kriegsromanze, die glücklicherweise ein glückliches Ende für (fast) alle Beteiligten bereithält; sonst könnte man sie vor lauter zurückbleibendem Weltschmerz wohl auch kaum mehr ertragen. Was diese zwei durchweg guten Menschen alles durchmachen müssen, um sich schlussendlich und vor allem wohlverdient in die Arme schließen zu können, das bedeutet schon in "Ein Mädchen aus Flandern" allerschwerste Existenzbürde. Vor allem jedoch zeigt er, dass der bundesdeutsche Film selbst in den Wirtschaftswunderjahren, in denen Heimatfilm, Eskapismus und Vergangeheitsignoranz oberste Priorität im Kino hatte, immer wieder leuchtende Vorbilder hervorbrachte und noch immer, trotz der zwischenzeitlichen Nazi-Regentschaft und des damit einhergehenden Massen-Exodus großer Filmkünstler, durchaus internationale Konkurrenzfähigkeit besaß.
Große Schauspieler in kleinen und Kleinstrollen sind zu sehen, etwa Ralf Wolter, der in einer beeindruckenden Szene als Gefreiter einen kurzen, aber umso tragischeren Schützengraben-Tod stirbt, Wolfgang Völz, Herbert Weissbach, Fritz Tillmann und ein launiger Gert Fröbe als beleidigter, polternder Rittmeister mitsamt Monokel und Bismarck-Schnauzbart.
Nicole Berger ist derweil in der Tat zauberhaft und Schell demonstriert, dass er zu Hohem geboren ist.
Rundum fein!

9/10

Helmut Käutner Carl Zuckmayer WWI Vater & Sohn


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THE FOUR FEATHERS (Zoltan Korda/UK 1939)


"Why worry? Be a coward and be happy."

The Four Feathers (Vier Federn) ~ UK 1939
Directed By: Zoltan Korda

Unmittelbar vor seiner Abordnung in das unter dem aufständischen Mahdi brodelnde Nordostafrika quittiert der junge Offizier Harry Faversham (John Clements) seinen Dienst, teils aufgrund seiner pazifistischen Überzeugung, teils aus Unsicherheit betreffs seines regelkorrekten Verhaltens im Einsatz. Seine drei besten Soldatenfreunde und auch seine Braut Ethne (June Duprez) quittieren Harrys Entscheidung mit ernüchterter Enttäuschung und lassen ihm als Zeichen ihrer Verhöhnung vier Federn zukommen. Harry, der diese Schmach nicht erträgt, schifft sich insgeheim doch noch Richtung Nil ein und gibt sich vor Ort als geächteter Eingeborener aus. In dieser Rolle erhält Harry die Möglichkeit, seinem im Einsatz erblindeten Freund Durrance (John Richardson) zunächst unerkannt das Leben zu retten und dem später in Khartoum einrückenden Sirdar Kitchener entscheidende Rückendeckung bescheren. Harry kehrt als Held nach England zurück.

Zoltan Kordas prachtvollster Film bereicherte das internationale Kino-Superjahr 1939 um eine weitere Attraktion: Gewaltige Statistenaufmärsche in schönstem Drei-Streifen-Technicolor, aufwändige On-Location-Drehs und eine von wildem Herzschmerz geprägte Geschichte um eine buchstäblich heldenhafte Rehabilation präsentierte eindrucksvoll, das mit großem Abenteuer- und Monumentalkino nicht nur aus Hollywood zu rechnen war. A.E.W. Masons Vorlage trieb Regisseure diverser Kinoepochen um und wurde insgesamt nicht weniger als sechsmal adaptiert. Kordas Fassung gilt als die schönste und sehenswerteste darunter und wenngleich ich sonst nur die beiden jüngsten Verfilmungen kenne, bin ich geneigt, dem zuzustimmen. Um diese mittlerweile ja doch recht anachronistische Fabel um einen schlafenden Krieger im Pazifistenpelz glaubhaft darbieten zu können, bedarf es einem hohen Maß an Flamboyanz und emotionaler Auslieferung durch den Regisseur, wie sie heute, das zeigt etwa Shekhar Kapurs Version von 2002, kaum mehr zu aktivieren ist. Korda indes vermochte Harry Favershams widerwillige "Mannwerdung" noch mit adäquatem Herzblut und voller ehrlicher Inbrunst anzupreisen.

9/10

Zoltan Korda Kolonialismus Ägypten Sudan Khartoum Mahdi-Aufstand Militär Freundschaft A.E.W. Mason


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CASABLANCA (Michael Curtiz/USA 1942)


"Of all the gin joints, in all the towns, in all the world, she walks into mine."

Casablanca ~ USA 1942
Directed By: Michael Curtiz

Das in Marokko liegende Casablanca dient 1942 als Zwischenstation für Nazi-Flüchtlinge, die von hier aus via Lissabon in die Staaten reisen wollen. Dafür benötigt man jedoch Pässe, Ausweise und Papiere die auf dem hiesigen Schwarzmarkt nur für teures Geld zu bekommen sind. Einer der Hauptumschlagsplätze ist "Rick's Café", ein beliebter Nachtclub, der von dem undurchsichtigen und als höchst arrogant geltendem Amerikaner Rick Blaine (Humphrey Bogart) geführt wird. Von dem Kleinganoven Ugarte (Peter Lorre) erhält Rick eines Abends kurz vor dessen Verhaftung zwei von ermordeten deutschen Kurieren gestohlene Transit-Visa, die ungehindertes Geleit nach Lissabon garantieren. Jene sind gedacht für den flüchtigen Widerständler Victor Laszlo (Paul Henreid) und seine Frau Ilsa Lund (Ingrid Bergman). Doch Rick, der einst in Paris eine Affäre mit Ilsa hatte und sich von ihr sitzengelassen glaubt, weigert sich aus trotzigem Stolz, ihnen die Visa zu überlassen. Für Laszlo wird die Situation derweil zunehmend brenzlig: Der Gestapo-Major Strasser (Conrad Veidt) ist ihm auf den Fersen. Ilsa liebt Rick noch immer und will zu ihm zurückkehren, wenn er zumindest Victor Laszlo eines der Visa überlässt. Doch gerade noch rechtzeitig erwacht in dem herzlosen Zyniker Rick der alte, rebellische Widerstandsgeist und sein verdorrtes Herz beginnt wieder zu schlagen...

"Casablanca" ist Meta-Kino in seiner denkbar pursten Form und eine gar nicht oft genug zu genießende, unerlässliche Lektion, wenn man etwas über den amerikanischen Film und Film per se zu lernen wünscht; und dies nicht allein, weil seine vielen Dialogzeilen, Standfotos, Songs und Filmplakate solitär in ganz besonders ihrer geballten Form an Einfluss beispiellose Bestandteile des popkulturellen Kanons sind. "Casablanca" ist sehr viel mehr: die vielleicht schönste Liebesgeschichte des Kinos; in jedem Falle die schönst unerfüllte; er ist ein leuchtendes Fanal für den Sieg von Integrität über Opportunismus; hat den coolsten Protagonisten aller Kinofilme und dazu eine Ménagerie zumeist zwielichtiger, aber, bis auf den Nazi Strasser, durchweg liebenswerter Charaktere. Selbst der ölige Gauner und Kriecher Ugarte erhält seinen Platz im Herzen des Publikums; immerhin hatte er hinreichend Chuzpe, zwei deutsche Funktionäre zu ermorden und ist im Grunde auch nur einer der vielen Träumer in Casablanca, zumindest aber einer, der (vielleicht unbedachten) Aktionismus lähmender Passivität vorzieht. Ferner darf man nicht vergessen: Ugarte ist der eigentliche Motor der geschilderten Ereignisse. Dann wäre da der dicke Sidney Greenstreet als Signor Ferrari, Besitzer des "Blue Parrot", ein unverwechselbarer Typ, der vielleicht älter und unbeweglicher ist als sein Geschäftskonkurrent Rick, ansonsten jedoch ein recht exaktes mentales Pendant zu diesem darstellt. Oberhaupt des ideologisch nebulösen Tribunals ist Louis Renault, der hiesige Polizei-Präfekt, der, wie er selbst eingesteht, sein Fähnchen stets nach dem Wind zu hängen pflegt. Ein ungewöhnlicher Repräsentant einer vormals revolutionären, stolzen Nation, durch die infolge des unglückseligen Teufelspakt Henri Philippe Pétains ein tiefer Riss verläuft: Irgendwo in Renault schlummert noch der ruhmreiche Patriotismus seiner Väter, sein Hang zu Spiel, Alkohl und schönen Frauen jedoch macht ihn zu einem noch unsteteren Wendehals als Rick. So gewinnt "Casablanca" zum Abschluss dann doch noch sein (vielleicht ohnehin einzig denkbares) Happy End - zwei einstmals schätzenswerte Individuen haben zu ihrer alten Klasse zurückgefunden und können mit wechselseitiger Unterstützung einen neuen Lebensabschnitt beginnen, über dem, soviel ist sicher, insbesondere wegen Männern wie ihnen eines Tages nicht mehr die Hakenkreuz-Flagge wehen wird.

10*/10

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MIDWAY (Jack Smight/USA 1976)


"They sacrifice themselves like samurai, these Americans."

Midway (Schlacht um Midway) ~ USA 1976
Directed By: Jack Smight

Im Juni 1942 planen die Japaner nach Pearl Harbor einen weiteren Überraschungsschlag gegen die USA: Diesmal sollen die Midway-Inseln in die Hiruhitos Hand fallen. Vier Flugzeugträger werden insgeheim in das nordpazifische Gebiet entsandt. Doch Admiral Nimitz (Henry Fonda) bekommt Wind von den gegnerischen Plänen und schickt drei Träger nach Midway, die die kaiserliche Armee vor Ort erwarten. Eine dreitägige Schlacht tobt, aus der die US Navy schließlich als absoluter Sieger hervorgeht.

Einer jener typischen "Behelfsfilme", mit denen die Studios und traditionell arbeitende Produzenten wie der im Falle "Midway" federführende Walter Mirisch versuchten, altehrwürdiges und großkotziges Starkino gegen das unverstandene New Hollywood zu setzen und die Publikumsmasse für sich zu mobilisieren. Waren sonst primär Katstrophenfilme für diese Art Kino tonangebend, kam hier und da auch immer wieder der eine oder andere Kriegsfilm hervorgestoben. "Midway" orientierte sich in diesem Zuge an "Tora! Tora! Tora!", der den Angriff auf Pearl Harbor nebst der amerikanischen Reaktion zum Thema hatte und die Ereignisse aus dualperspektivischer Sicht, nämlich der der Japaner und der der Amerikaner zeigte. Auch in "Midway" werden die japanischen Soldaten als adrette, ehrenvolle Krieger porträtiert, die eben nur den Nachteil hatten, gegen den falschen Gegner einzustehen. Die Internierungswelle, die in jenen Tagen viele japanischstämmige US-Bürger erfasste, wird erwähnt, wenn auch wenig kritisch beäugt. Dem Film geht es vornehmlich darum, seine faltigen Altstars zu inszenieren, die mit Ausnahme des heldenhaft in Aktion tretenden USAF-Piloten Matt Garth (Charlton Heston) hohe Offiziere darstellen und daher stets in körperlich wenig spektakulären Strategie- und Planungssituationen zu betrachten sind. Die Besetzungsliste fällt entsprechend Ehrfurcht gebietend aus, wenngleich sich die Auftritte des Personals jeweils nur auf eine limitierte Szenenanzahl begrenzt findet. Duke Wayne, James Stewart und Richard Widmark hätten noch zum Stelldichein reinschauen müssen.
Die - wenngleich recht trefflich umgesetzte - Kombination von gefilmtem und Archiv-Material hatte zu diesem Zeitpunkt ebenfalls längst Schule gemacht, so dass "Midway"mit Sicherheit als einer der am wenigsten innovativen Studio-Filme seiner Dekade betrachtet werden muss. Vielleicht gebührt ihm in diesem Falle sogar die Goldmedaille.

6/10

Jack Smight WWII Pazifikkrieg Vater & Sohn


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L'ARMÉE DES OMBRES (Jean-Pierre Melville/F, I 1969)


Zitat entfällt.

L'Armée Des Ombres (Armee im Schatten) ~ F/I 1969
Directed By: Jean-Pierre Melville

Nach der Besatzung durch die Nazis hat die Pariser Résistance, darunter deren Mit-Leiter Philippe Gerbier (Lino Ventura) alle Hände voll damit zu tun, im Verborgenen zu bleiben. Immer wieder schnappt die Gestapo wichtige Mitglieder des Widerstands, denen dann unter Verhör und Folter oft nurmehr der Griff zur Zyankali-Kapsel bleibt. Auch Gerbier wird mehrfach gefasst, kann mithilfe seiner Gesinnungsgenossen jedoch immer wieder entkommen, anders als viele seiner Freunde wie Felix Lepercq (Paul Crauchet) oder Jean-François Jardie (Vincent Cassel). Als die Gestapo die viel geachtete Widerständlerin Mathilde (Simone Signoret) fasst und sie mit ihrer Tochter erpresst, muss Gerbier eine folgenschwere Entscheidung treffen...

"L'Armée Des Ombres", entstanden inmitten seines späten Unterwelt-Zyklus, gilt als Melvilles persönlichster, für viele gar als sein vollendetster Film. Episodenhaft zeichnet er darin in herbstlichem Sepia die ins Leere führenden Werdegänge erklärter Nazi-Gegner dar, die im okkupierten Frankreich Entscheidungen treffen müssen, zu denen sie als einfache Zivilisten niemals gezwungen gewesen wären und allein dadurch ein gerüttelt Maß von ihrer vormaligen Menschenwärme einbüßen. Insofern unterscheiden sich die traurigen Helden aus "L'Armée Des Ombres" gar nicht mal so sehr von Melvilles Gangster-Figuren - wie diese unterliegen sie einem ungeschriebenem Ethos, sind gezwungen, unerkannt und im Untergrund zu agieren, sind auf verschwiegene Helfer und Vertrauensmomente angewiesen und können durch Denunziation Ehre und Leben verlieren.
Der jüdischstämmige Melville, der eigentlich Jean-Pierre Grumbach hieß, nahm den Nachnamen des "Moby Dick"-Autoren als Deckbezeichnung an, während er selbst für die Résistance tätig war. Viele seiner eigenen Erfahrungen hat er in "L'Armée Des Ombres" einfließen lassen; manche der Figuren tragen Facetten seines einstigen Selbst, andere personifizieren damalige Mitstreiter und Freunde. Am Ende, nachdem Gerbier seine aus humaner Hinsicht verabscheuungswürdigste Mission erfüllt hat, schließt Melville seinen Film mit einer bitteren Inventur: Jeder der im Film noch lebenden Charaktere wird, wie uns entsprechende Schrifttafeln verraten, über kurz oder lang selbst von der Gestapo gefasst werden, auch Gerbier selbst, der schon beim letzten Mal kurz davor war, die sadistischen Spiele der Nazis nicht länger mitzuspielen, "hat", so heißt es, "irgendwann genug davon, sich zu verstecken". Diese Wiederentdeckung persönlicher Integrität war damals gleichbedeutend mit der Wahl des Todes.

9/10

Jean Pierre-Melville Nationalsozialismus Widerstand Paris London Vichy-Frankreich


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DAWN OF THE PLANET OF THE APES (Matt Reeves/USA 2014)


"Apes do not want war!"

Dawn Of The Planet Of the Apes (Planet der Affen: Revolution) ~ USA 2014
Directed By: Matt Reeves

Wenige Jahre nachdem das "Affenvirus" weite Teile der Menschheit getötet hat, liegt die globale Zivilisation in Trümmern und es existieren nurmehr kleine urbane Inseln von humanen Grüppchen, die sich als immun herausgestellt haben und versuchen, das Beste aus ihrer prekären Situation zu machen. So auch die Leute von Dreyfus (Gary Oldman), der eine kleine Gesellschaftsenklave inmitten des desolaten San Francisco zusammenhält. Um wieder Strom fließen zu lassen, muss ein brachliegendes Wasserwerk in den Wäldern nördlich der Stadt reaktiviert werden. Dieses liegt jedoch auf dem Territorium der Affen, die sich um den hier lebenden Caesar (Andy Serkis) als Führer geschart haben. Mit einiger diplomatischer Mühe und Not trift man eine territoriale Übereinkunft, die jedoch von kriegstreiberischen Strömen auf beiden Seiten, besonders durch den hasserfüllten Schimpansen Koba (Toby Kebbell) ausgenutzt wird, um einen Krieg zwischen den Arten vom Zaun zu brechen.

Eine enttäuschende Fortsetzung zu Rupert Wyatts außerordentlich starkem Reboot des Franchise von vor drei Jahren. Zeichnete sich jenes noch durch eine große Menge Einfallsreichtum, Ernsthaftigkeit und Sensibilität aus, die weit über das handelsübliche Maß im großbudgetierten Genrekino hinausreichte, wäre Reeves' Sequel nurmehr ein weiteres Exempel für dessen ordinäres Kalkül im Bereich erfolgreicher Serien. Hier und da gibt es ein paar schöne, intertextuelle Vermerke [der Menschen-Teenager Alexander (Kodi Smit-McPhee) und der alte Orang-Utan Maurice (Karin Konoval) nähern sich vorsichtig an, indem sie gemeinsam Charles Burns' Comicroman "Black Hole" lesen; der neuerliche Stromfluss wird untermalt mit dem Song "The Weight" von The Band, der bekanntlich auch die Aufbruchsstimmung in "Easy Rider" so schön akustisch illustrierte] und spannende bis spektakuläre Szenen, insgesamt schien mir der Film jedoch seine für das Sujet schlicht unmäßige Spielzeit mit nicht vorhandener Bedeutsamkeit gleichzusetzen. "Dawn Of The Planet Of The Apes" macht denselben Fehler, den sich bereits Tim Burtons Variante von 2001 leistete. Er ignoriert das intellektuelle Potenzial des Franchise nahezu völlig; lässt es gar brach liegen zugunsten einer Zirkusschau seiner sicherlich prächtigen Effekte und Formalia. Das ergibt jedoch kaum mehr denn kognitives fast food, was umso bedauerlicher ist, als dass der unmittelbare Vorgänger doch so ergiebig demonstrierte, was in "Planet Of The Apes" noch drinsteckt an Erhebenswertem. Eine vertane Chance, wenn man so will.

6/10

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EDGE OF TOMORROW (Doug Liman/USA, AU 2014)


"You see, this isn't the first time."

Edge Of Tomorrow ~ USA/Australien 2014
Directed By: Doug Liman

In nächster Zukunft werden große Teil der Erde von aggressiven Aliens mit Kollektiv-Bewusstsein, den sogenannten 'Mimics' überrannt. Der Krieg gegen die Invasoren, der bereits das gesamte europäische Festland kostete, ist auch ein Medienereignis: Der Ex-Werbefachmann Bill Cage (Tom Cruise) schlachtet den Konflikt medienwirksam aus und betätigt sich erfolgreich als Propaganda-Offizier - bis er selbst zur Front verdonnert wird. Dort trifft er auf einen "Alpha-Mimic" - was ihn nur für eine Schrecksekunde das Leben kostet, denn danach erlebt Cage diesen selben, schicksalhaften Tag immer aufs Neue - bis er endlich einen, nur überaus schwierig zu erreichenden - Ausweg aus seiner persönlichen Zeitschleife findet.

Die Zeitschleife ist schon seit längerem ein beliebtes, mehr oder weniger regelmäßig reaktiviertes Science-Fiction-Motiv, das sich aufgrund seiner häufig komisch kontextualisierten Missgeschicke ebensosehr für schwarzhumorige Exkursionen anbietet. Das gelungenste Beispiel für dieses kleine Subgenre bleibt Harold Ramis' "Groundhog Day", in dem Bill Murray erst den durchweg perfekten Tag gestalten und die Abkehr von seinem Zynismus meistern muss, um dem Zeitschleifen-Fluch zu entrinnen. Auch in "Edge Of Tomorrow" hängt der Ausweg mit der Erfüllung einer Mission zusammen - wobei dies lediglich im transzendenteren Sinne der Fall ist; im Prinzip genügt bereits eine Bluttransfusion, um die "Fähigkeit" der Zeitrückstufung, wie Limans Film sie verkauft, einzubüßen. Doch soll gerade dies eben nicht passieren, oder zumindest darf die Figur des Bill Cage nicht mit dieser Option liebäugeln, denn er ist, wie sich herausstellt, die letzte und einzige Hoffnung der Menschheit, trotz deren Übermacht doch noch gegen die Mimics reüssieren zu können. Diese beziehen ihre gewaltige Übermacht nämlich just aus der Fähigkeit ihres Zentralgehirns, des "Omega"-Mimic, die Zeit zurückdrehen zu können und besitzen somit einen steten, strategischen Vorteil ihren Gegnern gegenüber. Doch Bill Cage - und ebenso seine Gespielin Rita Vrataski (Emily Blunt) - wissen ebenfalls um die Vorteile jener Gabe und nutzen sie gegen den Feind. Man könnte diese interessante Plotline auch böszungig auf ihren eigentlichen Kern herunterbrechen: Tom Cruise, Sonnenschein wie eh und je, ist noch derselbe "Maverick" wie in "Top Gun" 28 Jahre zuvor, ein opportunistischer Nachwuchs-Macho, der erst Bußfertigkeit lernen muss, um zum Mann zu werden. Als Bill Cage, der Mann in der Zeitschleife, genügt dies jedoch nicht ganz: Anders als Bill Murray, der den perfekten Tag zu durchleben hatte, liegt Tom Cruises Aufgabe darin, vom arroganten, feigen Selbsträsonisten zum perfekten Soldaten zu werden. Erst durch perfektes, unzählige Male durchexerziertes Training, das sich selbst vom Tod nicht einschränken lässt, gelingt es Bill Cage, seine schicksalhafte Mission, die Rettung der Erde nämlich, zu erfüllen. Ein Schelm, wer da hubbard'sches Erlösertum wittert; seinen ätzenden Pro-Militarismus, der ein bisschen daherkommt wie "Starship Troopers" ohne Subebene, kann der Film allerdings auch vermittels seiner glänzenden, technischen Perfektion nicht verhehlen. Man unterhält sich vortrefflich, unleugbar dumpf und schal aber ist das alles nichtsdestotrotz, besonders nach dem letzten Vorhang.

7/10

Doug Liman Aliens Invasion Militär Zeitschleife London Paris


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MASH (Robert Altman/USA 1970)


"Goddamn army."

MASH ~ USA 1970
Directed By: Robert Altman

Im Koreakrieg, 1951: Die beiden Chirurgen und (unfreiwilligen) Offiziere Hawkeye Pierce (Donald Sutherland) und Duke Forrest (Tom Skerritt) sind neu im Sanitätscamp MASH 4077. Als gnadenlose Zyniker und Hedonisten leisten die beiden zwar hervorragende medizinische Arbeit nach Kräften, vertreiben sich die übrige Zeit jedoch mit heillosen Besäufnissen, Sex und liebenswerten bis gemeinen Streichen gegenüber dem Restpersonal. Als der sie in all diesen Dingen noch übertreffende Trapper John McIntyre (Elliott Gould) zu ihrer Truppe stößt, ist ein lustiges Chaos vorprogrammiert.

Mit dem so inflationär missbrauchten Attribut "genial" in Bezug auf die qualitative Einordnung von Film gehe ich bekanntermaßen alles andere als häufig hausieren, in diesem Falle jedoch, Altmans dritter Langfilmregie, gibt es kein treffenderes.
Es existieren ja ganz unterschiedliche Möglichkeiten, protestträchtiges, humanistisch geprägtes Antikriegskino zu machen. Speziell der Vietnamkrieg, der sich ereignete in einer Ära, als Hollywood sich im wichtigsten Umbruch befand von seiner tradierten hin zu seiner intellektualisierten Phase, bot dafür gewissermaßen eine eminente Vorlage. Zuvor gab es betreffs dieses zeitgenössischen, weltumspannenden Topos lediglich den erzreaktionären und hurrapatriotisch angelegten "The Green Berets", wenn man so will einen der finalen Grabsteine des alten Studiosystems, der eindrucksvoll aufzeigte, wie überkommen selbiges zu funktionieren pflegte. Unverhohlen bis offen geäußerte Kritik am derzeit stattfindenden Fernost-Engagement der USA war dennoch ein zu heißes Eisen für kommerziell angelegtes Entertainment. So gab es den das Massaker von My Lai als pro-indianischen Western verklausulierenden "Soldier Blue" und, neben Mike Nichols etwa zeitgleich entstandener Heller-Adaption "Catch-22" eben Altmans "MASH", der, anders als sein Komplementärwerkden Zweiten Weltkrieg, den Koreakrieg als symbolischen Subtext für Vietnam nutzte. Der hierin favorisierte Ansatz, einen Antikriegs- und sogar einen Antiimperialismus-Film zu schaffen, liegt im intellektuell vielleicht tragfähigsten, nämlich im Satirischen, in der Farce. Die wundervolle Konsequenz jener berühmten Einstellung, in der vor dem Bild einer wehenden US-Flagge eine japanische Sängerin aus dem Lautsprecher ertönt mit einem Schmalzstück namens "It's Time For Us To Say 'Sayonara'" ist wohl bis heute unerreicht.
Während also "drüben" an der Front Männer zerschossen werden, müssen unsere drei Helden/Chirurgen diese wieder zusammenflicken. Solchen Widersinn ertragen weitsichtigere Zeitgenossen freilich nur durch eine umfassend existenzkultivierte "Leck-mich-am-Arsch"-Attitüde, die Hawkeye, Trapper John und Duke Forrest beherrschen wie keine anderen. Man könnte auch behaupten, dass sie ihre Operationen zwischen zwei Martinis durchführen; inmitten all der nicht zuletzt selbstzerstörerischen Schlachten ihrer bedauernswerten Frontkameraden bleibt für sie, die etwas cleverere Hinterhand, immerhin hinreichend Zeit zum Golfspielen, sowie dazu einheimische Jungs zu Barkoryphäen zu erziehen, bigotte Kollegen in die Zwangsjacke zu treiben, den Suizid eines an seiner Potenz zweifelnden Dentisten-Kollegen (John Schuck) zu verhindern oder eine Schamhaarrevue zu veranstalten - alles fein episodisch und in höchster Brillanz vorgetragen und gekrönt von einem slapstickartig inszenierten Football-Spiel. Parallel dazu hat es allenthalben wirre Gestalten wie den Camp-Kaplan Mulcahy (Rene Auberjonois), den ewig vor sich hin plappernden Corporal Radar (Gary Burghoff) oder die verpeilte Stimme aus dem Camp-Lautsprecher, die im Original David Arkin gehört. Womit wir dann abschließend bei der deutschen Sychronfassung wären, die die ungeheure Leistung erbringt, Altmans komplexe, nuschelige Querdialoge vollkommen kongenial ins Deutsche zu übertragen und die eines der vordringlichen, ja, unerreichten Meisterstücke ihrer Kunst darstellt. Eine Versammlung einiger der größten Könner ihrer Zunft gibt es da zu bestaunen und zu beklatschen, die alles herausholen, was drin ist und noch mehr.
"Suicide is painless": "MASH" ist nicht nur ein großes, wahrhaftig formuliertes "Nein" zum Krieg, er ist der weit ausgestreckte Mittelfinger.

10*/10

Robert Altman Korea Koreakrieg Farce Ensemblefilm Medizin Militär New Hollywood





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Funxton

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