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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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SPRING BREAKERS (Harmony Korine/USA 2012)


"Bikinis and big booties - that's what it's all about."

Spring Breakers ~ USA 2012
Directed By: Harmony Korine

Vier Freundinnen (Ashley Benson, Selena Gomez, Vanessa Hudgens, Rachel Korine) wollen dem sie umgebenden College- und Kleinstadtmief Richtung Spring Break entfliehen. Um sich finanziell auszustaffieren, rauben sie zunächst ein Diner aus und starten dann nach Florida, wo ihre Party-Exzesse sie bald hinter schwedische Gardinen führen. Der örtliche Dealer Alien (James Franco) hinterlegt ihre Kaution, erwartet dafür im Gegenzug aber körperliche Gefälligkeiten. Für die sensible Faith (Gomez) der Anlass, wieder nach Hause zu fahren. Die anderen drei lassen sich in Aliens Gangsteruniversum entführen, für zwei von ihnen verwandelt sich seine Rivalität gegen den Konkurrenten Archie (Gucci Mane) in einen blutigen Feldzug.

Harmony Korine, das muss man wissen, ist der Autor der Larry Clark-Filme "Kids" und "Ken Park". Diese Kenntnis erlaubt einen etwas differenzierteren Blick auf "Spring Breakers", einen Film, der sich natürlich nicht in jener Oberflächlichkeit erschöpft, die er in einer Mischung aus Faszinosum und moralinsaurer Protesthaltung porträtiert. Zunächst einmal sieht er toll aus: Schöne junge Menschen mit wenig Textilien am Leib geben sich der bonbonfarbenen Verlotterung in Form von Alkohol, Drogen, Sex und beschissener Musik hin, neonglitzernde Objekte in sternklarer Sommernacht, ein edles weißes Piano vor Bilderbuchküstendämmerung. Und dazwischen unser personell schrumpfendes Mädchenquartett. Deprimiert von der Determination ihres bourgeoisen Lebens stecken sie ihre Nasen in prall gefüllte Eimer mit Koks und Whiskey, wundern sich, dass es infolge dessen einen Kater oder sogar ernstzunehmenden Ärger gibt und holen sich zwischendurch die Absolution bei ihren Familien, indem sie diese via Fernsprecher schlicht anlügen. Als dann der amerikanische Schwiegersohnalbtraum Alien auf der Bildfläche erscheint, geht es endgültig bergab Richtung Moralsumpf. Ab jetzt sind scharfe Knarren im Spiel, Drogen, Gruppensex und Straßenkrieg.
In dem Bewusstsein um Harmony Korines Weltbild kann von ethischer Neutralität natürlich nicht die Rede sein. Der Mann ist mittlerweile 40 und kommt immer noch nicht los von der verworfenen Jugend, wie sie, im Grunde unverantwortlich für sich selbst, Dinge tut, die unvernünftig sind. Ausgerechnet die im Film als gottesfürchtig porträtierte Selena Gomez, die die Kinderzimmerwände von Milliarden Mädchen im Grundschulalter ziert, schafft als erste den "Absprung". Auf einmal steht sie im Billard-Café, wird von Farbigen (!) angestarrt und begrapscht. Da kullern plötzlich die Kleinmädchen-Tränchen, man will "weg hier" und nichts wie ab nach Haus, zur Oma. Bei der nächsten Ausfallnummer ist immerhin eine Kugel im Oberarm verantwortlich. Sowas tut weh und das muss ja nun doch nicht sein. Harmony Korine hat Mitleid mit seinen Schäfchen, aber sein Voyeurismus ist mindestens ebenso unverhohlen und wirkt beinahe schon wie ein selbsttherapeutischer Hilferuf. Ich glaube ganz ernsthaft, dass der Mann ein bis zwei Probleme hat. Nichtsdestotrotz habe ich mir "Spring Breakers" gern angeschaut. Er glänzt so schön.

6/10

Harmony Korine Florida Spring Break Alkohol Drogen Coming of Age Teenager Party


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THE CHAIRMAN (J. Lee Thompson/USA 1969)


"By working for you, I'd proof being insane."

The Chairman (Der gefährlichste Mann der Welt) ~ USA 1969
Directed By: J. Lee Thompson

Der Biologe Hathaway (Gregory Peck) lässt sich überreden, nach China zu gehen, um die Formel eines dort beheimateten Kollegen (Keye Luke) für ein Wachstumsenzym, das Kulturpflanzen sogar an unwirtlichsten Orten gedeihen lässt, an sich zu bringen. Man befürchtet im Westen, dass jenes Enzym China ein ökonomisches Monopol verschaffen könnte. Hathaway lässt sich zu der Mission überreden, ahnt allerdings nicht, das der Sender, den man ihm zuvor implantiert, zugleich eine Minibombe ist, die bei Bedarf ferngezündet werden kann.

Ein interessantes Cold-War-Relikt, dessen Titel sich direkt auf Mao Tse-tung bezieht, der im Film als 'Chairman' (bzw. in der deutschen Fassung als 'Vorsitzender') bezeichnet wird und der, gespielt von Conrad Yama, als graue Eminenz im Hintergrund mit dominanter Szene beinahe die filmische Zeichnung eines Bond-Widersachers erhält. Es fehlt sozusagen bloß noch die weiße Katze. Etwas mehr Akzeptanz verschafft sich Thompsons gegen Ende einer überfruchtbaren kreativen Phase (1969 starteten vier Filme von ihm im Kino) entstandenes Werk dadurch, dass es trotz seiner tendenziösen Ausrichtung das Spionagegeschäft ganz allgemein als ein schmutziges denunziert, ein bisschen wie John le Carré. Es sitzen in den Machtzentralen ominöse Herrschaften am buchstäblichen Drücker, die mit einer Krümmung des Fingers Leben auslöschen können. Keine sehr gewogene Vorstellung. In der Fluchtszene Hathaways Richtung russischer Grenze gegen Ende erhält "The Chairman" dann nochmal richtig Drive. Jerry Goldsmith übte ihr zu Gewinn schonmal tatkräftig für seine späteren "First Blood"-Scores.

7/10

Kalter Krieg J. Lee Thompson China


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TO KILL A MOCKINGBIRD (Robert Mulligan/USA 1962)


"Miss Jean Louise, stand up. Your father's passing."

To Kill A Mockingbird (Wer die Nachtigall stört) ~ USA 1962
Directed By: Robert Mulligan

Die kleine Jean Louise (Mary Badham), genannt 'Scout' und ihr Bruder Jeremy (Philip Alford), genannt 'Jem', wachsen während der Depressionsjahre in Maycomb, Alabama als Kinder des verwitweten Anwalts Atticus Finch (Gregory Peck) auf. Trotz der schwierigen Situation verleben die beiden mit ihrem Freund Dill (John Megna) schöne Kleinstadtsommer, die allerdings gleichermaßen von dunklen Schatten geprägt sind: So verteidigt ihr Vater den farbigen, der Vergewaltigung an einer Weißen (Collin Wilcox Paxton) angeklagten Tom Robinson (Brock Peters), der die gesamte Landbevölkerung gegen sich hat. Atticus ist der einzige Weiße, der ihm rechtschaffen zur Seite steht. Ihm gegenüber positioniert sich in vorderster Front der Farmer Bob Ewell (James Anderson), Vater des Opfers. Die Kinder nehmen außerdem mit ebenso respektvollem wie wohligem Grusel wahr, dass in ihrer Nachbarschaft der angeblich verrückte Boo Radley (Robert Duvall) lebt, der von seiner Familie versteckt gehalten wird und sich nie bei Tageslicht zeigt.

Wie Harper Lees wunderbarer Roman so ist auch dessen Adaption ein Manifest des Humanismus, eine erquickliche Lektion über Menschlichkeit und Würde in Zeiten allgegenwärtiger Unruhe und Angst. Mit Atticus Finch, neben Kapitän Ahab in Hustons "Moby Dick", seiner Lebensrolle, hat Gregory Peck einen der großen amerikanischen Helden kreiert: Einen pazifistischen Intellektuellen, einen weisen, Rechtschaffenheit und Philanthropie als Existenzprinzipien verfolgenden Anwalt im Kampf für das ewig Gute, dazu einen liebevollen Familienvater, der den Wogen des Lebens mit trotziger Gelassenheit entgegentritt und diese zumeist glorreich meistert. Verlorene Schlachten nimmt er zum Anlass, selbst Besserung zu geloben.
Berichtet wird "To Kill A Mockingbird" allerdings aus ausschließlich kindlicher Perspektive; aus der Sicht Scouts und ihres Bruders Jem, die dem ehernen Vorbild ihres Vaters nacheifern und dereinst, auch infolge seiner vorbildlichen Erziehung, ebensolche Alltagshelden werden dürften wie er. Dass diese so wunderbar lebensweise Geschichte zudem in einen formalen Rahmen gesetzt wurde, dem man kein anderes denn das Attribut der Meisterlichkeit zukommen lassen kann, ergänzt das Gesamtbild bis hin zur Perfektion.
In all seiner bedingungslosen Weisheit, Couragiertheit, Menschen- und Lebensliebe ein magischer Film, der weit über seinen eigenen medialen Horizont hinausreicht und den man gewissen Menschen als bildendes Pflichtprogramm verpflichtend angedeihen lassen möchte. Auf dass sie sich dann bessern mögen.

10*/10

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THE HOT CHICK (Tom Brady/USA 2002)


"Ling Ling, you forgot your bling bling."

The Hot Chick (Hot Chick - Verrückte Hühner) ~ USA 2002
Directed By: Tom Brady

Durch den Einfluss eines Paars uralter abessinischer Ohrringe tauschen die Highschoo-Zicke Jessica (Rachel McAdams) und der Glücksritter Clive (Rob Schneider) die Körper. Dem ersten Schock folgen bald die jeweiligen Arrangements: Jessica und ihre beste Freundin April (Anna Faris) giggeln über den lustigen Piephahn zwischen Jessicas Schenkeln, derweil Clive sich jetzt seine Kröten als Striptänzerin verdient. Natürlich, darüber ist sich zumindest Jessica bald klar, kann dieser Zustand nicht von Dauer sein und nach der üblichen Erwachsenwerdensphase switcht man wieder zurück.

Mein lieber Freund Oliver Nöding, sich gegenwärtig wie gewohnt fundiert-analytisch mit den komödiantischen Kosmen Adam Sandlers und Rob Schneiders befassend, deren Schaffen sich unter Sandlers "Happy Madison"-Schirm vereint, war immerhin so sehr von diesem Film angetan, dass er ihn mir bei seinem gestrigen Besuch vorführte. Normalerweise habe ich blindes Vetrauen in Olis (insbesondere komdiantische) Sensoren; ohne ihn hätte ich vermutlich etwa niemals Tuchfühlung mit Will Ferrell aufgenommen. Nun also "The Hot Chick". Ich schätze, der Film hält gewissermaßen, was der Titel verspricht. Es handelt sich um eine Body-Switch-/High-School-Comedy, ein Subgenre also, das in der zweiten Hälfte der Achtziger mit damalig chargierendem Kleinvieh wie "Like Father Like Son", "Vice Versa", "18 Again!" und etwas später noch "Switch!", an dessen Gender-Fersen sich "The Hot Chick" im Speziellen heftet, kurzweilig reüssieren konnte - allesamt Titel, die im heutigen Filmbewusstsein kaum mehr präsent sind und vermutlich in erster Linie Menschen etwas sagen, die sich wie ich damals im akkuraten Alter befunden haben, um sich über sie amüsieren zu können. Ich mutmaße, dass die komödiantische Halbwertzeit dieser durchweg nach dem selben Prinzip verarbeiteten Werke - sich fix erschöpfte, um dann endgültig spurlos zu verdampfen. Ebenso verhält es sich mit "The Hot Chick". Anstatt eine breitenoffensive Satire bezüglich der Antikultur quietschender kalifornischer Cheerleader-Mädchen vorzulegen, setzt er sich justament und selbstzufrieden in ebendieses Milieu hinein wie in einen gigantischen, wimmelnden Ameisenhaufen, nur um sich am Ende zu wundern, dass der Arsch juckt. Bradys Film fühlt sich wohl damit, dass avisierte Publikumsklientel und Figureninventar identisch sind und legt eine den Brechreiz unentwegt stimulierende Mischung aus Dreizehnjährige erfreuenden Pipi-Witzchen und rührseliger Zuckerwattenromanze vor, die ich, derweil Oli zwischenzeitlich entschlummerte, nur bis zum Ende ertragen konnte, um "so was überhaupt mal gesehen zu haben". Zumindest rechtfertige ich so mein tapferes Durchhalten. Man muss ja auch immer wissen, wo der Feind sich gerade befindet. Das beziehe ich - ich bin gleich fertig, Oli - keinesfalls auf den Vorführer, der ist ansonsten ein ganz integrer Mensch und stand vermutlich unter dem Einfluss dämonischer Strahlung von der Wega, als er diesen Film in seinem Blog bejubelte. Vielleicht wurde auch bloß ich gestern bestrahlt, als sich der Betrachtungseffekt von "The Hot Chick" in körperlichem Schmerz zu manifestieren dohte. Keine Ahnung. Einen Bonuspunkt für des Sandmans Gastauftritt als debiler Ethnohaiopai, Michael O'Keefe und Robert Davi in Gastrollen und zwei gute Songeinspieler (Jimmy Eat World, The White Stripes).

2/10

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THE ALAMO (John Lee Hancock/USA 2004)


"It's amazing what a little harmony will do."

The Alamo ~ USA 2004
Directed By: John Lee Hancock

Im Frühjahr 1836 bedroht der mexikanische General Santa Anna (Emilio Echevarría), der sich selbst gern als 'Napoleon des Westens' betrachtet, die werdende Republik Texas. Zwischen ihm und dem Norden befindet sich als symbolische Bastion allerdings noch das Fort Alamo, das von dem Militärkarrieristen Travis (Patrick Wilson), dem knochenharten Milizenführer Jim Bowie (Jason Patric) und dem legendären trapper Davy Crockett (Billy Bob Thornton) sowie deren Männern gehalten wird. Vergeblich warten sie auf die Unterstützung von dem weiter nördlich lagernden Sam Houston (Dennis Quaid), der weiß, dass Alamo im Grunde bereits verloren ist und Santa Anna schließlich auf übersichtlicherem Terrain besiegt.

John Waynes ehrgeiziges Projekt "The Alamo" hat seine Meriten, keine Fragen. Und diese sind sicherlich auch berechtigt. Im Prinzip bildet John Lee Hancocks 04er-Verfilmung der Ereignisse um das berühmte Fort im Direktvergleich - wenngleich nichzt das interessantere - so doch das gelungenere, weil gelassenere, entspanntere Werk. Den geschichtsklitternden Heroismus Waynes spart Hancocks Film zumindest teilweise aus, wenngleich auch er die drei Helden des Forts, insbesondere den von Thornton gespielten Davy Crockett, ebenso wie der alte Film als kantige Sympathieträger zeichnet. Ansonsten zehrt "The Alamo" von seinen ausladenden, vitalen Bildern, die ihn zu einem im klassischen Sinne schönen, ungemein ästhetischen Film machen, dessen anachronistische Entstehung angesichts seines vorhersehbaren kommerziellen Scheiterns inmitten einer an maßloser Geschwindigkeit und Oberflächeneffekten krankenden Ära umso seltsamer anmutet.

9/10

John Lee Hancock period piece Historie Texas Mexiko Freundschaft Belagerung


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GUN CRAZY (Joseph H. Lewis/USA 1950)


"Let's finish it the way we started it: on the level."

Gun Crazy (Gefährliche Leidenschaft) ~ USA 1950
Directed By: Joseph H. Lewis

Der seit frühester Kindheit in Feuerwaffen vernarrte, bezüglich ihrer tödlichen Wirkung jedoch traumatisierte Bart (John Dall) weiß als Erwachsener nichts Rechtes mit seinem Leben anzufangen. Da lernt er auf dem Rummelplatz die Schießartistin Annie (Peggy Cummins) kennen. Die beiden verlieben sich vom Fleck weg ineinander, touren noch eine Zeitlang mit dem Zirkus umher und setzen sich dann ab. Es dauert nicht lang, bis sie in die Kriminalität abrutschen: Raubüberfälle auf Banken und Firmen gehören bald zu ihrer Alltagsroutine. Als Annie erstmals Menschen erschießt, forciert das FBI die Suche nach dem flüchtigen Paar. Ihre Flucht führt sie in jenes wilde Gelände, in dem Bart einst seine Jugend verbracht hat.

Natürlich liegen Faszination und Sympathie in dieser modernen Outlaw-Ballade beim Antihelden-Pärchen Bart und Annie, besonders bei letzterer. Dafür bürgt schon die von Anbeginn etwas abseitige, diametrale Zeichnung des (mögicherweise homosexuellen) Jugenfreund-Paares Barts, des Deputy Boston (Harry Lewis) und es Zeitungsredakteurs Allister (Nedrick Young). Deren moralische Rechtschaffenheit ist von nahezu ekelhafter Sterilität und wirkt angesichts der Klemme, in der sich ihr sogenannter "Freund" später befindet, wie ein Hochverrat am Leben selbst.
Noch psychologischer die Ambiguität der Charaktere Barts und annies: Während Bart, seit er als Vierjähriger mit dem Luftgewehr ein Küken erschossen hat, keine Schusswaffe mehr auf Lebewesen richten kann, bezieht Annie nicht nur aus der phallischen Form von Pistolen sexuellen Lustgewinn, sondern insbesondere aus deren lebensvernichtendem Einsatz. Trotz des ersten Eindrucks ergänzen die beiden sich also nicht unbedingt perfekt: Ihr delinquentes Potenzial eint sie, die Toleranz- und Akzeptanzschwellen jedoch sind völlig disparater Natur. Das sich daraus ergende Spannungsverhältnis bestimmt die ungebrochene Aktualität von "Gun Crazy".
Ein ikonischer Genrefilm; vorzugsweise im Verbund mit Rays "They Live By Night" sehenswert, der ironischerweise Dalls "Rope"-Kollaborateur Farley Granger in der Rolle des sich den Weg freischießenden Heißsporn aufbietet.

9/10

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MIDNIGHT LACE (David Miller/USA 1960)


"There's nothing wrong about money that having it can't cure."

Midnight Lace (Mitternachtsspitzen) ~ USA 1960
Directed By: David Miller

Die in London mit dem konzernchef Anthony Preston (Rex Harrison) noch jung verheiratete Amerikanerin Kit Preston (Doris Day) bekommt es mit der Angst, als ihr im Londoner Nebel eine Stimme verheißt, dass sie sie Kenne und sie bald sterben müsse. Diese Drohung setzt sich in Form obszöner Anrufe im Appartment der Prestons fort. Doch niemand glaubt Kit: Der ermittelnde Inspektor (John Williams) hält sie für eine überspannte, vernachlässigte Ehefrau, die wieder mehr von ihrem Mann haben möchte und selbst Kits ansonsten sehr verständige Tante Bea (Myrna Loy) hängt insgeheim dieser Theorie an.

Suspense-Thriller im Hitchcock-Gefolge, der zur Untermauerung seiner Wurzeln sogar diverse Darstellerveteranen des Meisters bemüht: Die Protagonistin, John Gavin, Antony Dawson und John Williams, wobei letztere sich nach "Dial M For Murder" sogar ein neuerliches Stelldichein in fast identischen Rollen gestatten, hat man allesamt in den letzten Jahren bei Hitch gesehen. Die sonstige Epigonenhaftigkeit erschöpft sich allerdings in innovativ gewählten Kameraperspektiven; das Script hat einige logische Löcher und übersieht bei all seinen falsch gelegten Fährten, dass diese am Ende bitteschön auch sämtlichst vernäht gehörten. Der der gesamten Geschichte zugrunde liegende Meisterplan, ein möglichst hohes Maß an Verdachtskonfusion beim Publikum durch die Einführung einer ganzen Handvoll zwielichtiger Gestalten zu erzeugen, überläuft sich irgendwann selbst, wie sich auch die Auflösung recht früh als erwartbar zeigt. Es bleiben Momente klassisch-aparter Spannung und die unerwartet bravouröse Leistung der Hauptdarstellerin Doris Day, die die Gratwanderung zwischen Panik, Hysterie und Selbstzweifel spürbar transparent werden lässt.

7/10

David Miller London Ehe Telefon


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FACE/OFF (John Woo/USA 1997)


"Papa's got a brand new bag."

Face/Off (Im Körper des Feindes) ~ USA 1997
Directed By: John Woo

Endlich sieht es so aus, als hätte FBI-Agent Sean Archer (John Travolta) seine verhasste Nemesis, den terroristen Castor Troy (Nicolas Cage) da, wo er ihn haben will: unschädlich gemacht und im Koma liegend. Doch Archer muss noch Troys letzte, noch immer aktive Bombe finden, deren Lage außer dem Komatösen nur dessen Bruder Pollux (Alessandro Nivola) kennt. Zu diesem Zweck kommt ihm ein neues chirurgisches Verfahren zuhilfe: Archer kann sich operativ in ein Ebenbild Troys umoperieren lassen, mit dessen Gesicht anstelle des eigenen. Als perfekt getarnter V-Mann entlockt Archer dem einsitzenden Pollux Troy das Geheimnis, doch es ist bereits zu spät: Castor ist nämlich unterdessen wieder erwacht, hat sich seinerseits in Archers Double verwandeln lassen, jeden Mitwisser ausgeschaltet und führt nun die Existenz des Erzfeindes. Um sich sein Leben zurückzuholen, muss Archer aus dem Hochsicherheitsknast flüchten und einen letzten Krieg gegen den Feind führen.

Getragen von einer eigentlich famosen Genreprämisse erweist sich "Face/Off" besonders aus zwangsläufig gereifter, heutiger Perspektive als eklektizistisches Puzzle, das seine vielen brauchbaren Versatzstücke nicht zu einem homogenen Gesamtbild finalisieren kann. Es gibt ebenso viele tolle wie hoffnungslos abstürzende Einfälle und Szenen, die in der gegeneinander aufgerechneten Summe einen insgesamt leider bloß mittelmäßigen Film ergeben. Die prinzipielle Grundidee, die Antagonisten, Schwarz und Weiß, zunächst die Plätze tauschen zu lassen, um sich den Heimweg am Ende wieder entbehrungsvoll zurückerobern zu müssen, ist eines John Woo zunächst durchaus würdig. Der traumatisiert-todessehnsüchtige, psychisch ruinierte Familienvater allerdings nervt als in die Neunziger transportierter Archetypus nurmehr, weil er in all seiner oberflächlichen, gestylten Selbstherlichkeit schlicht nicht mehr glaubwürdig erscheint. Ein Mel Gibson wäre toll in jener Rolle gewesen, John Travolta ist einfach bloß ölig und penetrant. Nicolas Cage derweil entpuppt sich als wunderbarer, ethisch unmotivierter Psychoterrorist, der lediglich Rabbatz um des Rabbatzes Willen macht. Ein wiederum geistreich verankerter, psychologischer Dreh: Unter dem Gesicht seines Widerparts Sean Archer erweist er sich als deutlich brauchbarerer, weil Es-gesteuerter Ehemann und Vater. Seine Frau (Joan Allen) hat nach langer Zeit wieder erfüllenden Beischlaf, seine pubertierende Tochter (Dominique Swain) findet den "neuen", anarchisch angehauchten Papa deutlich interessanter als den traurigen alten Spießersack von letzter Woche. Die Grenze, den falschen Archer Sex mit seiner Pseudotochter haben zu lassen, war dann offenbar aber doch zu überschreitungsssensibel - angedeutet jedoch wird diese Option durchaus. Wie Archer in Troys Körper derweil endgültig den Verstand zu verlieren droht und von seinem alten Adlatus Dietrich (super: Nick Cassavetes) einen Drogencocktail kredenzt bekommt, ist wiederum erinnerungswürdig. Dann jedoch kommt der Film mit einem geradezu ekelhaft überzuckerten Kinder-Nebenplot um die Ecke, der, der Gipfel der Provokation, am Ende auch noch dazu führt, dass die Archers einen Ersatzsohn (David McCurley) adoptieren können. Zusammen mit teils alberner Bond-Action, wo ernige Shoot-Outs klassischen Woo-Zuschnitts völlig gelangt hätten, bleibt so ein submediokres Konglomerat der vergebenen Möglichkeiten. Umso mehr ärgert man sich und sinniert dem verschwendeten Potenzial von "Face/Off" hinterher.

4/10

John Woo Duell Terrorismus FBI Familie Los Angeles Rache


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ALEXANDER THE GREAT (Robert Rossen/USA, E 1956)


"Wonders are many, but none is more wonderful than man himself."

Alexander The Great (Alexander der Große) ~ USA/E 1956
Directed By: Robert Rossen

Alexander (Richard Burton), Sohn des Philip von Mazedonien (Fredric March) und seiner Gattin Olympias (Danielle Darrieux), wächst im Bewusstsein auf, dereinst als gottgleicher Eroberer über die Erde zu wandeln. Und tatsächlich vollbringt er nach der Vorarbeit durch seinen Vater eine Einigung nahezu aller griechischen Stämme und startet einen beispiellosen Eroberungsfeldzug, den ihn und seine wachsende Armee zunächst nach Persien und dann immer weiter östlich führt. Dennoch gibt es immer wieder hausinterne Konflikte, sowohl mit und zwischen seinen Eltern als auch mit Freunden und Untergebenen. Sein unmäßiger Lebenswandel sorgt schließlich dafür, dass Alexander in Babylon eines frühen Todes stirbt.

Ein in seinem großkotzigen Scheitern durchaus sehenswerter Film, von Robert Rossen fast im Alleingang hergestellt. Teils merkwürdig montiert versucht sich "Alexander The Great" an einem Streifzug durch die Biographie der Titelfigur, wählt zu deren Porträtierung recht willkürliche Fakten und ergeht sich dabei in einer eigenartigen, zerfallenden Komposition, die am Ende beinahe unverständlich wirkt. Im Gegensatz zur zeitgenössischen Konkurrenz wurde Rossens Film von der Produktion offenbar sehr stiefmütterlich behandelt. Es fehlt ihm an visueller Kraft und ausstatterischem Pomp; die wenigen Schlachtenszenen [im Besonderen eine gegen den Perserkönig Dareios (Harry Andrews)], die recht vielversprechend initiiert werden, verlaufen auf enttäuschende Weise buchstäblich im Sande. Der schmalschultrige Richard Burton, wie sich später erweisen wird, ein hervorragender Darsteller von Selbstzweiflern und verletzlichen Intellektuellen, jedoch keineswegs von charismatischen Feldherren, findet sich aufgrund dieser Tatsache bemerkenswert fehlbesetzt. Witzigerweise wurden für diverse Großaufnahmen seines Körpers sichtlich besser trainierte body doubles eingesetzt. Das sagt vieles aus; wenn nicht gar alles.

5/10

Robert Rossen Griechenland Antike Persien Historie period piece Biopic


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KILL LIST (Ben Wheatley/UK 2011)


"Thank you."

Kill List ~ UK 2011
Directed By: Ben Wheatley

Der schwer traumatisierte Irakkriegsveteran Jay (Neil Maskell) arbeitet mittlerweile als Auftragskiller, hat jedoch seit acht Monaten, nachdem es bei seinem letzten Job in der Ukraine zu einem Eklat kam, keine Mission mehr durchgeführt. Seine Ehe kriselt heftigst. Da offeriert ihm Gal (Michael Smiley), sein bester Freund und Kompagnon, neben einer neuen Lebenspartnerin (Ema Fryer) auch einen neuen Autraggeber (Struan Rodger). Von diesem erhalten Jay und Gal eine drei Namen umfassende Tötungsliste. Bei ihren potenziellen Opfern handelt es sich um einen Priester, einen Bibliothekar und einen Abgeordneten. Schon der zu besiegelnde Vertrag wird auf höchst ungewöhnliche Weise aufgesetzt. Während Jay sich mehr und mehr in unkontrollierbare Raserei steigert und bereits beim zweiten Auftrag ein Massaker verursacht, wird Gal die Sache zunehmend unheimlich. Zu Recht, denn als sie sich auf die Lauer legen, um den Politiker auszuschalten, nehmen die Dinge eine höchst unerwartete Wendung.

Ob Ben Wheatley und seine Co-Autorin Amy Jump bevor sie die Arbeit an "Kill List" aufnahmen, möglicherweise Ti Wests "House Of The Devil" oder Spasojevics "Srpski Film" gesehen haben und/oder sich von diesen (teil-)beeinflussen ließen, lässt sich meinethalben nur mutmaßen, liegt aber zumindest nahe. Denn natürlich gibt es zweifelsohne unübersehbare Parallelen zwischen den drei Werken, die sich bis tief in ihre jeweilige, perfide Auflösung hinein, recht stark ännähern. Auch wartet "Kill List" mit einigen recht harschen Momenten auf, die mich infolge ihrer kalkulierten Unmittelbarkeit durchaus mitnahmen. Wo etwa "Srpski Film" eine böse Satire bezüglich der jungen Ostöffnung und der Möglichkeiten einer durch den Neokapitalismus offerierten Kriminalität darstellt, nimmt "Kill List" in ähnlich übersteigerter Form das westliche Engagement in Krisenherden und deren Folgen für das Individuum aufs Korn. Der Krieg, so sein finales Statement, legt das ultimativ Böse aus dem Inneren seinen Protagonisten frei und bringt somit wahre Bestien hervor, die ihren rechten Platz zugewiesen bekommen. Formal und erzählerisch brillant strukturiert, legt Wheatley mit "Kill List" nichts Geringeres vor als eine qualitativ nahezu ebenbürtige zeitgenössische Variation von "Rosemary's Baby" und "The Wicker Man", die er beide wiederum sicher nicht von ungefähr zitiert.

9/10

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