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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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FRITT VILT III (Mikkel Brænne Sandemose/NO 2010)


Zitat entfällt.

Fritt Vilt III (Cold Prey 3 - Wie alles begann) ~ NO 2010
Directed By: Mikkel Brænne Sandemose

1986 will ein Teenager-Sextett ein sagenumwobenes Berghotel aufsuchen, dessen Betreiberfamilie vor rund zwölf Jahren spurlos verschwunden ist. Tatsächlich hatte einst der entstellte Sohn (Dennis Nilsen Nystrøm) seine Eltern ermordet und danach bei dem zunehmend überspannten Eremiten Jon (Nils Johnson) Zuflucht gefunden. Nunmehr erwachsen nimmt Barn Fjellmannen (Endre Hellestveit) alles, was sich in den Wäldern bewegt, als potenzielle Jagdbveute wahr, so auch die draußen campierenden Kids. Jons Bruder Einar (Terje Ranes), Polizist in der Gegend, hegt derweil einige Verdachtsmomente, als die Jugendlichen nicht mehr auftauchen...

Hat nun doch etwas länger gedauert mit dem "Friit Vilt"-Prequel, aber das Warten darf alles in allem als lohnenswert betrachtet werden. Die Zweitfortsetzung, die sich mit Geir Olav Braths Origin befasst und erklärt, wie und warum er zu solch einer monströsen Gestalt werden konnte, nimmt sich im Vergleich zum ersten Sequel in punkto Zeigegestus wieder deutlich zurück und setzt stattdessen recht erfolgreich auf die Kreierung eines spannungsgeladenen, beunruhigenden Ambientes, das narrativ betrachtet natürlich lediglich so lange funktioniert, wie man ausblenden kann, dass es sich um ein Prequel handelt. Somit ist nämlich klar, dass keiner der Beteiligten mit Ausnahme von Fjellmanen/Brath am Ende lebend davon kommen kann. Schwelgerisch und Fernweh erzeugend indes die gekonnt eingefangenen, breiten Bilder der urtümlichen norwegischen Flora, die jeder Naturdokumentation Ehre machten. Allein diese lohnen eine Betrachtung des Films.

7/10

Norwegen Mikkel Brænne Sandemose Prequel Slasher Serienmord period piece


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THE GLASS BOTTOM BOAT (Frank Tashlin/USA 1966)


"She's a pretty strange acting female."

The Glass Bottom Boat (Spion in Spitzenhöschen) ~ USA 1966
Directed By: Frank Tashlin

Der NASA-Wissenschaftler Bruce Templeton (RobertTaylor) verliebt sich während der Arbeit an einem streng geheimen Gravitations-Überwindungsprojekt namens 'GISMO' in die verwitwete Fremdenführerin Jenny Nelson (Doris Day). Ein übereifriger Überwachungsangestellter (Paul Lynde) hält Jenny aufgrund ihrer etwas verwunderlichen Verhaltensweisen, zu denen unter anderem regelmäßige Anrufe zu Hause bei ihrem Hund zählen, fälschlicherweise für eine feindliche Agentin. Da sich parallel zu dieser Konfusion ein echter (Amateur-)Spion (Dom DeLuise) in Templetons Haus einklinkt, gerät die ahnungslose Jenny mehr und mehr unter Verdacht...

Putzig, wie die meisten Doris-Day-Komödien dieser Tage; trotz Frank Tashlin jedoch nicht ganz so schön wie die Clinch-Grotesken mit Rock Hudson. Das bewährte Prinzip der Zähmung der im Mittel zwischen 'brav' und 'widerspenstig' befindlichen Ur-Amerikanerin findet sich auch hierin noch, die Day erotisiert ihre eigenartige, aber wirkungsvolle Hausfrauenerotik zunehmend professionell (und, mit 42 Jahren, freilich in den letzten Zügen), wirkt jedoch etwas braver und demanzipierter. Dass sie sich einmal durch die Blume etwa als dumm bezeichnen lassen muss, steckt sie relativ gelassen weg. Kein Ruhmesblatt für die Frauenbewegung. Und die Cold-War-Satire mag gut gemeint sein, ist aber schlussendlich ebenso ungefährlich wie Days Handtascheninhalt. Fazit: bieder.

6/10

Frank Tashlin Kalifornien Kalter Krieg Raumfahrt Satire


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THE AWAKENING (Nick Murphy/UK 2011)


"They must hate you."

The Awakening ~ UK 2011
Directed By: Nick Murphy

London, 1921: Durch den Weltkrieg und die Spanische Grippe ist die Bevölkerung stark dezimiert worden und zahlreiche Hinterbliebene versinken in Trauer. Diverse Scharlatane machen sich diese Volksstimmung zunutze und inszenieren Séancen und anderen Okkult-Hokuspokus. Die "Geister-Detektivin" Florence Cathcart (Rebecca Hall) hat es sich zur Aufgabe gemacht, derartige Betrügereien aufzudecken. Als Robert Malory (Dominic West), Lehrer an einem renommierten Jungeninternat, Florence engagiert, um dort einen angeblichen gesichteten Geist zu entlarven, findet die ehrgeizige junge Dame bald einige höchst irdische Ursachen für das angeblich übernatürliche Geschehen. Doch bevor sie abreisen kann, offenbaren sich ihr untrügliche Beweise dafür, dass in dem alten Gemäuer tatsächlich etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Die Spuren führen geradewegs zurück in Florences eigene Kindheit...

Gepflegter Gespensterfilm mit sehr versöhnlichem Finale, der mich recht stark an Lewis Gilberts schönen "Haunted" erinnert hat und auch an ähnliche Spukmären wie "The Sixth Sense" und "The Others", in dem die Geister sich letztlich als hilfesuchende, freundliche, vielleicht gar liebesbedürftige Schemen entpuppen und schlimmstenfalls die Lebenden als Initiatoren böser Gegebenheiten. Den Weg zu dieser "Erkenntnis" zeichnet Murphy durchaus gekonnt mit farbentleerten, blassen Bildern, die das englische Zeitkolorit der Nachkriegsjahre ansprechend einfangen. Überhaupt liefert diese Ära vortreffliche Anhaltspunkte für einen Genregeschichte, die allerdings in der Literatur deutlich häufiger Verwendung finden als auf der Leinwand - so etwa die Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft in Form zerstörter Familien und Beziehungen oder schwer traumatisierter Kriegsveteranen, durch die eine allgemein triste, dräuende Atmosphäre sich bei akkurater Gestaltung wie im vorliegenden Falle, fast von allein einstellt.

7/10

Nick Murphy period piece WWI Parapsychologie Geister Haus Schule England London


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BECKET (Peter Glenville/UK, USA 1964)


"Let us drink till we roll under the table in vomit and oblivion."

Becket ~ UK/USA 1964
Directed By: Peter Glenville

England im zwölften Jahrhundert: König Heinrich II (Peter O'Toole), Spross der normannischen Eroberer, und der angelsächsische Thomas Becket (Richard Burton) sind trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft beste Freunde. Der nachdenkliche, der Vernunft zugetane Becket trägt und ertträgt dabei die Eskapaden Heinrichs, dessen Aristokratenwahn ihn häufig zu übermannen droht. Heinrich ernennt Becket zunächst zum Kanzler der Krone und später zum Erzbischof von Canterbury. Doch anders als Heinrich es geplant hat, entwickelt sich Becket in dieser Position zum Widersacher der Krone und damit zum Gegner Heinrichs selbst. Eine Affäre um die Exkommunikation eines Höflings entzweit die ehemaligen Freunde schließlich endgültig. Heinrich, verzweifelt über die Entwicklung der Dinge, erträgt Beckets stoische Opposition irgendwann nicht mehr...

Diese zwei trinkfesten britischen Schauspieltitanen im Duell zu erleben, ist eine ausgesprochene Wonne. Letzten Endes kann man sich dann auch kaum für einen Sieger entscheiden; vielleicht prägt sich O'Toole etwas manifester ein, dafür hat er aber auch die offenkundigere Rolle. Burtons ethische Konflikte spielen sich ja vornehmlich in seinem Inneren ab und sind eher philosophischer Natur, derweil O'Toole vortrefflich den zum Irrsinn neigenden Erbusurpator gibt.
Als Theaterverfilmung nach Anouilh ruht "Becket" zudem auf einem Fundament grandioser Dialoge, denen zuzuhören und -schauen den Geist beflügelt und trotz des historischen Sujets eher wenig Raum für Monumentales lässt. Zinnemanns zwei Jahre später entstandener, etwas populärer beleumundeter "A Man For All Seasons", der, zeitlich versetzt um vier Centennien, ein ganz ähnliches Sujet vorträgt, ist deutlich von Glenvilles Film beeinflusst.

9/10

Peter Glenville England Mittelalter Kirche Adel Duell Jean Anouilh based on play Freundschaft


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IL GATTOPARDO (Luchino Visconti/I, F 1963)


Zitat entfällt.

Il Gattopardo (Der Leopard) ~ I/F 1963
Directed By: Luchino Visconti

Im Zuge des Risorgimento fällt Garibaldi mit seinen Rothemden 1860 in Sizilien ein, was für die Insel nachhaltige Veränderungen bezüglich ihrer Gesellschaftsstruktur mit sich bringt - für den altadligen Fürsten Salinas (Burt Lancaster) eine eher mühselige Entwicklung, die er mit mäßig affirmativem Gestus unterstützt. Salinas' opportunistischer Neffe Tancredi (Alain Delon) hängt derweil sein Fähnchen nach dem Wind und kämpft zunächst für die Freischärler, nur um sich nach Garibaldis Rückzug der königlichen Armee anzuschließen. Die Zeit der Emporkömmlinge bricht an, so auch des ungestümen Neureichen Don Calogero (Paolo Stoppa), dessen Tochter Angelica (Claudia Cardinale) die Verlobte Tancredis wird.

'Gattopardo' ist mit 'Leopard' keinesfalls treffend übersetzt. Tatsächlich steht diese italienische Bezeichnung für 'Serval', eine wendige, gefleckte afrikanische Wildkatze, die die auratische Herrlichkeit der Titelfigur gleich etwas zurückgenommener erscheinen lässt. Das Risorgimento bedeutet für Fürst Salinas das Aufbrechen einer zweieinhalb Millennien alten Tradition. Das Sizilien des 19. Jahrhunderts erstarrt ächzend unter seinem ständischen Filz, es hat geradezu zu atmen verlernt. Eine Veränderung dieser lethargischen Situation ist unabwendbar. Das weiß auch der verständige Salinas, wenngleich er derlei Umbrüche mit seiner eigenen aristokratischen Persönlichkeit nicht vereinbaren kann oder will. Viscontis Meisterwerk "Il Gattopardo" berichtet in detailversessener Schönheit voller Stuck und Schmuck von jener elementaren Sturheit und ihrer schlussendlich notwendigen Resignation; ein letzter Flirt mit Jugend, Schönheit und Leben, ein letzter Walzer, ein letzter Blick in den Spiegel geht ihr voraus. Obschon Salinas trotz seiner umfassenden Reflektionen diesbezüglich auf einem symbolträchtigen Ball wohl nicht direkt vom Tode bedroht ist, hat er sich doch sowohl seinem eigenen Untergang als auch dem der seinen arrangiert; von jetzt an wird er anämisch, phlegmatisch und alt werden, das Relikt einer künftig gelöschten Ära.

10/10

Italien Sizilien Historie period piece Risorgimento Luchino Visconti Giuseppe Tomasi di Lampedusa Adel Sittengemälde


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THE MAN WITH TWO BRAINS (Carl Reiner/USA 1983)


The Man With Two Brains (Der Mann mit zwei Gehirnen) ~ USA 1983
Directed By: Carl Reiner

Der verwitwete Gehirnchirurg Dr. Hfuhruhurr (Steve Martin) fährt versehentlich die bösartige Millionärsgattin Dolores (Kathleen Turner) an, operiert und heiratet sie. Doch das Miststück hat sich über ihren Unfall hinaus nicht verändert: Sie hungert Dr. Hfuhruhurr sexuell aus und treibt es stattdessen mit Ramón (Natividad Vacío), dem Gärtner. Außerdem hat sie es lediglich auf das Verrmögen ihres Gatten abgesehen. Als Hfuhruhurr zu einem Kongress in Wien eingeladen wird, wo gerade der berüchtigte Fahrstuhlmörder sein Unwesen treibt, lernt er neben dem Kollegen Dr. Necessiter (David Warner), der Gehirnaktivitäten per Strom übertragen kann, das Gehirn von Anne Uumellmahaye kennen, in das er sich verliebt. Anne benötigt einen Körper, um am Leben zu bleiben - doch woher nehmen, wenn nicht töten?

Wine weitere formidable Reiner/Martin-Komödie, in der man sich diesmal die B-Genrefilme der fünfziger Jahre vorknöpft. "Donovan's Brain" findet sich sogar direkt erwähnt. Der Film quillt von Anfang bis Ende über vor brillanten Gags, die sich einerseits aus verrückten Einfällen von Reiner und Martin speisen und andererseits aus der herrlichen Komik des Hauptdarstellers, die ja dereinst, bevor er sich solcherlei Albernheiten zu verkneifen pflegte, vor allem darin bestand, vollkommen absurde Szenen völlig selbstverständlich zu spielen und dabei sein seriös-gepflegtes Äußeres stets zu wahren. Doch auch Kathleen Turner, möglicherweise der weibliche Hollywood-Hot-Spot der ersten Achtzigerhälfte, ist schlichtweg zum Niederknien. Und was ein echter Gehirn-Schocker ist, der kann auch einen kostümierten Pseudogorilla vorweisen, wobei hier Don McLeod unübersehbar im selben Ganzkörperpelz steckt, den er kurz darauf wieder in "Trading Places" tragen wird. Qualität hat eben Bestand.

8/10

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BLOCK-HEADS (John G. Blystone/USA 1938)


"If you want me to go, I'll stay as long as you like."

Block-Heads (Die Klotzköpfe) ~ USA 1938
Directed By: John G. Blystone

Nachdem Stan (Stan Laurel) 20 Jahre nach Beendigung des Ersten Weltkriegs seine Wachstellung in einem französischen Schützengraben gehalten hat, berichtet ihm ein von ihm attackierter Pilot (George Sorel), dass der Krieg schon seit längerem vorbei sei. Stan gibt daraufhin seine stellung auf und geht in ein Veteranenheim. Als sein alter, mittlerweile unglücklich verheirateter Kumpel Ollie (Oliver Hardy) davon Wind bekommt, holt er Stan ab und nimmt ihn mit in sein Appartment. Das Chaos ist vorprogrammiert und am Ende bleibt nur die Flucht nach vorn.

"Block-Heads" gilt als einer der schönsten Spielfilmklassiker um Stan und Ollie. In weniger als einer Stunde liefert das Duo eine inhaltlich zunehmend zerfasernde Glanzvorstellung, in denen sich lustvoll physikalische Gesetzmäßigkeiten auf den Kopf gestellt finden und ein Hohelied auf wahre Männerfreundschaft gesungen wird. Ollies feine Ehefrau (Mina Gombell) ist ein Höllenweib, das seinen armen Gatten an der kurzen Leine hält, ihm Taschengeld ausbezahlt und jeden Minimalanlass zu furienhafter Raserei nutzt. So kann und darf es nicht weitergehen.
Ganz wunderbar vor dieser dramaturgischen Prämisse die in "Block-Heads" hochkultivierte, symbiotische Beziehung zwischen dem Protagonistenpaar: Sobald sie sich begegnen, herrschen um sie herum Konfusion, Unordnung und Chaos und doch fußt ihr gesamtes Existenzprinzip auf gegenseitiger Nähe. Obschon Ollie im Grunde ahnt, dass Stan ihn bereits nach Sekunden garantiert aus der Haut fahren lassen wird, holt er ihn zu sich, gerner und zweifelsohne vor dem latenten Bewusstsein, dass ihn dieser Schritt seine Ehe - ohnehin eine lediglich der oberflächlichen Gesellschaftsordnung geschuldete Farce - kosten wird.

8/10

Laurel & Hardy John G. Blystone Slapstick WWI Freundschaft


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LEPRECHAUN IN THE HOOD (Rob Spera/USA 2000)


"Lep in the Hood, come to do no good!"

Leprechaun In The Hood ~ USA 2000
Directed By: Rob Spera

Dereinst hat der Kleingangster Mack Daddy (Ice-T) einen Leprechaun (Warwick Davis) um dessen sagenhafte Flöte erleichtert und den Kobold hernach festgesetzt. Mithilfe des kleinen instruments ist Mack Daddy daraufhin zum Musikproduzenten-Millionär avanciert. Eher zufällig gerät Jahre später das erfolglose Rap-Trio Postmaster P. (Anthony Montgomery), Stray Bullet (Rashaan Nall) und Butch (Red Grant) im Zuge eines Überfalls in den Besitz jener Flöte und hat fortan sowohl Mack Daddy als auch den ungehaltenen Leprechaun am Hals.

Falls jemand irrigerweise den im Weltraum spielenden vierten Teil des "Leprechaun"-Franchise für die denkbar groteskeste Variation des Themas hielt, würde ich zu gern wissen, wie dieser Jemand erst auf "Leprechaun In The Hood" reagiert. Oder - eigentlich möchte ich's gar nicht wissen, ich weiß es schon - schließlich habe ich diesen völligen Blödsinn letzte Nacht am eigenen Leibe ertragen. Eine völlig konfuse Zusammenführung aus Hip-Hop-Komödie und "Leprechaun"-Sequel, idiotisch bis ins Mark und vor allem deshalb nachgerade erstaunlich, da Trimark den Film offenbar ruhigen Gewissens abgesegnet hat. Wahrscheinlich wurde die Produktion eher als subkulturelles Happening in L.A. angelegt, dessen Beteiligte, inklusive des durch die Kulissen torkelnden Coolio, sich ob der dichten Marihuanaschwaden kaum mehr an den Dreh werden erinnern können. Der Leprechaun trifft Ice-T wird zum "Lep", raucht kiloweise Gras, hält sich flotte bitches und rappt am Ende das Haus. Mehr muss dazu eigentlich nicht gesagt werden.

3/10

Rob Spera Leprechaun Sequel Musik Los Angeles Slum Marihuana Groteske Satire Splatter Subkultur Trash


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SINISTER (Scott Derrickson/USA, UK 2012)


"Don't worry, daddy. I'll make you famous again."

Sinister ~ USA/UK 2012
Directed By: Scott Derrickson

Sein nächstes Buch soll ein Riesenhit werden: Der finanziell darbende Autor Ellison Oswalt (Ethan Hawke) hat sich auf investigative Sensationsschreiberei spezialisiert und veröffentlicht nurmehr Werke über Gewaltverbrechen, deren Aufklärung durch schlampige Ermittlungen seitens der Polizei verhindert wurden. Oswalts neuestes Projekt befasst sich mit dem Massenmord an einer Familie, von denen vier Mitglieder im Garten erhängt wurden und deren jüngste Tochter verschwunden ist. Zusamen mit seiner nichtsahnenden Frau (Juliet Rylance) und ihren beiden Kindern (Clare Foley, Michael Hall D'Addario) bezieht Ellison das Haus der betreffenden Familie und findet umgehend auf dem Dachboden einen Karton mit alten Super-8-Filmen samt Projektor. Die Filme, denen sich Ellison in einer Mischung aus Faszination und Schockierung widmet, zeigen jenen letzten Gewaltakt sowie weitere, teils über vierzig Jahre zurück liegende Massenmorde an Familien, aufgenommen jeweils aus der Täterperspektive. Bald stellt Ellison zwingende Zusammenhänge zwischen den Fällen her, deren Spur schließlich in eine eindeutige Richtung weist...

Überaus ansprechender Gruselfilm, der nachhaltig demonstriert, das selbst ein vergleichsweise wenig innovativer Grundplot ansprechend aufbereitet werden kann, wenn das dazugehörige Werk sich Lärm und Aufregung versagt und sich stattdessen stilvoll und konzentriert, um nicht zu sagen: klassisch ausnimmt. Derrickson, dessen "Exorcism Of Emily Rose" ich eher im negativen Wortsinne enervierend fand, legt mit "Sinister" einen der vorzüglichsten Spuk- und Geisterfilme der letzten Jahre vor, indem er ein kleines, persönliches, aber umso funktionaleres Regelwerk befolgt: Er hält sich einerseits an inhaltliche Grundstandards, die nicht zwingend den Pfaden der Logik folgen, sich aber dafür als höchst effektiv erweisen. Es gibt kaum graphische Gewaltelemente, keine Shuttereffekte oder ähnliche moderne Geisterbahnmechanismen; vielmehr bezieht "Sinister" sehr viel an innerer Spannung aus der Unklarheit über den Geisteszustand des Protagonisten: Wird dieser sukzessive brüchig oder handelt es sich tatsächlich um die immer wieder suggerierten Täter? Und spielen paranormale Phänomene überhaupt eine Rolle? Diese rezeptionelle Unsicherheit treibt Derrickson geschickt bis auf die Spitze und erzielt so ein Maximum an Wirkung, das zwar am Ende einer gewissen Formelverhaftung erliegt, jedoch erfolgreich nachwirkt. Erfreulich, dass gegenwärtig produziertes Genrekino noch einen solchen Mut zur Hinwendung zu traditioneller Form beweist.

8/10

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THE CARDINAL (Otto Preminger/USA 1963)


"Continue playing."

The Cardinal ~ USA 1963
Directed By: Otto Preminger

Der Aufstieg des irischstämmigen Paters Stephen Fermoyle (Tom Tryon) zum Kardinal und Stationen seines Lebensweges, der ihn über persönliche Gewissenskonflikte bezüglich seines klerikalen Standes, rassistische Konflikte in Georgia, wo er einem bedrängten Amtsgenossen (Ossie Davis) beisteht, bis hin zu der Annektierung Österreichs durch Hitler und die dortige Auflösung der katholischen Kirche führt.

Wahrscheinlich die Lebensrolle Tom Tryons, der zur eher unbekannten Fraktion der Garde klassischer Hollywood-Darsteller zählt und als dessen Karriere-Sprungbrett "The Cardinal" möglicherweise auserkoren war. Nach Betrachtung des Films ahnt man jedoch, warum nicht mehr daraus wurde. Tryon, sicherlich ein gutaussehender, charismatischer Mann, wird seiner ihm gestellten Herausforderung nicht nur nicht gerecht, er versagt darüberhinaus mit einer nahezu unglaublichen Gleichmut und macht damit noch das Beste aus der ihn überfordernden Aufgabe. Eine der größten Fehlbesetzungen der Hollywood-Historie gibt es somit zu betrachten. Tryon steht einem phantastischen Ensemble vor, das großartige DarstellerInnen wie Burgess Meredith oder Romy Schneider umfasst, hat einen Meisterregisseur im Rücken und soll eine solch epische Geschichte tragen. Man fragt sich, wie ein Montgomery Clift diese anspruchsvolle Darstellung gemeistert hätte. Ansonsten trägt "The Cardinal" geräuschvollen Kirchenkitsch vor sich her, der nur sehr wenig kritische Perspektiven zulässt und den Vatikan zur erdsäulentragenden Institution verklärt. Er erinnert ein wenig an Zinnemanns "The Nun's Story", der ja ebenfalls mit großer Geste den Konflikt zwischen weltlicher und geistlicher Gesinnung bei Kirchenvertretern verhandelte und fügt sich im Großen und Ganzen recht nahtlos in Premingers Spätphase, die ja primär ambitionierte, großatmige Stoffe bedient. Dies belegt einerseits, dass "The Cardinal" natürlich zu den großen Epen seiner Ära gezählt werden kann, jenen allerdings andererseits, die einen mit wachsendem Werksalter skeptischen Blick förmlich provozieren.

7/10

Otto Preminger Kirche Vatikan Nationalsozialismus Rom Österreich Rassismus Südstaaten Georgia ethnics Boston Wien period piece Familie





Filmtagebuch von...

Funxton

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