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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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AMERICAN PSYCHO (Mary Harron/USA 2000)


"I have to return some videotapes."

American Psycho ~ USA 2000
Directed By: Mary Harron

Patrick Bateman (Christian Bale) lebt gegen Ende der Achtziger als Broker in Manhattan. Sein Lebensinhalt besteht aus Hautpflegemitteln, teuren Restaurants und Clubs, seichter Popmusik und barbarischer Gewalt. In einer sich bereitwillig selbst anonymisierenden Gesellschaft braucht er sich noch nichtmal Sorgen darüber zu machen, für seine Taten zur Rechenschaft gezogen zu werden. Als er nach einem Amoklauf einbricht und seinem Anwalt (Stephen Bogaert) telefonisch seine Missetaten gesteht, zeigt dieser sich leidlich interessiert. Es bleibt eine Gewissensfrage.

Ellis' gewaltige Bestandsaufnahme der Spätachtziger filmisch zu adaptieren entspricht einer von vornherein zum Scheitern verurteilten Idee, da die für eine halbwegs adäquate Verfilmung notwendigen Ingredienzien eine visuelle und akustische Ausnahmesituation schaffen würden, der sich kein Massenpublikum freiwillig zu stellen bereit wäre. Harrons Film ist daher vor allem Reduktion. Sie und ihre Coautorin Guinevere Turner retten vermutlich, was zu retten ist; schälen, entkernen, interpretieren, deuten, planieren, begradigen und schaffen somit einen gemeinhin gefälligen Kinospaß, der sich im Gegensatz zum Buch keine Gedanken über kontroverse Aufnahme beim Feuilleton machen muss, es sei denn, dieses möchte dann vielleicht doch etwas mehr Quellenanbindung.
Harron feminisiert die Perspektive des Romans, der nach seinem Erscheinen Feministenverbände auf die Barrikaden hat steigen lassen, derweil Ellis sich damals, infolge der offen geäußerten Meinung, unter anderem auch ein radikal feministisches Buch geschrieben zu haben, mit nur vorgeblich unverständiger Miene amüsiert haben dürfte. Um der Linie von "American Psycho" umsetzerisch halbwegs zu folgen, bedarf es des Mutes zur Monotonie, zur Beiläufigkeit, zur Ausdehnung, auch in Bezug auf die zur Komplettierung unerlässlichen Darstellung von Batemans Gewaltakten. Von alldem jedoch entfernt sich der Film. Er wählt die satirische Antenne des Romans als vordringlichen Energiespender - ein legitimer, aber eben überaus halbgarer Ansatz. Ferner ist Christian Bale, der Harrons und Turners Ansatz bedingungslos folgt, eine, wenn auch charmante, Fehlbesetzung in der Hauptrolle.
Immerhin befindet sich auf der US-DVD mit der Interviewsammlung "The 80s: Downtown" eine grandiose kleine Doku, die das Erlebnis des nach meiner Auffassung in Ehren misslungenen Films wieder halbwegs ausgleicht.

4/10

Mary Harron period piece New York Wall Street Serienmord Madness Yuppie Satire


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A BRONX TALE (Robert De Niro/USA 1993)


"The saddest thing in life is wasted talent."

A Bronx Tale (In den Straßen der Bronx) ~ USA 1993
Directed By: Robert De Niro

Bronx, 1960: Der kleine Calogero Anello (Francis Capra) wächst nach Kräften behütet von seinem Vater Lorenzo (Robert De Niro) auf, der in der Gegend als Busfahrer arbeitet. Sein heimliches Idol jedoch ist der Gangsterboss Sonny (Chazz Palminteri), der als lokaler Pate das Viertel im Griff hat. Als Sonny eines Tages auf offener Straße einen Mann erschießt, ist Calogero der einzige Zeuge. Er verzichtet jedoch darauf, Sonny bei der Polizei zu verraten und wird bald darauf zum heimlichen Ziehsohn des Gangsters. Von nun an hat Calogero, den Sonny nur kurz C. nennt, zwei Väter, die sich als diametrale Pole ihrer Einwandererkultur jedoch gegenseitig nicht riechen können. Acht Jahre später findet C. (Lillo Brancato) seine erste große Liebe in der Person der farbigen Jane (Taral Hicks), die zwar nur ein paar Straßen weiter wohnt, die infolge ihrer Hautfarbe jedoch Welten von C. trennen. Entgegen aller Widerstände bleiben die Zwei dennoch ein Paar. Für Sonny indes hält das Schicksal noch eine späte Retourkutsche bereit.

Manchmal etwas geschwätzig und sowieso übermächtig beeinflusst vom milieuzeichnerischen Chronismus seines damaligen Hausregisseurs Martin Scorsese stellte Robert De Niro mit "A Bronx Tale", der auf einem Theaterstück Chazz Palminteris beruht, sein Regiedebüt auf die Beine. Der Film ist die typische Coming-of-Age-Story eines junges Italoamerikaners in den Sechzigern und beinhaltet somit auch starke Parallelen zu Generationsporträts wie Kaufmans "The Wanderers", die sich nicht zuletzt in ihrer gewohnt prachtvollen Songauswahl niederschlägt.
Erst der Kern der Geschichte macht den Film schließlich zu etwas Besonderem: Die Väter-Dublette und der daraus resultierende Konflikt. Während C.s leiblicher Vater Lorenzo den harten aber herzlichen, ehrlich arbeitenden Italoamerikaner reräsentiert, der mit der 'ehrenwerten Familie' bis auf einen freundlichen Gruß hier und da nichts zu tun haben will, steht Sonny für das nachbarschaftliche Großtum des neuen Mafioso, behangen mit teurem Zwirn und schicken Klunkern, vor dem jeder in der Gegend Angst hat. Dennoch sind Sonnys Lebensweisheiten denen Lorenzos in bestimmten Punkten deutlich voraus: Den altweltlichen Rassismus hat er längst beigelegt und sein ansozialisiertes Misstrauen gegenüber dem Milieu erweist sich als vollkommen berechtigt. Dennoch beweist sich Lorenzos Konservativismus am Ende als die buchstäblich langlebigere der beiden Strömungen in C.s Leben und auch, wenn er manche der unkonventionellen Leitsätze Sonnys - etwa in Bezug auf die Offenheit anderen Ethnien gegenüber - noch zukünftig beherzigen dürfte, wird sein leiblicher Vater schon aufgrund seiner bedingungslosen Liebe zu seinem Sohn stets der didaktische und pädagogische Gewinner bleiben. Nichtsdestotrotz wird hier das Herandämmern einer neuen, in vielerlei Hinsicht klügeren Generation illustriert.

8/10

Robert De Niro period piece Rassismus Mafia New York Coming of Age Ethnics based on play


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TROUBLE IN PARADISE (Ernst Lubitsch/USA 1932)


"Tonsils! Positively tonsils!"

Trouble In Paradise (Ärger im Paradies) ~ USA 1932
Directed By: Ernst Lubitsch

In Venedig lernen sich die beiden Berufsdiebe Gaston (Herbert Marshall) und Lily (Miriam Hopkins) kennen und verlieben sich vom Fleck weg. Bald darauf, das Paar hat sich mittlerweile bis nach Paris gegaunert, macht Gaston infolge eines leicht missglückten Coups die Bekanntschaft der steinreichen Parfum-Unternehmerin Mariette Colet (Kay Francis). Diese ist von dem Galan so angetan, dass sie ihn umgehend als Privatsekretär engagiert - für Gaston eine hervorragende Gelegenheit, sie um einen hübschen Teil ihres Vermögens zu erleichtern, wäre nur Mariette nicht ebenso attraktiv wie wohlhabend...

"Trouble In Paradise" ist nicht nur eines von Lubitschs größten Meisterstücken, er veranschaulicht auch die zwangsläufige Überlegenheit des Tonfilms bezüglich der Darstellbarkeit komödiantischer Eleganz. Der Film lebt von seinen spitzfindigen Dialogen, die ein Maß an Zeitlosigkeit und Esprit besitzen, das sie noch bis in die Gegenwart illuminiert. Nahezu jede Zeile beinhaltet eine Pointe oder einen Gag. Selbst und insbesondere die Nebenfiguren erhalten dadurch eine liebevolle Charakterisierung, im Speziellen natürlich Kay Francis' zwei spinnerte Hofmacher Filiba (Edward Everett Horton) und der Major, gespielt von meinem Lieblingskomödianten dieser Ära, Charlie Ruggles. Wie sie jeweils ihre dekadente Trotteligkeit ausleben und sich bei aller Ähnlichkeit gegenseitig das Leben schwer machen, das sucht selbst nach achtzig Jahren noch seines humorigen Gleichen. Die prickelnde Dreiecksbeziehung zwischen Hopkins, Marshall und Francis derweil besitzt eine elektrisierende Erotik, die ebenfalls als ein Merkmal der großen Filmkunst jener Zeit gewertet werden muss und somit unwiederholbar ist.
"Trouble In Paradise" ist und bleibt eine einzige Kostbarkeit, für die man als Filmliebhaber nur überschwänglichst dankbar sein kann.

10/10

Ernst Lubitsch Screwball Venedig Paris


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TENTACOLI (Ovidio G. Assonitis/I, USA 1977)


"Compared to suckers on a tentacle, tiger claws are nothing, Mr. Turner."

Tentacoli (Der Polyp - Die Bestie mit den Todesarmen) ~ I/USA 1977
Directed By: Ovidio G. Assonitis

Durch submarine Bohrungsarbeiten wird ein Riesenkrake aus der Tiefsee bis an die kalifornische Küste gelockt, wo seine Tentakel sich vom Baby bis zum versoffenen Fischer alles greifen, dessen sie habhaft werden können. Der Polyp mag nämlich am liebsten das Knochenmark seiner Opfer, und davon möglichst viel. Ned Turner (John Huston), ebenso wackerer wie unbbestechlicher Journalist, begibt sich auf die Spur der zunächst unerklärlichen Ereignisse und bringt, nachdem er ihre Ursache endlich herausfinden konnte, den Ozeanologen und Killerwaldompteur Gleason (Bo Hopkins) dazu, dem Mörderkraken den Garaus zu machen. Als dessen Frau (Delia Boccardo) von dem Monster getötet wird, wird die Sache für ihn ohnehin persönlich...

Hmm, "Tentacoli", klingt doch eigentlich ziemlich lecker, ein bisschen wie "Miracoli" mit Tintenfischeinlage. Doch dann die Ernüchterung - leider ist Assonitis' Nudel-, äh, Tentakeltrasher bloß ein ziemlich langweiliger Heuler aus der "Post-"Jaws"-Ära", der wiederum mit dem Motiv des unterseeischen Monsters, dessen eigentlicher Aktionsradius erst durch die Gewinnsucht skrupelloser Kapitalisten ermöglicht wird, Kasse zu machen versuchte. Was "Tentacoli" etwas von den übrigen Rip-Offs dieser Jahre abhebt, ist die stolze Besetzung mit einigen großen und kleinen Hollywood-Legenden, allen voran dem großen John Huston (der sich, das muss man allerdings dazu sagen, in seinen späten Jahren nicht entblödete, für ein paar Dollar noch selbst den größten Mist mit seiner weißhaarigen Präsenz zu adeln) und Shelley Winters, die es sicher nicht bei einer Bloody Mary belassen haben wird. Die Szenen mit Henry Fonda sind allerdings wirklich ein schlechter Witz. An einem Vormittag zwischen Tür und Angel gedreht, lässt Fondas Gesichtsausdruck darin nur einen Rückschluss zu - dass er sich nämlich ausschließlich Gedanken darüber gemacht hat, was es an jenem Datum wohl zu Mittag geben mochte. Peckinpah-Standard Bo Hopkins vereint die Charaktere Brody, Hooper und Quint ganz ökonomisch in einer Person. Seine zwei Orcas haben ihn so lieb, dass sie für ihn sogar den Killerkraken plattmachen, was man im Film jedoch bestenfalls erahnen kann - wie man das titelgebende Vieh ohnehin faktisch nicht zu Gesicht bekommt. Und Assonitis' Inszenierung? Die ist halt Italo-Standard; versucht notdürftig, die zwangsläufige Diskrepanz zwischen der Starpower und dem unterirdischen Script aufzufangen und wenigstens ein Mindestmaß an Spannung zu erzeugen. Bemerkenswert allerdings Stelvio Ciprianis Musik: Diese klingt ohne Abstriche so, als wäre sie für einen Western komponiert worden.

4/10

Ovidio G. Assonitis Kalifornien San Diego Krake Trash Tierhorror


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BACKDRAFT (Ron Howard/USA 1991)


"It's a living thing, Brian. It breathes, it eats, and it hates."

Backdraft ~ USA 1991
Directed By: Ron Howard

Dass sein kleiner Bruder Brian (Stephen Baldwin) zur Chicagoer Feuerwehr kommt, ist dem alten Hasen Stephen 'Bull' McCaffey (Kurt Russell) ein Dorn im Auge, ist doch einst bereits ihr Vater (Kurt Russell) bei einem Einsatz ums Leben gekommen. Tatsächlich schafft es Stephen bald, seinen Bruder wieder aus seiner Einheit herauszuekeln, so dass Brian bei den Brandursache-Ermittlern landet. Zusammen mit Donald Rimgale (Robert De Niro), selbst ein früherer Firefighter, setzt sich Brian auf die Spur eines feuerversierten Killers, der seine Opfer mittels gezielter 'backdrafts' mordet.

Ein "Backdraft", das lernt man im Film, kommt dann zustande, wenn ein Brand in einem kleinen Raum sämtlichen Sauerstoff verschlungen hat. Das nunmehr entstandene Vakuum ist jedoch noch heiß genug, um sich bei neuer Sauerstoffzufuhr wieder zu entzünden und einer riesigen Zunge gleich nach vorn zu schnellen. Eine hübsch perfide Art, ahnungslos Türen öffnende Leute umzubringen. Oder eben Feuerwehrleute. "Backdraft" dürfte das Herz eines jeden Pyromanen höher schlagen lassen: Howard inszeniert, orchestriert, choreographiert das Feuer und setzt es mit großer Leidenschaft ins Bild. Der Filmdialog spricht ständig vom Feuer als einer Art lebendem, denkenden Gegner, den es zu durchschauen gilt, bevor man ihn effektiv bekämpfen kann. "Backdraft" versteht sich auch unmissverständlich als Heldenepos und Ehrerbietung an die Feuerwehrleute der USA, einer eingeschworenen Arbeitersubkultur mit hohem Ehrenkodex und von unvergleichlichem Mut. Vor dem Hintergrund dieses Ansinnens schlägt er allerdings permanent über die Stränge; der deutsche Untertitel "Männer, die durchs Feuer gehen" hätte treffender "Männer, die in Zeitlupe durchs Feuer gehen" geheißen. Wenn Kurt Russell, einen kleinen schwarzen Jungen im Arm, zu der schon ekelhaft pathetischen Musik Hans Zimmers in Slo-Mo durch eine brennende Tür bricht, dann sagt der Film alles über sich. Stargespickte Füllszenen, in denen alibihaft uninteressante Beziehungsgeflechte erörtert werden, dienen lediglich dazu, das Ganze auf Länge zu bringen und den Film nicht als eine einzige Pyroshow dastehen zu lassen. "Backdraft" ist so etwas wie der "Top Gun" des Katastrophenfilms, eine selbstverliebte Egoshow Ron Howards, die immerhin als eine stilistische Maßgabe für das noch folgende Neunziger-Kommerzkino Bestand hat und sich ihrer beeindruckenden Feuerszenen wegen anschauen lässt. Ansonsten weist das Ding bereits genau in die Richtung, die mit "Apollo 13", einem für mich wirklich unansehnlichen Stück Scheiße von Film, ihren traurigen Höhepunkt erreichen sollte. Amerika, deine Helden.

5/10

Chicago Ron Howard Gregory Widen Feuer Feuerwehr Brüder Serienmord


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COMPULSION (Richard Fleischer/USA 1959)


"Please, Artie - I'll do anything you say."

Compulsion (Der Zwang zum Bösen) ~ USA 1959
Directed By: Richard Fleischer

Chicago in den Zwanzigern. Den beiden jungen Studenten Artie Straus (Bradford Dillman) und Judd Steiner (Dean Stockwell) ist ihre materiell-verwöhnende und zugleich emotional vernachlässigende Erziehung zu Kopf gestiegen: Artie ist ein eitler, selbsträsonistischer Narziss, Judd hat eine dependente Persönlichkeitsstörung. Was sie eint, ist der mitunter sadistische Hang zu maß- und vor allem sinnloser Gewalt. Als sie einen kleinen Jungen aus der Nachbarschaft entführen und töten, werden sie durch einige missgünstige Zufälle überführt und landen bald vor Gericht. Als Verteidiger engagieren ihre Eltern Anwalt Wilk (Orson Welles), einen engagierten Gegner der Todesstrafe...

Beachtliches Kriminaldrama, das ebenso wie Hitchcocks "Rope" auf dem realen Fall um die beiden Gewaltverbrecher 'Leopold & Loeb' basiert, die 1924 das perfekte Verbrechen planen und durchführen wollten und dabei einen vierzehnjährigen Jungen aus der Nachbarschaft umbrachten. Der zum Entstehungszeitpunkt von "Compulsion" noch lebende, wieder entlassene Leopold versuchte, den Film zu torpedieren, jedoch erfolglos.
Bei Fleischers kinohistorisch vergleichsweise wenig beachteten Film handelt es sich um ein erfreulich wenig tendenziöses und dennoch sicher formuliertes Plädoyer gegen die Todesstrafe. Der an vorderster Stelle genannte Orson Welles taucht zwar erst im letzten Drittel der Geschichte auf, beherrscht diese jedoch vollkommen durch seine darstellerische Präsenz, an deren Finale - wie könnte es anders sein - ein flammendes, ausgedehntes Plädoyer wider den populistisch-rachsüchtigen Justizblutdurst seiner Zeitgenossen steht; auch dieses freilich authentisch. Die ersten beiden Akte dienen indes der sorgfältigen Ausgestaltung der beiden Charaktere Straus und Steiner und ihrer verhängnisvoll maßgeschneiderten Beziehung zueinander. Die Zwei lassen sich genealogisch als Urahnen von Ellis' Patrick Bateman einordnen, denen der familiäre Wohlstand einen psychischen Strick dreht und die, wenngleich von ganz unterschiedlicher diagnostischer Provenienz, ein fatales Duo bilden, an deren Negierung jedweder sozialen Werte schließlich jenes unfassliche Verbrechen steht. Fleischers Interesse an der differenzierten Darstellung brüchiger Täter-Personae, die sich später wieder in "The Boston Strangler" und "10 Rillington Place" manifestieren sollte, steht hier bereits deutlich im Vordergrund.
Zukunftsweisendes Qualitätskino von ungebrochener Aktualität kam dabei heraus.

9/10

period piece Chicago Courtroom Madness Richard Fleischer Todesstrafe


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ERCOLE ALLA CONQUISTA DI ATLANTIDE (Vittorio Cottafavi/I, F 1961)


Zitat entfällt.

Ercole Alla Conquista Di Atlantide (Herkules erobert Atlantis) ~ I/F 1961
Directed By: Vittorio Cottafavi

Herkules (Reg Park) und sein Freund Androklus (Ettotre Manni), König von Theben, wohnen einer nervenaufreibenden Vision bei, die nicht nur das Ende Griechenlands, sondern sogar das der ganzen Welt prophezeit. Zusammen mit Herkules' Sohn Illus (Luciano Marin) und dem lustigen Zwerg Timotheos (Salvatore Furnani) bricht man übers Meer auf, die dräuende Gefahr ausfindig zu machen und zu beseitigen. Jene zeigt sich bald in Form der sagenhaften Insel Atlantis respektive deren Königin Antinea (Fay Spain), einer machtgierigen Diktatorin, die ihrem Machterhalt zur Bedingung ohne zu zögern ihre Tochter (Laura Efrikian) opfern will und mithilfe eines mystischen Steines eine Superrasse züchtet, mit deren Unterstützung sie die Weltherrschaft anstrebt.

Noch schöner als Cottafavis erster "Herkules"-Film mit Mark Forest gestaltet sich dieser Meilenstein des Schundfilms. Herrliche, verschwenderisch mit Goldlack bepinselte Plastikbauten, kurzsichtige Maskenbildnerei (Antineas blondbärtige Ariergarde steht den Heino-Zombies aus "Otto - Der Film" in nichts nach), des Recken bemühter Kampf gegen ein teuflisch kindergartenkostümiertes Monster namens Proteus, das sich wahlweise auch in einen sattgefressenenen, dressierten Zirkuslöwen oder in eine dreißig Zentimeter lange Babypython verwandeln kann und natürlich Reg Park selbst, mein persönlicher Lieblings-Herkules, machen Cottafavis Film zu einem Erlebnis. Meine wie immer überheblich konnotierte Schilderung des Films soll dabei der spürbarten Vitalität der Inszenierung, die vor einem fast kindlichen Enthusiasmus sowie dem Mut zur Ernsthaftigkeit inmitten der eigenen Trashprämisse strotzt bitte nicht den Weg abschneiden. "Ercole Alla Conquista Di Atlantide" ist wirklich italienischer Bodybuilder-/Sandalen-Gurkensalat at its finest accomplishment!

8/10

Vittorio Cottafavi Herkules Griechenland Atlantis Europloitation Griechische Mythologie


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MARLEY (Kevin Macdonald/USA, UK 2012)


"Sister, I'm taking the ghetto uptown."

Marley ~ USA/UK 2012
Directed By: Kevin Macdonald

Eine Dokumentation über das Leben Robert Nesta Marleys muss und kann auch zwangsläufig nur zur Heldenverehrung ausarten. Der ohnehin befangene Zuschauer derweil bleibt nach knapp zweieinhalb Stunden des Staunens, in denen er das wechselvolle Leben dieses Jahrhundertmusikers in komprimierter Form nahegebracht bekam, mit viel Liebe und etwas Wehmut in der Brust zurück.
Die Biographie der mit 36 Jahren - so alt bin ich selbst momentan - verstorbenen Ikone liest sich in Teilen wie die Kopfgeburten eines Kitschromanciers: Geboren auf Jamaica als Sohn eines weißen Försters und einer einheimischen, armen Dorfbewohnerin wurden dem nach seinem unehelichen Vater benannten Robert, den seine Freunde und Kollegen später Robbie, Bobbie oder eben Bob nennen sollten, jedwede Anbindung an seine weißen Wurzeln versagt. Als stets misstrauisch bleibender Mensch wächst Bob im Slum Trenchtown in Kingston auf und findet sich bald mit Bunny Wailer und Peter Tosh zusammen, mit denen er die Wailers gründet. Nach einigen Jahren führen erste internationale musikalische Erfolge und eine Tour nach England zu einem Vertrag mit Jim Blackwell, dem Gründer von Island Records, auf denen Bob Marley And The Wailers zu Lebzeiten des Sängers acht legendäre Alben veröffentlichen - darunter den Überklassiker "Exodus". Im Mai 81 stirbt Marley an dem bereits fünf Jahre zuvor bei ihm diagnostizierten Hautkrebs. Die frühere Ignoranz des unter einem Zehnagel entdeckten Melanoms rächt sich nun und kann selbst durch Spezialistenhände nicht mehr aufgefangen werden. Als eine Art universeller Friedenbotschafter gibt Marley noch in den Jahren zuvor unter teils unzumutbaren Bedingungen einige legendäre Konzerte, die unter anderem die Autonomie Simbabwes unterstützen oder dazu führen, dass sich während eines Gigs auf Jamaica die beiden erbitterten politischen Gegner Edward Seaga und Michael Manley unter dem Jubel ihrer jeweilis nicht minder aufgeheizten Anhänger die Hände schütteln. Signale, die die Welt ein wenig besser machten.
Macdonald holt sich für sein engagiertes Porträt, dass in der ohnehin formidablen Tradition der großen Musikerbios der letzten Jahre steht, einen beachtlichen Korso von Weggefährten und Zeitzeugen vor die Kamera; sogar Marleys bayrische Krankenschwester Waltraud Ullrich kommt zu Wort. Am Ende bleibt die Flexion, inwieweit ein früher Tod eine Legende erst komplementär ausstaffieren zu vermag. Märtyrertum im Zeichen von Kultur und Weltschmerz, vielleicht sind das erst die Faktoren, die die musikalischen Monolithen des letzten Jahrhunderts zu dem machen, was sie heute für uns repräsentieren. Jeder, der ein bisschen ehrlich ist, kann vermutlich gut darauf verzichten, einen 67-jährigen Bob Marley seine alten Standards trällern zu hören. Oder einen 69-jährigen Jim Morrison. Oder einen 77-jährigen Elvis. Oder ich bin einfach nur ein Zyniker. Darauf einen

10/10

Musik Reggae Bob Marley Ska Jamaica Karibik Biopic Kevin Macdonald Krebs


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TERMINATOR SALVATION (McG/USA, UK, D, I 2009)


"Moto-terminators!"

Terminator Salvation (Terminator - Die Erlösung) ~ USA/UK/D/I 2009
Directed By: McG

Nach meiner Erstbeschau vor knapp drei Jahren habe ich nicht das Gefühl, der drei Minuten längere, itzo betrachtete DC könne den Eindrücken von damals Weltbewegendes hinzusetzen. "Terminator Salvation" gefällt mir noch immer deutlich besser als sein direkter Vorgänger, was, ein weiterer sich vertiefender Eindruck, an seinem (natürlich extrem durchstilisierten) hübsch aufpolierten Schmutzlook liegt sowie daran, dass es hier noch keine amorphen Terminatoren gibt, die sich bei Bedarf verwandeln oder ihre Hände zu Feuerwaffen modifizieren können. Hier sind es noch die guten alten T-800-Modelle, deren reduzierte Endoskelette sich mit ihren roten Pupillen diabolisch dreinblickend durch die industrielle Gegend terminieren. Absolut verblüffend nach wie vor der computergenerierte T-101 im Arnold-anno-'84-Look. Die dialogischen Verweise an die Vorgänger indes stinken nurmehr nach altem Miff und "nerven voll tierisch ab", wie der dreizehnjährige Furlong-Connor wohl sagen würde.
Wenn sie im nächsten Teil noch einmal den verschimmelten "I'll be back"-Gag bringen oder irgendwer "Come with me if you want to live" skandiert, extrahiere ich glaube ich die Kontrolleinheit.

7/10

McG Sequel Zukunft Apokalypse Cyborg Roboter Widerstand D.C.


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TERMINATOR 3: RISE OF THE MACHINES (Jonathan Mostow/USA, UK, D 2003)


"I am unable to comply."

Terminator 3: Rise Of The Machines (Terminator 3 - Rebellion der Maschinen) ~ USA/UK/D 2003
Directed By: Jonathan Mostow

John Connor (Nick Stahl), mittlerweile ein junger Erwachsener Anfang 20, hat die Paranoia seiner verstorbenen Mutter übernommen: Er lebt anonym, unerkannt und obdachlos im Stadtgebiet von L.A., klaut Barbiturate aus Tierarztpraxen und wartet auf den Tag, an dem es doch noch knallt. Dieser ist tatsächlich alles andere als fern: Wieder kommen zwei Terminatoren durch die Zeit zurück, neuerlich ein T-101 (Arnold Schwarzenegger) zum Schutze Johns und seiner zukünftigen Frau Kate Brewster (Claire Danes) und ein nach weiblichem Vorbild konstruierter T-X (Kristanna Lokken), der die Fähigkeiten sämtlicher Vorgängermodelle in sich vereint. Als der T-101 John und Kate eröffnet, dass der Skynet-Aufstand unmittelbar bevor steht, versuchen sie alles, um das Unvermeidliche zu verhindern.

"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben" wäre eine hübsche deutsche Tagline für das Kinoplakat zu "Terminator 3: Rise Of The Machines" gewesen, zumal der etwas käsige Unterton sich dem gezwungenen Humor des Films sehr gut angepasst hätte. Ich musste häufig an Forenfreund Aussi und sein vollkommen berechtigtes Gezeter über "postmodernistische Scheiße" denken, wie sie "T3" ja in Reinkultur darbietet: Der von Cameron mit dem ersten Sequel bereits selbst vorgepflasterte Weg der Selbstironie wird konsequent weiterbeschritten - allerdings so sehr, dass es schmerzt. Wenn das narrative Gefüge eines Blockbusters schon die Hälfte der Menschheit ausrottet, dann soll man vorher bitteschön wenigstens noch seinen Spaß haben. Arnolds langbärtiger "I'll be back"-Oneliner wird gleich zweimal abgewandelt und auch sonst hat der Maschinenmann jeweils eine Menge passender Sprüche zur passenden Situation auf Lager, ganz zu schweigen von einer fast schon subtilen, elterlichen Souveränität, die er seinen Schützlingen gegenüber aufbringt. Die einstmalige Killermaschine, jetzt für immer zero als stählerner Pausenclown sowie Vaterfigur für Waisenkinder und solche, die es werden wollen.
Richtig peinlich gerät diesmal die obligatorische Textiliensuche: Terminarnold platzt mitten in einen Junggesellinnen-Abschied mit männlichen Strippern, wovon der eine eine pinkfarbig umrahmte, sternchenförmige Sonnenbrille in der Jackentasche hat. Die Damen kreischen vor Vergnügen über den entblößten Bodybuilder, die Tucken auf der Bühne kriegen von ihm dafür was vors Mäppchen. Die Schwuchtelbrille mag der T-101 dann aber doch nicht aufsetzen. Vom geistigen Echo des ersten "Terminator" ist - man ahnt es ergo - kaum mehr etwas zu vernehmen und ist dieser Film ohnehin bereits sehr medioker, so macht ihn der lose Umgang mit den eigenen Wurzeln eigentlich komplett unmöglich. Dann aber: Dieses Finale. Nachdem die beiden Maschinen sich gegenseitig erledigt haben, realisieren John und Kate, dass sie keinesfalls ihren gewünschten Beitrag zur Bewahrung der Menschheit geleistet haben, sondern genau dort angekommen sind, wo der T-101 sie von Anfang an haben wollte: In der Sicherheit eines geheimen Atombunkers nämlich. Draußen rummst es, die Bomben fallen und zwei sich fremde Seelen nehmen sich zaghaft bei der Hand. In diesen drei, vier Minuten entwickelt "T3" eine Ernsthaftigkeit und Intensität, die, hätte der gesamte Film den Mut gehabt, sich ihrer zu bedienen, selbigen kolossal hätte aufwerten können. So bleibt es bei einem immerhin tollen Abschluss-Bild und damit einem vermutlich besseren Gesamteindruck als Mostows Film ihn eigentlich verdient.

5/10

Jonathan Mostow Cyborg Roboter Apokalypse Atombombe Zukunft Los Angeles Militär





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Funxton

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