Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

SPIDER BABY (Jack Hill/USA 1968)


"So - are you really a 'Wolf-Man'-fan, Ann?"

Spider Baby ~ USA 1968
Directed By: Jack Hill

Bruno (Lon Chaney Jr.) bekommt einen gehörigen Schreck, als er erfährt, dass noch am selben Tag Verwandte (Quinn K. Redeker, Carol Ohmart) und ein Notar (Karl Schanzer) samt Sekretärin (Mary Mitchel) bei ihm aufkreuzen werden, um die ungeklärte Erbsituation der Merrye-Familie, der Bruno seit Generationen dient, zu untersuchen. Warum hat Bruno Angst? Nun, im abgelegenen Haus der Merryes ist er der letzte Mensch mit halbwegs ungetrübtem Verstand: Die drei Kinder Virginia (Jill Banner), Elizabeth (Beverly Washburn) und Ralph (Sid Haig) sind geistig teilweise fortgeschritten derangiert und verhalten sich höchst merkwürdig, was etwa die versehentliche Ermordung des Postboten (Mantan Moreland) mit einschließt; im Keller hausen noch zwei Tanten und ein Onkel, bei denen die Missbildungen sich bereits auf die Physis erstrecken und die sich kannibalisch ernähren. Für Bruno, der dem alten Mr. Merrye dereinst am sterbebett versprechen musste, sich stets um dessen Hinterbliebene zu kümmern, eine verzwickte Situation.

Nachdem Jack Hills für ein Taschengeld produzierter, ursprünglich "Cannibal Orgy" getaufter Film über lange Jahre im Giftschränkchen eines Gläubigers verborgen gehalten wurde und letzte im Umlauf befindliche Kopien bereits einen mythischen Charakter erlangten, gelang es dem Regisseur irgendwann durch einen Trick, sein Werk wieder loszueisen. Dafür muss man dankbar sein, denn "Spider Baby" bietet allerfeinsten Camp, ist hübsch geschmacklos, ohne je obszön zu sein und ganz zweifellos das Werk eines überaus intelligenten auteurs mit glänzendem Humor, unterstützt von einigem an weiterführender Könnerschaft: Lon Chaney Jr., damals rund 62 Jahre alt, der dp Alfred Taylor zufolge heimlich Löcher in Orangen zu bohren und den Saft herauszupressen pflegte, um sie hernach mit Vodka zu füllen und wiederum auszuschlürfen, präsentiert eine ebenso glänzende wie rührende Spätvorstellung als lieber, knuffiger alter Herr mit lebrigen Augen, der nur tut, wie ihm dereinst aufgetragen ward und nach einem ohnehin aufgeopferten Leben vor Probleme gestellt wird, die er eigentlich nicht verdient. Redeker kann sich einen ironischen Gestus nicht verkneifen, der jedoch vorzüglich zum Film passt; schließlich Sid Haig, - im wahrsten Sinne -, ohne Worte. Die beiden von Washburn und Banner gespielten Schwestern injizieren jedoch erst die wahre Würze in "Spider Baby". Oszillierend zwischen infantiler Unschuld, ausgekochter Erotik und wesenhafter Bosartigkeit scharwenzeln sie ums Haus wie putzige Kätzchen, nur, um bei Bedarf blitzschnell zuzuschlagen. "Sting! Sting! Sting!"
Von den missgestalteten Kellergesellen sieht man leider erst ganz zum Schluss etwas und da fliegen sie auch schon wieder in die Luft. Schade, dass das im Epilog angedeutete, mögliche Sequel nie realisiert wurde.

8/10

Jack Hill Kalifornien Kannibalismus Familie Inzest Camp Sleaze


Foto

TWO FLAGS WEST (Robert Wise/USA 1950)


"Please obey my orders, Lieutenant."

Two Flags West (Vorposten in Wildwest) ~ USA 1950
Directed By: Robert Wise

Der inhaftierte Konföderierten-Colonel Tucker (Joseph Cotten) und rund fünfzig seiner Männer erhalten die Option, sich der Union anzuschließen und mitzuhelfen, einen Außenposten in New Mexico gegen feindliche Indianer zu verstärken. Tucker nnimmt an. Im vernachlässigten Fort Thorn, in dem ausschließlich Kriegsversehrte und Häftlinge stationiert sind und dem mit Major Kenniston (Jeff Chandler) ein verbitterter, hochneurotischer Offizier vorsteht, fühlen sich der zwangsdegradierte Tucker und seine Leute allerdings keineswegs gleichberechtigt behandelt mit den Nordstaatlern. Schon bald wird der Gedanke zur Flucht akut, als aufgrund eines schweren strategischen Missgriffs Kennistons jedoch die Apachen das Fort zu überrennen drohen, entscheidet sich Tucker zur Wahrung seiner militärischen Pflicht.

Einer von drei Western, die der für sein genreübegreifendes Arbeiten bekannte Regisseur Wise in einer Spanne von acht Jahren gefertigt hat. Mit gewichtiger Unterstützung aus dem ford'schen Lager - Scriptautor Frank S. Nugent war einer von Fords Hausschreibern, was auch der inhaltliche Bezug zu "Fort Apache" verdeutlicht - bildete der Kavalleriewestern "Two Flags West" deren mittleres Element. Eine recht ungewöhnliche Besetzung in nicht eben typischen Rollen, Joseph Cotten als untadeliger Held, Jeff Chandler als profilneurotischer Kommisskopf und Cornel Wilde als tapferer junger Vermittler, vermittelt bereits ein qualitatives Gardemaß, hinzu kommen Linda Darnell und die beiden ole' standards Jay C. Flippen und Arthur Hunnicutt als militärischer Doppelkopf. Möglicherweise hätte die Verwendung von Technicolor "Two Flags West" gut getan, da er sich weniger kantig als entsprechende Arbeiten von Ford oder Mann ausnimmt und seine romantischen Komponenten um unerfüllte Liebe, Freundschaft, Ehre und Heldenmut durchaus kultiviert. Eigentlich ein Film, für den Farbe gemacht ist.

8/10

Robert Wise New Mexico Sezessionskrieg Kavallerie Belagerung


Foto

JAGTEN (Thomas Vinterberg/DK 2012)


Zitat entfällt.

Jagten (Die Jagd) ~ DK 2012
Directed By: Thomas Vinterberg

Der vormalige Lehrer Lucas (Mads Mikkelsen) arbeitet nunmehr als Erzieher im Kindergarten seines Heimatstädtchens, ist dort bei seinem großen Freundeskreis und auch bei den Kindern überaus beliebt. Seit seiner Scheidung lebt er allein mit seiner Hündin Fanny, mit dem kommenden Aufenthaltsrecht für seinen bei Lucas' geschiedener Frau lebenden Sohn Marcus (Lasse Fogelstrøm) und der keimenden Beziehung zu seiner Kollegin Nadja (Alexandra Rapaport) jedoch scheint es bergauf zu gehen. Da kommt es zur Katastrophe: Weil die von ihm wegen einer pädagogisch notwendigen Klarstellung enttäuschte kleine Klara (Annika Wedderkopp), zudem die Tochter von Lucas' bestem Freund Theo (Thomas Bo Larsen), ein unbedachtes Gerücht in die Welt setzt, demzufolge ihr Lucas seinen errigiertes Penis gezeigt und möglicherweise noch mehr Unaussprechliches mit ihr angestellt haben soll, wird Lucas sukzessive zur persona non grata in seinem Heimatort. Bis auf seinen alten Freund Bruun (Lars Ranthe) stellt sich ausnahmslos jeder gegen ihn, eine immer brutaler werdende Hatz auf Lucas' Person entbrennt. Erst Wochen später kommt Theo wieder zur Besinnung und erwägt die Möglichkeit, dass Lucas' Unschuldsbeteuerungen möglicherweise doch wahr sein könnten.

Ein zutiefst involvierender und mitreißender Film, der für in pädagogischen Berufsständen tätige Männer wie mich selbst und im Prinzip auch jede Person, die mit uns primär und/oder sekundär zu tun hat, eine wertvolle perspektivische Ausweitung darstellt.
Üblicherweise, wenn es in Kino und Fernsehen um eine dramaturgische Aufbereitung der Themen 'Pädophilie' und 'sexueller Missbrauch' geht, wird das Ganze in einen kriminalistischen Spannungskontext gesetzt und wahlweise zu einer Rachegeschichte oder, bei etwas komplexerer Diegese, zu einer Pseudokontroverse aufgebläht, ob der oder die Täter denn doch bloß zu kastrieren oder besser gleich zu exekutieren sein sollten. Ist dann doch einmal jemand zu Unschuld verdächtigt worden, steckt dahinter meist eine unglücklich verliebte oder enttäuschte pubertierende Giftgöre, die dem Verzweifelten ans Leder will. Der gedankliche Ansatz jedoch, dass die Schuld für eine diesbezügliche Eskalation nicht beim vermeintlichen Täter und nicht beim vermeintlichen Opfer zu suchen ist, sondern einzig und allein bei einer sich oberflächlich nur allzu bereitwillig liberal gebenden, tatsächlich jedoch leicht beeinfluss- und infizierbaren sozialen Mikrokosmos, im vorliegenden Falle einer Kleinstadtbevölkerung, die in akuter Angst um ihr Wertvollstes zu einem reißenden, reflexionsunfähigem Mob mutiert, offenbart ein relativ unbeackertes Erzählareal. Was "Jagten" auch brillant dastehen lässt, ist Vinterbergs ideologische Neutralität. Klara, die bezüglich Lucas eine gemeine Lüge öffentlich macht, deren Tragweite ihr als vier- oder fünfjähriges Mädchen berhaupt nicht bewusst ist, wird ebenso zum Opfer wie der mutmaßliche Kinderschänder: Die sie befragenden Erwachsenen suggerieren, oktroyieren, indoktrinieren, bis sie aus dem zunehmend verwirrten Kind endlich das herausgekitzelt haben, was sie hören wollen; "Ein alleinstehender Mann als Erzieher, das kam mir immer schon seltsam vor", ist die allgemeine, erste Reaktion darauf. Und so zieht der einmal versenkte Klotz immer größere Kreise, bis Lucas' Ruf nicht nur unrettbar geschädigt ist, sondern seine Privatsphäre aufs Ekelhafteste verletzt wird.
Angesichts dessen, was ihm widerfährt, würde ich im auf mich projizierten Falle niemals so passiv bleiben, doch auch darin liegt eine der Stärken von Vinterbergs wichtigem Werk.
Die Figur des Lucas ist für mich dank meiner eigenen Lebensrealität eine der unmittelbarsten Identifikationsfiguren, die ich jemals im Film vorgefunden habe - umso albtraumhafter das ihm widerfahrende Szenario.

9/10

Thomas Vinterberg Dänemark Lehrer Kindergarten Sexueller Missbrauch Pädophilie


Foto

IRON MAN 3 (Shane Black/USA 2013)


"Stop stopping!"

Iron Man 3 ~ USA 2013
Directed By: Shane Black

Nach der Vereitelung der durch die Chitauri angestifteten Invasionspläne in New York leidet Tony Stark (Robert Downey Jr.) unter Panikattacken. Er vernachlässigt seine Freundin Pepper (Gwyneth Paltrow) und interessiert sich hauptsächlich für die Ausweitung seines "Iron Man"-Projekts, das nunmehr auch durch ihn selbst und seinen Computer Jarvis ferngesteuerte Drohnen beinhaltet. Da kommt die unheilige Allianz zwischen einem international gesuchten Terroristen, dem Mandarin (Ben Kingsley), und dem dereinst von Stark missachteten, verschrobenen Wissenschaftler Aldrich Killian (Guy Pearce) nicht gerade zum passenden Zeitpunkt. Killian hat ein Serum entwickelt, das bei regelmäßiger Injizierung Versuchsprobanden zu tickenden Zeitbomben macht und bedroht damit den Präsidenten (William Sadler). Stark fordert den Mandarin derweil unvorsichtigerweise zum direkten Duell und muss eine böse erste Schlappe hinnehmen, Pepper wird kurz darauf entführt. Zusammen mit seinem alten Kumpel Bobby Rhodes, vormals 'War Machine' und jetzt 'Iron Patriot', geht Stark gegen das Duo des Bösen vor...

Mit dem dritten Teil emanzipiert sich das filmische Marvel-Universum erfolgreich weiter von seinen comicesken Wurzeln, liefert gleichbleibend perfektes, hysterisch-selbstironisches Qualitätsblockbusterkino und ist sich selbst für ein Quäntchen Medien- und Systemschelte nicht zu schade. Gut, die Idee, den klassischen "Iron-Man"-Villain 'Mandarin' völlig zu überarbeiten und dessen nicht mehr ganz zeitgemäße origin als orientalischer Quasi-Fu-Manchu umzukrempeln, wird einige eherne Anhänger des Comics zu Recht vor den Kopf gestoßen haben; dafür entsteht aus Ben Kingsleys fadenscheiniger Interpretation heraus eine der witzigsten und grandiosesten Figuren der bisherigen Marvel-Kinowelle. Da wird auf klassische Weise Ironie evoziert ohne zynisch zu werden, kluger Humor, ohne je ins Käsige abzugleiten. Auch scheinen sich die einzelnen Geschichten trotz bombastischer Effektarbeit langsam einer narrativen Erdung zuzuwenden - die Entstehungsgeschichten sind erzählt und bekannt, die Charaktere etabliert. Jetzt ist es Zeit für klassisches storytelling. Ob sich diese Marschrichtung mit den kommenden "Thor: The Dark World" und "Captain America: The Winter Soldier" weiter linearisieren wird, lässt sich momentan nicht voraussehen, aber es scheint zumindest so. Mir jedenfalls hat's wieder superviel Spaß bereitet, einem der Recken zuzuschauen und meine Vorfreude auf kommende Ereignisse bleibt ungebrochen.

8/10

Shane Black Kalifornien Superhelden Marvel Iron Man Terrorismus Jon Favreau


Foto

MACHO MAN (Alexander Titus Benda/BRD 1985)


"Und du hast wirklich den ersten Dan?" - "Das werd' ich dir gleich beweisen!"

Macho Man ~ BRD 1985
Directed By: Alexander Titus Benda

Der Boxweltmeister Dany Wagner (René Weller) rettet die wohlgeformte Arzthelferin Sandra (Bea Fiedler) vor einigen lichtscheuen Gestalten, die ihr eine Spritze mit Heroin setzen wollen. Am nächsten Tag vereitelt er morgens zusammen mit Karateschulbesitzer und Kampfsport-Kanone Andreas Arnold (Peter Althof) einen Banküberfall und verteidigt des Abends seinen Weltmeistertitel. Ein Discobesuch mit Sandra bringt Dany endgültig mit Sandra zusammen, derweil Andreas seine neue Schülerin Lisa besteigt. Als die Drogengangster Lisa und Sandra entführen, bevor Dany und Andreas zusammen mit ihnen in den verdienten Südurlaub abheben können, geben die zwei harten Jungs und ihre jeweilige Fangemeinde ihnen Saures.

"Macho Man", illegitimes Bindeglied zwischen "Die Brut des Bösen" und "Der Joker" und damit das Triptychon des deutschen Actionfilms mittig vervollständigend, ist ein Werk, das nicht einfach bloß gesehen, sondern erfahren werden will. Alexander Titus Benda, seines Zeichens Nürnberger Filmemacher mit genau zwei Einträgen in seinem Œuvre, hat das Script zu "Macho Man" selbst verfasst. Wie alt er war, als er es geschrieben hat, ist mir nicht bekannt, aber der Verdacht liegt nahe, dass er nur kurz zuvor den Übergang in die Sekundarstufe I gemeistert hat. Oder gerade daran saß. Ob man das daraus resultierende Objekt somit als imbezil oder tatsächlich infantil bezeichnen muss, kann ich daher nur mutmaßen. Allein die Idee jedenfalls, den tief gewachsenen Box-Playboy Weller in einer Hauptrolle zu besetzen, lässt an der mentalen Verfassung der Urheber zweifeln, wie dann dementsprechend die gesamte filmische Umsetzung. "Macho Man" ist ein Fanal des Trash: Jede einzelne Szene ein Poem, jede einzelne Minute teutonisches Gold. Wo neonfarbene Jogginganzüge aus Ballonseide den Eintritt in die Disco erleichtern, wo Breakdance höchstes Kulturgut darstellt, wo ohne Minipli und Haarlack ehrenhalber das Haus nicht verlassen wird, wo das schöne Nürnberg von der Geißel des Heroin befreit wird, wo eine deutsche Darstellerriege in München gedubbt wird (wir hören anstelle von Weller, Althof, Fiedler und Jacqueline Elber die ausgebildeteren Ekkehardt Belle, Hartmut Neugebauer, Eva Kinsky und Madeleine Stolze) - da (und nur da) ist "Macho Man" daheim! Trotz soviel äußerer Geschlossenheit lässt Benda jedoch immer noch die spannende Frage offen was nun wirklich (Zitat:) "besser ist: Boxen oder Karate..."?

6/10

Alexander Titus Benda Nürnberg Martial Arts Boxen Drogen Trash


Foto

WATERLOO (Sergei Bondartschuk/I, CCCP 1970)


"On the field of battle his hat is worth fifty thousand men; but he is not a gentleman."

Waterloo ~ I/CCCP 1970
Directed By: Sergei Bondartschuk

Nachdem Napoleon (Rod Steiger) im März 1815 aus seinem Exil auf Elba nach Frankreich zurückgekehrt ist, stellt er sich gegen die alliierte Streitmacht unter Wellington (Christopher Plummer) und Blücher (Sergo Zakariadze). Nachdem er deren beiden Armeen bei Charleroi voneinander abschneiden kann, tritt er am 16. Mai beim belgischen Waterloo gegen Wellington an. Die Schlacht nimmt diverse Wendungen, als jedoch in letzter Minute die Preußen zu Wellingtons Unterstützung eintreffen, wird Napoleons Streitmacht nachhaltig und vernichtend geschlagen.

Ein von Dino De Laurentiis produziertes Prestigestück, ein Brückenschlag zwischen Ost und West und eine Demonstration des Machbaren. Mit einer Akribie und Akuratesse, die man ansonsten von Visconti oder Kubrick kennt, frönt der sich aufgrund seiner "Krieg und Frieden"-Adaption für den Stoff empfehlende Bondartschuk einer unglaublichen Detailverliebtheit, die sich von der historischen Ausstattung über die obligatorische Ballszene bis hin zum Titel- und Kernstück des Films, der etwa sechzig Prozent der Spielzeit in Anspruch nehmenden Schlacht zwischen Napoleon und Wellington, fortsetzt. Diverse Totalen, Schwenks und aerial shots, von denen spätere Filme wie "The Road Warrior" unmittelbar zehren konnten, untermalen voller unverhohlenem Stolz den wahnwitzigen Material- und Statistenaufmarsch des Films. Ein bravoureskes Vorzeigestück unter den cineastischen Schlachtengemälden des ersten Jahrhunderts Film. Ohne (vermeidbare) Schnitzer allerdings kommt auch dieses nicht aus: Bondartschuk zeigt allenthalben vorausreitende Offiziere in Nahaufnahmen, die jedoch sichtlich auf sich mechanisch auf und ab bewegenden Attrapen sitzen, was völlig albern aussieht. Wie und warum der Film sich bei allem sonstigen Exactement solche Ausfälle erlaubte, bleibt wohl ein ewiges Geheimnis. Hinzu kommt noch eine völlig verlogene, am ende nochmal repetierte Sequenz, in der ein britischer Soldat einen Schlachtfeldkoller bekommt und lauthals den Unsinn des gegenseitigen Tötens beklagt: Inmitten dieses mithin von seiner martialischen Ästhetik berauschten Films ein peinlicher Faux-pas.

8/10

Sergei Bondarchuk period piece Historie Belgien Frankreich Napoleon


Foto

HEART OF DARKNESS (Nicolas Roeg/USA 1993)


“The mind of man is capable of anything - because everything is in it, all the past as well as the future.”

Heart Of Darkness (Herz der Finsternis) ~ USA 1993
Directed By: Nicolas Roeg

Der Seemann Marlow (Tim Roth) erhält von einer belgischen Handelsgesellschaft den Auftrag, den Kongo mit einem Flußdampfer hinaufzufahren, um sich von einer abgeschnittenen Außenstation mitten im Dschungel ein Bild zu machen. Dort haust der einst als besonders efektiv und versiert bekannte Kurtz (John Malkovich), der jedoch bereits seit Monaten keinerlei Lebenszeichen mehr von sich gegeben hat. Permanent flankiert von drohenden Eingeborenen in Ufernähe schippert Marlow über den immer träger fließenden Fluss bis hin zu Kurtz' Handelsposten. Dort bietet sich ihm ein Bild des Wahnsinns: Der an Sumpffieber erkrankte Kurtz hat ein Mini-Königreich mit sich selbst als Despoten errichtet, einen Kriegerstamm um sich geschart und spricht dort offensichtlich Recht und Gewalt, wie es ihm gerade passt. Marlow begreift, dass Kurtz infolge seiner Krankheit und Zivilisationsferne den Verstand verloren hat.

Atmosphärisch intensive, werkegetreue Adaption von Joseph Conrads epochaler Novelle, die eine wunderbare, zeitgenössische Kolonialismuskritik hervorbrachte, indem sie - mit Marlow als ebenso unbedarftem wie philosophischem Sprachrohr - die Okkupationsversuche hinsichtlich mancher Teile der Welt für ideell grundsätzlich probat erklärt, ihre letztendliche Realisierung jedoch als in jedem Falle zum Scheitern verurteilt denunziert. "Heart Of Darkness" ist ein symbolisches Werk: Es beschreibt, wie abendländische Arroganz angesicht völlig diametraler Lebensumstände an ihre Wahrnehmungs- und Verstandesgrenzen geführt wird. Für Kurtz, einen intellekektuellen Ökonomen, endet seine anfängliche Faszination für die archaische Ursprünglichkeit, der er im Kongo angesichtig wird, schließlich und zwangsläufig in Depression, Irrsinn und Tod.
Dass Roeg mit "Heart Of Darkness", einem wirklich großartigen, hoffnungslos unterschätzten Werk mit zwei brillanten Hauptdarstellern, eine TV-Produktion realisierte, merkt man dem Film in keiner Weise an. Im diskursiven Gefolge von "Castaway" konfrontiert er erneut prahlerische Zivilisationsmanie mit der fauligen Illusion ihrer universellen Allmacht. Gewinner bleibt die Erde. Roeg konnte seinen visionären, zuweilen verschrobenen wirkenden Inszenierungsstil in "Heart Of Darkness" voll zur Geltung bringen und seinem Œuvre einen weiteren schillernden Eintrag hinzusetzen.

9/10

Nicolas Roeg Joseph Conrad Afrika Kongo period piece Kolonialismus TV-Film


Foto

CAPTAIN LIGHTFOOT (Douglas Sirk/USA 1955)


"I pronounce you 'Captain Lightfoot'!"

Captain Lightfoot (Wenn die Ketten brechen) ~ USA 1955
Directed By: Douglas Sirk

Irland, im frühen 19. Jahrhundert. Der marodierende, ungestüme Republikaner Mike Martin (Rock Hudson) muss aus seinem Heimatstädtchen Ballymore fliehen, weil er den örtlichen Lehensherren (Kenneth MacDonald) beklaut hat. Auf dem Weg nach Dublin begegnet Martin dem getarnten Guerillero Captain Thunderbolt (Jeff Morrow), der, getarnt als Vergnügungsunternehmer John Doherty, in Dublin ein etwas anrüchiges Etablissement in Verbindung mit einem Casino betreibt und dessen Erlöse den irischen Nationalisten zuschanzt. Doherty macht Martin zu seinem Stellvertreter, eine Position, die dieser bald gänzlich auszufüllen hat, nachdem Doherty bei einem Schusswechsel verletzt wurde und sich vor den Behörden verstecken muss.

W.R. Burnett betätigte sich vielfach in und für Hollywood als Vorlagenlieferant und Drehbuchautor. Seine herzhafte Ballade der beiden irischen Freiheitskämpfer Thunderbolt & Lightfoot streift dabei ein ansonsten eher wenig tangiertes historisches Feld, das nämlich der frühen Einverleibung der Grünen Insel ins Commonwealth. Allerdings nutzten weder Burnett noch Sirk den Stoff zur expliziten Auseinandersetzung mit polithistorischen Gegebenheiten, es ging schlicht darum, einen visuell herausragenden, romantischen Abenteuerfilm vor Kostümkulisse anzubieten. Vor Ort gefilmt, in Scope und mit einer für Sirk typischen, exorbitanten Farbdramaturgie glänzt "Captain Lightfoot" somit primär infolge seiner Schauwerte. Erst mit einigem Abstand wird man gewahr, dass er für einen grundsätzlich als solchen zu kategorisienden 'swashbuckler' faktisch keinerlei echte Actionszenen aufweist - hier und da ein paar Schusswechsel, das war's auch schon. Ansonsten stützt sich der Plot in Form einer klassischen Entwicklungsgeschichte auf das Emporkommen Mike Martins als patriotischer Recke, der das Leben in all seinen unterschiedlichen Facetten erst noch kennenlernen muss, im Gegenzug jedoch ein hübsches Mädchen (Barbara Rush) abbekommt. Die vierte von insgesamt acht Kollaborationen zwischen Sirk und Hudson.

8/10

Douglas Sirk Irland period piece W.R. Burnett Kolonialismus


Foto

SWEET BIRD OF YOUTH (Richard Brooks/USA 1962)


"A goofball makes the world keep its balance."

Sweet Bird Of Youth (Süßer Vogel Jugend) ~ USA 1962
Directed By: Richard Brooks

Der Gigolo Chance Wayne (Paul Newman) kommt zurück nach St. Cloud, Alabama, im Schlepptau die derangierte Hollywood-Aktrice Alexandra Del Largo (Geraldine Page). Mit Alexandras Hilfe hofft Chance endlich jener große Star zu werden, der er schon immer sein wollte und damit seine Jugendliebe Heavenly Finley (Shirley Knight) beeindrucken zu können. Dabei geht es in erster Linie um Heavenlys Vater, den Großindustriellen Tom 'Boss' Finley (Ed Begley), der ganz St. Cloud in der Tasche hat. Dieser versucht seit Ewigkeiten, den in Bezug auf Heavenly nicht nachgebenden Chance für immer aus der Stadt zu verbannen.

Nach "Cat On A Hot Tin Roof" die zweite Williams-Adaption von Richard Brooks, wiederum mit Paul Newman in der Hauptrolle des lebensunsicheren Protagonisten auf der Suche nach mehr Rückenwind und Standhaftigkeit. Diesmal ist der gefürchtete Südstaatenpatriarch allerdings nicht sein Vater, sondern ein erbitterter Gegner im Duell um seine Tochter. Doch "Sweet Bird Of Youth" ist figural weitläufiger: Mit der Geschichte um die wodkatrinkende, cannabisrauchende und benzedrinschluckende Diva Alexandra Del Largo entwickelte Williams einen exquisiten charakterlichen Nebenschauplatz. Letzten Endes entwickelt sich die narzisstisch-opportunistische Schauspielerin zu Chances Gewaltkur, seinem 'cold turkey', der ihm ein für allemal einbläut, dass seine Träume nichts sind als Schäume und dass das Leben deutlich irdischere Herausforderungen bietet. Auch ungewöhnlich, dass in der Rolle des Möchtegern-Starlets einmal ein Mann zu sehen ist, derweil seine Freundin den entsprechend notwendigen Räsonanzpart erhält.
Nicht ganz so umwerfend wie "Cat On A Hot Tin Roof", aber doch überaus lohnenswert und mit einem schönen Ende angereichert.

8/10

Richard Brooks Tennessee Williams Südstaaten Florida Alabama Alkohol Drogen Familie based on play


Foto

BRAND OF SHAME (Byron Mabe/USA, D 1968)


Zitat entfällt.

Brand Of Shame (Django Nudo und die lüsternen Mädchen von Porno Hill) ~ USA/D 1968
Directed By: Byron Mabe

Django (Steve Stunning) kommt nach Porno Hill, um seine Zeitungsredaktion zu betreuen. Auf dem Weg trifft er die jungfräuliche Minenerbin Milly Quark (Darlene Darling) - Liebe auf den ersten Blick. Um Milly und ihre Karte vor den unsittlichen Zugriffen des gierigen Hacker (Steve Vincent) und dessen stadtweit vertretenen Schergen zu beschützen, muss Django sich allerlei Kniffe einfallen lassen.

Time for some intense namedropping: Andreas Mannkopff, Renate Küster, Joachim Kemmer, Beate Hasenau, Edith Hancke, Gerd Duwner, Alexander Welbat: Personenbezeichnungen, mit denen der ordinäre Kinogänger möglicherweise nicht allzu viel anfangen kann, die dem Synchronenthusiasten jedoch vorkommen müssen, wie ein kleines who's who der frühen Siebziger-Jahre-Berliner-Nonsens-Filmvertonungskunst. Wer für das deutsche Dialogscript verantwortlich ist, weiß ich nicht, aber sollte es Brandt oder Brunnemann gewesen sein - und diese Vermutung liegt aus gegebenen Gründen nahe-, müssen selbst diese Herren das Ding unter schwerster Polytoxikomanie zusammenklambüsert haben. Der bare, hanebüchene Schwachsinn nämlich, der hier ohne Unterlass in verbaler Form durchexerziert wird, sucht selbst im paralyrischen Schaffen jener beiden Herren seinesgleichen. "Brand Of Shame" ist ursprünglich ein kleiner, billiger Sexwestern ohne jedweden Gebrauchswert, den der Schweizer Produzent und Verleiher Erwin C. Dietrich seinerzeit ankaufte, einige zusätzliche Szenen (um das in freier Natur kopulierende Paar Bumso und Bumsi, die das Geschehen aus der ferne stellvertretend für den ausbleibenden Dramenchor kommentieren) filmte, sich den göttlichen Titel einfallen und in Berlin mit diesem güldenen Stück bundesdeutscher Kneipensynchro veredeln ließ. So entstand nachträglich ein Film, den man, ähnlich wie heimliche Klassiker vom Schlage "Supermänner gegen Amazonen", eher akustisch denn optisch wahrnimmt, oder sagen wir zumindest, dessen in nachträglicher Instanz erschaffene, metaleptische Audiovisualität das Werk erst wahrhaftig in den Status des Banhofskino-Gesamtkunstwerkes erhebt.

6/10

Byron Mabe Trash Sleaze





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare