Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

AMERICAN ME (Edward James Olmos/USA 1992)


"Welcome to the clika, carnal!" - "Por vida, ese, por vida."

American Me (Das Gesetz der Gewalt) ~ USA 1992
Directed By: Edward James Olmos

Montoya Santana (Edward James Olmos), einer der führenden Chicano-Drogenbosse Kaliforniens, blickt während eines weiteren Gefängnisaufenthalts, den er eigentlich gar nicht selbst zu verschulden hat, auf sein verpfuschtes Leben zurück. Geboren als Vergewaltigungresultat während einer Sauftour von Navy-Matrosen hat sein nomineller Vater (Sal Lopez) ihn nie wirklich annehmen oder akzeptieren können. Diese fehlende Liebe macht sich früh bemerkbar: Als Jugendlicher (Panchito Gómez) gerät Santana in die keimende Gangszene von East L.A., landet bald darauf im Knast und passt sich nicht nur zur Gänze den dort vorherrschenden Strukturen an, sondern bestimmt diese in entscheidender Weise mit. Nachdem er seinen ersten Mord infolge einer an ihm vollzogenen Vergewaltigung begangen hat, landet Santana in Folsom und wird dort zum Anführer der Chicano-Gruppe 'EME'. Er verbringt lange Jahre im Gefängnis und organisiert ein mächtiges Drogennetz, das relativ mühelos seine Kanäle zwischen 'draußen' und 'drinnen' zu bewirtschaften weiß. Als Santana nach vielen Jahren freigelassen wird, erkennt er, dass seine emotionale Entwicklung irgendwann mit 15 Jahren stehengeblieben ist und er sich kaum an die Außenwelt zu adaptieren lernt. Als er anfängt, Menschlichkeit und Mitgefühl zu zeigen, steht er bei seinen einstigen carnales auf der Abschussliste.

Taylor Hackfords "Bound By Honor" ist ein großes, episches Werk über die komplexen Vorgänge zwischen der gefängnisinternen und -externen Gangkriminalität im Milieu der Chicanos von Los Angeles, das sich über mehrere Jahrzehnte sozialer und individueller Entwicklungen erstreckt. Dabei war "Bound By Honor" nicht der erste Film, der dieses Thema behandelte - ein Jahr zuvor kredenzte der intraethnisch stets hochengagierte Edward James Olmos den nicht minder brillanten "American Me", der im Schatten des großen Nachfolgers bis dato immer etwas unterzugehen scheint.
"American Me" hat es insofern etwas "leichter" als Hackfords Film, als dass er nicht drei parallele Geschichten zu erzählen hat, sondern sich mit einer begnügt - der des Machers und Organisators, des zum Soziopathen erzogenen Schwerstkriminellen. Olmos verleiht diesem eigentlich undefinierbaren Gewaltverbrecher ein besonnenes Charaktergesicht. Bei ihm wird Santana zum Menschen, zum Antihelden und zu einer, zumindest ansatzweise nachvollziehbaren, Persönlichkeit. Weit weniger schmucklos und glanzvoll inszeniert als "Bound By Honor" (der sich ungeachtet dessen trotzdem auch stark an Olmos' Vorbild orientiert) präferiert "American Me" den schonungslosen Weg, ist hässlich und brutal, ohne sich je exhibitionistisch zu geben, mit pseudodokumentarischen Zügen garniert und wirkt allein denzufolge besonders zum erwartbaren Ende hin schwer affizierend. Eines der Meisterwerke seines Jahrzehnts. Sollte man, zumindest bei entsprechender Neigung zu solchen Stoffen, gesehen haben.

10/10

Edward James Olmos Gefängnis ethnics Los Angeles Drogen Biopic


Foto

THE FIELD (Jim Sheridan/IE, UK 1990)


"There's another law stronger than the common law."

The Field (Das Feld) ~ IE/UK 1990
Directed By: Jim Sheridan

Der Bauer Bull McCabe (Richard Harris) bewirtschaftet seit Jahren ein Feld, das er lediglich gepachtet hat und das im Besitz einer jungen Witwe (Francis Tomelty) ist. Ein Jeder in der Gegend weiß, dass McCabe, der wie schon Generationen seiner Familie vor ihm den Boden urbar und fruchtbar gemacht hat, im Grunde jeglichen Anspruch auf jenes Stück Land hat. Für ihn repräsentiert das Feld alles: Den Freiheitskampf gegen die Engländer, den Sieg über die große Hungersnot, den Fortbestand seiner Sippe. McCabe liebt das Feld mehr als alles andere auf der Welt. Als sich die Witwe endlich entscheidet, es zu veräußern, taucht ein reicher Amerikaner (Tom Berenger) auf, der Irland mit einem asphaltierten Straßennetz "beglücken" und das Feld einbetonieren möchte. Die Witwe, die den sie seit Jahren nötigenden McCabe und seinen Sohn Tadgh (Sean Bean) bis aufs Blut hasst, versteigert ihren Besitz in dem Bewusstsein, dass McCabe den Amerikaner nie würde überbieten können. Als McCabe davon erfährt, kommt es zu einer Katte von Katastrophen.

Mein Lieblingsfilm von Sheridan, ein ungeheuer erdiges und kraftvolles, fast atavistisch anmutendes Werk mit einem monolithischen Richard Harris, der sich wie ein monströser, lebender Fels durch die irische Septemberlandschaft walzt. Ebensogut John Hurt als sein halbgescheiter, faulzahniger Adlatus, der im Grunde seines Herzens zwar lieb und brav ist, für ein Glass Whiskey jedoch seine eigene Mutter verriete. Die gleichermaßen naive wie hochexistenzialistische Färbung der Geschichte, die auf einem von authentischen Ereignissen inspirierten Stück John B. Keanes fußt, sorgt dafür, dass man sich binnen weniger Minuten im Milieu der irischen Landarbeiter daheim fühlt und dessen innere hierarchischen Strukturen, die Polizei und Kirchenobmänner zwar tolerieren, aber keineswegs einbeziehen, komplett internalisiert. Daraus ergibt sich dann die Zeit zur Schilderung des im Kern verborgenen, zutiefst erschütternden Familiendramas. Bull McCabe als eine Art verirrter Kohlhaas ist so furchteinflößend wie liebenswert und auch sonst ein Mensch voller Widersprüche, der, als er an seine Grenzen getrieben wird, trotz aller Bemühungen, sich selbst den steten Anstrich der Gottesfürchtigkeit und Ehrbarkeit zu verleihen, auch nurmehr die rohe Gewalt als letztes Kommunikationsmittel bedient, über deren Gebrauch die letzten Schranken zwischen ihm und dem schon seit langem drohenden Wahnsinn zunächst ansägt und dann vollständig einreißt. Das ist ferner dicht anverwandt zu den großen Naturalisten, so hat mich "The Field" seit jeher mehr oder weniger unfreiwillig an Hauptmanns Novelle "Bahnwärter Thiel" erinnert, die ja ebenfalls den sukzessiven psychischen Verfall eines Familienvaters schildert.

10/10

Jim Sheridan period piece Irland Vater & Sohn Familie based on play


Foto

DISTANT DRUMS (Raoul Walsh/USA 1951)


"Nothing but fish and turtles! I'm about to grow gills!"

Distant Drums (Die Teufelsbrigade) ~ USA 1951
Directed By: Raoul Walsh

Florida 1840: Zusammen mit dem ortskundigen Captain Wyatt (Gary Cooper) soll Navy-Offizier Tufts (Richard Webb) eine Strafexpedition gegen eine Seminolen-Festung anführen. Nachdem die dort gefangenen Geiseln befreit und das Gemäuer in die Luft gejagt worden ist, finden die Männer ihren Seerückweg abgeschnitten. Daher bleibt ihnen keine andere Wahl, als sich mitten durch das unwegsame Gelände der Everglades zurückkämpfen, die wütenden Indianer dicht auf den Fersen.

Sümpfe, Palmen, weiße Strände und Alligatoren? Das kann doch kein Western sein! Ist es aber doch irgendwie, denn letzten Endes läuft "Distant Drums" trotz des ungewohnten Schauplatzes am Ostzipfel des Kontinents auf die alte Genrefehde Army vs. Natives hinaus. Gary Cooper, wie ich angesichts Walshs wunderhübscher Technicolor-Explosionen einmal wieder feststellen konnte, noch immer der wohl cinegenste Star, der je auf der Leinwand zu sehen war, ist wunderbar: Obschon bereits an die 50 liefert er ungedoubelt einige grandiose Männerszenen: Die schönste davon dürfte eine schaumlose Glattasur mit seinem Fahrtenmesser sein, die den ihn anhimmelnden Richard Webb so beeindruckt, dass er es gleich selbst versuchen muss und sich prompt schneidet. Doch das ist nicht alles: Coop trägt die hübsche Mari Aldon durch einen alligatorverseuchten Tümpel, erklimmt eine hohe Steinwand per Seil und ficht mit dem ihm nachstellenden Seminolenhäuptling einen Unterwasser-Showdown per Messer aus. Arthur Hunnicutt und Ray Teal liefern das zusätzlich nötige Genrekolorit. Der seltene Brückenschlag zwischen Western und klassischem Abenteuerfilm vollzieht sich in diesem Film von Walsh, einem seiner schönsten Farbfilme nebenbei, somit höchst erfolgreich.

8/10

Raoul Walsh Florida period piece Indianer Südstaaten


Foto

THE NARROW MARGIN (Richard Fleischer/USA 1952)


"What kind of a dame would marry a hood?" - "All kinds."

The Narrow Margin (Um Haaresbreite) ~ USA 1952
Directed By: Richard Fleischer

Nachdem sein Partner (Don Beddoe) gleich vor Ort erschossen wird, hat Detective Sergeant Walter Brown (Charles McGraw) die unleidliche Aufgabe, die Gangsterwitwe Neal (Marie Windsor) allein von Chicago nach L.A. zu eskortieren - per Überlandzug. Da Mrs. Neil im Besitz einer Liste mit Namen korrupter Persönlichkeiten ist, hat die Unterwelt höchstes Interesse daran, sie aus dem Weg zu räumen und heftet sich an ihre und Browns Fersen.

Ein kleines Schätzchen aus Fleischers bekanntermaßen umfangreich bestückter Werkstruhe, konzentriert und auf den Punkt inszeniert. Trotz des begrenzten Zug-Settings hält Fleischer die notwenige Spannung zum Fortschreiben der Story unentwegt aufrecht und zieht die bedrohlichen Schlingen um seine Protagonisten immer enger zusammen. Dabei ist kaum einer der Mitreisenden wirklich das, was er oder sie zu sein vorgibt - allein die Gangster machen keinen Hehl aus ihrer Identität und finsteren Gesinnung. Doch gibt auch Brown beileibe keine makellose Heldenfigur ab. Er steht bei der Internen ohnehin im Verdacht, bestechlich zu sein (ein zweideutiger Hinweis auf eine zumindest undurchsichtige Berufskarriere) und muss tatsächlich merklich mit sich hadern, als ihm einer der Ganoven (Peter Brocco) ein großzügiges Geldangebot macht, für dass er im Gegenzug seine Schutzbefohlene ausliefern soll. So erreicht "The Narrow Margin" in jeder Hinsicht die bedürftige Tiefe eines führenden film noir, zu welchen er somit auch zweifelsohne gezählt werden muss.

9/10

Richard Fleischer Zug Eskorte film noir


Foto

POLIZEIREVIER DAVIDSWACHE (Jürgen Roland/BRD 1964)


"Ich such' bloß meinen Freund, den Albert!"

Polizeirevier Davidswache ~ BRD 1964
Directed By: Jürgen Roland

Der rund um den Hamburger Kiez berüchtigte Gewaltverbrecher Bruno Kapp (Günter Ungeheuer) wird aus dem Knast entlassen und hegt nur einen Gedanken: Rache an dem Bullen, der ihn einst dorthin gebracht hat! Dabei hat Hauptwachtmeister Glantz (Wolfgang Kieling) ohnehin schon genug um die Ohren: Die Navy ist im Hafen stationiert und hat Landgang. Außerdem kommt bereits in absehbarer Zeit seine halbverwaiste Tochter mit dem Zug aus der Schweiz.

Großartiger Kolportagefilm, der seinen im Grunde einzigen, etwas dummen Fehler im Titel trägt: Das an der Davidstraße gelegene Polizeirevier 15 muss nämlich in Wahrheit ohne das Fugen-S auskommen und heißt tatsächlich 'Davidwache'. Ansonsten machen Roland und Menge die Vorturner für alles, was in den folgenden zehn Jahren von Olsen & Co. über die Hansestadt produziert werden sollte. Was "Polizeirevier Davidswache" mit seinen späteren Nachfolgern verbindet, ist die Mischung aus rauer Herzlichkeit, mit dem das anrüchige, aber eben irgendwie doch urige Lokalkolorit gewürdigt wird und spießbürgerlicher Widernis - man geht ja doch mal drüber, wenn man schon in Hamburg ist, ist aber doch froh, bald darauf wieder in der Bahn Richtung Hotel zu sitzen und das hier geschilderte Nachtleben nicht aus der Nähe miterleben zu müssen. Dabei ist die flickwerkartig erzählte Geschichte ganz vortrefflich vorgertragen; die Toleranzschwelle der hier arbeitenden Beamten ist hoch, ebenso wie der allgemeine Sinn für funktionelle Koexistenz. Es sind dann schon eher die allabendlich einfallenden Legionen besoffener Amüsiertouristen, die zwar Geld, aber oft auch Ärger mit sich bringen. Bruno Kapp jedenfalls findet sich nach dem rein gewinnorientierten Mord an einer Hure (Silvana Sansoni) bald vom gesamten Kiez geächtet und bekommt dies auch zu spüren. Dennoch wird am Ende nicht er das Opfer einer fehlgeleiteten Racheaktion. Schriftliche Inserts protzen damit, mit dem soeben präsentierten Film eine authentische Geschichte vorzulegen und ebendas macht ja den Charme der kurzlebigen, aber eruptiven Kiez-Film-Welle aus: Der Anspruch, Realität zu reproduzieren, in Wahrheit aber doch bloß Fantasiegebilde zu unterfüttern.

8/10

Jürgen Roland Wolfgang Menge Hamburg St. Pauli Kiez Prostitution Rache


Foto

RUNAWAY JURY (Gary Fleder/USA 2003)


"Gentlemen, trials are too important to be left up to juries."

Runaway Jury (Das Urteil) ~ USA 2003
Directed By: Gary Fleder

Die Witwe (Joanna Going) eines von einem Amokläufer ermordeten Börsenmaklers (Dylan McDermott) verklagt die Hersteller der für die Bluttat verwendeten Automatikwaffe und damit moralisch betrachtet auch gleich die gesamte Waffenlobby der USA. Die Bosse des betroffenen Unternehmens wittern mögliche Millionenverluste und heuern daher den für seine zielsichere Geschworenenauswahl bei prekären Prozessen bekannten, juristischen Berater Rankin Fitch (Gene Hackman) an, der dem beauftragten Anwalt (Bruce Davison) während der Zulassung der Geschworenen zur Seite stehen soll. Die Anklage wird von Wendell Rohr (Dustin Hoffman) vertreten, selbst ein leidenschaftlicher Gegner des Zweiten Verfassungszusatzes. Schon nach den ersten Prozessphasen bekommen sowohl Fitch als auch Rohr von einer unbekannten jungen Frau (Rachel Weisz) das Angebot, einen der Geschworenen (John Cusack) gegen ein großzügiges Entgelt die übrigen so manipulieren zu lassen, dass das Urteil zu den jeweiligen Gunsten ausfallen könnte.

Mit einigem Abstand - sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf die verhandelte Mentalität - entstand diese bislang letzte Grisham-Verfilmung. Abgesehen von der nervösen Kamera, die dramaturgische Hektik durch exzessives Zoomen zu suggerieren sucht, unterscheidet "Runaway Jury" sich sonst nicht besonders von den vorhergehenden Filmen. Wieder gibt es idealistische Helden mit heimlichem Regressions- und Vergeltungsansprüchen und moralisch hoffnungslos korrumpierte Schurken, selbstredend solche von der gewissenlos-kapitalistischen Seite der Medaille. Ging es im Roman allerdings noch darum, die Tabakindustrie für einen Lungenkrebstoten verantwortlich zu machen, wandte sich das Filmscript unter dem Eindruck von Littleton stattdessen dem akuteren und vor allem populistisch naheliegenderen Topos der Amokläufer zu, die problemlos an todbringende Schusswaffen gelangen und diese bei Bedarf auch zum Einsatz bringen können. Ob die die gezogene Analogie letztlich sinnstiftend ist, muss jeder für sich entscheiden, Waffenfabrikanten juristisch unmittelbar für die Verwendung ihrer Produkte verantwortlich zu machen und damit auch noch gerichtlich durchzukommen, erweist sich jedoch, wenngleich von einigem hypothetischen Reiz, spätestens beim zweiten Nachdenken als recht hanebüchen. Die gute Tradition ergibt sich hier eher wie üblich aus dem Darsteller-Duell Hoffman/Hackman; die beiden arrivierten Herren bekommen ihre meritenträchtige Konfrontationsszene und genießen ansonsten sichtlich den Aufwasch, der um sie herum betrieben wurde. Ein so motiviert-spielfreudiges Ensemble wie Coppolafür "The Rainmaker" steht Fleder jedoch nicht zur Verfügung. Damit bleibt der Film als reines Unterhaltungsprodukt akzeptabel, ansonsten allerdings, nota bene, ein Stück luxuriöser Muße ohne besonderen Nachhall.

6/10

Gary Fleder John Grisham Südstaaten New Orleans Louisiana Courtroom


Foto

SKIN DEEP (Blake Edwards/USA 1989)


"My name is Zachary Hutton and my wish is to fuck you."

Skin Deep ~ USA 1989
Directed By: Blake Edwards

Der gefeierte Dramatiker, Romancier und Intellektuelle Zack Hutton (John Ritter) ist ein polymorpher Süchtiger: Weder kann er die seine Kreativität lähmende Trinkerei ad acta legen, noch schafft er es, nicht irgendeinem attraktiven Rock hinterherzujagen. Seine postpubertäre Lebenslust kostete ihn allerdings bislang jede ernstzunehmende Beziehung, insbesondere die zu seiner vormaligen Ehefrau Alex (Alyson Reed), die er noch immer liebt und der er hinterhertrauert, die ihm jedoch nicht mehr trauen mag.

Im Prinzip eine etwas modifizierte Variation des aus "10" bekannten, edward'schen Leibthemas des mittalten Mannes in der Sinnkrise ist "Skin Deep" der letzte große Wurf des Genremaestros. Wiederum geht es hier um ein künstlerisch befähigtes, maskulines Individuum jenseits der 40, das Angst hat, seinem liderlichen Lebenswandel Lebewohl zu sagen und das familiäre Sesshaftwedung mehr oder weniger unbewusst mit Altwerden und Tod gleichsetzt. Zack Hutton hat erst noch zu lernen, welche Annehmlichkeiten mit einer stabilen, monogamen Beziehung einhergehen können, so man sich dieser nur öffnet. Der Weg dahin ist allerdings bestimmt den Kern dieser meisterhaften Komödie, die mühelos zwischen hochgewitztem dialogischem Humor und Klamauk hin- und herpendelt, zwischen sophistication und hemmungsloser Albernheit. John Ritter als tolpatschiger, überlasteter Mittlebenskrisler, permanent zwischen Suff und Kater irrend, gibt vielleicht die schönste Vorstellung seiner Karriere und der Titelsong bietet feinsten 80's-Pop mit Nostalgiecharakter. Dazu ein paar wohlfeile Anspielungen auf den damaligen, schwer verirrten Zeitgeist und fertig ist der Pflichtfilm für traditionsbewusste Edwards-Liebhaber.

9/10

Blake Edwards Kalifornien Los Angeles midlife crisis Alkohol Ehe


Foto

THE BLUE MAX (John Guillermin/UK 1966)


"It's a cruel world, Stachel."

The Blue Max (Der Blaue Max) ~ UK 1966
Directed By: John Guillermin

1918 stößt der zuvor im Schützengraben stationierte Bruno Stachel (George Peppard) als Leutnant zur kaiserlichen Luftwaffe. Dort nimmt er als aus bürgerlichem Hause stammender Sohn eine Sonderstellung ein; die meisten anderen Piloten, besonders die erfolgreichen und populären, besitzen adlige Wurzeln. So auch der Staffelpilot mit den meisten Abschüssen, Willi von Klugermann (Jeremy Kemp), mit dem Stachel bald eine intensive Hassfreundschaft verbindet. Von Klugermann ist bereits mit dem Orden "Pour le Mérite", auch bekannt als "Blauer Max", ausgezeichnet worden, einem hohen Orden für mindestens zwanzig gegnerische Abschüsse. Auf ebenjenen hat es auch Stachel abgesehen, ganz zum Wohlwollen von Willis Onkel General von Klugermann (James Mason), der durch das Emporkommen Stachels die bürgerliche Kriegsmoral gestärkt sieht.

Überlanges Prestigeprodukt der Fox, dessen großartiger visueller Eindruck vor allem der exzellenten Kameraarbeit des wierum meisterlich zu Werke gehenden Douglas Slocombe zu verdanken ist, der es verstand, ebenso herrliche Luftaufnahmen in den Kasten zu bekommen wie kammerspielartigen Bodenszenen einen gewissen Glanz zu verleihen. "The Blue Max" ist alles andere als das, was man landläufig gern als "Antikriegsfilm" bezeichnet; er macht sich erst gar keine Mühe, das Kriegsgeschehen zwischen 14 und 18 als menschenverschlingenden Moloch zu verdammen. Krieg bedeutet hier: Männerdomäne mit maskulinen Meriten. Mit seiner faszinierten Präsentation der damaligen Luftkämpfe wendet er sich vielmehr dem 'gentleman warfare' zu, in dem es zwar auch tödlich zuging, den seine Betreiber jedoch nur allzu gern als sportliche Auseinandersetzung unter edelblütiger Elite betrachteten. Hier scheint mir der Film auch ganz treffend; in seiner Darstellung der damaligen Kriegshelden als frühe Popstars, die unter der Bevölkerung ein ähnliches, forciertes Ansehen genossen wie es heute Casting-Show-Gewinnern vorbehalten ist.

7/10

John Guillermin WWI Fliegerei Luftkampf Militär Standesdünkel Jack D. Hunter


Foto

THE TAKING OF BEVERLY HILLS (Sidney J. Furie/USA 1991)


"I'm not playing defense anymore!"

The Taking Of Beverly Hills (Boomer - Überfall auf Hollywood) ~ USA 1991
Directed By: Sidney J. Furie

Ein von gierigen Ex-Cops durchgeführter, großangelgter Überfall auf das gesamte Areal von Beverly Hills mit einer Multi-Millionen-Dollar-Beute läuft weithin erfolgreich ab - bis auf die Tatsache, dass der Footballstar Boomer Hayes (Ken Wahl) in seinem Whirlpool sitzend die vorbereitende Evakuierung der amüsierten Bevölkerung aufgrund eines fingierten Giftalarms versäumt. Zusammen mit dem Mitverschwörer Ed Kelvin (Matt Frewer), der dann doch lieber auf die Teilnahme an dem Riesenraub verzichtet und sich auf Hayes' Seite stellt, kämpft sich der resolute Boomer seinen Weg durch das nächtliche Beverly Hills frei, verfolgt von einem bärbeißigen Panzerkiller (Branscombe Richmond) und allerhand schießwütiger Gesellen.

Gleichermaßen Plagiat von und Parodie auf das damals ultra-angesagte "Die-Hard"-Szenario: Ein knackiger Heros - Ken Wahl mit Vokuhila-Gedächtnis-Haircrime - ist zufällig am falschen Ort [wobei, in Boomers Falle ist dieser gar nicht so falsch, immerhin sitzt er während des Überfalls in der hauseigenen Blubberwanne und wartet auf seine frische weibliche Eroberung (Harley Jane Kozak)], als eine zahlenmäßig weit überlegene Terrormacht mit lediglich vordergründig monetärem Interesse (tatsächlich geht es dem von Robert Davi gespielten Initiator lediglich um wirtschaftliches Emporkommen) ihn in die Enge treibt, attackiert und somit zur Gegenwehr zwingt. Dabei ist Boomer alles andere als ein Schusswaffenfetischist: Mit selbstgebastelten Molotow-Cocktails, zufällig gefundenen Ninja-Wurfsternen und ordinären Felsbrocken setzt er seine Gegner auf das Pittoreskeste außer Gefecht, derweil man ihm mit MPs und Flammenwerfern zu Leibe rückt. Anlass für eine recht formidabel inszenierte Zerstörungsorgie, die inmitten der Willis-Originale und "Under Siege" leider ein wenig dem Vergessen anheim gefallen ist. Zu Unrecht, denn zumindest mit letzteren nimmt es "The Taking Of Beverly Hills" spielend auf.

6/10

Sidney J. Furie Kalifornien Beverly Hills buddy movie Heist Nacht


Foto

EXECUTIVE SUITE (Robert Wise/USA 1954)


"A one-man company without its one man..."

Executive Suite (Die Intriganten) ~ USA 1954
Directed By: Robert Wise

Nach dem plötzlichen und unerwarteten Tod Avery Bullards, des Firmenbosses der Möbel produzierenden 'Tredway Company', eröffnet sich fast nahtlos das Rennen um seine Nachfolge. Letztlich läuft dieses auf das Duell zweier Direktoren hinaus: Den eiskalten, einzig in Zahlen und Statistiken denkenden Loren Shaw (Fredric March) und den wesentlich jüngeren Leiter der Produktionsabteilung, McDonald Walling (William Holden), einen ebenso humanistischen wie fortschrittsdenkenden Gefühlsmenschen. Mit einer flammenden Rede kann er das übrige Management einschließlich seines Konkurrenten von sich als einzig wahrem Firmenpräsidenten überzeugen.

Auf rein inhaltlicher Ebene reichlich naiv dargebotene Allegorie um ökonomische Tragfähigkeit in der Industrie, die einen idealistischen Traum von Gerechtigkeit und Managementspflege in capraesker Tradition träumt. Von der betriebswirtschaftlichen Realität um Lichtjahre entfernt präsentiert Wise in einer ebenso gewitzten wie klar strukturierten Bildsprache die Rempelmentalität in der Hochfinanz, repräsentiert durch den schön schmierigen Calhern und den wohl dem deutschen Titel seine Berechtigung verleihenden March, sowie den via Holden inkarnierten, strahlenden Progressionsglauben, der am Ende alle überzeugt und als einzig funktionalistische Grundlage für den erfolgreichen Fortbestand des Unternehmens gewertet wird. Wenngleich von schönem Wunschdenken getragen, ein klassisches feel good movie von großer darstellerischer Substanz, in dem die Märchenhaftigkeit mental obsiegen darf. Tut zumindest der Seele wohl.

8/10

Robert Wise Pennsylvania New York Wall Street Wirtschaft Firma Ensemblefilm Cameron Hawley





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare