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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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FATHER'S LITTLE DIVIDEND (Vincente Minnelli/USA 1951)


"Don't worry, if she took her toothbrush, she's not headed for the river."

Father's Little Dividend (Ein Geschenk des Himmels) ~ USA 1951
Directed By: Vincente Minnelli

Auf Stanley T.Banks (Spencer Tracy), der gerade seine letzte Hypothek abbezahlt hat, wartet nach der kapriziösen Hochzeit seiner Tochter Kay (Elizabeth Taylor) gleich die nächste Hiobsbotschaft: Kay erwartet ein Baby. Was für Stanleys Frau Ellie (Joan Bennett) und die Schwiegereltern (Billie Burke, Moroni Olsen) den Startschuss zu närrischem Getue gibt, lässt Stanley bloß verzweifeln: Er soll jetzt bald der Opa sein und eine Rolle bekleiden, die ihm doch überhaupt nicht zukommt? Doch nach anfänglichem postnatalen Gerangel raufen er und sein Enkelsohn sich schließlich doch noch zusammen.

Sequels bildeten um diese Zeit im Kino noch eher die Ausnahme denn die Regel; umso ungewöhnlicher, dass ausgerechnet auf "Father Of The Bride" in kurzem Abstand eine Fortsetzung folgte. Minnellis nachlassendes Interesse kann der inszenatorisch etwa auf Fernsehniveau befindliche Film kaum verstecken, ansonsten hält man - speziell wiederum Tracy - sich jedoch wacker. Dabei ist die Weiterführung jener Story so konsequent wie logisch: Stanley T. Banks, durch Spencer Tracys neuerlich formidable Interpretation sozusagen der Archetypus des patriarchalischen Kleinstadtspießers, darf seine Mittlebenskrise natürlich erst hinter sich lassen, wenn das letzte Rollendrittel seines Lebens erreicht wurde: Das des Großvaters, des Seniors, des Meckerfritzen in seinem Existenzherbst. Zu akzeptieren, dass die Halbzeitpause längst hinter ihnen liegt, fällt bekanntlich insbesondere den Jägern und Sammlern des Menschengeschlechts schwer und Stanley T. Banks geht es da kaum anders. Umso giftiger reagiert er auf die Nachricht des dräuenden Nachwuchses und sogar noch giftiger, als selbiger dann einmal da ist. Entsprechend rührend der schlussendliche Friedensschluss zwischen Opa und Enkel, der dann auch diese Familie glücklich und zufrieden ins Kino-Nirwana entlässt. Zumindest bis zu den zeitgemäß aufgedonnerten Remakes vierzig Jahre später.

7/10

Vincente Minnelli Familie Ehe Baby Schwangerschaft Satire Sequel midlife crisis


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FATHER OF THE BRIDE (Vincente Minnelli/USA 1950)


"I was wrong. I figured without the wedding."

Father Of The Bride (Vater der Braut) ~ USA 1950
Directed By: Vincente Minnelli

Für den gesetzten Familienvater Stanley T. Banks (Spencer Tracy) entwickelt sich die Hochzeitsplanung seiner Tochter Kay (Elizabeth Taylor) zur nervlichen Zerreißprobe. Nicht genug damit, dass sein Augapfel plötzlich erwachsen ist und ihre eigene Existenz auf die Beine stellt, muss er als Brautvater auch noch die Ausrichtungskosten übernehmen und sein Haus für sämtliche Feierlichkeiten zur Verfügung stellen. Alsbald droht ihm die Sache über den kopf zu wachsen, doch als er realisiert, dass er für Kay insgeheim noch immer der Größte ist und bleibt, kann er sich zufrieden zurücklehnen.

Herzlich-charmanter Comedy-Klassiker mit einer Paraderolle für den großen Spencer Tracy. Etliche witzige (und sehr wahre) Einfälle wie Stanleys misslungener Martini-Empfang machen den im Hinblick auf seine Inszenierung eher betulich wirkenden Film innerhalb des Genres zu einem Ereignis. Mit liebevoller Ironie verballhornt das Script die Pseudonöte des suburban American bourgeois, beschränkt geradezu wohltuend die Weltschmerz auf seinen vorstädtischen Mikrokosmos und versichert dem Zuschauer, dass auch intrafamiliäre Liebe in Überdosen verabreicht zu gefährlicher Überzuckerung führen mag.
Minnelli besaß ein spezielles Händchen für Komödien mit trockenem Unterbau, davon zeugt neben "Father Of The Bride" auch der etwas später entstandenere "Designing Woman", letzterer sogar ganz erheblich. Der Meister hätte sich auf diesem Gebiet noch verstärkter aktivieren sollen.

8/10

Vincente Minnelli Ehe Familie Hochzeit midlife crisis Satire


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WORLD WAR Z (Marc Forster/USA, MT 2013)


"Mother Nature is a serial killer."

World War Z ~ USA/MT 2013
Directed By: Marc Forster

Ein unbekanntes Virus verwandelt die Menschen mittels rasantester Inkubationszeiten in widerstandsfähige Untote. Höchst aggressiv, blitzschnell und instinktgesteuert greifen die Betroffenen die Nichtinfizierten an und reißen sie mit ins Verderben. Der UN-Mitarbeiter Gerry Lane (Brad Pitt) schafft es mit knapper Not, seine Familie aus dem explosionsartig angesteckten Philadelphia zu retten und auf ein Navy-Schiff zu lotsen. Dort erhält er den Auftrag, zusammen mit dem Virologen Fassbach (Elyes Gabel) an dem mutmaßlichen Ursprungsort der Pandemie in Südkorea nach Hinweisen bezüglich eines Impfstoffes zu fahnden. Fassbach kommt jedoch nicht weit und Lane reist über Israel weiter nach Wales, wo ihm in einem mit Mühe und Not erreichen WHO-Labor eine entscheidende Entdeckung gewahr wird.

Für einen Film ohne Seele ist "World War Z" eigentlich ganz okay. Nach Jahrzehnten des subkulturellen Nischendaseins hat sich die Figur des Zombie - respektive dessen von Romero via "Night Of The Living Dead" modifizierte Interpretation des Menschenfleisch vertilgenden Seuchenopfers - innerhalb seiner Phänomenologie binnen kürzester Zeit ins mediale Massenbewusstsein vorgearbeitet, wo er nach langer Zeit des geradezu zwanghaft mit ihm konnotierten Schmuddelcharakters [dereinst in den Achtzigern wurden "Zombiefilme" zusammen mit so genannten Frauengefängnis-, Kannibalen- und Ninja-Filmen (bzw. -"Videos") bekanntermaßen als Wurzel allen pädagogischen Übels erachtet] globale Akzeptanz erfährt. Andere Zeiten, andere Sitten. Mit Danny Boyles "28 Days Later" gab es ein erstes Vordringen in Richtung des achtbaren Feuilletonismus, die "Resident Evil"-Serie eroberte parallel dazu bislang ungeahnte kommerzielle Sphären. Romero durfte plötzlich für ein Studio arbeiten, ein allseits beliebtes TV-Serial (ohnehin das untrüglichste Indiz für das Ankommen jedweder Topoi im globalen Wohnzimmer) entstand und heuer findet sich der Zombie sogar als romantisierter teenage lover in entsprechendem Ambiente ("Warm Bodies") funktionalisiert.
Ein Film wie "World War Z", ganz profanes Effektespektakel mit selbst im von mir betrachteten 'unrated cut' noch relativ moderatem Gewaltfaktor, offenkundig geplant als Franchise-Auftakt, ganz kalkulierter Blockbuster durch und durch, bei dem allein die sichtbar ungeheure logistische Planung jedweden Ansatz von Kreativität bereits im Keim erstickt haben dürfte, getragen von einer wiederum eher zu einem Videospiel passenden (in episodischer Form muss sich der Held von Mission zu Mission weiterkämpfen), absolut banalen Dramaturgie, adaptiert sich da nunmehr lediglich an den vorherrschenden common sense. Auffallend integrativ wird der Terminus 'Zombie' befleißigt, auch das vormals eher ein kleines Tabu im Subgenre. Ansehnlich und hier und da spannend ist das alles dennoch und damit gewissermaßen ein letzter Schlüssel für das finale Eindringen des Zombie in die gewaltige Suppenküche assimilierter Mythen.

7/10

Marc Foster Apokalypse Zombies Familie Israel Philadelphia Südkorea Wales Cardiff Virus


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THE ENTITY (Sidney J. Furie/USA 1982)


"Welcome home, cunt."

The Entity ~ USA 1982
Directed By: Sidney J. Furie

Eines Abends wird Carla Moran (Barbara Hershey), junge, alleinerziehende Mutter von drei Kindern, in ihrem Vororthaus vergewaltigt - von einem unsichtbaren Wesen, vermutlich einem Geist oder Dämon. Ihr kurz darauf konsultierter Psychiater Dr. Sneiderman (Ron Silver), der sich zunehmend stark in den ungewöhnlichen Fall einbindet, führt dieses "Erlebnis" auf schwere sexuelle Schuldkomplexe Carlas zurück und diagnostiziert bei ihr Angstzustände und Wahnvorstellungen. Doch das übernatürliche Wesen stellt Carla bald auch außer Haus nach und das furchtbare Vergewaltigungserlebnis wiederholt sich immer und immer wieder, schließlich sogar unter Zeugen, welche das Ungetüm sogar davon abhält, Carla zur Hilfe zu kommen. Schließlich befasst sich, ganz zu Sneidermans Unwillen, der die folgenden Aktionen für bloße Scharlatenerie hält, eine parapsychologische Wissenschaftlergruppe mit dem Phänomen und versucht, den Geist im Zuge eines Feldexperiments zu fangen.

Beeindruckender, kleiner Genreklassiker, der sich auf einen angeblich authentischen Fall beruft und der ganz besonders von seiner minutiösen wissenschaftsaffinen Aufbereitung der ihm zugrunde liegenden Geschichte lebt. Tatsächlich ist man angesichts der persönlichen Schilderungen von Carlas Vergangenheit und Sexualentwicklung geneigt, dem bodenständigen Dr. Sneiderman beizupflichten, der offensichtlich selbst mehr als ein rein professionelles Interesse an seiner Patientin an den Tag legt und sie nicht nur vor sich selbst, sondern auch vor einer von ihm fehlinterpretierten Sensationsgier seiner akademischen Genossen zu retten versucht. Script und Film jedoch stellen sich da ganz eindeutig auf Carlas Seite: Es blitzt, es zischt - zu sehen ist nischt. Abgesehen von fotografisch und filmisch dokumentierten Entladungen aus dem Nichts, mutmaßlichen Geistersilhouetten und unsichtbaren Händen, die in gemeinster Weise Carlas Köper (respektive einen speziell angefertigten Nackt-Dummy) begrapschen.
"The Entity" hätte ein kleines Meisterwerk werden können, hätte man auf jene visualisierten Eindeutigkeiten verzichtet und dem Zuschauer die Entscheidung überlassen, zwischen paranormalen und psychischen Ereignissen wählen zu dürfen. So bleibt bei aller übrigen Sorgfalt der Erzählung stets ein latenter Beigeschmack geflissentlich fehlgeleiteter exploitation. Denn in seiner psychologisch durchaus tragfähigen Schilderung verbauter weiblicher Sexualität und entsprechender Bedürfnisse, gekoppelt mit einer hier und da zum Bizarren tendierenden, heimlichen Erfüllung derselben (als die Entität Carla einmal im Schlaf vergewaltigt, bekommt sie, wie sie später schuldbewusst zugibt, einen Orgasmus) erweist sich "The Entity" als überaus stark. Erschütternd offen zudem das Ende, das eine von den Ereignissen gestärkte Carla Moran zeigt, die sich nach Verzweifung und Depression bis hin zur Todesakzeptanz mit ihrem Los arrangiert, sich selbigem gewissermaßen sogar mit offenen Armen fügt.

8/10

Sidney J. Furie Kalifornien Dämon Spuk Familie Vergewaltigung Psychiatrie Parapsychologie


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THE ICEMAN (Ariel Vromen/USA 2012)


"I'm good at what I'm doing."

The Iceman ~ USA 2012
Directed By: Ariel Vromen

Der in der Pornokino-Branche tätige Richard Kuklinski (Michael Shannon) hat ein völlig moralbefreites Verhältnis zur Gewaltanwendung. Als Kind von seinen regelmäßig und schwer Eltern misshandelt, genügt es dem erwachsenen Kuklinski nur, wenn ihn jemand schief ansieht, um diesen hernach schnell und unauffällig zu töten. Als der Mafiascherge Roy DeMeo (Ray Liotta) Wind von Kuklinskis "Qualitäten" bekommt, heuert er ihn als Auftragskiller an - wobei er ausschließlich Männer angreift und beseitigt. Diese Tätigkeit ermöglicht Kuklinski und seiner parallel zu seinen grausamen Aktiitäten gegründeten Familie ein wohlsituiertes Leben. Trotz seiner einerseits liebevoll-aufopfernden Art werden seine Frau Deborah (Winona Ryer) und Töchter (McKaley Miller, Megan Sherrill) immer wieder Zeugen irrationaler Gewaltausbrüche bei Richard. Über zwei Jahrzehnte nach der Hochzeit mit Deborah wird er in ihrem Beisein im Zuge eines Großeinsatzes des ATF verhaftet - ohne dass seine Frau bis dato um das Doppelleben ihres Mannes weiß.

Der authentische Richard Kuklinski, der 2006 im Gefängnis verstarb, bildete den seltenen Fall eines pathologischen Serienkillers, der seine Obsession zum Beruf machen "durfte": Nachdem er sich bereits in seinem sozialen Umfeld einen Ruf als gewaltbereiter Totschläger erworben hat, mit dem man sich besser nicht anlegen sollte, wenn einem sein Leben lieb war - zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits mehrere Menschenleben auf dem Gewissen-, trat die Mafia mit ihm in Kontakt. In den folgenden Jahrzehnten trieb er zwischen zwischen zwei unvereinbaren Welten hin und her - der des nach außen idyllischen Familienlebens mit kleineren Hinweisen auf sein soziopathisches Innenleben und der von Verbrechen und Gewalt. Wie viele Menschen Kuklinski zum Zeitpunkt seiner Verhaftung im Jahre 1986 tatsächlich auf dem Gewissen hatte, ließ sich nie verifizieren. Offizielle Angaben schwanken zwischen 100 und 250 Opfern.
Vromens auffallend spät entstandene Filmbiographie um Kuklinski streift nur Blitzlichter und einzelne Ereignisse in dessen Leben, setzt im Protagonistenalter von 29 Jahren ein und komprimiert die folgenden 22 Jahre mittels einer fast dokumentarischen Abgeklärheit. "The Iceman" verweigert sich großen emotionalen Gefällen und schildert Kuklinski so, wie er wohl tatsächlich war - als einen stillen, zu explosiven Ausbrüchen neigenden Hünen, dem jedwede Sympathie für das Menschengeschlecht bereits in frühester Biographie herausgeprügelt wurde und der im Gegensatz dazu seine Familie geradezu äffisch vergötterte. In manchen Punkten verweigert sich das Script zugunsten der Akzentuierung seiner im Grunde bipolaren Existenz einer akkuraten Authentitzität, so wird Kuklinskis Sohn völlig außen vor gelassen, ebenso wie die Tatsache, dass er seine Frau häufig geschlagen haben soll. Einen Höhepunkt bildet die formidable Besetzung von "The Iceman" - neben dem beängstigend-monströsen Shannon bleiben Auftritte von Robert Davi, David Schwimmer, Stephen Dorff und James Franco in dankbarer Erinnerung.

8/10

Ariel Vromen Biopic period piece Mafia New York Profikiller Familie Madness New Jersey Serienmord


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DOMINION: PREQUEL TO THE EXORCIST (Paul Schrader/USA 2005)


"I chose good. Evil happened."

Dominion: Prequel To The Exorcist (Dominion: Exorzist - Der Anfang des Bösen) ~ USA 2005
Directed By: Paul Schrader

Nach furchtbaren Kriegserlebnissen arbeitet der vormalige Priestzer Lankester Merrin (Stellan Skarsgård) als Kirchenarchäologe in Afrika. Dort ist er mit der Ausgrabung einer byzantinischen Gotteshauses befasst, um dessen Existenz sich diverse Ungereimtheiten und Geheimnisse scharen. Mit der Ankunft des jungen Missionars Vater Francis (Gabriel Mann) in dem naheliegenden kenianischen Dorf beginnt sich die allgemeine Lage zwischen Eingeborenen und weißen Immigranten zu verschärfen. Die Dörfler glauben, dass Cheche (Billy Crawford), einem ausgestoßenen, verkrüppelten Jungen, das Böse innewohnt. Um die Stabilität vor Ort zu wahren, ruft Vater Francis eine britische Armeeabteilung herbei. Als zwei von deren Männern ermordet in der Kirche aufgefunden werden, macht Major Granville (Julian Wadham) die Eingeborenen für ihren Tod verantwortlich. Die Lage droht zu eskalieren, als Merrin sich zum Kampf gegen den Ursprung der übernatürlichen Ereignisse aufmacht.

Nachdem Renny Harlins überarbeitete Fassung mit harscher Ablehnung und/oder Ignoranz gestraft wurde, durfte Schrader seiner Ursprungsversion doch noch das letzte Finish verabreichen und sie, zumindest in zunächst ausgesuchten Kreisen, der Kinoöffentlichkeit zugänglich machen - ein wohl tatsächlich unikales Vorgehen seitens einer Produktionsgesellschaft. Schraders Film erweist sich denn auch sogleich als in seiner Herangehensweise wesentlich klassizistischer, gesetzter und diskursiver als Harlins Haudrauf-Ummodelung. Im Mittelpunkt steht hier noch ganz klar die Figur des Pater Merrin und ihr Hader mit der Spiritualität. Im Grunde verdankt Merrin es einzig dem dämonischen Verführer, dass er schlussendlich von allem agnostischen Gedankengut und jedweder Glaubensfrustration geheilt ist und vollends zu seinem Glauben zurückfindet: Der "große Verführer" hat allein mit seiner irdischen Manifestation bewiesen, dass es auch ein Yin zu seinem Yang geben muss. Was ist sonst noch anders? Bei Schrader zerfleischen die computergenerierten Hyänen keinen kleinen Jungen, es gibt keinen neuerlichen "himmlischen" Krieg, an dessen Ende ein wildes Gemetzel steht, hierin ist die Ärztin (noch von Clara Bello interpretiert) nur ein kleines bisschen und ganz kurz besessen, die Figur des Cheche soll später bei Harlin komplett wegfallen.
Welcher Film sich beim konfrontativen "Vs." als der bessere, gewichtigere erweist, lässt sich meinerseits kaum beurteilen. Beide besitzen sie ihre Vorzüge, beim einen scheint das Bier süffiger zu schmecken, der andere regt stattdessen zu höherer mentaler Aktivität an - was sich bezüglich der jeweiligen Genussqualität im Grunde gegenseitig nichts nimmt. Bewerten wir also salomonisch:

7/10

Paul Schrader Afrika Kenia Dämon Satan Kirche Prequel Exorzismus


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EXORCIST: THE BEGINNING (Renny Harlin/USA 2004)


"God is not here today, priest!"

Exorcist: The Beginning (Exorzist: Der Anfang) ~ USA 2004
Directed By: Renny Harlin

Nachdem er während des Krieges Schreckliches mit der SS durchmachen musste, hat sich Pater Lankester Merrin (Stellan Skarsgård) von Gott und Kirche abgewendet. In Nordafrika lässt er sich von einem merkwürdigen Auftraggeber (Ben Cross) anwerben, zur Ausgrabungsstätte einer byzantinischen Kirche in Kenia zu reisen. Das uralte Gemäuer umgeben diverse Seltsamkeiten, da es unter anderem deutlich älter ist, als es eigentlich sein dürfte. Im Lager der Ausgrabungsarbeiten und im angrenzenden Dorf geschehen parallel zu Merrins Ankunft vor Ort seltsame Dinge: Ein Junge (James Bellamy) wird von Hyänen zerfleischt, sein Bruder (Remy Sweeney) fällt in Stasis, ein verwestes, von Würmen zerfressenes Baby wird geboren, in der mittlerweile freigelegten Kirche werden zwei Soldaten einer unterdessen herbeigerufenen britischen Militäreinheit abgeschlachtet und zu einem makabren Standbild hergerichtet entdeckt. Zwischen den Soldaten und den Eingeborenen entsteht blinde Aggression, die sich in grausamen Kämpfen entlädt, derweil Merrin zusammen mit der Ärztin Sarah (Izabella Scorupco) den Ursachen für die Ereignisse auf den Grund geht.

Um "Exorcist: The Beginning" ranken sich mancherlei Anekdötchen, die in einer meines Wissens einzigartigen Verleihgeschichte kulminierten: Ursprünglich fungierte John Frankenheimer als Regisseur, verstarb dann jedoch und wurde von der Produktionsfirma Morgan Creek durch Paul Schrader ersetzt. Dieser lieferte einen bis auf postproduktionistische Marginalitäten kompletten Film ab, der jedoch den Erwartungen der Financiers, die einen handfesten, blutigen Schocker wünschten, alles andere als entsprach. Schraders Fassung verschwand vorübergehend im Giftschränkchen und Renny Harlin wurde engagiert, um das von Alexi Hawley überarbeitete Script zu gut neun Zehnteln umzuarbeiten. Vormalige Protagonisten entfielen beziehungsweise wurden ersetzt, die Story fand sich um an "Prophecy" angelehnte Noten aufgebläht, die Grundierung des Films wurde wesentlich schauriger, effekthaltiger und zeigefreudiger und sein Showdown deutlich spektakulärer. Als groß budgetierter Genrefilm mit manch hübschen Ekelsequenzen kann sich "The Beginning" sehen lassen, wenngleich er durch eine gewisse Schlichtheit, die ihn von allen bisherigen "Exorcist"-Filmen einschließlich "The Heretic" abgrenzt, auffällt. Gewissermaßen liebäugelte das vielleicht gescheiteste Franchise der Genrehistorie nun urplötzlich mit der exploitation, was manch ehernem Anhänger speziell des Originals vielleicht nicht sonderlich geschmeckt haben mag. Ich für meinen Teil komme gut klar damit.

7/10

Renny Harlin Prequel Afrika Kenia period piece Satan Engel Kirche Exorzismus


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THE EXORCIST III (William Peter Blatty/USA 1990)


"I think the dead should shut up, unless there's something to say."

The Exorcist III ~ USA 1990
Directed By: William Peter Blatty

Fünfzehn Jahre nach dem seltsamen Fall um das anscheinend besessene Mädchen Regan MacNeil und den anschließenden Tod des Paters Damien Karras (Jason Miller) verbindet den damals ermittelnden Lt. Kinderman (George C. Scott) und den ebenfalls mit der Sache verbundenen Pater Dyer (Ed Flanders) eine tiefe Freundschaft. Da geschieht Seltsames: Obschon ein von den Medien "Gemini-Killer" getaufter Serienkiller (Brad Dourif) bereits vor Jahren hingerichtet wurde, werden neuerlich in und um Georgetown Morde nach genau seinem Tatschema verübt. Auch Dyer wird während eines Krankenhausaufenthalts eines seiner Opfer. Kinderman untersucht das Verbrechen tief getroffen vor Ort und stößt im geschlossenen psychiatrischen Trakt auf einen Patienten, der Pater Karras sehr ähnlich sieht, zugleich jedoch von sich selbst behauptet, der Gemini-Killer zu sein. Als Kinderman herausfindet, zu was der eingesperrte Mann fähig ist, ist es fast schon zu spät.

Erstaunlich geschlossenes Zweitsequel, das von den wirren Anti-Konzeptionen Boormans sehr weit entfernt ist und an dessen Statt einen sauberen Bodyswitch-Horror-Plot vorlegt, nur, dass darin eben die Charaktere aus dem thematisch nur marginal anverwandten Original-"Exorcist" bemüht werden und dessen Romanautor Blatty es sich nicht nehmen ließ, seinen Folgeroman "Legion" zu einem ordentlichen Script aufzubereiten und selbst zu verfilmen. Wenngleich auch Blatty niemals die naturalistische Intensität erreicht, welcher Friedkin dereinst so erfolgreich schwarze Schwingen verlieh, so ist sein Film doch zumindest von einer zwingenden Eindeutigkeit beseelt und, anders als Boormans Erst-Sequel, an sich selbst als taugliches Genre- und Erzählkino interessiert. War bei Boorman noch vordringlich von Pater Merrin die Rede, derweil Pater Karras komplett ausgespart wurde, verhält es sich in "The Exorcist III" genau umgekehrt: So bedingt auch die offensichtlich von einiger Sympathie geprägte Beziehung zwischen Kinderman, Karras und im weiteren Sinne auch Vater Dyer förmlich das Wiederaufgreifen dieser interessanten Figuren. George C. Scott beerbt Lee J. Cobb in vollem Umfang, Ed Flanders ist kein großartiger Ersatz für William O'Malley - aber er scheidet ja auch recht früh wieder aus. Ansonsten gibt es einige wenige unheimliche Momente und den üblichen spiritistischen Mummenschanz mitsamt höllischem Tangens, der mir persönlich ja immer wieder massiv Laune macht.

8/10

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EXORCIST II: THE HERETIC (John Boorman/USA 1977)


"If Pazuzu comes for you I will spit a leopard."

Exorcist II: The Heretic (Exorzist 2 - Der Ketzer) ~ USA 1977
Directed By: John Boorman

Der in Besessenheitsdingen erfahrene Pater Philip Lamont (Richard Burton) erhält von seinem Kardinal (Paul Henreid) den Auftrag, die Umstände um den Tod des vier Jahre zuvor während eines Exorzismus verblichenen Vater Merrin (Max von Sydow) zu beleuchten. Das damalige Besessenheitsopfer Regan MacNeil lebt mittlerweile in New York und ist Dauergast in einer Klinik für gestörte und behinderte Kinder und Jugendliche, die von Dr. Tuskin (Louise Fletcher) geleitet wird. Tuskin hat ein Gerät entwickelt, mittels dessen ein hypnotisierter Proband einem Gegenüber Bilder aus dem eigenen Geist sichtbar machen kann. Als Lamont und Regan an einem Übertragungsexperiment teilnehmen, erkennt der Pater, dass der Dämon, von dem Regan dereinst besessen war, es immer noch auf sie abgesehen hat und in Kürze eine neue Attacke starten wird. Bei dem Unhold handelt es sich um den Heuschreckendämon Pazuzu, mit dem dereinst schon Pater Merrin mehrere Konfrontationen durchzustehen hatte...

Bei "Exorcist II: The Heretic" handelt es sich um einen allgemein mies beleumundeten, belächelten Film, der es nie einfach hatte. Und tatsächlich macht er es seinem Publikum alles andere als leicht, zumal jenes ja nicht ganz zu Unrecht ein Sequel erwartet, das zumindest ansatzweise Gemeinsamkeiten mit dem großen Vorbild aufweist. Ebensolche entbehrt Boormans Film jedoch. Streng genommen wäre er wohl auch kaum dem Horrorgenre zuzuordnen, Mystery- und Fantasyelemente finden sich darin, sublime Schreckensbilder wie in Friedkins Original jedoch sucht man vergeblich. Der merkwürdige Titel - auf wen er genau anspielt, auf Lamont, der mit Pazuzus mystischem Antagonisten liebäugelt, auf Regans Kindermädchen Sharon, dass sich als Agnostikerin outet, auf Regan oder gar den Dämon, bleibt bis zum Schluss ungeklärt. Tatsächlich scheinen Boorman vielmehr implizite Metaebenen zu interessieren: Der Stellenwert von Übersinnlichem inmitten einer zunehmend säkularisierten Ära, die schwindende Bedeutung der Institution Kirche, Regans erotisches Erwachen, Richard Burtons Augenränder. Ganz fabelhaft die Bilder der afrikanischen Felder und Lehmhüttendörfer, des eigenartigen Klosters, das nur auf ganz speziellem Wege über eine schmale Felsenkluft zu erreichen ist und der auf einem Penthouse-Dach mit weißen Tauben spielenden Linda Blair. Visuell hat "Exorcist II" tatsächliches einiges in petto, leider werden viele Zuschauer sich allerdings, und natürlich nicht zu Unrecht, an der vollkommen abstrusen Geschichte gestoßen haben, die denn auch teilweise so sinnfrei und kausalitätsentleert wiedergegeben wird, dass es eben einfach ist, das Gesehene schlichtweg unter 'lächerlich' zu verbuchen. Selbst erklärte Boorman-Fans werden hiermit an ihre Grenzen geführt.

5/10

John Boorman Sequel New York Washington D.C. Hypnose Kirche Dämon Afrika Exorzismus


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HEISSES PFLASTER KÖLN (Ernst Hofbauer/BRD 1967)


"Exquisit und exklusiv - des ist unser Motto!"

Heißes Pflaster Köln ~ BRD 1967
Directed By: Ernst Hofbauer

Der Zuhälter Paul (Arthur Brauss) bekommt gleich in mehrerlei Hinsicht kalte Füße: Der übereifrige Staatsanwalt Stauffer (Richard Münch) strebt eine Revisionsverhandlung gegen Pauls wegen Mordes verdächtigen Bruder (Jos Hartmann) an und der Wiener Poldi kommt mit seinem Tross nach Köln, um Pauls Pferdchen vom Strich weg abzuwerben und in seinem Edelpuff zu beschäftigen. Derweil treibt das marodierende Teeniemädchen Vera (Monika Zinnenberg) ihr Unwesen in der Stadt und Stauffers Sohn Ernst (Claus Ringer) schwebt wegen seiner hübschen Freundin Susanne (Doris Kunstmann) auf Wolke 7.

Orientiert an einigen echten Vorfällen im ehedem zeitgenössischen "Chicago am Rhein", in welchem Ende der Sechziger Zuhälter wie der tatsächlich Todesdrohungen gegen einen verfeindeten Staatsanwalt ausstoßende Toni Dumm (oder, wie er besser bekannt ist, Dummse Tünn) zu den heimlichen urbanen Größen zählten, klöppelten Hofbauer und die Münchener LISA-Film dieses schon semilegendäre Kolportage-Produkt über die sittenwidrigen Vorgänge im Mittwesten der Bundesrepublik zusammen: Ja, nicht nur in Hamburg und Frankfurt waren die Nächte lang (respektive heiß), auch bei uns am Rhein ging's hoch her. Das kölsche Fremdenverkehrsamt sah es dabei gar nicht gern, dass ausgerechnet die Bayern ihr rheinisches Frohsinnsmekka so verunglimpften und die hauseigene Großstadt als dermaßen verworfenes Sündenbabel zeichneten. Die Herren von der Lokalreklame hatten offensichtlich keinen Sinn für Humor, denn die - natürlich filmdramaturgisch hübsch zurecht gebogene und verzerrte - Rotlichtwelt des Films reizt gewiss zu mancherlei schäbigem Grinsen. Wenn die Zuhältergangs jeweils zu dritt gegeneinander antreten und Rainer Basedow sein Vis-à-vis Herbert Fux mit "Du Frankenstein!" beschimpft, dann bleibt freilich kein Auge trocken. Außerdem demonstriert uns die hübsche Bilderbuch-, äh, Bildungsbürgerjugend, dass es immer noch Wege und Hoffnung gab - auch dies schon damals.

7/10

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Funxton

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