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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE GINGERBREAD MAN (Robert Altman/USA 1998)


"The only exercise you are gettin' is jumpin' to conclusions."

The Gingerbread Man ~ USA 1998
Directed By: Robert Altman

Der Erfolgsanwalt Rick Magruder (Kenneth Branagh) lernt nach einer Überraschungs-Geburtstagsparty die Kellnerin Mallory (Embeth Davidtz) kennen und verliebt sich in sie. Mallory lebt in höchster Angst vor ihrem Vater Dixon (Robert Duvall), einem zur Gewalt neigenden, psychotischen Sektenmitglied. Rick macht es sich zur Aufgabe, sie zu beschützen und versteckt Mallory, doch Dixon heftet sich an ihre Fersen. Als er scheinbar Magruders kleine Kinder (Mae Whitman, Jesse James) entführt, sieht dieser rot und handelt damit doch ganz in Mallorys durchtriebenem Sinne.

Zweifelsohne ein waschechter Altman, sämtliche Attribute seines Meisterregisseurs vereinend - mit Ausnahme einer plausiblen Geschichte. Für diverse Plotwendungen muss man als Rezipient jedenfalls eine gerüttelt' Maß guten Willens und flexibler Logik aufbringen, um diese ohne Weiteres tolerieren zu können. Anders als üblich gibt es hier in einer Grisham-Adaption einmal keine linear erzählte courtroom story, sondern - immerhin das ist selbstverständlich - einen Anwalt, der den sinistren Plänen eines skrupellosen Erbschleicherpärchens aufsitzt, mitsamt story twist und ähnlichem Tamtam. Damit steht "The Gingerbread Man" eher in guter alter Noir-Tradition denn in der des jüngst um den Autor kreierten Sub-Subgenres, einem Terrain, auf dem Altman sich ganz offensichtlich nicht zu Hause fühlt, das er jedoch, soviel kreative Signatur muss sein, permanent in seine Werksperspektive zu assimilieren sucht. Semi-erfolgreich muss man wohl sagen, denn einerseits gab es vermutlich keinen Stoff, dem der Ausnahme-Regisseur nicht zumindest seinen Stempel aufdrücken könnte, andererseits merkt man dem Resultat die Skepsis ihres Urhebers permanent deutlich an. Ich nehme an, Altman war froh, als er sich nach "The Gingerbread Man" wieder anderen Dingen zuwenden konnte.

6/10

Robert Altman John Grisham Georgia Savannah Familie Femme fatale neo noir Südstaaten


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THE RAINMAKER (Francis Ford Coppola/USA 1997)


"How do you know when a lawyer is lying? - His lips are moving. "

The Rainmaker (Der Regenmacher) ~ USA 1997
Directed By: Francis Ford Coppola

Rudy Baylor (Matt Damon) hat soeben sein Jurastudium bestanden, jedoch keinerlei Beziehungen zu großen Anwaltskanzleien. Also nimmt ihn zunächst der Winkeladvokat Bruiser Stone (Mickey Rourke) unter eine Fittiche, der nebenbei allerlei illegale Geschäftchen betreibt, von dem Rudy jedoch einiges über berufserforderliche Rigorosität und Abgezocktheit lernt. Zudem lernt er den nicht minder cleveren Deck Shifflet (Danny De Vito) kennen, mit dem Rudy sich schließlich selbstständig macht. Seine ersten zwei Fälle umfassen einen Ehekrieg zwischen der sanften Kelly Riker (Claire Danes) und ihrem gealttätigen Ehemann (Andrew Shue) sowie einen millionenschweres Mandat bezüglich eines an Leukämie erkrankten Jungen (Johnny Whithworth), dessen Krankenversicherung sich weigert, die Kosten für eine lebensrettende Knochenmarkstransplantion zu übernehmen.

Die mit Abstand beste Grisham-Verfilmung, für die es sich allein schon lohnt, die vorherigen Filme über sich ergehen zu lassen, um dann zu sehen, wie man's besser hinbekommt. "The Rainmaker" bietet vortreffliches Erzählkino, weitgehend ohne die üble Moralinsäure und populistische Existenzschwere der Vorgänger auskommend. Zwar ist auch der hierin auftretende Junganwalt ein klarer Idealist, doch er muss die rechten Schliche erst noch erlernen und gibt keinerlei Urteile ab über die Pros und Cons der US-Rechtsprechung. Vielmehr ist er sich schlussendlich einfach nur nicht sicher, ob er seinem früher oder später zwangsläufig in ethische Korruption mündenden Beruf weiter nachgehen möchte.
"The Rainmaker" erzählt seine mehrsträngige Geschichte entlang eines fragmentarisch bei "The Verdict" entliehen Hauptplots in episodischer Form und hat dabei jede Menge Gelegenheit, eine ganze Bandbreite unterschiedlicher Figuren einzuführen, für die Coppola die jeweils perfekten Gesichter zur Verfügung standen. Selten bereitete es mir in letzter Zeit ein solches Vergnügen, großen amerikanischen Akteuren bei der Arbeit zuzuschauen und am Ende wünschte ich mir sogar, der Film liefe noch länger, um mehr von ihnen in dieser jeweiligen Hochform sehen zu können. Dabei ist der sich seiner Pickel nicht schämende Jungspund Damon lediglich der rote Faden, an dem sich alles andere entlanghandelt. Danny De Vito, Jon Voight, Dean Stockwell, Danny Glover, Roy Scheider und vor allem Mickey Rourke, die meisten von ihnen leider nur in ehrzuerbietenden Mini-Auftritten, zu sehen, kommt der Wandlung durch einen schauspielerischen Lustgarten gleich. Vor allem von Rourke, langjähriger Coppola-Adlatus, als weißhaarigem, schmierigen, aber stets liebenswerten Halbweltanwalt wünscht man sich wesentlich mehr screentime.
Ein Produkt von allerhöchster, altmodischer Professionalität, prinzipiell angreifbar sicherlich durch seine gewissermaßen obsolete Darbietung konventioneller inhaltlicher und dramaturgischer Faktoren, getragen jedoch von Ausnahmetalenten und daher höchst liebenswert.

8/10

Francis Ford Coppola John Grisham Courtroom Freundschaft Memphis Tennessee Krebs


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THE CHAMBER (James Foley/USA 1996)


"You're in Mississippi now - land of the secrets. There are bodies buried everywhere."

The Chamber (Die Kammer) ~ USA 1996
Directed By: James Foley

Um seinen ihm bislang noch unbekannten, in der Todeszelle sitzenden Großvater Sam Cayhall (Gene Hackman) vor der Gaskammer zu bewahren, reist der Junganwalt Adam Hall (Chris O'Donnell) nach Mississippi. Cayhall hat 28 Jahe zuvor einen Bombenanschlag auf eine jüdische Anwaltskanzlei verübt, bei dem zwei kleine Kinder ums Leben kamen. In Sam findet Adam einen von in frühester Kindheit gesätem Hass verzehrten, alten Grantler, dessen gepflegter Rassismus sich längst nurmehr oberflächlich und von der lebenslangen Indoktrination des Ku-Klux-Klan aufrecht erhalten findet. Adam, der im Laufe der Gespräche mit ihm seinen Großvater besser kennen und begreifen lernt, versucht, durch Sams Denunzierung der wahren Drahtzieher hinter dem damaligen Anschlag eine Aussetzung oder zumindest einen Aufschub des Todesurteils zu erwirken.

Mit "The Chamber" beginnt die "bessere Hälfte" der Grisham-Verfilmungen, soweit es der Stoff erlaubt weniger oberflächlich, weniger effektheischerisch und insgesamt gepflegter. Mit Hackman gab es einen phantastischen Hauptdarsteller und mit Faye Dunaway als dessen traumatisierte Tochter und Tante des Nachwuchsanwalts O'Donnell einen kaum minder großartigen Support. Auch wird hier der ins Zentrum gestellte death penalty plot deutlich reifer und weniger tendenziös behandelt als in Schumachers kurz zuvor entstandenem Haudrauffilm "The Jury". Wenngleich "The Chamber" sich nicht eindeutig gegen die Praxis der Todesstrafe ausspricht - Sam Cayhall ist bei allem Verständnis, mit dem der Film im Laufe seiner Spielzeit jene Figur vom Monster zum Menschen erhebt - seiner Taten, die drei aktive Morde und diverse Mittäterschaften inkludieren, schuldig und akzeptiert am Ende seine Strafe. Dennoch stellt sich das Script eher auf sie Seite seines Enkels, wie Sandra Bullocks Charakter in "The Jury" ein eherner Todesstrafengegner, der am Ende zwar inneren Frieden erhält, vor der von Menschen gewahrten Steinzeit-Jurisdiktion nurmehr davonlaufen kann.
Der Universalmoralismus der Vorgängerfilme jedenfalls bleibt hier brach und gibt somit dem - sicherlich noch immer höchst trivialen - Rest der Geschichte Raum zur Entfaltung. Immerhin ein kleiner Erfolg.

7/10

James Foley Mississippi Ku-Klux-Klan Terrorismus Rassismus John Grisham Todesstrafe Familie Südstaaten Courtroom Ron Howard


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A TIME TO KILL (Joel Schumacher/USA 1996)


"America is a wall, and you're on the other side."

A Time To Kill (Die Jury) ~ USA 1996
Directed By: Joel Schumacher

Nachdem zwei rassistische Hillbillys (Nicky Katt, Doug Hutchison) die zehnjährige Tochter (Rae'Ven Larrymore Kelly) des farbigen Arbeiters Carl Lee Hailey (Samuel L. Jackson) vergewaltigt, misshandelt und fast ermordet haben, schreitet der verzweifelte Vater zur Selbstjustiz: Er mäht die Täter auf ihrem Weg in den Gerichtssaal mit einem Maschinengewehr nieder. Der Nachwuchsanwalt Brigance (Matthew McConaughey) übernimmt Haileys Fall und beschwört damit einen lokalen Rassenkrieg herauf: Der Ku-Klux-Klan reformiert sich und schwarze Bürgerrechtsorganisationen wettern gegen die weiße Bevormundung.

Nach dem global betrachtet eher zu vernachlässigenden "The Client" übernahm Schumacher gleich noch einmal die Inszenierung einer Grisham-Adaption, diesmal mit einem spürbar höheren Maß an Engagement und Leidenschaft, da der der Geschichte zugrunde liegende Themenkomplex ihn offenbar auch persönlich anfocht. Gleich drei heiße Eisen packt "A Time To Kill" an: Selbstjustiz, die Todesstrafe und Rassismus. Während er bezogen auf den letzteren Topos eine liberale, versöhnliche, populistisch wirksame (wenngleich wiederum höchst irreal vorgetragene) Lösung aufbietet, erweist er sich im Hinblick auf die ersten beiden als übelster polemischer Bodensatz. Von Anfang an präsentiert sich der Film fortwährend als Traktat für die NRA sowie für die moralische Verantwortung des Einzelnen, sich bei Bedarf als Richter und Henker aufzuspielen, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen, kurz: Verfassung/Grundgesetz und Menschenrechte mit Füßen zu treten. "A Time To Kill" präsentiert sich als bewusst emotional-aufpeitschend konstruiert; da die Kamera nicht zeigt, was mit der kleinen Tonya passiert, schildert Brigance es detailliert in seinem Schlussplädoyer, um bei Publikum und Geschworenen Verständnis für den Mörder Hailey und damit dessen Freispruch zu evozieren - mit Erfolg. Dabei spricht die Jury ihn ganz zweifellos nicht, wie vorher geplant, wegen zweitweiser Unzurechnungsfähigkeit frei, sondern weil sie sich moralisch auf seine Seite stellt und dies wiederum nur, da Brigance sie durch einen simplen Suggestionstrick umzustimmen vermag.
"A Time To Kill", der sich in diesen letzten Minuten noch ein weiteres Mal in all seiner ideologischen Unerträglichkeit, in seiner blauäugigen Stumpfheit selbst bestätigt mit seinem gemischtfarbigen Familienvater-Heldenduo, das ganz fest an göttliche Gerechtigkeit, Waffen für jedermann, an Privatrache und Todesstrafe glaubt, ist, zieht man die imdb-Wertungen als Indikator in Betracht, weiterhin ein recht beliebter Film. Dies offenbart, dass sich Menschen nach wie vor unkritisch von dramaturgisierter Gesinnung einfangen lassen, so sie bloß hinreichend verführerisch eingewickelt ist. Nebenbei verfügt "ATime To Kill" in quantitativer Hinsicht neben "The Rainmaker" über die großartigste Besetzung aller Grisham-Verfilmungen, die jeweils formidable Kostproben ihres Könnens darlegt. Ob all diese tollen Darsteller ebenfalls jenem reaktionären Gestus frönen oder ihn zumindest als diskussionswürdig erachteten, weiß ich nicht. Sollte dem so sein, wäre es erschreckend.

4/10

Joel Schumacher John Grisham Mississippi Rassismus Selbstjustiz Freundschaft Courtroom Rache Familie Ku-Klux-Klan


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THE CLIENT (Joel Schumacher/USA 1994)


"I can assure you, you have been an even larger pain in the ass."

The Client (Der Klient) ~ USA 1994
Directed By: Joel Schumacher

Der elfjährige Mark Sway (Brad Renfro) und sein noch jüngerer Bruder Ricky (David Speck) werden im Wald Zeugen des Selbstmordes eines Anwalts (Walter Olkewicz) aus New Orleans. Zuvör hört Mark noch von dem Grund für dessen Suizid: Er ist Mitwisser eines Mafia-Mords an einem Senator und weiß um das Versteck der Leiche. Ricky fällt wegen des Schocks in katatonische Starre, Mark bekommt es mit dem emsigen Staatsanwalt Roy Foltrigg (Tommy Lee Jones) und der Mafia zu tun. Eher zufällig stößt er auf die Anwältin Reggie Love (Susan Sarandon), die fortan Marks Leben beschützt wie eine Löwin ihre Babys.

Gleich hinterher die schwächste Grisham-Adaption, eine sülzige, überzogene Krimifarce mit einem Sprüche klopfenden Dreikäsehoch als Helden, kurzum: ein Film zum Abgewöhnen. Lichtblicke sind erwartungsgemäß einzig die bravourösen Darsteller, deren Auflistung mit Tommy Lee Jones, J.T. Walsh, Ossie Davis, William H. Macy und den Standards John Diehl und Anthony Heald gewohnt exorbitant ausfällt. Wie gewohnt sind sie alle sehenswert. Susan Sarandon hingegen sollte sich schämen, eine derart klischeebehaftete, geradezu undankbar kantenlose Rolle angenommen zu haben, ebenso wie Joel Schumacher, sich die Regie für ein solch standardisierten Einheitsbrei auch nur in Erwägung gezogen zu haben. "The Client" vereint die denkbar undankbarsten Facetten, die ein Grisham-Stoff transportieren kann und scheint diese in Filmform nochmals zu potenzieren: Rührige Helden, finstere Schurken, Rechtskritik und Mitleid mit den sozial Benachteiligten, die es allein ihrer bäuerlichen Cleverness verdanken, wenn sie im Korruptionsgewirr von Politik und organisierten Verbrechen eine Überlebenschance haben wollen. Ein arroganteres Weltverständnis innerhalb der Populärkultur muss man erstmals ausfindig machen.

3/10

John Grisham Memphis Louisiana New Orleans Tennessee Mafia Joel Schumacher


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THE PELICAN BRIEF (Alan J. Pakula/USA 1993)


"She sounds almost too good to be true."

The Pelican Brief (Die Akte) ~ USA 1993
Directed By: Alan J. Pakula

Nachdem zwei Bundesanwälte (Hume Cronyn, Ralph Cosham) ermordet wurden, erstellt die clevere Jura-Studentin Darby Shaw (Julia Roberts) ein mutmaßlich hypothetisches Dossier, in dem der Großindustrielle Mattiece als Drahtzieher hinter den Anschlägen genannt wird. Selbst für den amtierenden Präsidenten (Robert Culp) ist diese Aufdeckung höchst prekär, da Mattiece sein persönlicher Freund und Wahlkampfspender ist. Nachdem Darby das "Pelikan-Akte" getaufte Dossier an ihren Freund, den Dozenten Tom Callahan (Sam Shepard), weitergegeben hat, wird dieser von einer Autobombe zerfetzt. Auch Darbys Leben schwebt in höchster Gefahr. Sie taucht unter und wendet sich an den kritischen Journalisten Gray Grantham (Denzel Washington), um mit seiner Hilfe ihr Leben zu retten.

Süden, Verschwörungen, Rassismus, Korruption, Mafia: Der Trivialautor John Grisham war vor zwanzig Jahren einer der meistgelesenen Romanciers unseres Planeten und entsprechend flugs wurden seine populärsten Werke, umfangreiche Wälzer, die hierzulande unter ihren einprägsamen Kurztiteln in aller Munde waren und deren gebundene Ausgaben eine Menge zeitgenössischer Buchregale zierten, von Hollywood in die Zange genommen, von den Studios aufgekauft und hernach von zumeist großen Regisseuren als Auftragsarbeiten und stets umfassend starbesetzt adaptiert. Die Grisham-Verfilmungen - sechs relativ dicht hintereinander in den Neunzigern entstanden, gab es mit "The Runaway Jury" nach einer fünfjährigen Pause noch einen Nachzügler - zeigen beispielhaft, wie das damalige Mainstream-Kino gestrickt war und sind daher auch filmhistorisch von Interesse. Schöne oder markante Gesichter in den Hauptrollen, zumeist als in die Jurisprudenz eingebettete, ehrgeizige Idealisten, altehwürdige Schauspielstars im Hintergrund, wahlweise als Mentoren der Junghelden oder als Oberverschwörer, ein Südstaat als handlungstragender Schauplatz, ein Gerichtssaal, ein horrendes Maß an billiger Polemik und plakativer Emotionsschürung, die in keinem Verhältnis stand zu den mitunter durchaus komplexen Inhalten der Geschichten. Ob Grisham seine Romane ähnlich strukturierte, also faktisch kompetent, dramaturgisch jedoch auf Groschenheftniveau, kann ich nicht beurteilen - ich habe nie eines seiner Bücher gelesen.
"The Pelican Brief" folgte fast unmittelbar auf Sydney Pollacks "The Firm" und ähnelte diesem bereits überdeutlich. Mit Alan J. Pakula konnte ein Filmemacher gewonnen werden, der rund zwanzig Jahre zuvor mit seiner großartigen "Paranoia-Trilogie" reüssiert hatte, dessen Stern mittlerweile allerdings leicht im Sinken begriffen war. Ähnlich wie Pollack blähte er sein Werk auf unmäßige Überlänge auf - eine Tatsache, die "The Pelican Brief" nicht sonderlich bekommt. Die Exposition verschlingt allein ein Drittel des Films, diverse Szenen finden sich deutlich minutiöser umgesetzt als es ihnen guttut und irgendwann sehnt man eine Auflösung des narrativen Breis förmlich herbei. Dem gegenüber steht die unleugbar ansprechende formale Habenseite, mit der Pakula - natürlich - hauszuhalten wusste.

6/10

Alan J. Pakula John Grisham Südstaaten FBI Journalismus Washington D.C. Verschwörung Louisiana New Orleans


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TEXAS KILLING FIELDS (Ami Canaan Mann/USA 2011)


"You don't know what you're dealing with here."

Texas Killing Fields ~ USA 2011
Directed By: Ami Canaan Mann

Die beiden in Texas City tätigen Cops Mike Souder (Sam Worthington) und Brian Heigh (Jeffrey Dean Morgan) werden mit mehreren, fast parallel stattfindenden Morden an Mädchen und jungen Frauen konfrontiert. Diese stehen in einer langen Tradition von ähnlichen Gewalttatewn und Vermisstmeldungen, die mitunter bereits Jahrzehnte zurückreichen und deren lokales Zentrum das Marschland des Mississippi Delta zu sein scheint. Dort ist Mikes Ex-Frau Pam (Jessica Chastain), ebenfalls Detective, tätig. Zusammen mit ihr finden die zwei Polizisten die Urheber zumindest der aktuellen Verbrechen.

Gibt es so etwas wie 'abwesende' Filme, cineastische Pendants vielleicht zum Phänomen des Asperger Syndroms? Sollte dem so sein, dann wäre "Texas Killing Fields" ein Kandidat dafür. Ohne Exposition landet man mitten in der Welt der Detectives Souder und Heigh, ist von nun an auf deren point of view angewiesen und muss einfach der stoischen Marschroute des Films, im Übrigen das Kino-Regiedebüt von Michael Manns Tochter, folgen. Darin steht man nicht immer ganz auf sicherem Boden und wird durch die einerseits konzentrierte, andererseits jedoch immens eigenbrötlerische Erzählweise häufig allein gelassen. So gibt es denn am Ende auch keine sonderlich aufregende conclusio, die Aufklärung der nur teilweise zusammenhängenden, von unterschiedlichen Tätern begangenen Ausgangsverbrechen überrascht nicht, zumal mit dem sich für fiese Typen stets empfehlenden Stephen Graham einer davon ohnehin von vornherein feststeht.
Doch da ist noch etwas Ungreifbares, Böses, das mit dem kargen Landstrich jener im Titel vorkommenden 'killing fields' zusammzuhängen scheint: Offenbar ist es dieses gottverlassene Areal, das potenziell böse Leute anstiftet, Böses zu tun. Vieles liegt hier im Argen, dysfunktionale Familien, Elend, Ausreißertum und Prostitution bestimmen das alltägliche Lokalkolorit. Natürlich darf da der Hoffnungsschimmer am Ende - der gute, gottesfürchtige Familienvater-Bulle adoptiert das liebe Waisenkind - nicht fehlen.
Ich konnte die Richtung, die der Film verfolgt, so er denn überhaupt eine verfolgt, nicht ganz ausmachen, oder, etwas profaner formuliert, weiß ich nicht recht, was der Film eigentlich von mir wollte. Nun, wenngleich wir wohl keine dicken Freunde geworden sind, kann ich ihn als ungewöhnliches Werk akzeptieren und wertschätzen.

7/10

Ami Canaan Mann Michael Mann Texas Sumpf Serienmord Südstaaten


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FEDORA (Billy Wilder/F, BRD 1978)


"I guess no gentleman would bring up an old affair, but I'm no gentleman."

Fedora ~ F/BRD 1978
Directed By: Billy Wilder

Der erfolglose Hollywood-Produzent Barry Detweiler (William Holden) hat die Chance, ein "Anna Karenina"-Script zu verfilmen, wenn er die zurückgezogen lebende Schauspielerin Fedora (Marthe Keller) für die Titelrolle gewinnt. Dereinst hatte Detweiler mit dem mittlerweile 67-jährigen, jedoch um keinen Tag gealtert scheinenden Superstar einen One-Night-Stand, daher verspricht er sich, ihr trotz ihrer abgeschiedenen Existenz auf einer Privatinsel for Korfu, die einer Gräfin Sobryanski (Hildegard Knef) gehört, sein Angebot vorbringen zu können. Nach einer handfesten Auseinandersetzung mit dem Chauffeur (Gottfried John) des Hauses fällt Detweiler in eine einwöchige Bewusstlosigkeit. Wieder daraus erwacht erfährt er von Fedoras Selbstmord - doch war es wirklich die große Diva, die da durch eigene Hand das Zeitliche gesegnet haben soll?

"Fedora" hätte sich gut als Wilders Finalwerk geeignet, besser jedenfalls als das vergleichsweise unelegante Remake "Buddy Buddy". Der erste Verzicht auf Breitwand seit fast zwanzig Jahren und acht Filmen, eine bittere Abrechnung mit Hollywood fern von Hollywood entstanden, basierend auf einem Treatment des Schauspielers Tom Tryon und gestützt von deutschen und französischen Geldgebern. Für den ehernen emigrierten Filmemacher nach vorherigen Liebäugeleien mit Europa in Form von "The Private Life Of Sherlock Holmes" und "Avanti!" (mit dem "Fedora" einige Ähnlichkeit aufweist) ein damals zumindest halbwegs erwartbarer Schritt. Mit seinem alten Mitstreiter William Holden gewann er dennoch den perfekten Hauptdarsteller, ist "Fedora" doch gewissermaßen auch eine Reprise von "Sunset Boulevard" unter etwas veränderten Vorzeichen. Wie Norma Desmond führt auch Fedora ein Leben in Lüge, nur dass in ihrem Falle die Aufrecherhaltung der Illusion von Jugend und Popularität keiner Zwanghaftigkeit bedarf, sondern der eigenen Tochter. In der erwachsenen Antonia (Marthe Keller) findet sich ein nahezu perfektes Abbild der gefeierten Aktrice, die im Alter selbst durch ominöse Therapien verkrüppelt und entstellt ist und sich der Öffentlichkeit nicht mehr preisgeben mag. Niemand jedoch denkt an das psychische Gleichgewicht Antonias, das aufgrund der von ihr erwarteten Rollenausfüllung völlig aus der Bahn gerät und in ihren Suizid mündet. Wenngleich Holden diesmal die Aufdeckung jener Untiefen nicht selbst mit dem Leben bezahlen muss, so bleibt er doch als hilfloser, am Ende vielleicht um eine unerwünschte Erkenntnis reicherer Beobachter zurück.
Wilders Hassliebe zur eigenen Profession und deren Entwicklung in den vorvergangen Jahrzehnten wird diverse Male im Film deutlich. Wenn Fedora wehmütig vom Untergang des einstmaligen Glamour spricht und mit sarkastischem Impetus "schäbige", modische Kulturerscheinungen wie das 'Cinéma verité' (eine etwas unglückliche Subsummierung, die mutmaßlich auch nouvelle vague und New Hollywood beinhaltet) verdammt, dann schimmert da auch ein wenig von Wilder selbst durch, der sich bereits zu dieser Zeit offenbar kaum mehr zurechtfand in seiner künstlerischen Domäne.
Einer der traurigsten Filme, die ich in diesem Jahr gesehen habe.

8/10

Billy Wilder Hollywood Griechenland Frankreich Korfu


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THE CRUCIBLE (Nicholas Hytner/USA 1996)


"God is dead!"

The Crucible (Hexenjagd) ~ USA 1996
Directed By: Nicholas Hytner

Salem, Massachusetts 1692: Als eine Gruppe Teenagermädchen sich unter der Anstiftung der führungskräftigen Abigail Williams (Winona Ryder) nächtens im Wald trifft und dort einen heidnischen Liebestanz abhält, wird sie von Abigails Onkel, Reverend Parris (Bruce Davison) erwischt. Um sich peinlichen Standpauken zu entziehen, stellen sich zwei der beteiligten Mädchen kurzerhand katatonisch - für Parris ein Indiz, das hier möglicherweise der Teufel persönlich seine Finger im Spiel hat. Parris informiert den als Hexendetektiv bekannten Reverend Hale (Rob Campbell), der, vor Ort angelangt, davon überzeugt ist, dass in Salem tatsächlich antichristliche Krfte wirken, ein Gerichtstribunal unter Richter Danforth (Paul Scofield) herbeordert. Mit Danforths Prozess beginnt eine Kette wechselseitiger Denunziationen: Abigail behauptet erfolgreich, Geister sehen zu können und bezichtigt die verhasste Ehefrau (Joan Allen) ihres heimlichen Geliebten John Proctor (Daniel Day-Lewis) der Hexerei, Nachbarn denunzieren ihre verhassten Anrainer und selbst altehrwürdige Dorfbewohner sind vor der Willkür des Gerichts nicht sicher. Am Ende fordert die folgende Hinrichtungswelle nicht weniger als neunzehn Todesopfer.

Der große Dramatiker Arthur Miller konzipierte und verfasste "The Crucible" im Jahre 1953 als Allegorie auf die damaligen Aktivitäten des HUAC, dessen Kommunistenhatz immer groteskere Ausformungen annahm. Nachdem unter anderem Millers vormailger Freund Elia Kazan als Denunziant bei McCarthy aufgetreten war, wählte er den authentischen Fall um die "Hexenprozesse" von Salem, in deren Zuge eine beispiellose Massenhysterie in Verbindung mit willkürlicher, blinder Rechtsprechung zu einem gerichtlich angeordneten Massenmord führte. Oftmals war es die Angst, selbst denunziert zu werden, die die Bürger damals zu gezielten Falschaussagen trieb, derweil mehr und mehr der wegen Hexerei zu Tode Verurteilten sich weigerten, sich zu irgendwelchen vermeintlichen Scharlatanerien bekennen und so ihr Leben zu retten.
Diese unerquickliche historische Episode eignete sich natürlich hervorragend als symbolischer Spiegel für die Absurdität der HUAC-Anhörungen, einer modernen Hexenjagd, in deren Wirkenszeiten etliche "Verdächtige" zwar nicht ihr Leben, aber doch ihre Reputation, ihre Berufe und mitunter ihre Freiheit verloren. Miller selbst verfasste das Script für Hytners Adaption, entsprechend adäquat ist die Umsetzung gelungen. Eine traumhaft aufspielende Besetzung, insbesondere die als intrigante Abby phantastische Winona Ryder, machen den Film zum nachdenklichen Genuss, wenngleich der Vorwurf, mit diesem Werk bereits ganz gezielt in der Vorproduktionsphase ein todsicheres Prestigeobjekt aus der Taufe heben zu wollen, sicherlich nicht an "The Crucible" abprallt. Dennoch: Die gute alte Professionalität muss auch hin und wieder triumphieren dürfen.

8/10

Nicholas Hytner Arthur Miller period piece based on play Massachusetts Aberglaube Kirche Courtroom McCarthy-Ära


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SWITCHBLADE SISTERS (Jack Hill/USA 1975)


"Hey, I lost my eye for this gang!"

Switchblade Sisters (Die Bronx-Katzen) ~ USA 1975
Directed By: Jack Hill

Die 'Silver Daggers' und deren weiblich Subdivision, die 'Dagger Debs', sind eine der tonangebenden Gangs im Viertel. Besonders die beiden Chefs, Dominic (Asher Brauner) und Lace (Robbie Lee) ergeben ein taffes Pärchen. Als die Dagger Debs mit der coolen Maggie (Joanna Nail) ein neues Mitglied rekrutieren, steht Ärger ins Haus. Obgleich sich Lace und Maggie gut verstehen und umgehend beste Freundinnen werden, wirft Dominic ein Auge auf Maggie - und gleich auch noch sich selbst. Maggie versucht, aus guter Miene böses Spiel zu machen, doch die intrigante Patch (Monica Gayle) hetzt die beiden Mädchen gegeneinander auf und verstricht die Daggers in einen eskalierenden Konflikt mit der feindlichen Gang von Crabs (Chase Newhart). Verrat, Mord und Totschlag sind die unausweichlichen Folgen.

"Die Bronx-Katzen"? Das halte ich aber für ausgemachten Blödsinn, denn die location der "Switchblade Sisters" oder "Jezebels", wie sie sich am Ende nach ihrer Neugründung nennen, scheint mir zweifelsohne Los Angeles zu sein. Nun ja, die mittleren Achtziger, als das Ding endlich auch bei uns im Kino premierte, war eine Zeit, in der die New Yorker Bronx in der Popkultur in etwa gleichzusetzen war mit einem amerikanischen Beirut. Gangs, verbrannte Erde, präapokalyptische Zustände, wie man sie aus Petries "Fort Apache, the Bronx" und Castellaris "The Riffs"-Filmen kannte, so stellte sich der halbgebildete Pennäler ergo jenes Viertel vor. Daher versetzte man eben auch kurzerhand Hills Film dorthin. Wenn schon nicht der deutsche Titel, so macht ihm zumindest die Synchronfassung alle Ehre, ein rotziges, Gift spuckendes Stück deutscher Vertonung, das dem ohnehin schon so passioniert schmutzigen Werk nochmal eine zusätzliche Dreckschicht obendrauf verleiht. Furztrockene Exploitation, nicht mehr ganz so aufgedreht und quietschvergnügt wie Hills Knast- und Blaxplo-Epen, aber ganz bestimmt doch noch hinreichend irrsinnig und anfixend, um heutigen Girlgangs noch immer als potenzieller, heiliger Filmgral herzuhalten.

7/10

Jack Hill Exploitation Sleaze Gangs





Filmtagebuch von...

Funxton

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