Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

THE NAKED FACE (Bryan Forbes/USA 1984)


"The family cannot accept things like that."

The Naked Face (Das nackte Gesicht) ~ USA 1984
Directed By: Bryan Forbes

Umgehend nachdem ein Patient des renommierten Chicagoer Psychoanalytikers Dr. Judd Stevens (Roger Moore) auf offener Straße ermordet wird, meldet sich umgehend ein alter Intimfeind - der Polizist Lieutenant McGreary (Rod Steiger) - bei ihm, der Stevens kurzum unter Verdacht stellt. Als sich weitere Morde in Stevens' sozialem Umfeld ereignen, bekommt McGrearys Indizienflickwerk immer mehr Futter, derweil sein Kollege Angeli (Elliott Gould) Stevens zu glauben geneigt ist. Dieser engagiert zusätzlich einen verlotterten Privatdetektiv (Art Carney), der Unglaubliches zutage fördert.

Ein gattungstypischer Thriller seines Jahrzehnts, dessen sich gemächlich verdichtende Story infolge einiger überraschender Wendungen und der Verwendung jener alten hitchcockschen Formel, den Agenten Zuschauer in dieselbe Kenntnislage zu versetzen wie den Protagonisten, stets interessant bleibt. Die Besetzung ist und agiert weithin erfreulich, wenngleich der darstellerisch limitierte Roger Moore in der Rolle des unschuldigen, aber umso verletzlicheren Analytikers, der jede Schlägerei garantiert verliert, nicht allzu vertrauenerweckend wirkt. Immerhin hatte er bereits sechsmal den Tausendsassa James Bond gespielt und stand kurz vor seiner letzten appearance als britischer Geheimagent. Witzigerweise spielt der zweimal als Felix Leiter zu sehende David Hedison Stevens Schwager - "The Naked Face" ist also auch ein kleines Familientreffen. Die produzierende Cannon bemühte sich derweil ganz deutlich um eine seriösere Reputation - wovon auch die etwa zeitgleich entstandenen Werke von Cassavetes, Godard oder Konchalovskiy zeugen. Bekanntlich mit mäßigem Erfolg: "We're Cannon. And we're dynamite."

7/10

Bryan Forbes Sidney Sheldon Chicago Mafia Verschwörung Psychiatrie Cannon neo noir


Foto

HERCULES (Luigi Cozzi/I, USA 1983)


"For the sake of science!"

Hercules (Herkules) ~ I/USA 1983
Directed By: Luigi Cozzi

Göttervater Zeus (Claudio Cassinelli) schickt seine Lichtessenz gen Erde, wo sie sich mit dem Säugling des Königs von Hellas vereint. Jener und seine Gattin werden aber kurz darauf von dem bösen Minos (William Berger) und seiner intriganten Tochter Ariadne (Sibyl Danning) gemeuchelt und der kleine Herkules wächst bei einfachen Bauersleuten zu einem superstarken Muskelprotz (Lou Ferrigno) heran, unter ständiger Beobachtung des Götter-Pantheons. Als auch Herkules' Pflegeeltern das Zeitliche segnen, zieht der Recke hinaus in die Welt, um seine Bestimmung zu suchen. Diese findet er im Schutze der jungfräulichen Cassiopeia (Ingrid Anderson), Tochter des Königs Augias (Brad Harris). Minos will Cassiopeia dem von ihm gefangenen Feuervogel Phönix opfern, doch mithilfe der Zauberin Circe (Mirella D'Angelo) haut Herkules dazwischen.

Wer Luigi Cozzi kennt, weiß, dass der Mann vor nichts zurückschreckt, um dem Publikum seine mitunter etwas weichhirnigen Fantasien vor den Latz zu knallen. Da er dies stets mit recht viel Elan und gegen alle monetären Widerstände zu Werke bringt, ist er ja auch ein ganz Netter. Für "Hercules", der das italienische Sandalenkino um die bärtigen Bodybuilder im Gefolge von "Conan The Barbarian" reanimierte und den unglaublich geformten Lou Ferrigno (einem der wenigen Männer im Showbiz, bei denen überdimensionale Titten männlichkeitsbetonend wirken) an seine Speerspitze setzte, ging Cozzi eine Allianz mit dem gerade im Aufstreben begriffenen Indie Cannon ein - wie man weiß die das Unterhaltungskino der Achtziger entscheidend mitprägende Produktionsgesellschaft der beiden israelischen Vettern Menahem Golan und Yoram Globus. So erklärt sich auch die illustre Besetzung, die einige große Namen des jüngeren, internationalen Exploitationkinos unter einen Hut schaffte, darunter neben den o.A. Bobby Rhodes und Yehuda Efroni, einem Stammschauspieler bei Golan/Globus. Welch wahnwitzige Wendungen die Geschichte schlägt, dürfte selbst in der Kurzwiedergabe uninteressant sein, allein das rührende Selbstverständnis des Films, der es schafft, seine bescheidenen Mittel geradezu plausibel für 100 Minuten zum Maß aller Dinge zu machen, ist erstaunlich. Allen kenntnisreichen Anlehnungen an die Originalmythologie zum Trotze darf geschmunzelt werden: Hydra und Zentaur werden zu kreischenden Robotern, Herkules putzt einen göttlichen Pferdestall, der danach blinkt wie Meister Propers Kückenfliesen, der Halbgott wirft einen Bären ins All, der dann das entsprechende Sternbenbild begründet, wird riesengroß (und wieder klein) und trennt Europa von Afrika, zum Hades muss man über eine Regenbogenbrücke und so fort. Film macht Baff.

6/10

Luigi Cozzi Cannon Herkules Griechische Mythologie Götter Europloitation Trash


Foto

IO MONACA... PER TRE CAROGNE E SETTE PECCATRICI (Ernst Ritter von Theumer/BRD, I 1972)


Zitat entfällt.

Io Monaca... Per Tre Carogne E Sette Peccatrici (Ich, die Nonne und die Schweinehunde) ~ BRD/I 1972
Directed By: Ernst Ritter von Theumer

Claire (Vonetta McGee) und sechs Leidensgenossinnen nutzen die Gunst der Stunde: Die herzensgute Nonne Schwester Maria (Monica Teuber) hat durchgesetzt, dass die acht in einem Frauengefängnis einsitzenden Damen stundenweise in ihrem Klosterhof arbeiten dürfen. Das Luder-Oktett ist allerdings nicht faul, sondern macht sich flugs an einen Ausbruch, dem Schwester Maria sich solidarisch anschließt - immerhin brauchen die "Ladys" spiritistischen Beistand. Vom Regen in die Traufe schlitternd geraten sie in die Fänge des üblen Mädchenhändlers Bob (William Berger), der sie an den Wüstenscheich El Kadir (Gordon Mitchell) verscherbeln möchte. Der wackere Skipper Jeff (Tony Kendall) jedoch haut sie alle - Kollateralschäden inbegriffen - raus...

Viel zu lachen gibt es in Herrn von Theumers Sleaze-Kracher, der sich die Welt gerade so wahnsinnig macht, wie sie ihm gefällt. Das Schöne bei diesen alten Heulern ist ja, dass man stets auf alles gefasst sein muss, selbst auf irrsinnige Folterzwerge, die plötzlich hinter einer Mauer auftauchen und nackte Schönheiten berserkernd ins Jenseits peitschen, nur um hernach selbst von einer Ordensschwester per schädelgroßem Stein kaputtgehauen zu werden. Topographisch einsortieren lässt sich "Io Monaca" nicht so ohne Weiteres, ich tippe auf Nordafrika oder den Nahen Osten. Von Theumer hat jawohl auch des öfteren in der Türkei gearbeitet - möglicherweise rühren die teils pittoresken Landschaftspanoramen auch dorther.
Wie dem auch sei, das Ding ist ordentlich schmierig, wird von einer Erster-Klasse-Trash-Besetzung flankiert und der Löwenanteil der Produktionskosten von Dreimarkfuffzich stecken in den stolz ins Bild gesetzten Mini-Exlplosionen. Ansonsten gilt: Lasset euch dies lecker Gürksken in geselliger Runde munden - eure Freunde lieben euch danach gleich nochmal so doll. Versprochen.

6/10

Ernst Ritter von Theumer W.I.P. Trash Sleaze Europloitation


Foto

THE TEXAS RANGERS (King Vidor/USA 1936)


"I found out early in life that the honest dollar is the hardest one to make..."

The Texas Rangers (Grenzpolizei Texas) ~ USA 1936
Directed By: King Vidor

Die drei Desperados Jim Hawkins (Fred MacMurray), Wahoo Jones (Jack Oakie) und Sam McGee (Lloyd Nolan) haben sich auf Postkutschenraub spezialisiert und machen ganz Texas unsicher. Mehr durch Zufall sehen sich Jim und Wahoo gezwungen, bei den Texas Rangers, einer überlokalen Polizeitruppe, anzuheuern. Als die beiden Freunde realisieren, welch hoher moralischer Ehrenkodex unter den Männern herrscht, beginnt bei ihnen ein Umdenken. Sam derweil macht genauso weiter wie zuvor. Als der etwas naive Wahoo ihn im Alleingang dingfest zu machen versucht, erschießt Sam ihn. Für Jim gibt es nun kein Halten mehr, aller früheren Partnerschaft zum Trotze.

Pünktlich zum hundertsten Jahrestag der Repubik Texas setzte die Paramount dem Staat ein filmisches Denkmal, indem sie seine heimlichen Helden mittels eines opulenten Western abfeierte. Dem trägt ein flammend vorgetragener Prolog entsprechend Rechnung. Nichtsdestotrotz und selbst unter Berücksichtigung einiger zuweilen sehr unglücklicher Atelier-Aufnahmen muss man "The Texas Rangers" bescheinigen, zu den wenigen, im Grunde an zwei Händen abzählbaren ernstzunehmenden Genre-Beiträgen der Prä-"Stagecoach"-Ära zu gehören. Jene Periode pflegte Western zumeist als reinen Kintopp und Spaßveranstaltungen zu verkaufen, was ihnen eine eher geringe Halbwertzeit verlieh und sie bereits kurze Zeit nach ihrer Entstehung hausbacken erscheinen ließ. Nicht so "The Texas Rangers", der sich zumindest um ein psychologisches Fundament für seine Helden bemüht und bereits einige Ingredienzien liefert, die sich im späteren Verlauf er Gattungshistorie als unverzichtbar herausstellen würden: Die sich zweckmäßig zusammenfindende Patchwork-Familie etwa, den patriarchalischen Überbau der Epoche oder die moralische Entzweiung ehemaliger Gesinnungsgenossen. Dass die Indianer hier noch ganz rücksichtslose Wilde sind (man hat sich noch nichtmal die Mühe gemacht, sie einem bestimmten Stamm zuzuordnen) und dies bei weitem nicht die einzige klischierte figurale Präsentation bleibt, kann man angesichts der Entstehungszeit des Films selbigem unbedingt nachsehen. King Vidor jedenfalls präsentiert sich bereits als Meister seines und dieses speziellen Fachs, was ja auch noch manch spätere Arbeit untermauern sollte.

8/10

King Vidor Texas Buddy Movie


Foto

LE CORBEAU (Henri-Georges Clouzot/F1943)


Zitat entfällt.

Le Corbeau (Der Rabe) ~ F 1943
Directed By: Henri-Georges Clouzot

Eine kleine Provinzstadt unweit von Paris wird das Opfer einer Welle denunziatorischer Hassbriefe, die allesamt mit "Der Rabe" unterzeichnet sind. Besonders der erst seit kurzem hier ansässige Arzt Rémy Germain (Pierre Fresnay) wird zum Opfer des böswilligen Ränkeschmieds - angeblich soll er bereits diverse Abtreibungen initiiert und zugleich etliche Frauen im Ort verführt haben. Doch nicht nur gegen ihn richten sich die Intrigen und Anschuldigungen: Als ein Krebspatient nach einem Brief des Raben Suizid begeht und auch ein kleines Mädchen sich ins Unglück gestürzt findet, beginnt die Situation hochzukochen. Mit allen Mitteln sol die Identität des Raben festgestellt oder Germain wahlweise aus der Stadt vertrieben werden.

Petains Kollaborationsregierung von Vichy befand sich kaum in Amt und scheinheiligen Würden, da präsentierte Clouzot ihr bereits seine misstrauische Quittung: Basierend auf einem authentischen Fall, der sich 25 Jahre zuvor in Tulle ereignet hatte, zeigt "Le Corbeau" die Folgen faschistischer Einflussnahme: Wenn niemand mehr dem anderen trauen kann, weil jeder ein potenzieller Spitzel oder gar Feind ist, dann ist es mit der Idylle vorbei; das System gewinnt die Oberhand und jedwede Privatsphäre ist passé.
Dass diese teils geradezu fürchterlich schwarzhumorige Satire immerhin im eigenen Lande die Schranken der Zensur passieren konnte, bewerkstelligte man mit dem Hinweis, "Le Corbeau" sei von einer deutschstämmigen Firma namens Continental mitproduziert worden. Dennoch bewahrte dies weder Werk noch Urheber vor Repressalien, denn selbst linksgerichtete Strömungen bescheinigten "Le Corbeau" eine unterminierende Subtilität, die das französische Volk verunglimpfe. Glücklicherweise folgte die allgemeine Rehabilitation in nicht allzu weiter Ferne nach dem Kriegsende. Erst jetzt war man bereit, die freche Breitseite Clouzots gegen die Okkupation im rechten Licht wahrzunehmen.

8/10

Kleinstadt Henri-Georges Clouzot Madness Drogen film noir


Foto

THE ALAMO (John Wayne/USA 1960)


"Republic. I like the sound of the word."

The Alamo ~ USA 1960
Directed By: John Wayne

Texas, 1836: Der mexikanische General Santa Anna rückt gen Norden vor, um der dräuenden Republikwerdung des Staates entgegenzuwirken. Auf der anderen Seite steht General Sam Houston (Richard Boone), der die Interessen der vorwiegend nordamerikanischen Siedler vertritt. Zwischen den beiden Armeen befinden sich nurmehr der Rio Grande und die halb verfallene Mission Alamo, von Colonel William Travis (Laurence Harvey) kurzerhand zum Fort und zur letzten Verteidigungsbastion gegen den unaufhaltsam gegen Houston ziehenden Santa Anna ausgerufen. Neben dem dandyhaften Travis verschanzen sich noch die beiden Colonels und Milizenführer Jim Bowie (Richard Widmark) und Davy Crockett (John Wayne) mit ihren Leuten in Alamo. Rund 180 Soldaten stehen gegen eine 7000 Mann starke Armee und das Fort kann immerhin dreizehn wertvolle Tage gehalten werden, bevor Santa Anna es endgültig erstürmt.

"The Alamo" ist das Lebenswerk von John Wayne, sein Traumprojekt, das ihn ein ums andere Mal fast in den Bankrott getrieben und für das er gekämpft hat wie für keine andere Arbeit sonst. Zahlreiche Anekdoten und Legenden ranken sich um die Entstehungsgeschichte dieses durch und durch prachtvollen Films, der, wie Joe Hembus es so schön formuliert, Wayne-Hassern wie Wayne-Verehrern allen nötigen Zündstoff zur Untermauerung ihrer jeweiligen Argumentationsbollwerke liefert. "The Alamo" hofiert die US-Staatsräson wie nur wenige andere Kinostücke, faselt in polithistorisch denkbar naivsten Tönen von Freiheit und Demokratie und kultiviert Heldentum wie Reispflanzen, derweil sich der Weltpolizist im realten Kalten Krieg sowie inmitten der zwei Prügeleien von Korea und Vietnam befand.
"The Alamo" jedoch schlug Dukes ganz persönliche Schlacht, und wie er dies vollführte, ist von einer formalen und atmosphärischen Brillanz, die im Prinzip alle Neider mundtot machen sollte: Wayne stellt unter Beweis, mit welch aufmerksamer Lernfähigkeit er Ford und Hawks über die Schultern geschaut hat, lässt nach "Rio Bravo" erneut Tiomkins "Deguello" erklingen, derweil jeder den Ausgang dieses Mammutprojekts kennen dürfte und sich selbst die Frage danach, warum man drei Stunden mit Helden fiebern soll, deren Tod am Ende sowieso unausweichlich determiniert ist, zur Beiläufigkeit degradiert findet. Leider ist die Langfassung nach wie vor weder als DVD noch als Blu-ray erhältlich; die vorliegende Version ist, wenngleich noch immer höchst delektabel, um eine gute halbe Stunde erleichtert. Neben einigen Handlungsschnitten fehlen etwa Ouvertüre und Intermission. Eine cineastische Scharte, die hoffentlich in Bälde ausgewetzt wird. Das fünfzigjährige Jubiläum vor zwei Jahren hätte einen wohlfeilen Anlass abgegeben, aber diesen hat man ärgerlicherweise verpennt.

9/10

John Wayne Alamo Texas period piece Historie James Edward Grant Belagerung


Foto

PAINT YOUR WAGON (Joshua Logan/USA 1969)


"Looks like I married myself a tourist attraction."

Paint Your Wagon (Westwärts zieht der Wind) ~ USA 1969
Directed By: Joshua Logan

Der alternde Goldwäscher Ben Rumson (Lee Marvin) rettet einem jungen Farmer (Clint Eastwood) das Leben und mach ihn zu seinem Kompagnon, logisch und kurzab 'Pardner' genannt. Das Städtchen No Name City, in dessen Nachbarschaft sie hausen, besteht jedoch leider aus einer ausschließlich männlichen Population und so ist die etwas unkonventionelle eingestielte Hochzeit Bens mit der hübschen Elizabeth (Jean Seberg) eine lokale Sensation. Auch der Pardner verliebt sich in Elizabeth - also leb man fortan zu dritt. Um ein wenig mehr Zivilisation nach No Name City zu bringen, leitet Ben schließlich eine Postkutsche mit sechs Huren auf dem Weg nach Sonora um - der Beginn eines großangelegten Sündenbabels, das neben der Prostitution auch Suff und Glücksspiel beinhaltet. Als Ben und ein paar Kumpels ein verzweigtes Tunnelsystem unter den Häusern der Stadt graben, um den durch die vielen Saloondielen rieselnden Goldstaub abgreifen zu können, besiegeln sie zugleich den Untergang von No Name City - wortwörtlich...

Ich wusste gar nicht mehr, wie lieb ich diesen Film, eine doch sehr unikale Mischung aus Western, Komödie, Romanze und Musical, doch habe. Auch wenn man's nicht glauben mag - die so eklektizistisch anmutenden Ausgangsstücke fügen sich nahtlos zu einem perfekten, runden Gesamtbild, in dem Eastwood sich zwischen Coogan und Callahan als freundlich-leichtherziger Schlagersänger verdingt und das Marvin in einer seiner drei, vier schönsten Rollen zeigt. Seine Darbietung von "Wand'rin Star" gehört wohl zu den unvergesslichsten Filmmusical-Nummern überhaupt. Dann ist die herrliche, ehrwürdige Photographie hervorzuheben, die dem Reigen noch einen weiteres Element hinzsetzt, das mit seiner epischen Breite auf den ersten Blick vielleicht nicht recht passen mag. Aber doch, auch diese Flamboyanz fügt sich ein in "Paint Your Wagon", der einen nicht nur oft und herzlich lachen lässt, sondern das Herz auch tauglich erwärmt. Ein wenig auch in der Tradition von "Design For Living" stehend, ist besonders der Schluss von geradezu hellsichtiger Authentizität: Eastwood, der ewige Konservative, hat sich allen Widerständen gegen das libertinäre Tunichtguttum durchgesetzt und ist bereit für ein Leben in Spießbürgerlichkeit. Marvin derweil haut lieber ab, er ist ein Mann "goin' nowhere". Manche Pioniere liefen ja auch vor der Zivilisation davon.

9/10

Joshua Logan Goldrausch Kalifornien Ménage-à-Trois Alkohol


Foto

STRIPES (Ivan Reitman/USA 1981)


"I don't think I've ever been this happy."

Stripes (Ich glaub', mich knutscht ein Elch!) ~ USA 1981
Directed By: Ivan Reitman

Nach einem Tag voller Ärger entschließt sich der frustrierte Libertinär John Winger (Bill Murray), sich bei der Army zu verpflichten und nimmt seinen besten Kumpel Russell Ziskey (Harold Ramis) gleich noch mit. Es folgt eine lustige Zeit der Insubordination, des Drogenmissbrauchs und schließlich der - obligatorischen - Bewährungsprobe(n).

Nach dem minimal budgetierten Feriencamp-Klassiker "Meatballs" gab man Ivan Reitman etwa die zehnfache Summe um die Kommissgroteske "Stripes" zu inszenieren, mit vierfacher Comedy-Power (neben Murray und Ramis treten noch John Candy und Judge Reinhold auf), Warren Oates als Drill Sergeant und jeder Menge flauer bis gelungener Gags, die erst in ihrer geballten Konzentration natürlich einen der elementaren Komödienklassiker dieser Jahre anreichern. Ferner eine weitere spaßige Übung für das definitive Reitman/Murray/Ramis-Meisterwerk "Ghostbusters". Und ich bin ja sowieso in die damals überaus ansehnliche P.J. Soles verliebt.
Was Schnelles aus der Mottenkiste noch: "Ich glaub'..." war zu dieser Zeit eine beliebte germanistische Titelfloskel für US-Komödien: Los ging es mit "Ich glaub', mich tritt ein Pferd ("Animal House"), dann kam "Ich glaub' mich knutscht ein Elch!" ("Stripes"), dessen Übersetzungsbeknacktheit bereits rekorverdächtig schien. Doch weit gefehlt: Auf "Ich glaub', ich steh' im Wald!" ("Fast Times At Ridgemont High") folgte die definitive Taufidiotie "Ich glaub', mein Straps funkt S.O.S." ("Class Reunion"). Ich glaub' die Leute waren früher einfach echt 'ne ganze Ecke dufter.

8/10

Ivan Reitman Militär Satire Freundschaft LSD Kalter Krieg


Foto

INTERVIEW WITH THE VAMPIRE: THE VAMPIRE CHRONICLES (Neil Jordan/USA 1994)


"Pay no attention, It happens to us all."

Interview With The Vampire: The Vampire Chronicles (Interview mit einem Vampir - Aus der Chronik der Vampire) ~ USA 1994
Directed By: Neil Jordan

Der Vampir Louis de Pointe du Lac (Brad Pitt) gibt dem anfangs noch skeptischen Journalisten Malloy (Christian Slater) ein Interview über seinen nunmehr zwei Centennien andauernden Werdegang als Blutsauger. Einst im brodelnden New Orleans des Jahres 1791 vom Vampir Lestat (Tom Cruise) gebissen und verwandelt hat er das Töten stets verabscheut und es vorgezogen, sich an niederen Tieren zu delektieren. Als ihre traute vampirische Zweisamkeit später durch die kleine Claudia (Kirsten Dunst), ein Mädchen von etwa zehn Jahren, erweitert wird, währt die Idylle nicht lang: Louis und die Kleine entledigen sich Lestat und reisen nach Paris, um ihren Ursprüngen nachzuspüren. Hier trifft Louis auf einen in den Katakomben heimischen Vampirkult, der besonders rigoros vorgeht. Claudia kostet die Entdeckung von Lestats Tod das Leben, nach einer ausschweifenden Racheaktion fährt Louis zurück in die Neue Welt. Nach jenem ausschweifenden Bericht wünscht sich Malloy, selbst ein Vampir zu werden.

Mittels augenzwinkernder Theatralik, die nicht von ungefähr eine herrliche Grand-Guignol-Szene zentriert, haucht Neil Jordan der an sich recht klebrigen Vampirstory treffliches Kinoleben ein. Sich an den langhaarigen Herzensbrechern Cruise, Pitt und Banderas, respektive ihren bisexuellen Neigungen zu ergötzen, wird in erster Linie entsprechend ausgerichteten Zeitgenossen oder träumerischen Damen zufallen, meinereinem stellt sich da zugegebenermaßen hier und da ein leichter Brechreiz ein. Hat man sich jedoch einmal damit arrangiert, gibt es viel zu entdecken, dass die Betrachtung von Jordan Film lohnt: Die betont artifizielle Theatralik der Inszenierung, wunderschöne Kostüme und nächtliche Kulissen und immer wieder der Durchbruch der gepflegten, blutroten Sanftmut von gleichermaßen fantastischen Szenen und Augenblicken - etwa, wie der Pariser Vampirkult sich und seine Opfer öffentlich inszeniert: als blutrünstig-gewagtes Live-Theater nämlich. Wie Louis die zu Asche verbrannte Claudia findet und danach den ganzen Clan zur Hölle schickt, und, ganz besonders, Louis' Schwärmerei vom Kino, das ihm und uns in huldigender Raffung von "Nosferatu, eine Symphonie des Grauens" über "Sunrise: A Song Of Two Humans" und "Gone With The Wind" bis hin zu "Superman" eine Blitzgeschichte illuminierter Sonnenaufgangsfilmmagie beschert.
Einst habe ich "Interview With The Vampire" recht abschätzig betrachtet, mittlerweile gefällt er mir mit jeder neuerlichen Betrachtung besser.

8/10


Foto

MICHAEL COLLINS (Neil Jordan/UK, IE, USA 1996)


"If they shut me up, who will take my place?"

Michael Collins ~ UK/IE/USA 1996
Directed By: Neil Jordan

Der irische Rebell Michael Collins (Liam Neeson) vollbringt in den zwanziger Jahren jede nur denkbare - auch terroristische - Anstrengung, um die englischen Besatzer zum Rückzug von der Insel zu bewegen und Irland die Unabhängigkeit zu sichern. Diverse Gefängnisaufenthalte und harte Gefechte, die auch Guerillakampf und Meuchelmord beinhalten, sichern den Republikanern schließlich einen ersten bescheidenen Erfolg: Irland wird zu einem britischen Freistaat unter eigener Flagge und abgespalten vom Norden. Mit dieser Teiletappe sind Collins' frühere Mitstreiter, allen voran der spätere Staatspräsident Éamon de Valera (Alan Rickman), allerdings nicht zufrieden...

Prachtvolles Geschichtskino, unkritische Heldenverehrung inklusive. Liam Neeson war damals der Mann für historische Helden und auch seine Darbietung als irischer Freiheitsaktivist Michael Collins empfahl ihn nachhaltig für derlei Darstellungen, wenngleich eine physiognomische Ähnlichkeit mit dem Original bestenfalls Behauptung bleibt.
Neil Jordan derweil distanziert sich etwas von seinem früheren, exaltierten Inszenierungsstil, der manchmal zum Camphaften tendierte und eigentlich immer als sehr originell identifiziert werden konnte. Von ein paar unauffälligen Montagetricks abgesehen könnte "Michael Collins" nun allerdings auch die Signatur eines Richard Attenborough tragen und jeder würde es ihm abnehmen. Ob man Jordan diese Maßnehmung und Orientierung beim und am klassischen Filmepos ankreiden muss, fühle ich mich nicht ganz in der Lage zu konstatieren; was ichjedoch sicher weiß, ist, dass ich Filme wie diesen, die den Mut zu aufrichtigem Pathos besitzen ohne ins Lächerliche abzudriften und mit stolz geschwelltem Brustpanzer über die Leinwand walzen, stets mit großer Leidenschaft anschaue. Außerdem habe ich wieder frische Lust auf das von mir allzu lang vernachlässigte (Früh-)Werk Jordans bekommen.

8/10

Neil Jordan Irland Kolonialismus Irische Revolution period piece Biopic Historie





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare