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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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SIN CITY RECUT (Robert Rodriguez, Frank Miller/USA 2005)


"Aim careful, and look the devil in the eye."

Sin City Recut ~ USA 2005
Directed By: Robert Rodriguez/Frank Miller

Hauptanlass, mir nun erstmals die für das damalige DVD-Release umgearbeitete Version von "Sin City" anzuschauen, war in der erste Linie die vorhergehende Lektüre von Millers Comic-Reihe. Meine damals empfundenen und geäußerten Eindrücke sind im Wesentlichen gleich geblieben: Der Ehrgeiz, Millers expressionistische Gestaltungskunst medial zu transponieren, zahlt sich aus. "Sin City" sieht noch immer fantastisch aus und es ist ein ästhetischer Hochgenuss, sich insbesondere unkittelbar nach dem Studium der Vorlage die bewegten Bilder das Hirn hinabgleiten zu lassen - wenngleich ein paar gestalterische Brüche (etwa in Form mancher zusätzlicher Einfärbungen) hier und da zu verzeichnen sind, die sich angesichts der andernortigen formalen Strenge etwas manieristisch ausnehmen. Interessanter gestaltet sich da schon die von der Parallelerzählung der Kinofassung abweichende Möglichkeit, die vier Storysegmente so zu betrachten, wie die Printreihe sie ursprünglich vorsah. Zwar purzelt Rodriguez noch immer die Reihenfolge durcheinander ("The Hard Goodbye" und "The Big Fat Kill" gehören vor "That Yellow Bastard"), er "gestattet" dem Zuschauer per einführender Worte jedoch, die Geschichten so zu schauen, wie man mag. Die Chronolgie des Films wird trotz geflissentlich ausgedehnter Spielzeit also kompakter und dazu gar noch gewissermaßen interaktiv. Diese Art der Rezeption funktioniert etwas besser als die vermeintlich geschickte Vermischung der Storys für den Kinocut und wertet Millers und Rodriguez' Anstrengungen sogar noch ein wenig auf. Allerdings bleibe ich dabei: Als postmodernistische Hardboiled-Hommage ist "Sin City" bei aller sonstigen Gekonntheit ebenso plump und dem schalen Gegenwartsgeschmack verhaftet wie Tarantinos und Rodriguez' ewig repetiertes Grindhouse-Gewichse. Aber ich lerne mit der Zeit, damit zu leben. Und das sogar recht gut, wie ich zerknirscht zugeben muss.

8/10

Robert Rodriguez Frank Miller Quentin Tarantino Comic Dark Horse Kannibalismus Hommage neo noir


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SLEUTH (Joseph L. Mankiewicz/UK, USA 1972)


"There's nothing like a little bit of mayhem to cheer one up."

Sleuth (Mord mit kleinen Fehlern) ~ UK/USA 1972
Directed By: Joseph L. Mankiewicz

Der narzisstische Kriminalautor Andrew Wyke (Laurence Olivier) will sich keinesfalls gefallen lassen, dass der deutlich jüngere, schnieke Friseur Milo Tindle (Michael Caine) ihm so ohne Weiteres seine Frau Marguerite abspenstig macht. Also denkt er sich einen perfiden Racheplan in Form einer bitterbösen Scharade aus, deren Finale Tindle an seine psychischen Grenzen führt. Dieser wiederum kehrt wenige Tage später tief gekränkt zu Wyke zurück und demonstriert seinem erklärten Gegenspieler eindringlich via eines seinerseits erdachten Spiels, wie des einen Freud sehr rasch zu des anderen Leid werden kann.

Ich mag "Sleuth" bei Weitem nicht so sehr wie viele andere geschätzte Zeitgenossen. Schuld daran tragen nicht zuletzt das die filmischen Möglichkeiten eher eingeschränkt nutzende Theatersetting sowie das auf zwei Personen beschränkte aktionistische und rhetorische Antagonistenduell. Jenes entpuppt sich erwartungsgemäß primär als Wett- und Schaulaufen zweier großartiger Akteure, die dann auch in jeweiligen Sternstunden ihres Könnens zu bewundern sind. Mankiewicz, der sich in boshaft aufbereiteten Dialogstücken schon immer am heimischsten fühlte, nutzte "Sleuth" dann auch als Anlass seiner finalen Arbeit, bevor er sich für immerhin noch gut zwanzig Jahre aufs Altenteil zurückzog. Eine sympathische Entscheidung. "Sleuth" nun ist als Filmersatz für einen kriminalistisch angehauchten Theaterabend sicherlich gut gewählt; als exemplarische Zuschaustellung von Mankiewicz' außergewöhnlichen Fähigkeiten würde ich ihn - wiederum im Gegensatz zu manch anderem - aber wohl kaum heranziehen.

7/10

Joseph L. Mankiewicz Anthony Shaffer based on play England Rache Schwarze Komödie


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THERE WAS A CROOKED MAN... (Joseph L. Mankiewicz/USA 1970)


"They're killing me by inches!"

There Was A Crooked Man... (Zwei dreckige Halunken) ~ USA 1970
Directed By: Joseph L. Mankiewicz

Der geschickte Bandit Paris Pitman Jr. (Kirk Douglas) wird nach einem Raubüberfall auf einen reichen Geschätsmann (Arthur O'Connell) durch einen dummen Zufall erwischt und zu einer zehnjährigen Haftstrafe in einem Wüstengefängnis verurteilt. Dort versichert er sich der Freundschaft diverser Mithäftlinge und wiegt den neuen Direktor Woodward Lopeman (Henry Fonda) vorsorglich in Sicherheit, derweil er seinen Ausbruch von langer Hand plant. Als Pitman diesen dann mit aller gebührlichen Skrupellosigkeit durchführt, wird auch Lopemans moralische Integrität auf eine harte Probe gestellt.

Mankiewicz' vorletzter Film liegt ganz auf der Linie all der zynischen Westernkomödien dieser Zeit, die samtens auch irgendwie ein Stück New Hollywood symbolisieren. Die Zeit der dreifach chemisch gereinigten, der geläuterten und selbst die der zweifelnden Helden von Errol Flynn über Randolph Scott bis hin zu Jimmy Stewart ist nun endgültig vorüber. Das Genre ist einmal über den Atlantik gerauscht und mit kurzer Verweildauer am Stiefel sowie um einige Lebenserfahrung reicher wieder zurückgekehrt. Was mit den alten Heroen geschehen kann, zeigte ganz besonders Leones "C'Era Una Volta Il West", in dem der einst so strahlend amerikanische Henry Fonda tabakrotzend Kinder abknallte, Krüppel zusammendrosch und Frauen annektierte. Einen kleinen Hauch 'Frank' hat am Ende auch Woodward Lopeman abbekommen, als er der von ihm so begehrlich vorangetriebenen Resozialisierung den Mittelfinger zeigt und über die Grenze abhaut. Ganz besonders fies aber zeigt sich hier Kirk Douglas, der ja zeitlebens immer mal gern auch als Lump zu gebrauchen war. Während man fast den gesamten Film über noch Sympathien zu ihm hegt, ist gegen Schluss, als er kalt lächelnd dem Opportunismus frönt, der Ofen aus und sein Tod im Zuge göttlicher/Hollywood-Gerechtigkeit erscheint überaus gerechtfertigt. Ansonsten ist der Film als einer der wenigen Knastwestern sicherlich etwas Besonderes, wenngleich erzählzeitlich leicht überstrapaziert. Warren Oates' Part fällt zu klein aus, der von Trini Lopez schmissig vorgetragene Titelsong, dessen Refraingestalt nun gar nicht mehr so offensichtlich ist wie noch zu Beginn, reflektiert indes das volle Maß an Zeitflair.

7/10

Joseph L. Mankiewicz Gefängnis Robert Benton New Mexico Schwarze Komödie


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THE BAREFOOT CONTESSA (Joseph L. Mankiewicz/USA, I 1954)


"I'm a frightened tramp in need to go home."

The Barefoot Contessa (Die barfüßige Gräfin) ~ USA/I 1954
Directed By: Joseph L. Mankiewicz

Am verregneten Grab der Hollywood-Aktrice und Gräfin Maria Torlato Favrini bzw. Maria Vargas (Ava Gardner) stehen die Männer ihres Lebens und gedenken ihrer letzten Jahre und Wochen: Ihr intimer Freund und Gönner, der Filmemacher Harry Dawes (Humphrey Bogart), der erfolgssüchtige PR-Agent Oscar Muldoon (Edmond O'Brien), der reiche Playboy Alberto Bravano (Marius Goring) und ihr Ehemann und Mörder, der Graf Torlato Favrini (Rossano Brazzi). Sie alle hatten eine spezielle zu der verschlossenen Schönheit und jeder liebte sie auf seine spezielle Weise.

Meisterhaft erzählt und komponiert entpuppt sich "The Barefoot Contessa" rein inhaltlich als wildromantischer Kitschroman, der auf dem Papier jede Hausfrau in höchste Wallungen versetzungen dürfte. Erst Mankiewicz' bravouröse Inszenierung macht aus dem typischen Ava-Gardner-Stoff - die Diva spielt faktisch dieselbe Rolle wie immer in dieser Ära, eine ebenso astronomische wie verletzliche Schönheit mit feurigem Charakter, die ihre Vulnerabilität durch Nymphomanie und Promiskuität, vorwiegend in Hinwendung zu hengstischen latin lovers, sublimiert - eine neuerliche Abrechnung mit der Glitzerwelt der Filmproduktion, der Stars und Starlets. Als phantastischer Dialogschreiber lässt Mankiewicz in seinem von Jack Cardiff photographierten, ersten Farbfilm seine Figuren, allen voran Bogey, der hier nochmal eine herrliche Spät-Appearance vom Stapel ließ, sich in Zynismen und Sarkasmen ergehen und speit aus vor der armseligen Welt des Reichtums, der Oberflächlichkeiten und des an sich selbst krankenden Aristokratismus.

8/10

Joseph L. Mankiewicz Biopic Hollywood Jack Cardiff Italien Cannes Madrid Spanien Riviera


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JULIUS CAESAR (Joseph L. Mankiewicz/USA 1953)


"Yet, Brutus is an honorable man."

Julius Caesar ~ USA 1953
Directed By: Joseph L. Mankiewicz

44 v. Chr.: Am Idus des März wartet auf den römischen Imperator Julius Cäsar (Louis Calhern) seine Ermordung durch einige Verschwörer im Senat, angeführt von seinen einstmaligen Vertrauten Cassius (John Gielgud) und Brutus (James Mason), die eine diktatorisch geprägte Monarchie durch den Politpatriarchen fürchten. Nachdem Brutus zunächst die Plebejer beschwichtigen kann, nutzt jedoch Cäsars Intimus Marcus Antonius (Marlon Brando) die Gunst der Stunde und wiegelt das Volk gegen die Meuchelmörder auf. Brutus und Cassius fliehen und sehen sich bald darauf dem sie verfolgenden Antonius und seinen Heerscharen gegenüber.

Mankiewicz' ehrgeizige Shakespeare-Adaption stellt den seltenen Fall einer Studiogroßproduktion dar, die sich an den originalen Dramentext hält und ihren monumentalen Aufwand hinter sinnierende Monologe und nicht minder "unterhaltungsfeindliche" Dialoge stellt. Eine grandiose Darstellergarde gibt es zu bewundern, an deren vermeintlicher Spitze der soeben im kometenhaften Aufstieg begriffene Brando steht, die jedoch tatsächlich von James Mason angeführt wird, dessen klassische Schauspielausbildung in herrlicher Weise mit Brandos method acting kollidiert bzw. sich durch jenes ergänzt. Dass diese beiden so unterschiedlichen professionellen Ansätze sich zusätzlich ausgerechnet durch eine inhaltsgebundene Antagonistenschaft niederschlagen, sollte im Nachhinein betrachtet kein Zufall sein.
Altehrwürdiges mit Stecken und Stab.

8/10

Joseph L. Mankiewicz based on play William Shakespeare period piece Historie Römisches Reich Rom Verschwörung


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5 FINGERS (Joseph L. Mankiewicz/USA 1952)


"There's nothing as real as money."

5 Fingers (Der Fall Cicero) ~ USA 1952
Directed By: Joseph L. Mankiewicz

Ulysses Diello (James Mason), der Kammerdiener des britischen Botschafters (Walter Hampden) in der kriegsneutralen Türkei 1944, fasst einen gewaltigen Plan: Er will die im Tresor seines Arbeitgebers lagernden Geheimdokumente abfotografieren und ihren inhalt an die Deutschen verschachern, um sich selbst und seiner heimlichen Liebe, der verarmten Gräfin Staviska (Danielle Darrieux), mit dem Erlös ein unabhängiges Leben in Rio finanzieren zu können. Zunächst funktioniert Diellos Spiel fast reibungslos, doch als die Gräfin ihn hintergeht, verrät und sich mit dem zusammengeklaubten Vermögen in die Schweiz absetzt, ist Diello zu lebensgefährlicher Improvisation gezwungen...

Dieser Spionagefilm um einen authentischen Fall, der seinem Chronisten L.Z. Moyzisch (Oscar Karlweis) zufolge um ein Haar die Preisgabe der Details der kriegsentscheidenden "Operation Overlord" an die Nazis bedeutet hatte, ist Mankiewicz' gelungener Versuch, ein hitchcocksches Sujet ohne die manieristischen formalen Signaturen des Meisters aufzubereiten. Dabei unterstützen ihn Bernard Herrmanns Musik und der wie immer exzellente James Mason, zu dieser Zeit noch einer der wenigen großen Weltschauspieler, die (noch) nicht mit Hitchcock zusammengearbeitet hatten (was sich dann freilich sieben Jahre später mit "North By Northwest" endlich ändern sollte). "5 Fingers" veranschaulicht, wie subtil und dennoch wirkungsvoll sich eine Spionagestory verarbeiten lässt, wenn der Regisseur sich nicht selbst zum latenten Nebenschauplatz macht und lediglich subtil bis unmerklich aus dem Hintergrund heraus agiert. Mankiewicz verlässt sich ganz auf seine Ressourcen und verarbeitet diese zugunsten des Gesamtwerks, ohne sein Publikum unentwegt mit der Nase auf seine persönliche Könnerschaft zu stoßen. Manch einer mag dies vielleicht als ordinär oder gar langweilig empfinden, dennoch ist "5 Fingers" ein formvollendeter Genrefilm, von dessen schnörkelloser Funktionalität nicht nur heutige Filmemacher, sondern auch Mankiewicz' Zeitgenossen reihenweise träumen bzw. geträumt haben dürften.

9/10

Joseph L. Mankiewicz Türkei WWII Nationalsozialismus Spionage period piece


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ALL ABOUT EVE (Joseph L. Mankiewicz/USA 1950)


"I'm nobody's fool, least of all yours."

All About Eve (Alles über Eva) ~ USA 1950
Directed By: Joseph L. Mankiewicz

Der gefeierten New Yorker Theaterschauspielerin Margo Channing (Bette Davis) stellt sich eines Abends Eve Harrington (Anne Baxter) vor - eine unbeschäftigte Laiendarstellerin, die in grenzenloser Bewunderung für Margo schwelgt. Diese stellt, von Eves rührender Vita gepackt, die junge Frau vom Fleck weg als Sekretärin und Mädchen für alles ein. Doch bald schon zeigt die unterwürfige Eve ihr wahres Gesicht - sie ist eine intrigante Hochstaplerin, die es darauf abgesehen hat, Margos Ruhm für sich selbst zu beanspruchen und der alternden Diva Rollen und Publikum auszuspannen.

Mankiewicz' Meisterwerk, im selben Jahr wie "Sunset Boulevard" entstanden, bedeutete für die Theaterszene an der westküste das, was Wilders Film für Hollywood darstellte - gnadenlose Abrechnung, bitterböse Satire und Entzauberung. Bei Mankiewicz wird die Filmindustrie allerdings noch mehr deklassifiziert, sie gerät zur Fußnote, zum Schrotthaufen der Schauspielkunst. Wer sich an Hollywood verkauft, so der Tenor der Geschichte, korrumpiert sich und verrät sein Fach. Doch auch sonst bewahrt die Geschichte den Odem klassischen Dramas - ein ruchloser Emporkömmling, hinter der Fassade von Glamour und Jugend ein menschlicher Trümmerhaufen aus Verlogenheit und Intriganz, erarbeitet sich mit Schmeicheleien und Skrupellosigkeiten den Weg nach oben. Das ist die Geschichte der Welt, komprimiert auf ein strahlendes Milieu und versehen mit einer dialogischen Brillanz, die ihresgleichen sucht.
Hier wäre außerdem der seltene Fall absolut formvollendeter Sprach-Transkription: Die deutsche Synchronfassung stammt von Erich Kästner und schafft das vermeintlich unmögliche - sich der Eleganz und rhetorischen Gewandtheit des Originals anzugleichen. Ein stimulierender Hochgenuss.

9/10

Theater Joseph L. Mankiewicz Satire New York


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PROMETHEUS (Ridley Scott/USA, UK 2012)


"We must leave."

Prometheus ~ USA/UK 2012
Directed By: Ridley Scott

Im Jahr 2089 entdecken die beiden Forscher Holloway (Logan Marshall-Green) und Shaw (Noomi Rapace) in Nordschottland etwas, was sie rund um die Erde bereits etliche Male gefunden haben: Diverse Jahrtausende alte Höhlenmalereien, die Hinweise darauf geben, dass der Mensch einst von einer außerirdischen Rasse, von Holloway und Shaw "Konstrukteure" genannt, erschaffen wurde. Die Weylan Corporation, ein global und auch extraterrestrisch operierendes Großindustrie-Unternehmen, finanziert bald darauf einen Flug in ein fremdes Sonnensystem, wo man Spuren der humanoiden Aliens entdeckt hat. Zusammen mit ihrem Team stoßen Holloway und Shaw auf dem Ziel-Planeten auf eine Pyramide, in deren Innerem sie sowohl diverse Leichen der Fremden entdecken als auch eine offenbar von ihnen gezüchtete biologische Waffe in Form aggressiver wurmähnlicher Parasiten mit Säureblut, die möglicherweise zur Ausrottung der Menschheit dienen sollten. David (Michael Fassbender), ein mitreisender Androide, infiziert Holloway mit einem der Embryonen jener Wesen, woraufhin sich der Wissenschaftler unseligst verwandelt. Doch die katastrophalen Entdeckungen ziehen noch größere Kreise...

Als Ridley Scott ertönen ließ, dass er sich in das einst von ihm mitkreierte Universum der Facehugger und Xenomorphe zurückbegeben und ein Prequel zum ersten "Alien" inszenieren wolle, waren einige Leute auf unserem Planeten nicht ganz zu Unrecht Feuer und Flamme auf das Endresultat. Hätten sie gewusst, dass dieses sich ziemlich exakt auf dem Niveau der vielen anderen in den letzten zwanzig Jahren geschaffenen Filme zum Topos "Erdenmenschen treffen auf außerirdische Entität" bewegen würde, wäre ihr Enthusiasmus möglicherweise ein wenig verhaltener ausgefallen. Genau in diesen Geraden jedoch bewegt sich "Prometheus". "Event Horizon", "Supernova", "Mission To Mars" und "Red Planet" schießen einem durch den Kopf, wobei sie nicht nur als thematische, sondern sogar als formale Vorbilder für Scotts neue Arbeit gewertet werden können. Der einzige Grund, warum man "Prometheus" als sich von den Genannten abhebend betrachten mag, ist die besagte Plotanbindung an "Alien" - wobei sich der Film ganz eindeutig als Startschuss einer Zweitsaga innerhalb jener Storybahnen versteht. Nicht nur, dass mit den Konstrukteuren eine neue, übermächtige Rasse Aliens ins Boot geholt wird, es umgibt sie darüberhinaus auch ein für die Menschheit existenzielles Geheimnis, das sich Elizabeth Shaw und der derangierte David am Schluss aufmachen zu entschlüsseln. Ansonsten macht "Prometheus" einmal mehr deutlich, dass Analyse, Erläuterung und Versachlichung oft auch mit Demystifizierung und Begradigung einhergehen - jetzt, da ich weiß, wer der geheimnisumwobene 'Space Jockey' ist und wo die Aliens herkommen, bin ich mir gar nicht so sicher, ob ich das wirklich jemals wissen wollte. Na ja, irgendwie schon, doch.

7/10

Ridley Scott Aliens Zukunft Prequel 3-D


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DER ARZT VON ST. PAULI (Rolf Olsen/BRD 1968)


"Und du willst Arzt sein?"

Der Arzt von St. Pauli ~ BRD 1968
Directed By: Rolf Olsen

Alle auf St. Pauli lieben Dr. Jan Diffring (Curd Jürgens), Hurendoktor mit Herz, der nicht nur mit Spritze und Pinzette anderen aus der Klemme hilft. Als er dahinterkommt, dass ausgerechnet sein mutmaßlich viel erfolgreicherer Bruder Klaus (Horst Naumann), Gynäkologe mit schmutzigem Berufsethos in Hamburgs besseren Kreisen, unschuldige Patientinnen an die Orgien des schmierigen Industriellen Gersum (Friedrich Schütter) vermittelt, um die marode Praxiskasse zu sanieren, schreitet Jan zur lange überfälligen Abrechnung.

Mit dem "normannischen Kleiderschrank" Curd Jürgens verband Rolf Olsen eine fruchtbare Partnerschaft, beginnend mit diesem einmal mehr prächtig klischierten Sittengemälde aus Hamburgs weltberühmtem Hafenviertel. Hurerei, Boxkämpfe und besoffene Matrosen - das volle Kiezprogramm gibt es hier zu bestaunen und Olsen versichert uns glaubwürdig, dass erst die moralischen Instanzen vor Ort - Doktor, Pastor (Dieter Borsche) und Polizist (Hans W. Hamacher) mitsamt ihrer väterlichen Liebe fürs Milieu - den existenziell notwendigen Kitt für die hier zu jeder Tages- und Nachtstunde stattfindenden Exzesse darstellen. Besonders Jürgens' unnachahmlich-patriarchalische Art passt zu dieser ollen Binsenweisheit wie die Faust aufs Auge. Ansonsten verfügt "Der Arzt von St. Pauli" über exakt jene Grellheit, die man wünscht, wenn man es mit dieser Art Film aufnimmt. Dieser Rolf Olsen, das war schon eine Marke.

7/10

Rolf Olsen Kiez Sleaze Hamburg St.Pauli Brüder Arzt Prostitution


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WENN ES NACHT WIRD AUF DER REEEPERBAHN (Rolf Olsen/BRD 1967)


"Diesmal bin ich präpariert wie Django!"

Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn ~ BRD 1967
Directed By: Rolf Olsen

Hotte (Jürgen Draeger), Till (Fritz Wepper) und ein paar ihrer Kumpels haben ein florierendes Geschäft am Laufen: Sie setzen ihre Schulfreundinnen unter LSD, so dass sie sich ungehemmt geilen alten Böcken aus der Hamburger Schickeria hingeben. Als ihre ruchlosen Aktionen ein erstes Todesopfer fordern, wird der Journalist Danny Sonntag (Erik Schumann) hellhörig: Der LSD-Clique gehört das unverantwortliche Handwerk gelegt! Till verliebt sich zudem in die brave Lotti (Marianne Hoffmann) und verspricht ihr, dem kriminellen Sumpf den Rücken zuzukehren. Doch da überschlagen sich die Ereignisse...

Die rücksichtslose Jugend schlägt wieder zu, mit ihren viel zu schnellen Flitzern, üblem Rauschgift aus dem Chemielabor und dazu auch noch versaut bis nach Kairo! Am Schlimmsten sind, man weiß das, die Vernachlässigten, aus reichen Elternhäusern, der Senior mit 'nem dicken Mercedes und der Filius zu faul zum Arbeiten. Das Weltbild von "Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn" ist so hausbacken wie verlogen - auf der einen Seite die semiehrlichen Kleinluden mit der harten Faust und der verbeulten Birne, die sich zwar manchen Fehlgriff leisten, das Herz aber garantiert am rechten Fleck tragen (ein solches Hamburger Original kann nur und muss ergo natürlich von Heinz Reincke gespielt werden), die unbestechlichen Reporter vom "Abendblatt" und die seriösen Polizisten, auf der anderen das schmierige Reichenpack; die verdorbenste Kaste deutschen Witschaftsgebahrens! Solch brachial vorgetragener Linkskonservativismus ist Olsen pur - und natürlich St.-Pauli-Kino, wie die ausgehenden Sechziger und frühen Siebziger es so liebten.
Hämburch is schon eine Sünde wert, aber stets dran denken: Sag was wahr ist, iss was gar ist und trink was klar ist! Prrroust!

8/10

Rolf Olsen Hamburg St. Pauli Kiez LSD Prostitution Teenager Europloitation





Filmtagebuch von...

Funxton

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