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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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TOTAL RECALL (Len Wiseman/USA, CA 2012)


"The past is just a mental construct."

Total Recall ~ USA/CA 2012
Directed By: Len Wiseman

Gegen Ende des Jahrhunderts sind die meisten Flächen der Erde durch Menschenhand unbewohnbar geworden und die globale Bevölkerung zieht sich auf die britische Insel sowie den australischen Kontinent, nurmehr "Kolonie" genannt, zurück. Lebensraum ist zum wichtigen Kapital- und Handelsgut geworden. Die beiden Landmassen sind durch einen gigantischen, mitten durch den Erdkern laufenden Tunnel miteinander verbunden. Der von einem seltsamen Traum verfolgte Arbeiter Doug Quaid (Colin Farrell) nutzt diesen täglich, um von seiner Wohnung in der Kolonie zu seinem Arbeitsplatz in Britannien zu gelangen. Hier herrscht auch der undurchsichtige Diktator Cohaagen (Bryan Cranston), der zur Sicherung seiner Macht eine synthetische Polizeiarmee einsetzt, an deren Aufbau Quaid mitwirkt. Als dieser sich eines Tages entschließt, zu der Firma Rekall zu gehen, die ihren Kunden künstliche Erinnerungen implantiert, gerät sein Leben aus den Fugen. Ist er wirklich ein Doppelagent Cohaagens und sein zuletzt gelebtes Leben bloß eine Illusion?

Dass Len Wiseman Verhoevens monumentale Adaption der Dick-Geschichte "We Can Remember It For You Wholesale" eifrig studiert hat, um deren Beliebtheit weiß und an jeder Ecke seiner Variation entsprechende Reminiszenzen unterbringt, damit kann man leben. Wie man eigentlich überhaupt mit dem ganzen Film leben kann, der jawohl dem Vernehmen nach in der von mir geschauten Director's-Cut-Fassung deutlich gegenüber dem noch tumberen Kinoschnitt deutlich aufgewertet sein soll. Aber, glücklicherweise, nicht muss. Immerhin werden auch in dieser Version Zweifel an der erlebten Agenten-Realität Quaids gesät, wenngleich die herrlich irreale Atmosphäre des "Originals", nicht zuletzt durch den Schauplatz Mars und den viel pulpigeren und interessanteren Mutanten-Subplot deutlich lebendiger evoziert, zu keinem Zeitpunkt erreicht wird. "Total Recall" 12 verliert auch sonst in jeder Hinsicht gegenüber Verhoevens monolithischem Werk. Nicht zuletzt auch in Bezug auf dessen brachialen Einsatz visueller Gewalt, die hier erwartungsgemäß der stets jugendfrei und steril wirkenden, typisch klinischen Wiseman-Kinetik weichen muss.
Blutleere Neuverfilmungen wie diese taugen wohl vor allem zu einem Zweck: Auf der Habenseite zementieren sie den Status des Vorbildes, ermöglichen neue Bewertungen desselben, veranschaulichen analog dazu jedoch auch die besorgniserregende, immer weiter zunehmende Risikoarmut Hollywoods.

5/10

Len Wiseman Remake Zukunft Dystopie D.C. Philip K. Dick Kurt Wimmer


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JACK AND JILL (Dennis Dugan/USA 2011)


"Where was I? Audience?"

Jack And Jill (Jack und Jill) ~ USA 2011
Directed By: Dennis Dugan

Jack (Adam Sandler) und Jill Sadelstein (Adam Sandler) sind zweieiige Zwillinge. Während jedoch Jack sich "normal" entwickelt und eine Familie gegründet hat, unter der Sonne Kaliforniens als erfolgreicher Werbekreativer arbeitet und sich seines Lebens freut, hat sich Jill in New York um die just verstorbene Mutter gekümmert und stets auf das eigene Glück verzichtet. Bei ihrer etwas gewöhnungsbedürftigen Art und ihrer kräftigen Statur fällt es ihr ohnehin schwer, das männliche Geschlecht für sich zu gewinnen. Als sie sich wie jedes Jahr über Thanksgiving bei Jack und seiner Familie zu Besuch ankündigt, gerät dieser sogleich ins Schwitzen. Ein Zustand, der sich noch verstärkt, als Jill ihren Aufenthalt in L.A. gleich nochmal auf unbestimmte Zeit verlängert. Immerhin stellt sie für Jack eine unerwartete Hilfe dar als dieser Al Pacino (Al Pacino) für einen Donut-Clip zu gewinnen versucht...

Sandlers gegenwärtig vorletzter Film wird ja gern großflächig gehasst und ins Abseits gestellt, eine Entwicklung, die sich bereits im Dunstkreis der meisten seiner letzten Arbeiten abzeichnete und die mit "Jack And Jill" ihren vorläufigen, negativen Höhepunkt erreicht zu haben scheint. Des Sandman großes Thema, der vordergründig erfolgreiche amerikanische Mann in der Mittlebenskrise, greift auch hier wieder, wobei es diesmal nicht um verjährte Beuteschemata oder psychische Regression geht, sondern um Familienzusammenführung. Dass bei Sandler die Denunziation der Rührseligkeit vorausgeht, liegt allerdings in der Natur der Sache. Man muss Jack Sadelstein verstehen: Seine Zwillingsschwester Jill ist infantil, laut, obszön und unsensibel, hässlich, mit der Statur (und Kraft) eines sibirischen Gewichthebers versehen und von Transpirationsproblemen heimgesucht. Umso härter die Erkenntnisfindung, dass Geschwister, insbesondere Zwillinge, auch viele Gemeinsamkeiten verbindet und Zusammenhalt stärker macht. Beide Seiten. Ob man dem Sandman diese Fabel am Ende abnehmen möchte, hängt wohl etwas mit der persönlichen Sympathie ihm gegenüber zusammen. Ich bin mittlerweile an einem Punkt angelangt, da ich ihm sowieso alles verzeihe, selbst diese teils bewusst an den Nerven sägende Zwillingsmär.
Sandler jedenfalls wird, wenn er seine Linie so tapfer durchhält wie bisher und auch weiterhin darauf verzichtet, sich den falschen Adressaten anzubiedern, irgendwann auf ein beispielloses komödiantisches Lebenswerk zurückblicken können, das in komprimierter Form im Schnitt jedem dritten Vertreter des männlich-amerikanischen Mittelstands den kostspieligen Besuch beim Analytiker ersparen sollte.

6/10

Dennis Dugan Adam Sandler Los Angeles Kalifornien Ethnics Werbung Zwillinge Familie


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WIR WAREN DAS MILJÖ - KÖLSCHE GESCHICHTEN (Peter F. Müller/D 2011)


"Et jab Zuckabrot un' Peitsche - dat wussten se all'."

Wir waren das Miljö - Kölsche Geschichten ~ D 2011
Directed By: Peter F. Müller

Wenn ehemalige Kiez-Größen von ihrem früheren Leisten berichten, geraten sie gern ins haltlose Fabulieren und neigen bereitwillig zu romantisch gefärbter Nostalgie, ebenso wie ihre Kunden und sogar die pensionierten Beamten, die damals die leidige Aufgabe hatten, alles im Zaum zu halten. Von Ost-Öffnung war ferner auch noch gar nicht zu reden, als Dummse Tünn, Schäfers Nas, Abels Män, Karate Jacky und Betonkopp noch die Größen der Kölner Unterwelt waren. Liebevoll Lodden, Loddel, Luden oder auch einfach bloß Zuhälter waren sie selbsterklärte Nachtmenschen, die zwischen Kneipe, Spieltisch und Bodybuilding-Studio umherzirkulierten und hier das sauer verdiente Moos ihrer zwei bis sieben laufenden Schäfchen durchbrachten. Prügeleien gehörten zur Tagesordnung, umgebracht wurde aber keiner - darauf ist man stolz. Wenngleich auch Frischse Pitter gern mal seine stets griffbereite Axt schwang, um damit Kneipeninterieurs zu zerlegen: Hunde, die bellten, bissen nicht. Das symptomatische Gerngroßgetue des archetypischen "pimp" hatte man sich bei US-Vorbildern abgeschaut, weswegen die augenzwinkernd gemeinte Titulierung der Domstadt als "Chicago am Rhein" selbst heute, gute zwanzig Jahre nach dem Golden Age der gepflegten Heimkriminalität, die ehemals dauergewellten, muskulösen Herrschaften noch immer mit heimlichem Stolz erfüllt. Zockerei, Steuerhinterziehung, Drogenhandel und natürlich die Prostitution - das waren einst die vier im kleinen Stil aufgezogenen Eckpfeiler, die jenen Patronen gestattete, echte Rolexe und maßgeschneiderte Lederanzüge zu tragen und ihr sauer Verdientes im Kofferraum des goldenen Porsche spazierenzufahren. Cash, versteht sich. Müllers Einblick in dieses "Miljö" fällt gebührlich augenzwinkernd aus, kann eine starke Faszination für den Anekdotenreichtum der interviewten Herrschaften allerdings nicht verleugnen. Und das zu Recht; wenn selbst schon Ex-Knackis und verarmte Altgauner in reaktionäre Gegenwartsängste und regressive Schwärmerei verfallen, dann fragt man sich, wo und vor allem wann man doch bitteschön eigentlich lebt.

9/10

Peter F. Müller Köln Kiez TV-Film Prostitution


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AMERICAN BEAUTY (Sam Mendes/USA 1999)


"Welcome to America's weirdest home videos."

American Beauty ~ USA 1999
Directed By: Sam Mendes

Mit 42 realisiert der Vorstadtbewohner und Familienvater Lester Burnham (Kevin Spacey), dass sein Leben nurmehr ein Schutthaufen ist. Seine Frau Carolyn (Annette Benning), eine erfolglose Immobilienmaklerin, hat die Spießigkeit zu ihrer Privatreligion erklärt und seine fünfzehnjährige Tochter Janie (Thora Birch) ist ein Musterbeispiel der Generation "Emo". Als Lester in Janies Freundin Angela (Mena Suvari) sein persönliches Lustfanal entdeckt und parallel dazu nebenan die Familie Fitts einzieht, ändert sich alles. Deren Sohn Ricky (Wes Bentley), etwas älter als Jane, kultiviert das letzte bisschen an Rebellion, das es im Amerika vor der Jahrtausendwende überhaupt noch zu kultivieren gibt: Er dealt im vergleichsweise großen Stil mit Marihuana und ist dazu Amateurkunstfilmer. Seinem fanatischen Vater Frank (Chris Cooper), Marine-Offizier denkbar härtester Prägung, hat er gelernt, aus Selbstschutzgründen stets das Wort zu reden, da Diskussionen mit ihm nicht möglich sind. Ricky und Janie verlieben sich ineinander, Lester kündigt seinen Job und tut erstmals im Leben, was er wirklich will, und ist, wenngleich sein Verhalten hoffnungslos regressiv ist, endlich einmal sein eigener Herr. Ein solch hohes Maß gelebter Autonomie ist in seiner Welt jedoch zu viel des Guten...

Das amerikanische Vorstadtspießertum gehörig aufs Korn zu nehmen wird der Konsens von Sam Mendes und Alan Ball, beide eigentlich vom Theater kommend, gewesen sein. In Form dieser finsteren Satire, die mit Lester Burnhams Gehirn an seiner weiß getünchten Küchenwand endet, just in jenem Augenblick, als er sich wieder seiner Verantwortung als Ehemann und Vater zu besinnen scheint, verwirklichen sie ihren Plan recht effektiv. Formal und darstellerisch gibt es daher auch wenig bis nichts anzukreiden. Von seiner einstmalig durchschlagenden Wirkung scheint mir "American Beauty" allerdings hier und da etwas eingebüßt zu haben. Die Figuren erscheinen mir recht stereotyp angelegt und auch realisiert worden zu sein, was allerdings durch den angestrebten Charakter der Allgemeingültigkeit der Story noch zu rechtfertigen ist. Weniger gut gefällt mir ein eher vage greifbarer, sich einstellender Eindruck der inszenatorischen Arroganz. Mendes baut eine distanzierte Kühle auf, als fürchte er sich vor Konsequenzen. 'Theatralik' ist vielleicht das beste Attribut für diese sicherlich sehr persönliche Impression: Eine wirkliche Identifikation mit dem Ensemble bleibt stete Behauptung, so dass "American Beauty" trotz des vielfachen Einsatzes filmischer Mittel immer bühnenhaft und im nachteilig konnotierten Wortsinne 'inszeniert' wirkt. Die Auseinandersetzung mit seinem ja doch recht gewaltigen Topos bleibt mir am Ende zu schematisch. Was nicht heißen soll, dass es insgesamt betrachtet kein guter Film wäre; das ist und bleibt er dann doch ganz bestimmt.

8/10

Sam Mendes Satire Familie Midlife Crisis Marihuana Coming of Age Herbst Vorort


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WINNETOU - 3. TEIL (Harald Reinl/BRD, YU, I 1965)


"Mein Bruder."

Winnetou - 3. Teil ~ BRD/YU/I 1965
Directed By: Harald Reinl

Der üble Kapitalist Vermeulen (Veljko Maricic) verhökert aus sicherer Entfernung in Santa Fé Landparzellen an Siedler aus dem Osten, die ihm eigentlich noch gar nicht zur Verfügung stehen, da sie nach nach wie vor den Indianern gehören. Sein Mann vor Ort ist der mächtige Bandit Rollins (Rik Battaglia). Winnetou (Pierre Brice), Old Shatterhand (Lex Barker) und Sam Hawkens (Ralf Wolter) versuchen, die Pläne der Halunken zu durchkreuzen und den Stamm der Jicarillas, deren Häuptling Weißer Büffel (Dusan Antonijevic) dem Feuerwasser verfallen ist und der auf Rollins' Schmeicheleien heranfällt, vor dem drohenden Unheil zu warnen. Als Rollins Weißer Büffels Sohn (Slobodan Dimetrijevic) tötet und die Tat Winnetou in die Schuhe schiebt, ist der Zorn des Häuptlings jedoch nicht mehr zu bremsen. Am Grab von Inschu-tschuna und Nscho-tschi kommt es zur finalen Schlacht.

Das unvermeidliche Ende, Winnetous Tod. Selbst die altehrwürdigen Herren von der verleihenden Constantin sollen einst bei der Premiere ein Tränchen verdrückt haben und Horst Wendlandt erhielt bereits im Vorhinein schriftliche Morddrohungen von aufgebrachten Fans - wohlfeiles Futter für die heiß laufende PR-Maschinerie. "Winnetou - 3. Teil" ist mein persönlicher Lieblings-May-Western und wohl jener Franchise-Beitrag, den ich seit frühester Kindheit am Häufigsten geschaut habe. Warum gefällt er mir noch heute so gut? Dafür gibt es mehrere Gründe: Dies ist der Film der Reihe, der sich am allermeisten um eine Art von international tragfähiger Ernsthaftigkeit bemüht. Wie in keiner anderen seiner Produktionen gelang es Hotte Wendlandt hier, das untrügliche Flair des Krautwestern mit den Vorgaben des klassischen amerikanischen Western zu verbinden. Alberne Nebencharaktere Marke Castlepool oder Tuff-Tuff wurden diesmal wohlweislich ausgespart und mit Ausnahme weniger Gags, die ein verhältnismäßig zurückhaltender Ralf Wolter verantworten muss, geht es mit ungewohntem Ernst zur Sache. Dieser wirkt allerdings nie selbstzweckhaft oder erschöpft sich in permanenten Explosionen wie in den Nachfolgern. Rik Battaglia ist ein wunderbarer Winnetou-Mörder (nach eigenem Bekunden war danach dann wohl auch erstmal Schluss mit der gewohnten Fanpost-Schwemme aus Deutschland) und wenn der Apachenhäuptling seinen nahenden Tod vorausahnt und dem ungläubigen Shatterhand vor Dämmerungskulisse versichert, dass seine Seele sich bereits für das Jenseits bereitmache, fröstelt es mich in beispielloser Weise. Martin Böttchers fast schon sphärische Musik übertrifft in ihrer Gesamtheit und ihrem perfekten dramaturgischen Einsatz diesmal alles bisher Dagewesene. Zudem gibt es einmal einen wirklichen Vorzug gegenüber der mayschen Vorlage: Winnetous schlussendliche Christianisierung, die seinem Blutsbruder und den Erzähler im Roman erst richtig stolz macht, wird hier wenn überhaupt nur sehr behutsam aufgegriffen. Neunzig Jahre später durfte der "edle Wilde" wild bleiben und in seine eigenen Großen Jagdgründe entfleuchen.
Ein Abgang nach Maß - das lässt sich in diesem Falle wirklich mal mit Fug und Recht konstatieren, auch wenn ich selbst gestern zum glaube ich bislang ersten Mal am Ende nicht heulen musste.

9/10

Harald Reinl Krautwestern Winnetou Karl May Siedler Indianer Freundschaft Kavallerie New Mexico


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WINNETOU UND SHATTERHAND IM TAL DER TOTEN (Harald Reinl/BRD, YU, I 1968)


"Schrecklich - immer diese Abenteuer!"

Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten ~ BRD/YU/I 1968
Directed By: Harald Reinl

Winnetou (Pierre Brice) und Old Shatterhand (Lex Barker) helfen der Offizierstochter Mabel Kingsley (Karin Dor) dabei, die postume Ehre ihres Vaters Major Kingsley (Sima Janicijevic) wiederherzustellen. Dieser hat vor seiner Ermordung eine aus Gold bestehende Kriegskasse vor einer Gangsterclique in Sicherheit bringen können und steht nun im gerichtlichen Verdacht, mit dem Schatz nach Mexiko geflohen zu sein. Der böse Murdock (Rik Battaglia) und seine Leute sind nach wie vor hinter dem Gold her und ahnen, dass der Weg dorthin nur über Mabel und ihre tapferen Freunde führen kann.

Nachdem 1967 zum ersten Mal seit fünf Jahren kein neuer "Winnetou"-Film mehr in den Kinos gestartet war - Horst Wendlandt hatte nach den zwei letzten Flops mit dem Thema abgeschlossen - wagte Atze Brauner seinen zweiten und letzten Versuch, mit einer "Alternativ-Geschichte" um die sich immer noch einiger Beliebtheit erfreuenden Blutsbrüder Kasse zu machen. Dafür ging er aufs Ganze: Nicht genug damit, dass er fast ausschließlich "Winnetou"-erfahrenes Personal verpflichtete (Harald Reinl konnte sich im Nachhinein rühmen, den ersten und den letzten "Winnetou"-Film inszeniert zu haben und bildete somit die große Klammer der Reihe, Ernst W. Kalinke war nochmal dp, Hermann Haller besorgte den Schnitt, Martin Böttcher die - wieder sehr schöne - Musik, Stipe Delic war erneut 2nd-Unit-Regisseur und sogar die von Wendlandt vielgerühmte jugoslawische Jadran-Film coproduzierte ein letztes Mal), seine mäandernde Geschichte bildete eine Art "Best Of", die Besetzung ein dazu passendes "Who's Who" der Serie und konnte mit diversen bekannten Gesichtern aufwarten, zu denen neben den beiden Titelhelden die besagte Karin Dor, Ralf Wolter, Eddi Arent, Rik Battaglia und die Jugoslawen Vladimir Medar und Branko Spoljar zählten. Einzig Maro Girotti und Götz George vermisst man. Zudem durfte Reinl zum Grand Canyon reisen, um vor dort erstmals ein paar "authentische" Wildwest-Aufnahmen mitzubringen, die der Film dann auch sehr pompös (und hübsch unpassend) serviert.
Doch die Zeit für "Opas Kino", wie die just im Aufstieg begriffenen Autorenfilmer diese Art der Leinwand-Unterhaltung so abschätzig zu bezeichnen pfleg(t)en, war endgültig abgelaufen. "Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten" (das "Old" musste man weglassen, weil der Titel auf dem Filmplakat sonst allzu klein geraten wäre) floppte trotz des Produktionsaufwandes gewaltig und wurde nurmehr kühl belächelt. Sogar der sonst in Sachen "Winnetou" überraschend geneigte Joe Hembus schreibt in seinem "Western-Lexikon", dies siei "in jeder Hinsicht der letzte "Winnetou-Film". Das ist schlicht unwahr. Brauners Engagement machte sich nämlich sehr wohl bezahlt. Der Film ist ein deutlich opulenterer, wenngleich "inoffizieller", Abschluss der Serie als Wendlandts vergleichsweise trauriges Finale um Old Firehand. Das Team ist nochmal mit großem Elan bei der Sache und nahezu jedermann liefert eine bemerkenswert professionelle Arbeit. Das Finale im Tal der Toten mit seinen explodierenden Erdgasfontänen zählt schließlich zu den erinnerungswürdigsten Szenen der gesamten Reihe.

7/10

Harald Reinl Winnetou Karl May Krautwestern Indianer Gold


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WINNETOU UND DAS HALBBLUT APANATSCHI (Harald Phillip/BRD, YU, I 1966)


"Und wenn ihr wollt, werde ich Trauzeuge sein!"

Winnetou und das Halbblut Apanatschi ~ BRD/YU/I 1966
Directed By: Harald Phillip

Winnetous (Pierre Brice) alter Freund, der Pelzjäger Mac Haller (Walter Barnes) vermacht seiner Tochter Apanatschi (Usch Glas), einer Halb-Apachin, zu ihrem 21. Geburtstag eine einst von ihm entdeckte Goldmine. Über zwei gierige Freunde Hallers (Vladimir Leib, Abdurahman Salja) verbreitet sich die Kunde um jene Mine bis hin zum Gangsterboss Curly-Bill (Ilija Djuvalekovski), der bereits dafür gesorgt hat, dass im Siedlerstädtchen Rocky Town Chaos und Anarchie herrschen. Winnetou, Old Shatterhand (Lex Barker) und Sam Hawkens (Ralf Wolter) sorgen mit Hilfe der Kiowas dafür, dass Apanatschi und ihr kleiner Bruder Happy (Marinko Cosic) diese Affäre glimpflich überstehen und die Bösewichte einmal mehr ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.

1966 bildete kein besonders gutes Jahr für die "Winnetou"-Filme. Mit "Winnetou und das Halbblut Apanatschi" und dem kurz darauf entstandenen "Winnetou und sein Freund Old Firehand" erlebte Wendlandts einstiger Goldesel seine zwei großen kommerziellen Niederlagen, die dann auch das Ende der Reihe einleiteten. "Apanatschi" erfreut sich zwar bis heute ungebrochener Beliebtheit beim TV-Publikum und dürfte wahrscheinlich der am regelmäßigsten wiederholte Film der Serie sein, dennoch ist er zu deren schwächsten Beiträgen zu zählen. Fred Dengers Script ist hier und da über Gebühr albern und infantil, die so beliebte Wildwest-Romantik früherer Filme mag sich nicht mehr einstellen und sogar der Komponist Martin Böttcher schwächelt einmal, indem er sein speziell für diesen Film geschriebenes Thema klingen lässt wie eine verkitschte Vorstudie zum "Traumschiff". Mit Ilija Djuvalekovski gibt es den ersten Hauptfiesling ohne besonderes Profil und vor allem ohne den Glamour eines Mario Adorf, Rik Battaglia oder Harald Leipnitz, was dann auch dazu führte, dass er vorzeitig von seinem einstigen Sidekick Judge (Maihail Baloh) erschossen und beerbt wird. Dieser hat dafür eine der denkwürdigsten Sterbeszenen aller May-Filme. Ansonsten müht man sich, mit viel Dynamit und Explosionen zu punkten; in zwei Aufzügen wird der Sündenpfuhl Rocky Town von Shatterhand und Winnetou in die Luft gejagt. Schließlich Uschi Glas: Diese besaß auch mit knackigen 22 nicht das darstellerische Format, auf das die "Winnetou"-Filme gerade wegen sonstiger Einbußen angewiesen sind. Ihr etwas halbblutsuntypischer, bayrischer Akzent erforderte dann bis auf eine Gesangsszene wohl eine Nachsynchronisation (durch Marion Hartmann).
Doch bei aller Kritik gilt, dass selbst ein mittelmäßiger "Winnetou" sich immer noch seine speziellen Meriten zu verdienen wusste - so auch dieser.

6/10

Karl May Krautwestern Arizona Gold Winnetou Harald Philipp


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WINNETOU - 2. TEIL (Harald Reinl/BRD, YU, F, I 1964)


"Wenn Gunstick Uncles Schüsse krachen, haben Banditen nichts zu lachen - drum sind sie schleunigst ausgerissen, denn ihre Lage war bescheiden."

Winnetou - 2. Teil ~ BRD/YU/F/I 1964
Directed By: Harald Reinl

Winnetou (Pierre Brice) trifft seine große Liebe - die Häuptlingstochter Ribanna (Karin Dor) vom Stamme der Assiniboins - und muss sich gleich wieder von ihr lossagen. Denn zur Wahrung des Friedens zwischen Rot und Weiß, für den Winnetou und sein Blutsbruder Old Shatterhand (Lex Barker) bereits seit Jahren eintreten, will der Offizierssohn Leutnant Merril (Mario Girotti) Ribanna zur Frau nehmen. Nach anfänglichem Zögern willigt diese ein; schließlich steht der hehre Zweck weit über ihrem Privatglück. Derweil treibt der böse Ölprinz Bud Forrester (Anthony Steel) sein Unwesen in der Gegend. Mit Vorliebe beutet er seine Arbeiter aus, lässt er von seinen Leuten ganze Indianerdorfpopulationen abschlachten und spinnt fiese Intrigen, die für immer neue Konflikte zwischen Indianern und Armee sorgen. Ein Fall für Winnetou und Shatterhand.

Los geht es gleich mit einem Statisten im duften Plüschbärenkostüm, das einen nicht schlecht spitzen lässt. Dazu kommt im weiteren Verlauf manch gelungener, manch weniger gelungener Scherz für Eddi Arent, der zum zweiten von insgesamt drei Malen als spleeniger, entdeckungsbegieriger Lord Castlepool auftritt. "Winnetou - 2. Teil" ist der einzige Film der Reihe, in dem Shatterhand ohne seinen steten, von Ralf Wolter gespielten Sidekick Sam Hawkens auskommen muss, dafür kam nochmal Mirko Bormann als reimender Scout Gunstick Uncle zurück, ebenfalls eine überaus lustige Figur. Leider muss er viel zu früh wieder aus dem Film verschwinden und Arent das komische Feld überlassen, was recht schade ist. Mario Girotti bekommt von all seinen May-Auftritten (immerhin vier an der Zahl), zugleich der erste, seinen größten und wichtigsten Part, der ihm sogar einige Einzelszenen ohne die überlebensgroßen Hauptfiguren gestattet. In seiner einzigen May-Appearance zu sehen ist indes Klaus Kinski, der sich als biberfellmützenbewährter Sauhund ausnahmsweise sogar selbst synchronisiert hat und eine für die - wiederum bedauernswerte - Schmalheit seiner Rolle absolut fantastische Performance bietet. Kinski hätte auch einmal einen Hauptbösewicht spielen sollen, aber den Stress wollte sich Wendlandt vermutlich nicht antun.
Herrliche Schauplätze nebst den in bavaesker Farbpracht ausgeleuchteten Höhlen von Postojna gibt es wieder zu bewundern und freilich exakt jene spezifisch-atmosphärische Romantik, die man wirklich einzig in den "Winnetou"-Beiträgen Harald Reinls findet. Daher weitaus mehr als eine 'runde Sache'.

9/10

Winnetou Karl May Harald Reinl Indianer Freundschaft Kavallerie


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DER ÖLPRINZ (Harald Philipp/BRD, YU 1965)


"Ich weiß von nichts."

Der Ölprinz ~ BRD/YU 1965
Directed By: Harald Philipp

Winnetou (Pierre Brice) und Shatterhand (Stewart Granger) begeben sich auf die Spur eines infamen Ölprinzen (Harald Leipnitz), der sich nicht nur zum Monopolisten aufschwingen will, sondern seiner blauäugigen Kundschaft auch noch falsche, präparierte Ölquellen andreht. Als der Ölprinz erfährt, dass der in einem Siedlertreck mitreisende Mr. Bergmann (Veljko Maricic) einen Sack voll Gold unterm Kopfkissen mit sich führt, will er auch diesen an sich bringen Dazu sät er Zwietracht zwischen den Utah, in deren Stammesgebiet die Siedler sich niederlassen wollen und den Weißen, indem er den Häuptlingssohn (Sime Jagarinac) hinterrücks ermorden lässt. Für Surehand zählz nun jede Sekunde, denn der wahre Mörder muss her...

Man kann "Der Ölprinz", dem zweiten und mittleren Rialto-Western mit Stewart Granger, sicherlich manches vorwerfen: Dass er wieder einmal völlig vorlagenentfremdet ist, dass er für die Reihe ungewohnt flache Rückprojektionen beinhaltet (besonders vermeidenswert in der Eröffnungssequenz und bei einer späteren Floßfahrt auf etwas unglaubhaft reißenden Wassern) und dass er als einziger May-Western auf die obligatorische Anrede in der 2. Person Plural verzichtet und stattdessen mit der 3., also mit "Sie" und Ihnen" operiert, was nach bislang sechs geschauten Titeln sogleich als merkwürdig befremdlich ins Ohr geht. Dennoch ist "Der Ölprinz" mir der liebste unter den drei Surehands, er verfügt mit dem von Heinz Erhardt gespielten Kantor Hampel über eine der lustigsten und schönsten Nebenfiguren der gesamten Reihe mitsamt großartigen Auftritten sowie mit Harald Leipnitz als dem namenlosen Ölprinzen über meinen Lieblingsschurken aus allen Winnetous - trotz Herbert Lom oder Mario Adorf. Allein Leipnitz' wunderbar sonore Stimme macht ihn unverwechselbar und mit welch genüsslicher Diabolik er seinen Hundsfott von Bösewicht umsprüht, das zeugt von höchster Könnerschaft. Der Ölprinz ist nämlich nicht nur brutal, egoistisch, hinterhältig und sadistisch, sondern erweist sich am Ende, als die Quittung für seine Untaten auf ihn wartet, auch noch als feiger Jammerlappen. Damit dürfte er einen realistischeren Oberbanditen abgeben als all seine ähnlich geschniegelten Vorgänger und Nachfolger zusammen...

8/10

Harald Philipp Winnetou Krautwestern Karl May Indianer Freundschaft Siedler Treck


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UNTER GEIERN (Alfred Vohrer/BRD, YU, I, F 1964)


"Ihr seid doch alle gleich, alle miteinander!"

Unter Geiern ~ BRD/YU/I/F 1964
Directed By: Alfred Vohrer

Winnetou (Pierre Brice), Old Surehand (Stewart Granger), Old Wabble (Paddy Fox) und der junge Martin Baumann (Götz George) begeben sich daran, die Bande der "Geier" unter dem Vorsitz des schurkischen Preston (Sieghardt Rupp) unschädlich zu machen, die ihm Llano Estacado, dem Grenzgebiet zwischen Arizona und New Mexico, brandschatzen und morden, was das Zeug hält. Unter anderem haben die Geier bereits Baumanns Mutter und Schwester auf dem Gewissen sowie den alten Schoschonen-Häuptling, dessen Sohn Wokadeh (Gojko Mitic) auf Rache aus ist. Als die Geier planen, einen Siedlertreck zu überfallen, bringen Winnetou und Surehand wieder alles ins Lot.

Der erste "Winnetou"-Film, der von Hotte Wendlandts Granger-Besetzungscoup zehren konnte, ging ein wenig zu Lasten Lex Barkers, der ursprünglich wieder neben Pierre Brice hatte auftreten sollen, jedoch gerade für Brauners May-Mexiko-Dublette tätig war. Da die Maschine weiterzulaufen hatte, holte Wendlandt sich Stewart Granger mitsamt seinem stetigen Sidekick Paddy Fox (eigentlich Milan Srdoc), beides Figuren, die nicht nur völlig gegensätzlich zu ihren literarischen Vorbildern entworfen wurden, sondern die zudem in der originären Vorlage von May überhaupt nicht vorkamen. Dafür wurden andere elementare Figuren gestrichen. Wendlandts Umspringen mit den May-Erzählungen präsentierte sich als immer freier und orientierte sich an den eigenen Ressourcen, was das Publikum jedoch kaum zu stören schien. Ansonsten ist hier gute Laune Trumpf: Dass diverse Personen massakriert werden (es gibt eine Szene, die ganz ähnlich zu jener in Fords "The Searchers" angelegt ist, in der Ethan Edwards und Martin Pawley die von den Comanchen getöteten Leichen ihrer Lieben finden), schert einen nur kurz, dann greifen wieder Action und Vergnügen. Jenes ist nicht zuletzt einer überaus großzügig dekolletierten Elke Sommer zuzuschreiben, deren Primäraufgaben wohl im Vorzeigen und breitem Grinsen bestanden. Sieghardt Rupp ist ein toller, leider nur einmalig zu sehender Oberbandit, derweil Mario Girotti/Terence Hill im Gegensatz zum kurz zuvor entstandenen "Winnetou - 2. Teil" bloß eine sehr kleine Rolle abbekommen hat.

7/10

Karl May Alfred Vohrer Winnetou Krautwestern New Mexico Freundschaft Rache Treck





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