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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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SUPERMAN (Richard Donner/UK 1978)


"Lex, my mother lives in Hackensack."

Superman ~ UK 1978
Directed By: Richard Donner

Kurz vor der Explosion des Planeten Krypton schickt der Wissenschaftler Jor-El (Marlon Brando) seinen erst wenige Wochen alten Sohn Kal-El in einer Raumkapsel zur Erde. Nach drei Jahren landet der Flugkörper in einem Weizenfeld in Kansas, wo ihn das kinderlose Farmehepaar Jonathan (Glenn Ford) und Martha Kent (Phyllis Thaxter) findet. Den Knirps, der gleich nach seiner Befreiung gigantische Körperkraft offenbart, adoptieren sie kurzerhand. Jahre später, sein irdischer Vater ist just verstorben, erfährt der mittlerweile im Teenageralter befindliche "Clark" Kent (Jeff East) um das Geheimnis seiner Herkunft. Ein Kristall aus seiner in der Scheune versteckten Kapsel lotst ihn in die Arktis, wo aus dem artefakt eine gigantische Festung erwächst. Hier erfährt Kal-El alles über seine wahren Eltern, seinen Heimatplaneten und seine Aufgabe auf der Erde. Nachdem er sich in der Großstadt Metropolis eine Zweitidentität als Reporter beim Daily Planet aufgebaut hat, wird "Superman" (Christopher Reeve), wie ihn seine Journalistenkollegin Lois Lane (Margot Kidder) tauft, zum Wahrzeichen der Stadt. Umgehend tritt jedoch auch der unumgängliche Antagonist auf den Plan: Der Superverbrecher Lex Luthor (Gene Hackman), der riesige Areale in der Wüste Kaliforniens aufkauft und damit ganz spezielle Pläne hat...

Nachdem "Jaws" und "Star Wars" den Schwanengesang New Hollywoods eingeläutet hatten und den Studios demonstrierten, wie reichhaltig mit phantastischen Stoffen Kasse zu machen ist, kümmerten sich das ungarischstämmige Produzentengespann Salkind Senior und Junior um die Rechte an dem amerikanischen Comic-Book-Mythos Superman, der 1977 bereits stolze neununddreißig Jahre auf dem Buckel hatte. Unter späterer Einbeziehung des Regisseurs Richard Donner und über diesen des Scriptdoktors Tom Mankiewicz erhielt "Superman" seine nunmehr bekannte, filmische Urform. Der Ansatz bestand darin, die Comic-Mythologie ernst zu nehmen und sie nicht zu parodistischem Camp verkommen zu lassen, wie es zuvor das "Batman"-TV-Serial aus den Sechzigern vorexerziert hatte. Die Figur und ihr Universum sollten zu seriösem Leben erweckt werden und unter Zuhilfenahme eines gigantischen Budgets zeitgenössisches Kinoformat erhalten. Zudem sollten gleich zwei Filme back to back entstehen, ein Plan, der unter den bald erkaltenden Füßen der Geldgeber jedoch verworfen wurde und dessen Aufgabe dem gerade beginnenden Franchise eine traurige spätere Entwicklung verschaffte.
Das Endresultat dieser ersten wirklichen Comic-Verfilmung, die all den infantilen Ansätzen der Vergangenheit den Boden unter den Füßen wegzog, war möglicherweise sogar noch vollendeter als seine Hersteller es sich zuvor ausgemalt hatten: "Superman" ist ein Meisterwerk des amerikanischen Films und von bleibend hohem kulturellen Rang. Ein Film, der mit seiner Fantasie und seinem Herzblut ungebrochen verzaubert und der seiner Titelfigur als amerikanischer Ikone zugleich ungeahnte Metaebenen verleiht. Ein Film, der weit mehr noch als "Star Wars" als gewissermaßen bourgeoise Replik auf das langjährige, selbstgesäte Misstrauen in das Land gewertet werden muss und dessen starker kreativer, europäischer Impact ihn möglicherweise weitaus intelligenter dastehen ließ als es eine rein nationale Produktion vermocht hätte. Ein Film schließlich, der abgesehen von seinen sicherlich antiquiert wirkenden Spezialeffekten von einer formalen Meisterschaft ist, die in solcher Vollendung vielleicht einmal alle zehn Jahre die Wahrnehmung des geneigten Kinobesuchers erfreut. Dazu zählen Geoffrey Unsworths nebulöse Weichzeichnerbilder von den Weiten des Mittelwestens und der Reise durch Kal-Els Geisteswelt ebenso wie John Williams' epochaler Score (womöglich sein bester) und natürlich Richard Donners Inszenierung, die nie wieder solch ehrgeizige Qualität erreichen sollte. Ein brillantes Ensemble, allen voran der im Rückblick so traurige Star Christopher Reeve, der mit seiner Superman-Interpretation eine filmische Heldeninkarnation geschaffen hat wie niemand sonst, stimmt diesen Wahnsinnsfilm ab bis aufs i-Tüpfelchen. Für mich, man ahnt es angesichts der obigen Zeilen, ist "Superman" schon seit frühester Kindheit ein Lebensbegleiter und sicherer Herzwärmer in trüben Tagen, der sich nie, niemals abnutzen wird. Ob ich ihn als Erstklässler mit großen Augen auf dem Fernseher verfolgte, ihn als späterer Grundschüler bei einer Wiederaufführung anlässlich des dritten Teils erstmals im lokalen Kino erleben durfte oder ihn als Teenager als 'Trip Movie' genoss; "Superman", "Richard Donners Superman" bitt'schön, war immer bei mir. Und er wird es immer sein.

10*/10

Richard Donner Robert Benton Mario Puzo DC Comics Superhelden Superman Kansas Stuart Baird Aliens


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THE RUSSIA HOUSE (Fred Schepisi/USA 1990)


"It's everyone's duty to start the avalanche."

The Russia House (Das Russland-Haus) ~ USA 1990
Directed By: Fred Schepisi

Der Londoner Verleger und Russlandliebhaber Barley Blair (Sean Connery) wird von einem russischen Physiker (Klaus Maria Brandauer) auserkoren, dessen Aufzeichnungen über die marode russische Rüstungsindustrie im Westen publik zu machen. Ziel soll der baldige Stop des sinnlosen internationalen Wettrüstens sein. Als Mittelsfrau wählt "Dante", so der Codename des Physikers, die hübsche Lektorin Katya (Michelle Pfeiffer). Unumwunden werden die Geheimdienste auf Blair aufmerksam und überreden ihn, für sie Blairs Identität und Vertrauenswürdigkeit festzustellen. Auf seiner Reise nach Moskau verliebt er sich in Katya, die, als der KGB Wind von Dantes Plänen bekommt, in höchste Lebensgefahr gerät.

Ein filmästhetischer Hochgenuss, den der Australier Schepisi da kredenzt. Mit der Öffnung des Vorhangs ging auch die Option, vor Ort zu drehen einher und diese nutzte Schepisi in unvergleichlich beeindruckender Weise. Es gibt Städteimpressionen von Moskau und Leningrad, die auf der Leinwand ihresgleichen suchen; schwelgerische urbane Bildkonstrukte von geradezu klassischer Würde und Schönheit, die sogar ihre charakterliche Berechtigung finden, da sie Blairs Liebe zum Land in visuelle Erläuterung kleiden. Wer behauptet, dass Sean Connery kein guter Schauspieler sei, der möge sich darüberhinaus bitte diese Performance von ihm zu Gemüte führen und schweige danach für immer stille. Für eine le-Carré-Adaption besitzt "The Russia House" ferner ein ungewohntes Maß an Emotionalität und Herzenswärme, die nicht zuletzt durch das erwachsene, höchst diffizil angelegte Dialogscript sowie durch die mitreißend inszenierte Romanze zwischen Connery und Pfeiffer forciert werden. So steht "The Russia House" in bester, altehrwürdiger Kinotradition und führt diese in bravouröser Weise fort.

9/10

Fred Schepisi John le Carré Russland Kalter Krieg London Moskau Leningrad Spionage UDSSR


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THE ODESSA FILE (Ronald Neame/UK, BRD 1974)


"And I thought you just were here because of the Jews..."

The Odessa File (Die Akte Odessa) ~ UK/BRD 1974
Directed By: Roland Neame

Hamburg, 1963: Am Abend der Ermordung John F. Kennedys stirbt in der Hafenstadt auch der ehemalige KZ-Häftling Salomon Tauber durch Selbstmord. Dem Journalisten Peter Miller (Jon Voight) geht das Tagebuch des Toten zu, in dem er die einst erlebten Greuel im KZ von Riga beschreibt. Verantwortlich dafür war in erster Linie der Lagerleiter Eduard Roschmann (Maximilian Schell). Ebenjenen will Tauber - unter neuer Identität - drei Wochen zuvor in Hamburg gesehen haben. Miller geht der Sache nach und erlebt zunächst einen vergeblichen Marsch durch die Institutionen. Nicht nur, dass ihm niemand helfen will, der Einfluss der rehabilitierten SS-Schergen reicht bis in höchste Beamtenetagen. So lässt Miller sich vom Mossad anwerben und wendet sich undercover an die aus ehemaligen SS-Mitgliedern bestehende Organisation ODESSA - mit Erfolg.

Ebenso trivial wie Forsyths fabulierfreudige Vorlage fertigte Regisseur Neame zwischen seinen beiden Katastrophenreißen "The Poseidon Adventure" und "Meteor" dieses Mal der Vergangenheitsbewältigung. "Ein Volk kann nicht böse sein, nur einzelne Menschen" erklingt es aus dem schriftlichen Nachlass des exemplarisch gezeichneten Salomon Tauber. Dass es so etwas wie eine Kollektivschuld nicht gäbe, heißt es da weiter und auch der weitere Filmverlauf macht keinen Hehl daraus, dass die junge Generation Wirtschaftswunder, hier repräsentiert durch einen betont naiv agierenden Jon Voight, nicht allein an Aufklärung und Entlarvung der Mörder, sondern auch an der schonungslosen Offenlegung der Fakten interessiert war. "The Odessa File" macht aus dieser moralischen Komplexitätsreduktion einen überaus unterhaltsamen, spannenden Politthriller, den man mit einigem faktischen Wohlwollen durchweg genießen kann. Eine deutschsprachige Schauspiel-Elite (neben Maximilian Schell ist dessen Schwester Maria zu sehen, ebenso wie Günter Strack, Klaus Löwitsch und Günter Meisner als Handlanger des Bösen) sorgt für den notwendigen Nationaltouch und dass Neame sich auf die Inszenierung von Spannungshöhepunkten versteht, muss eigentlich nicht extra herausgestellt werden.
Sehenswert, vor allem als Zeitdokument.

8/10

Ronald Neame Frederick Forsyth Hamburg Wien München Holocaust Nationalsozialismus Rache Verschwörung period piece


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THALE (Aleksander Nordaas/NO 2012)


Zitat entfällt.

Thale ~ NO 2012
Directed By: Aleksander Nordaas

Die beiden Tatortreiniger Elvis (Erlend Nervold) und Leo (Jon Sigve Skard) müssen in die Provinz ausrücken, um dort die blutigen Hinterlassenschaften eines toten, älteren Mannes zu entsorgen. Dabei entdecken sie unterhalb des Geräteschuppen einen subterranen Verschlag, in dem sich eine verstörte, junge, des Sprechens offenbar nicht mächtige Frau (Silje Reinåmo) befindet. Cassettenaufnahmen des Mordopfers geben ihnen nach und nach Aufschluss über die Dame: Offenbar handelt es sich bei ihr um eine Vertreterin der sagenhaften "Huldra", weibliche, in den norwegischen Wäldern heimische Fabelwesen, die von einer geheimen Regierungsorganisation eingefangen und später von dem getöteten Herrn befreit und versteckt gehalten wurde. Als Vertreter ebenjener Organisation auftauchen, gerät nicht nur Thale, wie die Huldra genannt wird, in Bedrängnis - auch Elvis und Leo sind als Mitwisser in höchster Gefahr.

Kurz, prägnant und nett nimmt sich dieser Fantasy-Horror-Hybrid aus norwegischer Fertigung aus, der gemäß der vollmundigen Werbung an "Trolljegeren" anknüpfen soll, dieses Versprechen jedoch nur bedingt einlöst. Ich glaube bestimmt, dass hier eine Gruppe engagierter junger Filmemacher am Werk war, die etwas Außergewöhnliches im Sinn hatten - wie schwer es allerdings ist, dies einem hoffnungslos übersättigten Publikum, das ja irgendwie sowieso schon alles gesehen hat, schmackhaft zu machen, diese Bürde wollte ich nicht teilen. Was gefällt, ist wie bereits bei "Trolljegeren" die Idee, nordische Folklore "wahr" werden zu lassen und, damit nicht genug, diese als längst auf Regierungsebene bekannt zu verkaufen. Daraus entstehen dann ja gar lustige Möglichkeiten der Verschwörungsverwicklungen, die im vorliegenden Falle ausgerechnet zwei eher niedere Vertreter der Arbeiterklasse tangieren sollen. Das ist schon recht hübsch und komisch, aber noch immer zu "kurzgeschichtenverwurzelt", um daraus etwas Abendfüllendes zu kreieren. Außerdem wirken die Effekte gemessen an aktuellen Standards ziemlich amateurhaft. Aber gut, da gibt's nun wahrlich Schlimmeres.

6/10

Aleksander Nordaas Norwegen Monster Krebs Freundschaft Verschwörung


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THE VETERAN (Matthew Hope/UK 2011)


"Fear is justification, fear is control, fear is money."

The Veteran ~ UK 2011
Directed By: Matthew Hope

Kaum wieder in seinem alten Südlondoner Viertel angekommen, hat der frischgebackene Irak- und Afghanistan-Veteran Robert Miller (Toby Kebbell) keinerlei Zeit, seinen Kriegstraumata zu begegnen: Sein Nachbar Fahad (Ivanno Jeremiah) klagt über die brutale Regentschaft des Ghettobarons Jones (Ashley Thomas), derweil Miller von einer Regierungsorganisation angeworben wird, in London befindliche, salafistische Terrorzellen auszukundschaften. Als er feststellt, dass er nur ein winziges Zahnrädchen in einem international operierenden Industriegefüge war und ist, greift Miller zur Waffe...

Durchaus interessante Melange aus "Taxi Driver", "The Exterminator", "Harry Brown" und den Verschwörungs-/Paranoia-Thrillern der Siebziger - freilich im postmodernen Gewand der neuen britischen Welle.. Toby Kebbell als ebenso kompromissloser wie psychisch angegriffener Kriegsmassenmörder findet im heimischen Londoner Tagesgeschäft keinen rechten Halt mehr; die Suche nach Alltagsberufen verläuft erfolglos, stattdessen lässt er sich von einer nicht näher definierten Organisation anwerben, um in deren Weisung die Undercover-Agentin Alayna (Adi Bielski) loszueisen und herauszufinden, wie und wo die islamistische Weltbedrohung in London operiert. Damit nicht genug, geht sein Sozialbauviertel immer mehr vor die Hunde: Der Dealer Jones rekrutiert pausenlos Ghettokids um seine Privatarmee zu stärken. In Millers längst von omipräsenter Gewalt okkupiertem Weltverstehen verschmelzen diese beiden Zustände zu einem Korridor des Amoklaufs, der endgültig entfesselt wird, als er die Wahrheit über die moderne globale Kriegsführung erfahren und seine heimliche Liebe Alayna ebenso wie seinen Freund Farad an dessen Wirren verlieren muss. Sein Aufbegehren ist jedoch nur von kurzer Prägnanz und von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Besonders das Finale von "The Veteran" weiß nach manchem narrativen Irrläufer mit seiner kompromisslosen Desillusioniertheit zu beeindrucken, das dann auch nicht mehr die Fantasie zur metarealen Überhöhung aufbringt wie es seine Ahnherren, die Rächerfilme von vor dreißig, vierzig Jahren vermochten. Heute ist keine Zeit mehr für Helden, und mögen sie noch so wahnhaft sein. Heute endet das Aufbegehren des Individuums mit dem Blick in den Lauf einer Handfeuerwaffe, gehalten von einem Zwölfjährigen. Bang, you're dead.

7/10

Terrorismus Verschwörung Matthew Hope London Slum Spionage Rache


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UNTER DEN DÄCHERN VON ST. PAULI (Alfred Weidenmann/BRD 1970)


"Ah, ein Trunkenbold."

Unter den Dächern von St. Pauli ~ BRD 1970
Directed By: Alfred Weidenmann

Innerhalb von 24 Stunden kreuzen sich mehrere Einzelschicksale auf St. Pauli: Harry (Ralf Schermuly) will Rache an dem Unterweltboss Hausach (Werner Peters), der Harrys Frau auf dem Gewissen hat; der liebeskranke Pasucha (Jean-Claude Pascal) flüchtet mit einer Geisel (Inger Zielke) vor der Polizei, nachdem er seine ihn ablehnende, als Stripperin arbeitende Frau (Lova Moor) erschossen hat, Studienrat Himboldt (Joseph Offenbach), der mit seinen Lübecker Oberprimanern auf der Reeperbahn unterwegs ist, soll Opfer eines gemeinen Scherzes werden, ein besorgter Flensburger Vater (Alfred Schieske) spürt seiner siebzehnjährigen Tochter (Alena Penz) nach, die beschlossen hat, als Nachtclubtänzerin zu arbeiten.

Zwar ein Kolportagefilm, keiner jedoch, der sich so ohne Weiteres als Sleazeprodukt identifizieren lässt wie die im selben Milieu angesiedelten Arbeiten von Rolf Olsen oder Jürgen Roland aus dieser Zeit. Weidenmann und seinem Hausautor Herbert Reinecker gelingt vielmehr das Kunststück, lange bevor jene Erzählstruktur en vogue wurde, sein Ensemble durch einen mehrere Geschichten parallel erzählenden Nachtkosmos zu schicken, der es sogar vermag, nicht durch die übliche, "report-verwandte" Perspektive des Spießbürgertums zu blicken, sondern sein geschildertes Milieu als durchaus authentisch zu verkaufen. Und das, wohlgemerkt, immerhin fünf Jahre vor Altmans "Nashville" und 29 Jahre vor Sönke Wortmanns mutmaßlich stark von diesem Film beeinflussten "St. Pauli Nacht".
Die von mir geschaute DVD zeigt "Unter den Dächern von St. Pauli" in einer garantiert "naturbelassenen", nikotingebräunten Kinokopie, die ganz wunderbar nach zeitgenössisch-vergilbten und ausgeblichenen Fotos ausschaut und die den Film eigentlich exakt so präsentiert, wie es ihm gebührt, ganz ohne den nunmehr üblichen Digital-Schnickschnack. Für mich eine kleine, unerwartete Überraschung kurz vorm Jahresende.

8/10

Alfred Weidenmann Hamburg St. Pauli Kiez Ensemblefilm Nacht


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L.A. STORY (Mick Jackson/USA 1991)


"I keep thinking I'm a grown up, but I'm not."

L.A. Story ~ USA 1991
Directed By: Steve Martin

Harris K. Telemacher (Steve Martin) ist als komödiantischer Wetterfrosch bei einem lokalen Fernsehsender längst festes Mitglied der High Snobiety von L.A.. Mit seiner Freundin Trudi (Marilu Henner) lebt er ein unausgegorenes Leben zwischen Unzufriedenheit und Betrug, sein junger Boss (Woody Harrelson) ist ein rechter Kotzbrocken. Als ihm eines Tages die so erfischend konventionelle Londoner Journalistin Sara McDowel (Jessica Tennant) begegnet, krempelt sich sein von Oberflächlichkeiten umrahmtes Leben entscheidend um.

Steve Martins "Woody-Allen-Film", in dem wohl alles diametral gehalten ist zum bebrillten Regisseur und Klarinettisten. L.A. ist nicht New York. Und Martin ist nicht Allen. Sein Protagonist ist kein neurotischer Autor, sondern ein unkreativer Spaßvogel mit etwas einfältigen Methoden der Freizeitgestaltung. Marcel Ophüls, Freud, Bergman oder Strindberg sind für Martin kein Thema, mit Django Reinhardt und Chansons kann jedoch auch er etwas anfangen. Dafür ist Martins Ansatz, eine Hommage an seine Stadt zu schaffen, ein weitaus filmischerer. Er scheut sich nicht vor visuellen Tricks und Surrealismen; Blumen im Zeitraffer, Gedankenbläschen mit Mel Gibson darin oder der traumhaften Rückverwandlung eines frischverliebten Paares in seine Kleinkindesgestalt. Ebenjene Momente sind es, die "L.A. Story" seine spezifische, unwiderstehliche Magie verleihen. Das honorierten auch des Autors Komikerkollegen Chevy Chase, Rick Moranis und Terry Jones, die in feinen Cameos (letzterer in einem rein auditiven) dabei sind. Mich würde interessieren, ob Allen Martins, Verzeihung, Jacksons Film einmal gesehen hat und, falls ja, wie er ihm gefiel. Ich bleibe insgesamt betrachtet lieber bei Allen und New York, mag Martins Städte-Hommage aber dennoch sehr, insbesondere wegen ihrer fürstlichen Musikuntermalung mit sphärischen Enya-Songs. Und Django Reinhardt.
Ein Kompliment noch für Patrick Stewarts gnadenlos witzigen Gastauftritt und, in diesem Zusammenhang, auch an die ausnahmsweise wahrlich bravouröse deutsche Synchronfassung mitsamt Martins bestem, leider allzu selten in Anspruch genommenem Sprecher Eckart Dux.

8/10

Mick Jackson Steve Martin Los Angeles Kalifornien Hommage Satire Groteske Erwachsenenmärchen


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SUDDENLY, LAST SUMMER (Joseph L. Mankiewicz/USA 1959)


"Sebastian said 'Truth is the bottom of a bottomless well'."

Suddenly, Last Summer (Plötzlich im letzten Sommer) ~ USA 1959
Directed By: Joseph L. Mankiewicz

New Orleans, 1937: Der Chicagoer Hirnchirurg Dr. Cukrowicz (Montgomery Clift) kommt in die finanziell marode örtliche Psychiatrie und bringt die bahnbrechende Methode der Lobotomie mit sich. Als die exzentrische, reiche Witwe Violet Venable (Katharine Hepburn) davon Wind bekommt, bietet sie dem Sanatorium eine millionenschwere Erweiterung an - unter der Bedingung, dass Cukrowicz eine Lobotomie an ihrer Nichte Catherine (Elizabeth Taylor) durchführt, die sich seit einem Nervenzusammenbuch vor etwa einem Jahr in psychotherapeutischer Behandlung befindet und bislang als "unheilbar" gilt. Cukrowicz lernt die hübsche junge Frau als durchaus standfeste Persönlichkeit kennen und arbeitet sich allmählich hinter Mrs. Venables wahre Absichten vor: Ihr geht es nämlich einzig darum, die überaus unbequemen Umstände des im letzten Sommer stattgefundenen, gewaltsamen Todes ihres Sohnes Sebastian zu verschleiern, dessen unfreiwillige Zeugin Catherine wurde...

Wie bereits in seinem Drama "Cat On A Hot Tin Roof" geht es auch in Williams' "Suddenly, Last Summer" um mühevoll totgeschwiegene, latente Homosexualität und wie sie Schein und Sein des altehrwürdigen Südstaatenadels ins Verderben ziehen kann. Aufgezogen wie ein christiesches Kriminalstück holt Cukrowicz am Ende sämtliche Beteiligten zusammen und lässt seine Patientin, um deren Fortbestand als geistig mündiges Individuum es geht, mithilfe eines Wahrheitsserums ihre mentalen Blockaden wegschießen und die realen Ereignisse ausplaudern: Jener Sebastian Venable, der wie ein omnipräsenter, unheiliger Geist über der gesamten Geschichte schwebt, der, naturvebundener Dichter und Fatalist, offenbar unter ödipaler Fuchtel litt, liebte es, sich in wirtschaftlich unterentwickelten Regionen des Globus hübsche Jungs anzulachen und mit ihnen seine Urlaube zu "verschönern". Im letzten Sommer wurde seine südstaatliche Arroganz ihm jedoch zum Verhägnis; ein barbarischer Tod war die Folge. Seine herrische Mutter, seit jeher eine Meisterin im Verschleiern und Verdrängen unkomfortabler Wahrheiten, sieht in ihrer selbstbewussten Nichte die einzige Verbindung zu den Fakten - also muss sie weg. Nicht per Mord, das wäre zu schmutzig, sondern via eine Hirnoperation, deren willkommener Exekutiv ausgerechnet Dr. Cukrowicz ist. Für Monty Clift, der selbst unter anfangs noch verdrängter Homosexualität und infolge dessen unter schwerem Drogenkonsum zu leiden hatte, muss die Interpretation in diesem Film, dem dritten an der Seite seiner Freundin Liz Taylor, einer harten Bürde gleichgekommen sein. Er wirkt hier, immerhin noch sieben Jahre vor seinem frühen Tod, bereits schwer gezeichnet und von einer gigantischen Melancholie und Depressionen gebeutelt. So ist "Suddenly, Last Summer", auch infolge seiner meisterlich eingesetzten Todesengelsymbolik, ein stark morbider Film, der nicht wenig an die Nieren geht.

8/10

Joseph L. Mankiewicz New Orleans Südstaaten period piece Psychiatrie based on play Homosexualität Tennessee Williams


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NO WAY OUT (Joseph L. Mankiewicz/USA 1950)


"Ray Biddle likes Beaver Canal. He likes what it stands for."

No Way Out (Der Hass ist blind) ~ USA 1950
Directed By: Joseph L. Mankiewicz

Die beiden Brüder John (Dick Paxton) und Ray Biddle (Richard Widmark) werden nach einem Feuergefecht mit der Polizei ins County Hospital eingeliefert. Dort schiebt der just promovierte, dunkelhäutige Arzt Brooks (Sidney Poitier) Nachtschicht. Brooks sieht sofort, dass John Biddle nicht nur an einem Beinschuss leidet - er vermutet einen akuten Hirntumor und führt eine Lumbalpunktion durch. Im selben Moment stirbt John. Dessen nicht nur schwer soziopathischer, sondern zudem noch arg rassistisch eingestellter Bruder Ray interpretiert Brooks' Hantieren mit der Nadel als Mord und schwört Rache für Brooks. Der sieht die einzige Möglichkeit zum Beweis seiner Unschuld in einer Autopsie an John, der jedoch weder Ray noch Johns Witwe Edie (Linda Darnell) zustimmen wollen.

Ein früher filmischer Beitrag zum ewig grassierenden Thema "Rassismus in der amerikanischen Urbanität". Der Name der handlungsstiftenden Stadt bleibt freilich unerwähnt, um eine gezielte Form der Mustergültigkeit zu ermöglichen. "No Way Out" bot dem damals dreiundzwanzigjährigen Sidney Poitier seine erste Hauptrolle (dennoch musste er sich mit dem vierten Platz der Besetzungsliste begnügen) und gab zugleich sein formatives Rollenschema für die nächsten Jahre und Jahrzehnte vor: Das nämlich des attraktiven, charmanten Vorzeige-Afroamerikaners, der sich tapfer durch sämtliche sozialen Schranken kämpft und der seinen eigenen, latenten Rassismus stets beizulegen in der Lage ist. In dieser Hinsicht markierte "No Way Out" aber dennoch einen wichtigen Meilenstein. Er verband diesen gesellschaftlich relevanten Topos mit typischen Noir-Elementen und bahnte ihm so seinen Weg in die Unterhaltungsindustrie. Heute wirkt der Film, insbesondere im Hinblick auf Ray Biddles stark stereotyp gezeichneten (von Widmark nichtsdestotrotz vorzüglich interpretierten) Charakter, geflissentlich antiquiert, seine emotionale Strahlkraft konnte er sich jedoch bewahren.

8/10

Joseph L. Mankiewicz film noir Rassismus Arzt


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ROAD TO PERDITION (Sam Mendes/USA 2002)


"I'm glad it's you."

Road To Perdition ~ USA 2002
Directed By: Sam Mendes

Im Winter 1931 gerät Michael Sullivan (Tom Hanks), Auftragskiller für die irische Mafia, in Konflikt mit seinem Boss und Ziehvater John Rooney (Paul Newman). Dessen leiblicher Sohn Connor (Daniel Craig), ein gieriger Soziopath, Neider und Alkoholiker, entfesselt eine Intrige gegen Sullivan und ermordet dessen Frau (Jennifer Jason Leigh) und jüngsten Sohn (Liam Aiken). Sullivan flüchtet mit seinem Ältesten, Michael Jr. (Tyler Hoechlin), und setzt, Rache schwörend, das gesamte Syndikat bis hinein in die Machthallen Capones in Chicago unter Druck, indem er Teile von deren Einnahmen und Finanzbücher stiehlt. Sullivan will Connor Rooneys Tod um jeden Preis und geht dafür über Leichen.

Sam Mendes' zweiter Film, die Verfilmung einer DC-Graphic-Novel, ähnelt im Hinblick auf seine Qualitäten und Nachlässigkeiten dem Vorgängerwerk "American Beauty". Wiederum sind Zurückhaltung und Reserviertheit des Briten deutlich zu spüren, der sich förmlich zu mühen scheint, allzu emotionale Elemente aus seiner Arbeit auszuklammern und das Hauptaugenmerk stattdessen auf die formale Kraft des Werkes zu legen. In diesem Punkt sind sich der Film und Max Allan Collins' Comic nicht einmal unähnlich. Den Bruch stellt erwartungsgemäß Tom Hanks dar. Der Michael Sullivan der Vorlage ist eine gefürchtete mörderische Naturgewalt, deren Entfesselung in etwa der Ankunft eines apokalyptischen Reiters gleichkommt. Dieses Element versucht der Film, hinüberzuretten, gestattet sich dann aber doch eine gewisse Weichzeichnung von Hanks' Charakter und Spiel. Die schonungslose Härte und Konsequenz der Graphic Novel wandelt sich - ganz offensichtlich zu Hanks' "professionellen Gunsten" - in eine differenzierte, hier und da sogar durch augenzwinkernde Intermezzi aufgelockerte Vater-Sohn-Geschichte und lässt einen Schuss "Paper-Moon"-Romantik in das Geschehen einfließen. Dem gegenüber stehen Weltklasse-Momente wie die nächtliche, regennasse Exekutierung des alten Rooney (ein abschließendes Geschenk für Paul Newman und sein letztes Geschenk an die Welt) und seiner Gorillas: Mendes lässt irgendwo aus dem dunklen, unfokussierten Hintergrund heraus Sullivans Thompson aufblitzen wie ein höllisches Fanal, derweil Rooney ohne ein Augenzwinkern seinen stillen Frieden mit Gott machen kann. Hätte "Road To Perdition" die ebenso denkwürdige wie gewalttätige Poesie dieser einen Szene auf seine Gesamtausführung projiziert, er wäre wahrscheinlich ein Meisterwerk geworden. So reicht es immerhin noch für ein unterhaltsames Gangsterpiece und auch eine - leider - vertane Chance.

7/10

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Funxton

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