Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

EL CANÍBAL (Jess Franco/E, F, BRD 1980)


Zitat entfällt.

El Caníbal (Jungfrau unter Kannibalen) ~ E/F/BRD 1980
Directed By: Jess Franco

Der kommende Hollywood-Star Laura Crawford (Ursula Buchfellner) weilt in Manila, um sich dort die neueste haute couture vorführen zu lassen. Flugs wird sie von einem Dunkelmann-Quartett (Antonio de Cabo, Werner, Pochath, Gisela Hahn, Melo Costa) kassiert und auf eine der entlegenen Inseln entführt. Sechs Millionen Dollar Lösegeld soll Lauras Sponsor hinblättern und betraut den welterfahrenen Abenteurer Peter Weston (Al Cliver) mit dieser Aufgabe. Dummerweise haust auf der Insel, auf der sich die Gangster einquartiert haben, ein Eingeborenenstamm, der dem Kannibalengott Bocco (Betrand Altmann) huldigt. Dieser fordert regelmäßig nackte Jungfrauen, die er begrabbeln und deren Herzen er in Windeseile verzehren kann. Der umtriebige Weston muss also mit den Ganoven und mit Bocco fertig werden.

Ein Festival der Anschlussfehler - dass Franco bei seinem quantitativ immer wieder unglaublich anmutenden Ausstoß hier und da g'schlampert hat, ist nichts Neues, im Falle "El Caníbal" jedoch bedarf es schon einer ganz besonderen Toleranz seitens des Publikums, seinem Machwerk zu folgen, geschweige denn, selbiges zu würdigen. Gründe dafür sind zahlreich vorhanden: Die Strandpromenade von Benidorm soll uns als Manila verkauft werden und der allabendliche Gästestamm der Disco um die Ecke als Kannibalenvolk. Zwei Einstellungen in ein und derselben Szene sind zu unterschiedlichen Tageszeiten und unter völlig anderen Lichtverhältnissen gegeneinandermontiert worden, gewisse Textilien sind in einem Moment noch an ihrem Platz, um im nächsten Moment wie von Zauberhand zu verschwinden und dann wahlweise wieder aufzutauchen. Chef-Gangster Thomas (de Cabo) fuchtelt bedrohlich mit seiner Lufdtruck-Pistole herum und Werner Pochaths "grauselige" Enthauptung wird durch ein Palmenblatt simuliert, das man auf seinem Hals drapiert hat. Unser Jess - eben doch der erste, inoffizielle 'Dogma'-Filmer! Immerhin - der fleischbewusste Kostgänger bekommt eine Menge hübscher Damen aus so ziemich jedem möglichen Blickwinkel kredenzt; allen voran natürlich die schöne (M)Uschi Bu(s)chfellner (nein, ich habe mit Kalauern nix am Hut) und die noch schönere Aline Mess. Da war aber dann doch ganz schön wat los an der steinigen Costa Blanca.

5/10

Jess Franco Europloitation Sleaze Philippinen Kannibalismus Splatter Trash Lisa-Film


Foto

HOT SPUR (Lee Frost/USA 1968)


"You're my wife and that's why you have to obey!"

Hot Spur (Heiße Sporen) ~ USA 1968
Directed By: Lee Frost

Der Mexikaner Carlo (James Arena) befindet sich auf einem Rachefeldzug: Nachdem einst seine ältere Schwester in seinem Beisein von einer Gruppe rassistischer Weißer vergewaltigt wurde und sich danach erschoss, jagt er die Übeltäter und bringt sie einen nach dem anderen zur Strecke. Auf seiner Liste fehlt nur noch der Rancher O'Hara (Joseph Mascolo), der sich seit damals um keinen Deut gebessert hat. Nicht genug damit, dass er ausschließlich schmierigstes Volk auf seinem Gut beschäftigt, behanddelt er seine Frau Susan (Virginia Gordon) auch noch wie den letzten Dreck. Carlo entführt Susan, verschanzt sich mit ihr auf einer Hütte den Bergen, macht sie sich gefügig und wartet dort auf O'Hara und seine Männer.

Der Exploitation- und Trash-Western wartet, zumal in den USA und damit dem Ursprungsland des Genre, mit nur wenigen Vertretern auf. Zwei davon, "Hot Spur" und der nachfolgende "Scavengers", die auch hierzulande eine bunte Zensurgeschichte auf dem Kerbholz haben, gehen auf das Konto des berüchtigten B-Filmers Lee Frost. "The Hot Spur" interessiert sich vor allem für die wesenhafte Misogynie der Cowboys und Westleute, die offenbar nichts anderes im Sinn hatten, als Frauen, mit Vorliebe Mexikanerinnen, für die Auslebung ihrer schmutzigen Fantasien zu missbrauchen. Frost zeigt so detailliert, wie es ein Softporno gestattet, mit welch unangenehmem Habitus man dabei vorzugehen pflegte. So ist "The Hot Spur" vor allem ein ausgesprochen hässlicher Film geworden, allerdings unter Vorsatz und vielleicht sogar ein wenig konzipiert als Zerrspiegel des klassischen Studiowestern. Ich nehme an, Frot hat sich beeinflussen lassen von Peckinpah und auch Leones "C'Era Una Volta Il West", jedenfalls sprechen diverse seiner verbratenen Einfälle dafür. Am Ende kopiert er sogar in halbwegs stilsicherer Form die Finaleinstellung aus Fords "The Searchers" und stellt nicht nur damit unter Beweis, dass ihm durchaus ein gewisser Kunstverstand zu Eigen war. Im Allgemeinen ist Frosts Inszenierung, bis auf jene langweilige, dramaturgisch oftmals forciert herbeigeführte und pathologische Zurschaustellung von Schmuddelsex in ihrer kantigen Rauheit durchaus sehenswert. So oder so - ein Mann, der was zu sagen hatte.

6/10

Lee Frost Independent Rache Exploitation Vergewaltigung


Foto

THE BLOOD OF FU MANCHU (Jess Franco/UK, BRD, E, USA 1968)


Zitat entfällt.

The Blood Of Fu Manchu (Der Todeskuss des Fu Man Chu) ~ UK/BRD/E/USA 1968
Directed By: Jess Franco

Fu Manchu (Christopher Lee) hat sich diesmal in einem halbverfallenen Inka-Palast, der 'verlorenen Stadt', im lateinamerikanischen Dschungel abgesetzt, wo er junge Mädchen mit dem für sie selbst ungefährlichen Gift einer Schlange infiziert. Jeder von ihnen verabreichte Kuss wirkt mittelfristig tödlich auf die männlichen Opfer, wobei jene erst erblinden, um dann beim nächsten Vollmond das Zeitliche zu segnen. Weltweit sollen nun Fu Manchus Feinde mit dem 'Todeskuss' behandelt werden. Auch der arme Nayland Smith (Richard Greene) wird zum Opfer. Seinem Partner Dr. Petrie (Howard Marion-Crawford) bleibt nicht viel Zeit, um ein Heilmittel zu finden. Vor Ort hadert Fu Manchu derweil mit weiteren Gegnern und Semi-Verbündeten: Smiths Sonderagent Jansen (Götz George) ist dem Bösewicht auf der Spur und der dicke Desperado Sancho Lopez (Ricardo Palazios) kann sich nicht recht für eine Seite entscheiden...

Mit Franco kommt der Sleaze zu Fu Manchu - oder Fu Manchu zum Sleaze, je nach Belieben. Urplötzlich hüpfen diverse nackte Schönheiten durch des chinesischen Gangsters Kellergewölbe oder balzen mit beleibten Revolverhelden. Götz George, von Francos exzentrischen Manierismen sichtlich genervt, macht wie immer alle Stunts selbst und dabei dennoch eine nicht ganz so propere Figur wie in den Karl-May-Filmen. Er fühlte sich offenbar tatsächlich spürbar unwohl. Umso strahlender Ricardo Palazios als mexianischer (oder guatemaltekischer, das weiß wohl niemand so recht) Pistolero, der seinen Wanst schwungvoll durchs brasilianische Grünareal bewegt und "The Blood Of Fu Manchu" eine gute Portion Launigkeit verleiht. Ansonsten kann man der Reihe attestieren, bei aller francoüblichen Albernheit nochmal die Kurve bekommen zu haben, denn sein erster Beitrag macht wirklich gehörig Spaß und wirft einiges an des Regisseurs individuellem Flair mit in die Waagschale: Ein bisschen verrückt, das Ganze, aber für Franco- und Europloitation-Komplettisten unbedingt sehenswert.

6/10

Fu Manchu Harry Alan Towers Sax Rohmer Jess Franco period piece Sleaze Camp


Foto

SINGAPORE SLING (Nikos Nikolaidis/GR 1990)


"Now I can smoke."

Singapore Sling ~ GR 1990
Directed By: Nikos Nikolaidis

Ein Privatschnüffler verfolgt die Spur eines verschwundenen Mädchens namens Laura bis hin zu einem feudalen Haus in Seenähe, das von Mutter (Michele Valley) und Tochter (Meredyth Harold) bewohnt wird. Die beiden Frauen, die hier in der Abgelegenheit Serienmord, Paraphilie, Rollenspiele und andere Merkwürdigkeiten in vielen Facetten durchspielen, nehmen den angeschossenen und teils bewegungsunfähigen Detektiv gefangen und taufen ihn aufgrund eines Cocktailrezepts in seiner Tasche 'Singapore Sling'. Der Mann wird zum mehr oder weniger willfährigen Opfer der Perversionen der zwei Frauen, bis er schließlich selbst den Verstand zu verlieren droht.

Ein hochpoetisches Gedicht von einem Film, bedingungslos konsequent in seiner zwischen oberflächlicher und verschlammter Schönheit delirierenden Ästhetik. Man kann den Blick kaum abwenden von all dem Ungeheuerlichen, was Nikolaidis seinem - durchaus elitär anvisierten - Publikum in "Singapore Sling" auftischt. Von grenzpornographischen Bildern über die gegenseitige Besprenkelung mit diversen Körperflüssigkeiten, die Auslebung multipler Fetische bis hin zu harten Gewalteruptionen reicht die Palette seiner Visualitäten. Ein Statement, möglicherweise eine künstlerische Sublimierung tiefverwurzelter, unausgelebter Obsessionen. So schön und zeigefreudig sich die Protagonistin Meredyth Harold auch gibt, Nikolaidis zeigt den Voyeuren unter seinen Zuschauern immer wieder die rote Karte, indem er stimulierend beginnende Szenen durch matschige Hemmungslosigkeiten enterotisiert.
Dabei ist "Singapore Sling" natürlich erst in zweiter Instanz ein transgressives, herausforderndes Kunstwerk, primär bietet er ein Panoptikum von Nikolaidis' umfassender Einflussbasis: Angefangen bei Premingers "Laura", von dem "Singapore Sling" ein Semi-Remake darstellt, über Swing, Chandler, Wyler, Losey, Pasolini, Hopper und Hooper reicht die Skala der vielen Zitatwurzeln, die der auteur hierin abgrast: Eine kompromisslose Fundgrube für offenherzige Filmliebhaber.

9/10

Nikos Nikolaidis film noir neo noir Hommage Transgression Groteske Madness Nacht hardboiled


Foto

PIRANHA DD (John Gulager/USA 2012)


"Josh cut off his penis because something came out of my vagina!"

Piranha DD (Piranha 2) ~ USA 2012
Directed By: John Gulager

Der rücksichtslose Spaßbaderbe Chet (David Koechner) hat den Plan, das erhaltene Wasserparadies mit einer "Adult"-Sektion samt nackt badenden Stripperinnen und neckischen Scherzen wie Unterwasserkameras "anzureichern". Seine Nichte Maddy (Danielle Panabaker) ist davon wenig angetan, zumal sie bemerkt, dass Chet, um Wasserkosten zu sparen, ein unterirdisches Flusssystem angezapft hat, in dem sich die bösen Ur-Piranhas aus dem Lake Victoria tummeln. Es kommt, wie es kommen muss...

Im Grunde besitzt "Piranha DD", ein - soviel dürfte bereits im Vorhinein klar sein - rückhaltlos doofer Film, bloß die Chuzpe, die mit dem Vorgänger angedeutete Richtung konsequent weiterzuverfolgen. In diesem wollte Aja sich nicht recht zwischen Funsplatter und Terrorfilm entscheiden, John Gulager, Sohnemann von Clu (der in "Piranha DD" naturellement seine Szene hat), fackelt da nicht lang und beschreitet mit großen Taperschritten ersteren Pfad. Dialoge wie der oben zitierte kultiviert der Film über die volle Distanz, macht Geschmacklosigkeiten nebst billiger CGI und 3D-Hokuspokus, wie er in dieser miesen Form zuletzt im seligen "Jaws 3-D" zu sehen war, zu seinem ureigenen Metier und gibt sich lustvoll sexistisch. Ein langer Weg, dereinst von unabhängig Produziertem wie "The Evil Dead", "Re-Animator" und "Braindead" geebnet, scheint mir nun endgültig vervollkommnet: Die Melange aus hartem Splatter und der Groteskkomödie Marke ZAZ, mit dem Qualitätsstempel der Weinsteins versehen. "Piranha DD" schwingt die grobe Harke und lässt sie tiefe Furchen ziehen, perfektioniert in seinen engmaschig gezogenem Konzept von einem David Hasselhoff, der eine so unnachgiebig harte Selbstparodie (eigentlich müsste es "Selbstanalyse" heißen) liefert, wie ich sie noch nie zu Gesicht bekommen habe. "Welcome to the rock bottom." That's exactly it, baby.

6/10

John Gulager Sequel Fisch 3-D Monster Splatter Groteske Slapstick Arizona Vergnügungspark Parodie Trash Exploitation Marcus Dunstan Tierhorror


Foto

SKIN DEEP (Blake Edwards/USA 1989)


"My name is Zachary Hutton and my wish is to fuck you."

Skin Deep ~ USA 1989
Directed By: Blake Edwards

Der gefeierte Dramatiker, Romancier und Intellektuelle Zack Hutton (John Ritter) ist ein polymorpher Süchtiger: Weder kann er die seine Kreativität lähmende Trinkerei ad acta legen, noch schafft er es, nicht irgendeinem attraktiven Rock hinterherzujagen. Seine postpubertäre Lebenslust kostete ihn allerdings bislang jede ernstzunehmende Beziehung, insbesondere die zu seiner vormaligen Ehefrau Alex (Alyson Reed), die er noch immer liebt und der er hinterhertrauert, die ihm jedoch nicht mehr trauen mag.

Im Prinzip eine etwas modifizierte Variation des aus "10" bekannten, edward'schen Leibthemas des mittalten Mannes in der Sinnkrise ist "Skin Deep" der letzte große Wurf des Genremaestros. Wiederum geht es hier um ein künstlerisch befähigtes, maskulines Individuum jenseits der 40, das Angst hat, seinem liderlichen Lebenswandel Lebewohl zu sagen und das familiäre Sesshaftwedung mehr oder weniger unbewusst mit Altwerden und Tod gleichsetzt. Zack Hutton hat erst noch zu lernen, welche Annehmlichkeiten mit einer stabilen, monogamen Beziehung einhergehen können, so man sich dieser nur öffnet. Der Weg dahin ist allerdings bestimmt den Kern dieser meisterhaften Komödie, die mühelos zwischen hochgewitztem dialogischem Humor und Klamauk hin- und herpendelt, zwischen sophistication und hemmungsloser Albernheit. John Ritter als tolpatschiger, überlasteter Mittlebenskrisler, permanent zwischen Suff und Kater irrend, gibt vielleicht die schönste Vorstellung seiner Karriere und der Titelsong bietet feinsten 80's-Pop mit Nostalgiecharakter. Dazu ein paar wohlfeile Anspielungen auf den damaligen, schwer verirrten Zeitgeist und fertig ist der Pflichtfilm für traditionsbewusste Edwards-Liebhaber.

9/10

Blake Edwards Kalifornien Los Angeles midlife crisis Alkohol Ehe


Foto

BRAND OF SHAME (Byron Mabe/USA, D 1968)


Zitat entfällt.

Brand Of Shame (Django Nudo und die lüsternen Mädchen von Porno Hill) ~ USA/D 1968
Directed By: Byron Mabe

Django (Steve Stunning) kommt nach Porno Hill, um seine Zeitungsredaktion zu betreuen. Auf dem Weg trifft er die jungfräuliche Minenerbin Milly Quark (Darlene Darling) - Liebe auf den ersten Blick. Um Milly und ihre Karte vor den unsittlichen Zugriffen des gierigen Hacker (Steve Vincent) und dessen stadtweit vertretenen Schergen zu beschützen, muss Django sich allerlei Kniffe einfallen lassen.

Time for some intense namedropping: Andreas Mannkopff, Renate Küster, Joachim Kemmer, Beate Hasenau, Edith Hancke, Gerd Duwner, Alexander Welbat: Personenbezeichnungen, mit denen der ordinäre Kinogänger möglicherweise nicht allzu viel anfangen kann, die dem Synchronenthusiasten jedoch vorkommen müssen, wie ein kleines who's who der frühen Siebziger-Jahre-Berliner-Nonsens-Filmvertonungskunst. Wer für das deutsche Dialogscript verantwortlich ist, weiß ich nicht, aber sollte es Brandt oder Brunnemann gewesen sein - und diese Vermutung liegt aus gegebenen Gründen nahe-, müssen selbst diese Herren das Ding unter schwerster Polytoxikomanie zusammenklambüsert haben. Der bare, hanebüchene Schwachsinn nämlich, der hier ohne Unterlass in verbaler Form durchexerziert wird, sucht selbst im paralyrischen Schaffen jener beiden Herren seinesgleichen. "Brand Of Shame" ist ursprünglich ein kleiner, billiger Sexwestern ohne jedweden Gebrauchswert, den der Schweizer Produzent und Verleiher Erwin C. Dietrich seinerzeit ankaufte, einige zusätzliche Szenen (um das in freier Natur kopulierende Paar Bumso und Bumsi, die das Geschehen aus der ferne stellvertretend für den ausbleibenden Dramenchor kommentieren) filmte, sich den göttlichen Titel einfallen und in Berlin mit diesem güldenen Stück bundesdeutscher Kneipensynchro veredeln ließ. So entstand nachträglich ein Film, den man, ähnlich wie heimliche Klassiker vom Schlage "Supermänner gegen Amazonen", eher akustisch denn optisch wahrnimmt, oder sagen wir zumindest, dessen in nachträglicher Instanz erschaffene, metaleptische Audiovisualität das Werk erst wahrhaftig in den Status des Banhofskino-Gesamtkunstwerkes erhebt.

6/10

Byron Mabe Trash Sleaze


Foto

CHAINED HEAT (Lutz Schaarwächter/USA, D 1983)


"Don't call me 'warden'. Call me Fellini!"

Chained Heat (Das Frauenlager) ~ USA/D 1983
Directed By: Lutz Schaarwächter

Weil sie versehentlich einen tödlichen Unfall verursacht hat, muss Carol Henderson (Linda Blair) ins Gefängnis - dass sie im härtesten Frauenknast mindestens des Staates landet, passt jedoch nicht zu ihrem zarten Wesen. Schon bald lernt sie die Strukturen hinter Gittern kennen: Zwei verfeindete Matriarchinnen (Sybil Danning, Tamara Dobson) habe unter den Insassinnen das Sagen, derweil die uneinige Leitung unter Warden Bacman (John Vernon) und Chefaufseherin Taylor (Stella Stevens) einen kriminellen Konkurrenzkampf austrägt: Es werden Pornofilme gedreht, Vergewaltigungen organisiert, man verschachert harte Drogen und befeuert einen Prostitutionsring. Als Carols Freundin Val (Sharon Hughes) grausam ermordet wird, weil sie Zeugin der Machenschaften Captain Taylors wurde, geht Carol in die Offensive...

Ein opus magnum des Exploitationfilms hat Lutz Schaarwächter unter dem Pseudonym 'Paul Nicolas' da vor drei Dekaden auf die Beine gestellt. "Chained Heat" ist denn auch verdientermaßen zu einem instant classic mit wachsender Fangemeinde avanciert, weil er eben alles aufbietet, was das voyeuristische Herz begehrt: Eine Ausnahmebesetzung zu der sich neben den Erwähnten noch Henry Silva und Monique Gabrielle gesellen, schöne nackte Frauen, Vergewaltigungen, knackige Gewaltszenen. Man vermisst garantiert nichts am Ende. Hinzu kommt, dass Schaarwächters Arbeitsethos sich durchaus qualitätsbewusst ausnimmt. "Chained Heat" ist jedenfalls kein heilloser Trash, der von seiner ungelenken Inszenierung zehren muss, sondern ein echter, ambitionierter Vollblutexploiter nach Maß. Joseph Conlans Musik hat streckenweise was von Tangerine Dream und passt sich dem anrüchigen Geschehen hinter dicken Gefängnismauern vortrefflich an. Runde Angelegenheit.

7/10

Lutz Schaarwächter Ernst Ritter von Theumer Mac Ahlberg Gefängnis W.I.P. Exploitation Camp


Foto

SPRING BREAKERS (Harmony Korine/USA 2012)


"Bikinis and big booties - that's what it's all about."

Spring Breakers ~ USA 2012
Directed By: Harmony Korine

Vier Freundinnen (Ashley Benson, Selena Gomez, Vanessa Hudgens, Rachel Korine) wollen dem sie umgebenden College- und Kleinstadtmief Richtung Spring Break entfliehen. Um sich finanziell auszustaffieren, rauben sie zunächst ein Diner aus und starten dann nach Florida, wo ihre Party-Exzesse sie bald hinter schwedische Gardinen führen. Der örtliche Dealer Alien (James Franco) hinterlegt ihre Kaution, erwartet dafür im Gegenzug aber körperliche Gefälligkeiten. Für die sensible Faith (Gomez) der Anlass, wieder nach Hause zu fahren. Die anderen drei lassen sich in Aliens Gangsteruniversum entführen, für zwei von ihnen verwandelt sich seine Rivalität gegen den Konkurrenten Archie (Gucci Mane) in einen blutigen Feldzug.

Harmony Korine, das muss man wissen, ist der Autor der Larry Clark-Filme "Kids" und "Ken Park". Diese Kenntnis erlaubt einen etwas differenzierteren Blick auf "Spring Breakers", einen Film, der sich natürlich nicht in jener Oberflächlichkeit erschöpft, die er in einer Mischung aus Faszinosum und moralinsaurer Protesthaltung porträtiert. Zunächst einmal sieht er toll aus: Schöne junge Menschen mit wenig Textilien am Leib geben sich der bonbonfarbenen Verlotterung in Form von Alkohol, Drogen, Sex und beschissener Musik hin, neonglitzernde Objekte in sternklarer Sommernacht, ein edles weißes Piano vor Bilderbuchküstendämmerung. Und dazwischen unser personell schrumpfendes Mädchenquartett. Deprimiert von der Determination ihres bourgeoisen Lebens stecken sie ihre Nasen in prall gefüllte Eimer mit Koks und Whiskey, wundern sich, dass es infolge dessen einen Kater oder sogar ernstzunehmenden Ärger gibt und holen sich zwischendurch die Absolution bei ihren Familien, indem sie diese via Fernsprecher schlicht anlügen. Als dann der amerikanische Schwiegersohnalbtraum Alien auf der Bildfläche erscheint, geht es endgültig bergab Richtung Moralsumpf. Ab jetzt sind scharfe Knarren im Spiel, Drogen, Gruppensex und Straßenkrieg.
In dem Bewusstsein um Harmony Korines Weltbild kann von ethischer Neutralität natürlich nicht die Rede sein. Der Mann ist mittlerweile 40 und kommt immer noch nicht los von der verworfenen Jugend, wie sie, im Grunde unverantwortlich für sich selbst, Dinge tut, die unvernünftig sind. Ausgerechnet die im Film als gottesfürchtig porträtierte Selena Gomez, die die Kinderzimmerwände von Milliarden Mädchen im Grundschulalter ziert, schafft als erste den "Absprung". Auf einmal steht sie im Billard-Café, wird von Farbigen (!) angestarrt und begrapscht. Da kullern plötzlich die Kleinmädchen-Tränchen, man will "weg hier" und nichts wie ab nach Haus, zur Oma. Bei der nächsten Ausfallnummer ist immerhin eine Kugel im Oberarm verantwortlich. Sowas tut weh und das muss ja nun doch nicht sein. Harmony Korine hat Mitleid mit seinen Schäfchen, aber sein Voyeurismus ist mindestens ebenso unverhohlen und wirkt beinahe schon wie ein selbsttherapeutischer Hilferuf. Ich glaube ganz ernsthaft, dass der Mann ein bis zwei Probleme hat. Nichtsdestotrotz habe ich mir "Spring Breakers" gern angeschaut. Er glänzt so schön.

6/10

Harmony Korine Florida Spring Break Alkohol Drogen Coming of Age Teenager Party


Foto

GWENDOLINE (Just Jaeckin/F 1984)


"Superb, you're superb!"

Gwendoline ~ F 1984
Directed By: Just Jaeckin

Gwendoline (Tawny Kitaen) sucht zusammen mit ihrer Zofe Beth (Zabou Breitman) in China ihren verschollenen Vater, der hier einer seltenen Schmetterlingsspezies auf der Spur war. Zusammen mit dem verruchten Abenteurer Willard (Brent Huff) dringen die beiden Frauen nach diversen Abenteuern zu Lande und zu Wasser in das Reich der Yik-Yak ein, das von einer wahnsinnigen Amazonenkönigin (Berndatte Lafont) beherrscht wird.

Womöglich konzipiert als eine Art "Barbarella" für die Achtziger übernahm der in Angelegenheiten der Hochglanzerotik stets ansprechbare Regisseur Just Jaeckin diese Adaption der Schmutzfinken-Comics um die gleichnamige Titelheldin, deren Schöpfer John Willie die Reihe in den Fünfzigern und Sechzigern zu Papier gebracht hatte. Willie gefiel es als Bondage-Fetischist, seine vollbusigen Heldinnen von engen Fesseln und Knebeln traktieren zu lassen und auf diese Weise ihre - und natürlich seine - geheimen Wünsche zu illustrieren. Tawny Kitaen, deren erste große Darbietung die Rolle der Gwendoline darstellte, war ehedem als Hardrock-Mäuschen bekannt, das durch dieselbe Fönfrisur wie die von ihr angehimmelten Interpreten in den entsprechenden Videos erkennbar war. Zwei Jahre war sie mit David Coverdale von Whitesnake verheiratet und trat regelmäßig in dessen Clips auf. Zusammen mit der damals sogar noch attraktiveren Zabou Breitman lüpft sie gern mal das Blüschen, mehr ist in dieser Hinsicht aber nicht dran. Da punktet "Gwendoline" schon eher mit ein paar frotzeligen Splatter-Einlagen und es kommt Freude auf, wenn ein Paar Ohren am Gefängnisgitter hängenbleibt. Ob die waghalsige Montage, die einen allenthalben glauben lässt, der Film mache urplötzliche Bocksprünge, künstlerische Motive hat oder eher Zeugnis vom Dilettantismus der Hersteller ablegt, vermag ich nicht zu sagen, erstaunt war ich denn aber doch hier und da. Man schaut, man staunt, man schüttelt den Kopf. Gewisse Filme müssen gar nicht mehr leisten.

5/10

Just Jaeckin China Dschungel Exploitation Sleaze Camp Groteske mad scientist period piece Comic





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare