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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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CALIGOLA (Tinto Brass/I, USA 1979)


"If only all of Rome had just one neck..."

Caligola ~ I/USA 1979
Directed By: Tinto Brass

Rom im Jahre 37: Caligula (Malcom McDowell), Enkel des amtierenden Kaisers Tiberius (Peter O'Toole), lässt seinen Großvater von seinem Berater Macro (Guido Mannari) ermorden und sich selbst zum Imperator krönen: Der Beginn einer vierjährigen Schreckensherrschaft, die nach diversen Regierungsskandalen und Bloßstellungen des Senats schließlich von einem lange schwelenden Prätorianer-Aufstand beendet wird.

"Caligola" stellte seinerzeit die erste Möglichkeit für das Feuilleton dar, guten Gewissens einen Film mit pornographischem content besprechen zu dürfen, was natürlich prompt mit der zu erwartenden Ablehnung und mit oberflächlichem Widerwillen quittiert wurde. Blödsinn. Selbst in der nachträglich von "Penthouse"-Kopf Bob Guccione und seinen Schergen umgeschnittenen und modifizierten Fassung, die dann zu Brass' Leidwesen zur allgemein bekannten avancierte, markiert "Caligola" das einzigartige Fanal eines Wahnsinnsprojekts, das mit seiner ebenso kunstvollen wie provozierenden Bildsprache von vornherein als Kulturaffront begriffen werden musste. "Caligola" ist letzten Endes zu einer monströsen Kino-Hydra mutiert, als das zerrissene Werk vierer Egomanen mit jeweils völlig unterschiedlichen Vorstellungen des abschließenden Resultats. Der Scriptautor Gore Vidal hatte den Film als satirische Studie um Cäsarenwahn und Korrumpiertheit im Angesichte totaler Macht konzipiert, Tinto Brass wollte dann daraus eines seiner voluminösen Erotikepen formen, die Produzenten Guccione und Franco Rosselini zerstritten sich und waren zu keiner weiteren Zusammenarbeit bereit; schließlich ließ Guccione nach Beendigung der Dreharbeiten die Filmrollen ohne Brass' Einverständnis in die USA fliegen, um dort die in aller Welt gezeigte Schnittfassung zu besorgen. Der vorliegende Film mag mit Brass' Intentionen nicht mehr viel zu tun haben und es ist bedauerlich, dass Kernsequenzen wie eine Senatsrede, die Caligula von seinem Hengst Incitatus halten ließ, nicht nur weggefallen, sondern anscheinend verschollen sind. Dennoch erscheint mir der Film trotz seiner nachträglich von Guccione und Giancarlo Lui eingefügten Hardcore-Elemente stimmig und erstaunlich wohlkomponiert. Um die Darstellung eines irrsinnigen Charakters halbwegs nachvollziehbar arrangieren zu können, sollten gewisse Ungewöhnlichkeiten zum Maß gemacht werden und ebendies ist hier eben der Fall. "Caligola", sich in Blut und Sperma suhlend, beeindruckt und begeistert mich sogar in dieser Form als einer der wenigen Filme, denen ich das Prädikat 'absolutistisch' zukommen lassen würde. Ein einzigartiges Werk vor allem, und, das ist das Schönste, unter Garantie vor geistloser Neuanordnung gefeit.

9/10

Tinto Brass Rom Römisches Reich Historie period piece Madness Skandalfilm Splatter Parabel


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I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE (Sergio Martino/I 1973)


Zitat entfällt.

I Corpi Presentano Tracce Di Violenza Carnale (Die Säge des Teufels) ~ I 1973
Directed By: Sergio Martino

Unter der Kunststudierendenschaft Roms geht ein maskierter Killer um. Obschon bereits zwei Mädchen grausam ermordet wurden, reist ein Freundinnen-Quartett in eine mondäne Gebirgsvilla in den Abruzzen, um dort auszuspannen. Der Wahnsinnige befindet sich jedoch nach wie vor auf ihrer Fährte und richtet ein Blutbad unter den jungen Frauen an.

Nach ein paar recht stilbewusst inszenierten Gialli lässt Sergio Martino für "I Corpi Presentano Tracce Di Violenza Carnale" (al allemanno: "Die Körper weisen Spuren körperlichen Missbrauchs auf") so richtig die Sleaze-Sau raus, präsentiert unappetitliche Leichensektionen, diverse Ansichten entkleideter Frauenkörper und ist sich sogar für eindeutige Anlehnungen an den Schmuddelerotik-Sektor nicht zu fein. Da wiederum ein zunächst unerkannt gehaltener Maskenmörder für die ebenfalls deutlich ausformulierten Gewaltakte zuständig bzw. verantwortlich ist, gibt es wiederum ein Whodunit-Element, das zumindest dem auditiv Kundigen Synchrongucker recht schnell abhanden kommt. Ansonsten ist die Identität des Killers bei einigen zunächst offenkundig falsch gelegten Fährten jedoch bestenfalls willkürlich erratbar. So oder so ist die Kehrtwende vom Scope-Giallo in edlem Ambiente hin zu deftiger Slasher-Kultur unverkennbar und sorgt dafür, dass "I Corpi" neben Bavas "Reazione A Catena" so etwas wie die mediterrane Patenschaft für die gegen Ende der Dekade startende US-Slasherwelle übernehmen konnte.

7/10

Sergio Martino Giallo Slasher Splatter Europloitation Sleaze Serienmord Rom Abruzzen


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THE POSTMAN ALWAYS RINGS TWICE (Bob Rafelson/USA 1981)


"It's an act of God those lights went out!"

The Postman Always Rings Twice (Wenn der Postmann zweimal klingelt) ~ USA 1981
Directed By: Bob Rafelson


Ex-Knacki, Gelegenheitsgauner und Herumtreiber Frank Frank Chambers (Jack Nicholson) landet während der Tage der Depression im Highway-Diner des Griechen Papadakis (John Colicos). Dessen hübsche Frau Cora (Jessica Lange) verdreht Frank so schnell den Kopf, dass dieser einen Job als Laufbursche in Papadakis' Laden annimmt und schon bald mit Cora in den Federn landet. Sie überredet Frank, ihren ihr überdrüssigen Gatten zu beseitigen, um gemeinsam in eine neue Zukunft gehen zu können. Nachdem der erste Mordversuch fehlschlägt, gelingt der zweite zwar, bringt das verbrecherische Pärchen jedoch vorübergehend ins Gefängnis. Nachdem das Schicksal sie hernach zu weiter auseinandertreiben droht, finden sie zwar wieder zusammen, doch sie haben noch nicht hinreichend für ihre Schandtat gesühnt.

James M. Cains berühmter Roman "The Postman Always Rings Twice" wurde dreimal fürs Kino adaptiert. Die beste und renommierteste Version ist zugleich die erste, 1943 von Visconti vornehmlich motivisch übernommen und als früher Markstein des soeben aufkommenden Neorealismus in das faschistische Italien verlegt. Nur drei Jahre später zog Hollywood mit einer ebenfalls großartigen Variante nach, diesmal mittels eines Beitrags zur Schwarzen Serie. Dann ruhte die Geschichte des in heißer Liebe zum diabolischen Gespann avancierenden Paars einge Dekaden, bis Bob Rafelson mit seinem Stammdarsteller Nicholson eine der letzten Regungen New Hollywoods vollzog. Wohlweislich beließ er die Story dort, wo sie ursprünglich hingehört, nämlich in der Depressionsära. Die Radikalität, mit der Frank und Cora zu Werke gehen, um ihre in mehrerlei Hinsicht verbotene Beziehung durchzusetzen, fußt ja ohne Frage in einer Zeit, in der bezüglich Überlebensfragen nicht lang gefackelt wurde und Opportunismus zeitweilig eine obere Existenzmaxime darstellte. Die Ernsthaftigkeit und Dramatik, mit der Rafelson und sein Autor David Mamet Cains so nervenzerrende wie traurige Geschichte beackern, wurde zu Zeiten der Kinopremiere leider übersehen. Vielmehr ereiferte man sich über die drei Sexszenen zwischen Lange und Nicholson, die berühmt-berüchtigte erste und hitzigste davon gleich auf dem Küchentisch, in der Nicholson der Lange mit voller Handbreite in den zumindest durch einen Slip bedeckten Schritt langt. Später kommt es dann noch zu einer nicht minder gewagten Cunnilingus-Sequenz. Die Leute bewegte dann auch weniger der Existenzialismus der Dreiecksstory als vielmehr die Authentizität der koitalen Verrenkungen. Aber so sind und waren wir, die Kinogänger.

8/10

Bob Rafelson James M. Cain Great Depression Skandalfilm


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LA CASA SPERDUTA NEL PARCO (Ruggero Deodato/I 1980)


Zitat entfällt.

La Casa Sperduta Nel Parco (Der Schlitzer) ~ I 1980
Directed By: Ruggero Deodato


Der verrückte Frauenmörder Alex (David Hess) und sein unterbelichteter Kumpel Ricky (Giovanni Lombardo Radice) landen per Zufall auf einer Manhattaner Snobistenparty und zeigen der hochtrabenden Sozialelite, was sie von deren widerwärtiger Arroganz halten.

Im Vergleich zu dem ja sehr visuell angelegten "Cannibal Holocaust" lässt sich "La Casa Sperduta Nel Parco" von einem eher psychologischen Terror tragen, der ferner auch noch weitaus subtiler arbeitet und greift als in den unmittelbaren Vorbilden "Last House On The Left" und "L'Ultima Treno Della Notte". "La Casa" findet sich dann eher in der Nähe zu Baldis kurz zuvor entstandenem "La Ragazza Del Vagone Letto", in dem ebenfalls das Terrormotiv einer drangsalierten Gruppe von bourgeoisen Hochnasen mit unpassenden Softsex-Elementen angereichert wird und der physische Gewaltfaktor im Prinzip am Boden bleibt. David Hess als Alex liegt - so suggeriert uns Deodato - gar nicht mal so verkehrt, wenn er die Society-Schnepfen auf der Party als unbefriedigte Emanzen abtut - der "Beweis" findet sich in der Koitusszene mit der ausnehmend hochmütig gezeichneten Lisa (Annie Belle), die durch ihre wohlfeil getarnten Lockrufe maßgeblich mitverantwortlich gemacht wird für Alex' Ausraster und sich als von seinen Liebeskünsten im "Upstairs-Séparé" durchaus angetan zeigt.
Es gibt zwar Prügel und ein paar handelsübliche Demütigungen hier und da, wirklich zu Tode kommt am Ende aber nur einer - und dabei handelt es sich (natürlich) um den verklausulierten Sozialrebellen und proletarischen Aufbegehrer, der abermals gegen die Privilegierten verliert. Eine seltsam verdrehte Katharsis. Dass dieser, für das italienische Genrekino dieser Zeit keinesfalls untypische und seine Wurzeln im Spaghetti-Western findende, gesellschaftspolitische Aspekt hier per Holzhammer vorgetragen wird, kann man sich bereits im Vorhinein denken und schmecken muss es einem glücklicherweise auch nicht.
Ein wenig unpassend zu dem anfänglich eingeleiteten Bild von Manhatten wirkt freilich die Architektur der unzweifelhaft in Italien gefilmten Villa. Dafür haut die perfekt zum Film passende, schmierige deutsche Synchronisation um Manfred Lehmann und Lutz Mackensy, die, so vermute ich, zwischen der Vertonung von zwei Pornos angefertigt wurde, alles von der Platte. David Hess als Urvater aller Haustyrannen macht seinem Ruf wieder mal alle Ehre. Seine in vordringlicher Zeitlupe zelebrierte Mimesis als ihn der entscheidende Pistolenschuss ins manneskräftige Zentrum ereilt, ist jedenfalls denkwürdig.

6/10

Ruggero Deodato Nacht Yuppie New York Terrorfilm Europloitation Serienmord


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YANG CHI (Chih-Hung Kuei, Ernst Hofbauer/USA 1974)


Zitat entfällt.

Yang Chi (Karate, Küsse, blonde Katzen) ~ HK/BRD 1974
Directed By: Chih-Hung Kuei/Ernst Hofbauer

Eine Gruppe britischer Damen (u.a. Sonja Jeannine, Tamara Elliot) gerät im gelben Meer in die Fänge chiensischer Piraten und wird an den Gangsterboss und Lüstling Chao (Hsieh Wang) verscherbelt. Dieser bugsiert die wie Kesselflicker Sprüche kloppenden Mädels erstmal in seine im Keller befindliche Liebesschule, wo sie zu ordentlichen Konkubienen ausgebildet werden und danach Stück für Stück im Zuge einer Versteigerung an den Meistbietenden veräußert sollen. Doch die schlagkräftige Frauentruppe lässt sich nicht unterkriegen und lernt von der findigen Hausdame Ko Mei Mei (Hui-Ling Liu) diverse Kampftechniken, u.a. das tödliche Olivenkernspucken, auf dass sie ihre Unschuld behalten und das geile chinesische Geschäftemacherpack perforieren mögen (was sie dann auch tun).

Hinreißender Blödsinn, der so notorisch lustig wie zeitgebunden ist. Die damals typische Klamaukkomik der Münchener LISA-Filme, etwa der legendären "Tanten-Trilogie" mit Carrell und Richter (wobei das hier die Rapid verantwortete), vermischt sich in diesem bizarren internationalen Kooperationsmärchen mit der erzkeuschen Fummelerotik des Ernst Hofbauer und den Martial-Arts-Künsten der Hongkonger Shaws. Das Resultat ist mindestens so wahnwitzig wie die Beschreibung es vermuten lässt und verpflichtet ohne jeglichen Zweifel zur Ansicht der deutschen Synchronfassung, in dem die alte Münchener Synchronsprechergarde um Fred Maire, Wolfgang Hess und Christian Marschall (auf der weiblichen Seite hat's u.a. die rotzige Marianne Groß, Eva Kinsky und Constanze Engelbrecht) vom Leder zieht, dass sich die Balken biegen, und nicht nur diese. Die kurze, aber deftige Zensurgeschichte des Films, die ihm bis heute einen Platz auf dem Index beschert, angesichts des sittlichen und intellektuellen Kindergartenniveaus des Films allerdings - und das ist weder Witz noch Untertreibung - eine Gegenwartsfreigabe ab 12 Jahren verdiente, verhinderte wohl, dass einige derbere Einstellungen im Film verbleiben konnten. Macht aber nichts, denn die Schnitte gehen sauber und weithin unmerklich von Statten und so bleibt "KKbK" tatsächlich das, was er zweifelsohne zu sein wünscht: Kasperltheater für den gesenkten Anspruch.

5/10

Chih-Hung Kuei Trash Martial Arts Crossover Ernst Hofbauer Shaw Bros. Europloitation


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SRPSKI FILM (Srdjan Spasojevic/CS 2010)


Zitat entfällt.

Srpski Film (A Serbian Film) ~ CS 2010
Directed By: Srdjan Spasojevic


Um seine Familie finanziell absichern zu können, geht der für seine Standhaftigkeit berühmte Ex-Pornodarsteller Miloš (Srdjan Todorovic) auf das so verlockende wie seltsame Angebot des offenbar wohlhabenden Vukmir (Sergej Trifunovic) ein: Einen pornographischen Film auf höchster Kunstebene will dieser schaffen; einen, der nichts weniger abbilden soll als das Leben selbst. Ein Exposé oder gar Script existiert nicht, der etwas misstrauische Miloš nimmt angesichts der ihm in Aussicht gestellten, astronomischen Gage jedoch trotzdem an. Schon nach den ersten paar Drehtagen entdeckt Miloš, dass er einem gefährlichen Psychopathen aufgesessen ist und will kündigen - doch der Teufel besteht nunmal auf die gänzliche Erfüllung mit ihm abgeschlossener Verträge...

"Srpski Film" ist eines der leuchtendsten Beispiele für bakterielles - Verzeihung - virales Internet-Marketing der unfreiwilligen Sorte, auf dass ich (ich muss es zähneknirschend zugeben) selbst ziemlich entflammt ansprang und es nun mit dem vorliegenden Bericht fortpflanze. Empört und entsetzt viele Aussagen betreffs des Films - eine Wichsvorlage für Perverse sei er, die am besten aus dem Verkehr gezogen gehörte, so die einen. Andere glauben, ein sensationelles kleines Kunstwerk aus filmisch benachteiligter Region gesehen zu haben. Nicht minder interessant die emotionalen Reaktionen: da ist zu lesen, wie schwarzhumorig der Film doch sei und dass die Effekte ja jederzeit als solche erkennbar wären; überhaupt rege das Ganze mehr zum Lachen an als dass es schockieren könne. Dann wird moniert, dass die innerpolitischen Implikationen ein Witz seien und dem Renommee der Region alles andere als zuträglich, nachdem unflätiger Stoff wie die beiden "Hostel"-Filme die slawischen Teile Europas bereits aufs Heftigste diskreditiert hätten. Wie meistens bewegt sich die Wahrheit irgendwo dazwischen, zumindest was mich und meine Eindruckswelten anbelangt. Zunächst einmal erreicht der Darstellungsradius tatsächlich Sphären, in die der kommerzielle Spielfilm bislang selten vorgestoßen sein dürfte, so er sie überhaupt jemals angekratzt hat. Natürlich sind die betreffenden Szenen des im Ganzen nicht nur außerordentlich professionell und stilsicher gefertigten, sondern zudem ästhetisch erlesenen Films bewusst provokant und zweckmäßig angelegt und ganz eindeutig Teil einer mit dem Entsetzen Business treibenden, spekulativen Art des Filmemachens. Es obliegt wie immer jedoch dem Verantwortungs- und Aufgabenbereich des mündigen Rezipienten, ob und in welcher Form er sich davon blenden, instrumentalisieren oder affizieren lässt. Die meisten "abgehärtet" erscheinenden respektive der Inszenierung abseitige Komik unterstellenden Reaktionen wirken auf mich jedenfalls eher wie rührende Selbstschutzgestaden denn wie authentische Gleichgültigkeitsbekundungen. Es verhält sich wohl so: wer mit dem Genre vertraut ist und bisher dessen Auswürfe ertragen konnte, ohne den Blick abzuwenden, der wird jedenfalls auch mit "Srpski Film" fertig werden, irgendwie. Immerhin transportiert das Werk einen gewichtigen Teil des Wesens radikaler Kunst: Es taugt vortrefflich (und natürlich vorsätzlich) dazu, Diskussionen zu entfachen. Im Bereich des transgressiven Kinos ist Spasojevics Film aus vielerlei Gründen eine Entdeckung und der vielversprechende Regisseur jemand, den man gewiss im Auge behalten sollte. In jedem Falle lohnt es sich, eigene Impressionen walten zu lassen.

7/10

Skandalfilm Splatter Srdjan Spasojevic Parabel Serbien Film im Film torture porn Transgression Snuff


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SHOWGIRLS (Paul Verhoeven/USA, F 1995)


"Why aren't you erect?"

Showgirls ~ USA/F 1995
Directed By: Paul Verhoeven


Die blöde, aber wehrhafte Herumtreiberin Nomi Malone (Elizabeth Berkley) will ihr Glück im Spiel- und Showparadies Las Vegas versuchen, muss jedoch unmittelbar feststellen, dass hinter dem Antlitz der Glitzermetropole alles einem gigantischen Prostitutionskarussell entspricht. Dabei will die Arme doch partout keine Hure sein... Mittels rüpelhafter Methoden zum Star einer Topless-Show aufgestiegen, zieht Nomi noch gerade rechtzeitig die Reißleine vor dem endgültigen Abstieg in die Selbstkorruption.

Fegefeuer der Oberflächlichkeiten: Unter Befleißigung "normaler" Maßstäbe lässt sich diese grelle Posse kaum einordnen, geschweige denn überhaupt erfassen. Nachdem Verhoeven bereits mit "Basic Instinct" ein eher zu vernachlässigendes Eszterhas-Buch bebildert hatte, degradierte er sich mit "Showgirls" endgültig zum Gurkenkönig des internationalen Films, auf den man schon bereitwillig zu pfeifen bereit war, hätte er sich nicht bald darauf mit "Starship Troopers" wieder so spektakulär am eigenen Schopfe aus dem Dreck gezogen. Was war geschehen? "Showgirls", von vornherein konzipiert als scheinskandalöses NC-17-Vehikel für den gepflegten älteren Herrn mit Beule in der Hose, erwies sich im Endeffekt als stockkonservative Moralfabel um die ach-so-böse Welt des Showbiz, in der die Gutherzigen zwar ihren Platz haben, diesen aber mit ehrlicher, harter Arbeit verteidigen müssen. Je wohlhabender das Pack, desto korrupter, verruchter, niederträchtiger seine Aktivitäten. Das Ganze versandet schlussendlich dann irgendwo unterhalb des geistigen Niveaus der Protagonistin, deren Lehrgeld in Vegas im Prinzip darin kulminiert, dass ihr Kyle MacLachlan als geckenhafter Koksdandy steckt, man solle Versace doch bitte nicht wie 'Vörsejs' aussprechen. Dieses bemitleidenswerte, blonde Dummchen. Wieder mal reingefallen, wie so oft.
Die deutsche Synchronisation beutet die arme Berkley übrigens noch schärfer aus: Da wird aus ihrem Lieblingskommentar "It doesn't suck" kurzerhand "Tittengeil". Ungeheuer. Bleibt nur zu hoffen, der Paulemann kann mittlerweile ebenso über seinen Abstecher in die Niederungen des subdebilen Kinos lachen wie jeder Mensch, der halbwegs bei Trost ist. Ansonsten dürfte ihm die massiv verjubelte Kohle angesichts gewisser, bis dato unrealisierter Leibprojekte noch fünfzehn Jahre später ganz zu Recht arge Herzstiche versetzen.
Jessas, was für ein unverfroren dämlicher Film.

3/10

Las Vegas Trash Joe Eszterhas Paul Verhoeven Prostitution


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BASIC INSTINCT (Paul Verhoeven/USA 1992)


"Games are fun."

Basic Instinct ~ USA 1992
Directed By: Paul Verhoeven


Detective Nick Curran (Michael Douglas) soll den Fall eines während des Koitus mittels eines Eispickels ermordeten Rockstars (Bill Cable) untersuchen. Alles deutet auf Catherine Tramell (Sharon Stone), Kriminal-Romancieuse und Freundin des Toten, als Täterin hin. Wie sich noch zusätzlich herausstellt begleiten das Leben der eiskalten Blondine eine Kette seltsamer Analogien zwischen ihren Büchern und ihrer Biographie. Als Curran eine Affäre mit Catherine beginnt, begibt er sich auf dünnstes Eis...

Der wegen ein paar Nacktszenen damals als Semiporno gehandelte (und vornehmlich aus diesem Grunde unrechtmäßig erfolgreiche) "Basic Instinct" kann mit dem Abstand der Jahre nicht verleugnen, kaum mehr als heiße Luft zu produzieren. Besonders im Vergleich zu den beiden voreangegangenen Schätzchen "RoboCop" und "Total Recall" erweist sich dieser laue Erotikthriller, der immerhin filmhistorisch von vordergründigem Interesse ist als einer jener Filme, die als Auslöser eines ganzen Erdrutsches von Epigonen und Plagiaten dastehen, als herb enttäuschendes Durchschnittsfabrikat. Verglichen mit dem deutlich intelligenteren "De Vierde Man", der bereits Jahre zuvor eine ganz ähnliche Richtung einschlug und zum Thema Suspense deutlich mehr zu sagen wusste, verzichtet das Script des Trivialschreibers Eszterhas sogar noch auf das geringste Quentchen Irrealis - vermutlich, um sein Publikum nicht durch drohende Überforderung zu vergrätzen. Das einzige, was neben Michael Douglas' wie immer solider Leistung an diesem Versuch, an Hitchcocks Thron zu kratzen, auch rückblickend noch zur Gänze zu überzeugen vermag, ist die Musik von Jerry Goldsmith.
Als merkwürdig leeres Hochglanzprodukt der orientierungslosen Frühneunziger nach wie vor faszinierend, als Verhoeven-Film jedoch in dessen unterem Schaffenssegment.

6/10

Madness femme fatale neo noir Literatur Paul Verhoeven San Francisco Joe Eszterhas Amour fou Serienmord


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DER FAN (Eckhart Schmidt/BRD 1982)


"Nichts für dich dabei, junge Dame."

Der Fan ~ BRD 1982
Directed By: Eckhart Schmidt


Wie viele Teenager träumt Simone (Desirée Nosbusch) davon, in den Armen ihres abgöttisch verehrten Stars zu liegen, bei dem es sich in ihrem Fall um den Popstar R (Bodo Steiger) handelt. Doch Simones Zuneigung geht über übliche Jungmädchen-Schwärmereien hinaus; R bestimmt ihre gesamte Existenz. Als Christines Liebesbriefe an R unbeantwortet bleiben, reist sie per Anhalter zu einem seiner Fernsehauftritte. Der Star wird tatsächlich auf das hübsche Mädchen aufmerksam und spielt ihr eine fachmännische Komödie vor, um sie ins Bett zu bekommen. Als Simone danach bemerkt, dass R nur an der schnellen Nummer interessiert war, erschlägt und zerteilt sie ihn und verspeist seinen Körper. Am Ende kehrt sie in ihren Alltag zurück als sei nichts gewesen.

West-German Psycho: Schmidts durchaus ansprechende Studie einer bis ins äußerste Extrem gepushten Teenagerbesessenheit wurde seinerzeit zum Skandalfilm hochgejubelt, vornehmlich vegen der Nacktszenen der siebzehnjährigen Nosbusch und wegen des Kannibalismusaspekts der Geschichte. Dabei fasziniert "Der Fan" im Nachhinein vor allem als Zeitporträt; die minimalistischen Klänge der NDW-Truppe Rheingold (deren Vokalist Bodo Steiger im Film als R zu sehen ist) unterlegen die karge, vordergründig emotionslose Bildsprache Schmidts, die sich an die der Schrader-Filme dieser Zeit wie "American Gigolo" und "Cat People" angleicht, auf kongeniale Weise. Schmidt gelingt es, den kalten Hedonismus dieser Ära, der, so die primäre These des Films, sensiblere Menschen sukzessive in den Irrsinn zu treiben vermochte, vorzüglich zu illustrieren. Kleine, durchaus charmant wirkende Schnitzer, die sich in unzureichend scheinendem Spiel oder manchmal unbeholfen wirkender Inszenierung äußern, passen sich der irrealen Gestalt des Films letzten Endes vorzüglich an.
Leider hat "Der Fan" es über die Jahre noch nicht geschafft, sich einen ihm gerecht werdenden Leumund zu erarbeiten. Vielleicht mag dieser kleine Text ein bisschen dazu beitragen, wenig täte mich mehr freuen.

7/10

Teenager Independent Kannibalismus Musik Madness Skandalfilm Eckhart Schmidt


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TURKS FRUIT (Paul Verhoeven/NL 1973)


Zitat entfällt.

Turks Fruit (Türkische Früchte) ~ NL 1973
Directed By: Paul Verhoeven


Erik (Rutger Hauer), ein selbstsüchtiger, junger Amsterdamer Bohèmien, lernt eines Tages die Kaufmannstochter Olga (Monique van de Ven) kennen. Man verliebt sich Hals über Kopf ineinander und heiratet entgegen aller Konventionen, nur um irgendwann feststellen zu müssen, dass die unterschiedlichen Existenzansätze der beiden doch nicht miteinander vereinbar sind. Erik weigert sich zwar, Olga einfach so aufzugeben, doch die übermächtige Autorität ihrer dämonischen Mutter (Tonny Huurdeman) obsiegt am Ende. Erik ist am Boden zerstört. Als er, innerlich und emotional gereift, Olga nach ein paar Monaten wiedertrifft, hat sie wegen eines Hirntumors nur noch wenige Tage zu leben.

In seinem zweiten Spielfilm nach dem leider eher selten anzutreffenden "Wat Zien Ik" wagt Verhoeven einen radikalen Gegenentwurf zu etabliertem Hollywoodkitsch wie "Love Story" - weitgehend unsentimental erzählt er den Reifeprozess eines jungen Wilden, der morbiderweise erst über den Tod seiner Geliebten hinaus erwachsen zu werden und ein verantwortungvolles Leben zu führen imstande ist. Am Anfang besitzt Erik noch den Habitus eines typischen rotznäsigen Künstlers, dem die Missachtung jeglicher Sozialkonventionen über alles geht. Die Liebe zu Olga kann diese Position nicht schmälern, wobei sie anfänglich noch auf seinen unstillbaren Sexhunger eingeht und sich seine teils derben, geschmacklosen Scherze gefallen lässt. Die Zäsur folgt an einem Abend im chinesischen Restaurant: Olga, ihre Mutter und deren provinzielle Freunde amüsieren sich nach einigen Gläsern in widerwärtigst-biederer Schunkelmanier, was Erik mit einem gewaltigen Kotzanfall bei Tisch quittiert - bis heute eine der stärksten Szenen im kompletten Schaffen Verhoevens. Es folgt noch eine räsonierende Ohrfeige, und die Liaison bis auf weiteres beendet. Die Beziehung, so wie sie eigentlich sein soll, von Aufopferung und Zärtlichkeit geprägt, findet dann tragischerweise erst ihren rechten Platz, als sich der Tod bereits seinen Weg bahnt.
"Turks Fruit" galt damals als Skandalfilm, wegen diverser unerhört tabuloser Szenen, die ich hier jetzt gar nicht groß aufzuzählen gedenke. Letztlich besaß Verhoeven schon damals das, was ihm auch später noch den Ruf eines enfant terrible eintrug: Den Mut, bestimmte Dinge, die es verdienen, beim Namen zu nennen und sie nicht wie die meisten seiner Kollegen in großflächig tolerierte Symbolismen, sondern in eine so vitale wie aufrichtige Bildsprache zu kleiden.

8/10

Coming of Age Paul Verhoeven Skandalfilm Amsterdam Amour fou Kunst





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