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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE HORSEMEN (John Frankenheimer/USA 1971)


"What a ram with one horn makes, a man with on leg can make too!"

The Horsemen (Die Steppenreiter) ~ USA 1971
Directed By: John Frankenheimer

Tursen (Jack Palance), Patriarch dreier Hindukusch-Provinzen, entsendet seinen stolzen Sohn Uraz (Omar Sharif) zum vom König ausgerichteten Buzkashi nack Kabul, einem archaischen Wetkkampf, bei dem es gilt, per Pferd eine kopflose Ziege über eine bestimmte Distanz und wieder zurück zu tragen. Gewinnt Uraz den Wettstreit, geht der stolze Schimmel Jihal in seinen Besitz über. Uraz schlägt sich tapfer, stürzt jedoch kurz vor dem Ziel schwer, so dass ein anderer Reiter aus seiner Equipe das Turnier für Tursen gewinnen muss. Um seine Ehre zurückzugewinnen, reitet Uraz, dessen linkes Bein infolge des Sturzes gebrochen ist, mit seinem Stallknecht Mukhi (David de Keyser) über einen gefürchteten, gefahrvollen Bergweg zurück in die Heimat. Wenn Mukhi im beisteht, so verspricht es ihm Ulaz, soll Jiral im Falle seines Todes an den Gehilfen übergehen. Unterwegs schließt sich ihnen die schöne Zareh (Leigh Taylor-Young), ein ehrloses Dorfmädchen, an, das beide Männer begehren, das für Uraz wegen seines adligen Standes jedoch unerreichbar ist. Uraz' Bein entzündet sich und muss amputiert werden. Nach beschwerlichem Weg zurück in der Heimat gelingt es ihm jedoch, alle gemachten Fehler einzusehen und seinen Stolz als Königssohn wiederzuerlangen.

Vielleicht Frankenheimers schönster Film ist "The Horsemen", eine gleichnis- und märchenhafte Erzählung über verschiedene Wege, Identität und Integrität zu erfahren und zu bewahren. Wie "The Gypsy Moths" verharrt auch "The Horsemen" thematisch keinesfalls auf dieser solitären Ebene. Auch die Sektion einer für Westgeborene schwerlich bis kaum nachvollziehbaren Kultur steht im Kern des Films, der, obgleich er in der Gegenwart angesiedelt ist, Bilder entwirft, wie sie ein vergangenes Jahrhundert widerzuspiegeln vermögen. Die 'Chapandaz', ein stolzes afghanisches Reitervolk, pflegen eine ungezählte Generationen zurückreichende Kultur, die kaum zivilisatorische Zeugen kennt. Ein Spiegel in Tursens Behausung etwa, der als kitschig-buntes Relikt wahrscheinlich aus irgendeinem Souvenirs-Laden stammt, wirkt wie ein eklektischer Fremdkörper im sepiafarbenen Dorfleben. Immer wieder gibt es solche Merkwürdigkeiten: Einen weit entfernten Düsenjet hier, einen Jeep dort, die reichen, den westlichen Einflüssen verfallenen Geschäftsleute mit Designer-Anzügen und Papiergeld. Die Chapandaz negieren solche Erscheinungen: Ulaz besteht darauf, dass der ihm im Krankenhaus angepasste Gips verschwinden muss. Stattdessen soll die offene Operationsnarbe mit einer Koransseite beklebt werden, was langfristig zum Verlust des Beines führen wird. Seine Egomanie wird ihm auch sonst mehrfach fast zum Verhängnis: Er verleitet trotz der lehrreichen Parabel eines blinden, alten Schreibers, seinen Diener dazu, ihm Jihal zu rauben, der unheilvolle Einfluss Zarehs tut sein Übriges. Doch ist "The Horsemen" nicht an offensichtlichen Moralpredigten gelegen, sondern daran, zu zeigen, dass schiere Willenskraft auch fernab der Moderne Fruchtbarkeit bedeuten kann: Uraz meistert sämtliche, auch die von ihm selbst forcierten, Widerstände und gewinnt am Ende vielleicht ein höheres Maß an Respekt als es zuvor möglich gewesen wäre. Frankenheimer dabei zuzuschauen, wie er dieses wildromantische, abenteuerliche Szenario entwirft, zuspitzt und auflöst, ist ein unbedingter Hochgenuss.

10/10

John Frankenheimer Joseph Kessel Dalton Trumbo Afghanistan Kabul Reise Vater & Sohn


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THE GYPSY MOTHS (John Frankenheimer/USA 1969)


"Typical American town..."

The Gypsy Moths (Die den Hals riskieren) ~ USA 1969
Directed By: John Frankenheimer

Die drei Fallschirmspringer Mike Rettig (Burt Lancaster), Joe Browdy (Gene Hackman) und Malcolm Webson (Scott Wilson) ziehen durch die Provinz und führen ihre waghalsigen Kunststückchen sensationsgierigen Kleinstädtern vor. Als das Trio Halt in jenem Nest in Kansas macht, in der Malcolm aufgewachsen ist, findet man häusliches Obdach bei dessen Adoptiveltern, John (William Windon) und Elizabeth Brandon (Deborah Kerr). Dabei beginnt die Partner-Gemeinschaft bereits zu bröckeln: Während für Joe nach wie vor Geld und Erfolg zählen, sehnt sich der latent todessehnsüchtige Mike nach einer dauerhaften Beziehung und Malcolm ahnt insgeheim, dass seine Zukunft nicht in seinem gegenwärtigen, selbstmörderischen Gewerbe stattfinden wird. Als Mike, der sich Hals über Kopf in Elizabeth verliebt, von dieser abgewiesen wird, kommt es zur Katastrophe.

Frankenheimers letzte von fünf Kollaborationen mit Burt Lancaster, ein sehr intim gestaltetes Porträt einer Dreiergemeinschaft völlig unterschiedlicher Charaktere, passt thematisch hervorragend zu dem von mir kurz zuvor geschauten "All Fall Down": Dort wie hier geht es um die Vater-Sohn-Ersatzbeziehung zwischen einem jüngeren (Wilson) und einem älteren Mann (Lancaster), wobei der ältere einen Hang nachvielen zerstörerischen Lebenserfahrungen längst dem Tode näher steht als dem Leben, der jüngere ihn jedoch völlig gegenteilig einschätzt und sogar anhimmelt, nur, um im Nachhinein eines Besseren belehrt zu werden und sich selbst infolge eines radikalen Initialerlebnisses für das Leben zu entscheiden. Wo in "All Fall Down" Karl Malden als eine Art zur Passivität verdammter Mittlerfigur auftrat, übernimmt in "The Gypsy Moths" Gene Hackman diesen Part, als einziger, der zwar ebenfalls mit seiner Einsamkeit hadert, der jedoch narzisstisch genug ist, um seinen Weg langfristig auch allein zu bewältigen.
Auch die zweite, eher subtil geführte Ebene des Films begeistert: Die Sezierung der Sensationssucht des Durchschnittsamerikaners. Nachdem Rettig den öffentlichen Freitod wählt, indem er bewusst darauf verzichtet, die Reißleine zu ziehen und sich zu Tode stürzt, beraumt Browdy gleich für den nächsten Tag, dem 4. Juli einen von Malcolm praktizierten Tributsprung unter denselben Bedingungen an, um Geld für Rettigs Beerdigung zu sammeln. Der die Parade zum Nationalfeiertag anführende Kappellmeister (Thom Conroy) staunt indes nicht schlecht: Die sonst mit Menschen gesäumten Straßen der Stadt sind wie leergefegt, weil sämtliche Einwohner Malcolm beim Springen zuschauen (und natürlich insgeheim auf einen weiteren Unfall hoffen).
Ein stiller, trister Film über zersetzende Lebenslügen und die Einsamkeit inmitten von Vielen ist Frankenheimer da geglückt, eines seiner vielen Meisterwerke.

9/10

John Frankenheimer Kansas Freundschaft amour fou


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ALL FALL DOWN (John Frankenheimer/USA 1962)


"I hate life."

All Fall Down (Mein Bruder, ein Lump) ~ USA 1962
Directed By: John Frankenheimer

Von kleinauf hat der Berufsfilou Berry-Berry Willart (Warren Beatty) von seiner vereinnahmenden Mutter (Angela Lansbury) eingeimpft bekommen, was für ein toller Hecht er doch sei, eine fatale Charakterprägung, die ihn zu einem unsteten Herumtreiber hat werden lassen, hinter dessen attraktivem Äußeren sich irrationale Misogynie und vor allem eine übermächtige Bindungsangst verbergen. Sein jüngerer Bruder Clinton (Brandon De Wilde) himmelt Berry-Berry an, im irrigen Glauben, es handele sich bei ihm um einen höchst kontrollierten, selbstbestimmten Mode-Nihilisten, dem die Welt zu Füßen läge. Erst als die bezaubernde Echo (Eva-Marie Saint) im Haus der Willarts zu Gast ist, zu Clintons erster großer Liebe avanciert, nur um dann Berry-Berry zu Füßen zu liegen, erlangt Clinton die Reife zur Emanzipation vom verqueren Weltbild seines Bruders: Dieser sieht sich außer Stande, seine Tagediebereien zugunsten Echos aufzugeben, was tragische Folgen nach sich zieht.

Phantastisch gespieltes Familiendrama nach James L. Herlihy, Frankenheimers dritte Regiearbeit fürs Kino, die, wenngleich hier und da noch etwas sehr offensichtlich in ihrer Präsentation der Verhältnisse im Hause Willart, bereits sehr eindrucksvoll darlegt, welch großer Filmemacher da am Werk ist. In "All Fall Down" finden sich sämtliche Darsteller im allerbesten Wortsinne mit dem Strich besetzt: allen voran Brandon De Wilde, der ewige Sohn und kleine Bruder; Beatty, unverschämt gutaussehend und dabei hinter der Strahlemann-Fassade doch völlig kaputt; Saint, etwas extrovertierter als gewohnt und dafür gleich nochmal so attraktiv; Lansbury, ein putenhalsige Matriarchin mit unheilvollem Einfluss und glatt zum Verwünschen sowie Karl Malden als gutherziger Vater, Erzkommunist im Herzen und doch zum Alkoholiker verkommen, weil er sich gegen die übergroßen Pantoffeln, die seineGattin im Hause trägt, auch nach drei Jahrzehnten nicht durchzusetzen vermag. "All Fall Down" erinnert somit nicht von ungefähr an die vielen Paul-Newman-Filme dieser Zeit nach Vorlagen von Williams und Faulkner, in denen ja auch er so häufig als großmäuliger Blender mit zerschmettertem Innenleben durch den US-Süden vagabundierte. In Anbetracht dessen fast schon verwunderlich, dass Beatty diesen lumpigen Berry-Berry Willart spielte.

8/10

John Frankenheimer Florida Ohio Familie Brüder Mutter & Sohn amour fou James Leo Herlihy Coming of Age


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DANIEL (Sidney Lumet/USA 1983)


"Let our deaths be his bar mitzvah."

Daniel ~ USA 1983
Directed By: Sidney Lumet

Daniel Isaacson (Timothy Hutton), dessen Eltern (Mandy Patinkin, Lindsay Crouse) während der Ära McCarthy vom HUAC ins Gefängnis gebracht, als bekennende Kommunisten der Atom-Spionage für die Russen bezichtigt und auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wurden, beginnt, sich nach Jahren der ideologischen Passivität bezüglich der Hintergünde jenes furchtbaren biographischen Ereignisses zu informieren. Daniels vormals wesentlich leidenschaftlicher agierende Schwester Susan (Amanda Plummer) ist durch die Umstände, unter denen sie und ihr Bruder als Kinder aufwachsen mussen, schwer traumatisiert und psychisch geschädigt. Auch um ihretwillen ist Daniel an nachträglicher Aufklärung interessiert, seine Suche nach Antworten muss sich jedoch mit Fragmenten begnügen. Seine Eltern waren Opfer einer paranoiden Zeit und ihrer eigenen, beharrlichen Verweigerung zur Denunziation. Immerhin lernt Daniel, dass Opposition gleichbedeutend sein kann mit Integrität.

Ein ebenso leidenschaftlicher wie still erschütternder Film. Basierend auf E.L. Doctorows Roman, der sich semi-authentisch am tatsächlichen Schicksal des Ehepaars Rosenberg orientiert, die als sowjetische Rüstungsspione hingerichtet wurden, entblättert "Daniel" auf multiplen Zeitebenen ein komplexes Bild der Protestkultur in den USA zwischen den vierziger und sechziger Jahren. Paul und Rochelle Isaacson sind leidenschaftliche Linke, 'Reds', die mit den revolutionären Kräften im spanischen Bürgerkrieg und später mit den Sowjets sympathisieren, sich als eingefleischte New Yorker ausschließlich in ihren eigenen ideologischen Kreisen bewegen, die Musik von Paul Robeson flankieren und ihren Kindern den Mut zu reflektierendem Denken mit auf den Weg geben. Schließlich reißt das FBI die Familie auseinander, die Isaacsons sind von einem guten Freund und politischen Gesinnungsgenossen (Joseph Leon) denunziert worden. Ihre Kinder wachsen von diesem Zeitpunkt an als faktisch determinierte Waisen auf, die ihre Eltern ein letztes Mal vor deren Hinrichtung besuchen dürfen. Erst nach Jahren kommen sie zu Adoptiveltern, doch der psychische Schaden ist, zumindest in Susans Fall, nicht wieder gutzumachen. Die schwer verstörte junge Frau landet in einem Sanatorium und nimmt sich nach mehreren erfolglosen Versuchen schließlich das Leben. Für Daniel, der der unfasslichen Kommunistenhatz letzten Endes seine gesamte Familie opfern musste, gibt es schließlich nurmehr einen tragfähigen Weg des Weiterlebens: In die Fußstapfen seiner Eltern und seiner Schwester zu treten und gegen Vietnam auf die Straße zu gehen.
Mittels ausgefeilter Formalia erweckt Lumet diese ebenso tragische wie tapfere Biographie zum Kinoleben und leistet nebenbei eine persönliche, ideologische Offenbarung: "Daniel" propagiert nachdrücklichst das verfassungsmäßige Recht auf freie Meinungsäußerung und porträtiert eine Ära, die ebendieses mit dummen, panischen Füßen getreten hat und damit für eine historische Sekunde nicht minder totalitär agierte, als die vielen Feindbilder.
Atmosphärisch und auch filmhistorisch außerdem eine unabdingbare Ergänzung zu Warren Beattys "Reds".

9/10

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ABSENCE OF MALICE (Sydney Pollack/USA 1981)


"I want to know where this story came from."

Absence Of Malice (Die Sensationsreporterin) ~ USA 1981
Directed By: Sydney Pollack

Als der Gewerkschaftsboss Joey Diaz urplötzlich verschwindet, liegt für den übereifrigen Justizbeamten Elliott Rosen (Bob Balaban) der Fall völlig klar: Nur der Hafenspediteur Mike Gallagher (Paul Newman) mit familiären Bindungen zur Mafia kann hinter den Ereignissen stecken, zumal Diaz und Gallagher schon vormals aneinandergeraten sind. Um Gallagher aufzuscheuchen, lässt er bei der hellhörigen Journalistin Megan Carter (Sally Field) durchsickern, dass gegen den Verdächtigen bereits eine interne Ermittlung läuft, im besten Wissen um die Sensationsgier der Presse. Tatsächlich hat Gallagher ein Alibi für die fraglichen Stunden, kann es, um seine Freundin Teresa (Melinda Dillon) vor Repressalien zu schützen, jedoch nicht offenlegen. Als Megan auch Teresa in einem ihrer Artikel erwähnt, begeht die junge Frau Selbstmord. Der mittlerweile vor dem wirtschaftlichen Ruin stehende Gallagher beginnt einen cleveren Feldzug gegen die Mächtigen.

Wer so viele Erfolgsfilme mit Robert Redford gemacht hat wie dereinst Sydney Pollack, der stößt zwangsläufig wohl auch auf dessen zweimaligen Partner Paul Newman, wie Redford gleichermaßen großer Schauspieler und großer Charmeur, allerdings, auch aufgrund des fortgeschrittenen Alters, mit einer noch bedeutenderen Werkshistorie gesegnet. Die Rolle des Mike Gallagher hätte auch hervorragend zu Pollacks Leibdarsteller gepasst, möglicherweise war sie anfänglich auch für ihn intendiert. Nach "The Electric Horseman" widmete sich der Regisseur jedenfalls wiederum einem gediegenen Unterhaltungsstoff, wobei die Allmacht der Enthüllungsmedien, die bereits im Vorgängerfilm eine untergeordnete Rolle eingenommen hatte, hier zum zentralen Thema wurde: Die exekutive Staatsgewalt macht sich den unabdingbaren Sensationshunger der Presse sogar zunutze, um eine Intrige gegen einen Unschuldigen zu spinnen und diesen gesellschaftlich und wirtschaftlich zu Fall zu bringen. Wo Jane Fonda noch ganz selbstbestimmte Journalistin mit Hang zum Abenteuer war, muss Sally Field als einerseits zwar sympathische, andererseits jedoch ungemein kurzsichtige Schmiertante herhalten, die sich gnadenlos instrumentalisieren lässt. Wiederum hängt Pollacks Haupinteresse am männlichen Helden der Geschichte und wie er sich aus seinem unverdienten Missgeschick zumindest unter Wahrung seiner persönlichen integrität herauslaviert. Allerdings ist auch "Absence Of Malice" ein weiterer Schritt in die Angepasstheit, vom nachfolgenden "Tootsie" gar nicht zu reden. Hollywood hat Pollack endgültig gezähmt.

7/10

Sydney Pollack Miami Florida Journalismus FBI


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THE ELECTRIC HORSEMAN (Sydney Pollack/USA 1979)


"You're all bent. Are you sick?" - "Nope. Just bent."

The Electric Horseman (Der elektrische Reiter) ~ USA 1979
Directed By: Sydney Pollack

Der frühere Rodeo-Star Sonny Steele (Robert Redford) führt nurmehr eine daueralkoholisierte Existenz als Werbeflaggschiff für den Multi 'Ampco', deren Frühstücksflocken er bewirbt. Seine Einsätze erschöpfen sich in lustlosen Auftritten als Discokugel zu Ross und im Glühlämpchen-Anzug. Bei einer Veranstaltung in Vegas platzt Sonny dann eines Tages der Kragen. Der einstmals stolze Tournierhengst 'Rising Star' wird unter starke Narkotika gesetzt, um seine zerschundene Vorderhand nicht mehr spüren zu müssen und um vor den Zuschauermassen nicht in Panik zu geraten. Kurzerhand entführt Sonny Rising Star, reitet mit ihm in die Wüste hinaus und plant, ihn bei einer Mustangherde in Utah wieder auszuwildern. Die TV-Journalistin Hallie Martin (Jane Fonda) wittert eine große Story und folgt Sonny in die Prärie...

Zu banal für New Hollywood: Pollacks erste Liebäugelei mit dem profanen Mainstreamkino - unter weiestgehender Missachtung großer politischer oder philosophischer Topoi, in vertretbarem Sinne unliterarisch, uramerikanisch, mit Sinn für Herz und Romantik und betont ohne Schwere inszeniert. Fast (aber wirklich nur 'fast') ein Republikaner-Film. Redford darf seiner bekannten Pferdeliebe frönen (die sich später in seinem eigenen "The Horse Whisperer" nochmal richtig breitärschig präsentieren durfte) und als kerniger Herzensbrecher mit Schnorres die robuste Feministin Fonda betören. Das alles markiert natürlich keinen Weltstoff und auch keinen Fall fürs Pantheon großer Kinomythen; es ist wahrscheinlich noch am Ehesten der Versuch eines Filmemachers, sich von gewissen, als einengend empfundenen Zwängen freizustrampeln; Zwängen von Schwere und Bedeutungsfülle, wie sie noch sein vorheriges Meisterwerk "Bobby Deerfield" kennzeichneten. "The Electric Horseman" nimmt sich im Gegensatz zu diesem opulenten, aber wunderschönen Rührstuck so frugal aus wie das Grillen von Dosenwürstchen am Stock überm Lagerfeuer. Der Existenzialismus hält hierin ein Nickerchen unter der Hutkrempe, Redford schnitzt an seinem eigenen, specksteinigen Denkmal als Frauentyp, Willie Nelson intoniert Cowboy-Songs auf der Tonspur und unser Zossen, ein Brauner, stiefelt als lebender McGuffin durch die ockerfarbenen Täler von Nevada und Utah. Zugegeben: Pollack und Redford haben es sich hier verdammt einfach gemacht. Aber mutmaßlich hatten sie auch gar nichts anderes im Sinn.

6/10

Sydney Pollack Rodeo Pferd Las Vegas Nevada Utah Journalismus Neowestern


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SADOMANIA - HÖLLE DER LUST (Jess Franco/E, BRD 1981)


"Der Typ hat mehr Flöhe als unsereins Filzläuse."

Sadomania - Hölle der Lust ~ E/BRD 1981
Directed By: Jess Franco

Während ihrer Flitterwochentour verfahren sich Michael (Ángel Caballero) und seine frisch Angetraute Olga (Uta Koepke) und landen auf dem Gelände der 'Hacienda Blanca', einem lateinamerikanischen Frauenknast, dessen Chefin Magda (Ajita Wilson) allerlei Schindluder mit den Insassinnen treibt. Weil die blonde Olga exakt in ihr Beuteschema passt, behält Magda sie unter fadenscheinigen Anschuldigungen dort und jagt Michael zum Teufel. Olga lernt bald den Gefängnisalltag kennen, zu dem unentwegte Barbusigkeit (auch bei den Wärterinnen), lesbische Spiele unter den Insassinnen, Folter, Menschenjagden, Liebesdienste an der Chefin und permanente Besuche des hiesigen Gouverneurs Mendoza (Robert Foster) gehören, der probiert, seine Impotenz mittels teils abartigster, paraphiler Aktionen zu umgehen. Die arme Tara (Ursula Buchfellner) geht drauf, nachdem sie an den schwulen Zuhälter Lucas (Jess Franco) verschachert und misshandelt wurde, die taffe Mercedes (Andrea Guzon) allerdings hält durch. Michael bleibt derweil jedoch nicht untätig und macht sich an die Befreiung seiner Holden.

Der mittlere Film der Uschi/Franco-Trilogie, zwischen den nicht minder monumentalen "El Caníbal" und "Linda" heruntergekurbelt und wie diese beiden unter produziernder Beteiligung der LISA entstanden. Ein aberwitzig-schmieriges Stück ist dem guten Jess da mal wieder aus der Kamera geplumpst, mit selbst unterlegter Musik, die takteweise auch aus anderen seiner Kompositionen bekannt ist. Bezeichnend vor allem das grandiose Frauenbild, das "Sadomania" transportiert und von dem wir Kerle uns allesamt wünschten, es entspräche auch nur zu zehn Prozent der Realität: Alle Weiber sehen gut aus, wollen permanent Sex und sagen immer das Gegenteil von dem, was sie meinen. Jeder kriegt jede rum, immer schnell und garantiert, und seien es selbst (der damals wohlgenährte) Franco himself, der unverwüstliche Otto W. Retzer oder gar ein Schäferhund. Es wird besprungen, was nicht niet- und nagelfest ist, und jede Absage an den oder die potenzielle VerfüherIn verwandelt sich nach fünf Sekunden in zügellose Wollust. Von einer auch nur ansatzweise stringenten Story kann keine Rede sein; vermutlich wurde das Drehbuch, sofern überhaupt vorhanden, jeweils morgens beim Kaffee im Hotel Luxor, Alicante weitergestrickt. Wie dem auch sei, Uschi Buchfellner spielt mit, nahezu permanent entkleidet, was schonmal das vordringliche Betrachtungsargument bildet. Ansonsten gilt dasselbe wie für die meisten Francos: Love it or leave it be.

5/10

Jess Franco Sleaze Trash Gefängnis Paraphilie WIP Lisa-Film Europloitation


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THE SHAWSHANK REDEMPTION (Frank Darabont/USA 1994)


"Hope is a dangerous thing. Hope can drive a man insane."

The Shawshank Redemption (Die Verurteilten) ~ USA 1994
Directed By: Frank Darabont

Ende der vierziger Jahre wird der stille Banker Andy Dufresne (Tim Robbins) wegen des angeblichen Mordes an seiner Frau und deren Liebhaber zu zweimal lebenslänglicher Haft im Staatsgefängnis Shawshank verurteilt. Der bereits eine halbe Ewigkeit dort einsitzende Red (Morgan Freeman) wird sein bester Freund und macht ihm das eigentlich unerträgliche Leben im Knast zumindest halbwegs lebenswert. Zudem besitzt Andy die Gabe, das arrogante, dumme Leitungs- und Wachpersonal durch geschickte Manipulation für sich einzunehmen: Den geld- und machtgeilen Direktor Norton (Bob Gunton) ebenso, wie den brutalen Oberaufseher Hadley (Clancy Brown). Neben Andys unwahrscheinlicher Hartnäckigkeit führt auch dies führt dazu, dass Shawshank bald eine moderne Gefängnisbibliothek sein Eigen nennen kann. Was niemand, selbst Red, nicht ahnt: Praktisch von der Minute seiner Ankunft in Shawshank an plant Andy in aller gebotenen Ruhe und Ausdehnung seine Flucht.

Erachtet man die imdb als den ultimativen Repräsentanten, markiert "The Shawshank Redemption" hinsichtlich seiner Durchschnittsbewertungen den beliebtesten Film der Welt, und das nunmehr ungebrochen seit vielen Jahren. Die Gründe dafür zu eruieren, fällt nicht besonders schwer: Darabonts King-Adaption (die erste von bislang dreien) zählt mit Sicherheit zu den philanthropischsten Werken, die je ein Hollywood-Studio verlassen haben und berichtet von vielen Dingen, die jeder kennt und, sofern nicht vorhanden, selbst nur allzu gern besitzen möchte: Intelligenz, Integrität, Menschlichkeit, Freundschaft, Altruismus, Hoffnung - alles vereint in Andy Dufresne, dem ultimativen Systemerneuerer. Bemerkenswert kitschfrei und bei vollkommener Luzidität (die die wenigen erklärten Gegner des Films, jene Lästerer, die sowieso prinzipiell alles scheiße finden, was die Massen bewegt, ihm wohl auch in erster Linie vorwerfen) präsentiert Darabont uns (Männern) das heimliche Wunschabbild von uns allen: Den Kerl, der standhält, der manipuliert um des Humanismus willen, der, wie sich im Nachhinein herausstellt, Rückschläge gezielt in Kauf nimmt, um im Hintergrund doch stets die Strippen ziehen zu können. Denn was wäre der Film ohne sein Happy End, jenem letzten Fünftel, in dem uns schlagartig bewusst wird, dass Andy die ganze Zeit hindurch alle nach seiner Pfeife hat tanzen lassen und sich die wohlfeile Racheaktion als Nachbeben seines Entkommens aus der Gefängnishölle trotz seiner Abwesenheit mit Sicherheit munden lassen haben wird. Und Morgan Freeman, der uns als wunderbar sonor berichtender Grandaddy durch den Film führt, sich gegen den Tod und für das Leben und für die Freundschaft entscheidet. Ganz ehrlich - wer da ungerührt bleibt, der muss aus Granit bestehen. "The Shawshank Redemption" ist kein Regisseursfilm, will aber wohl auch gar keiner sein. Dafür ist er rein hinsichtlich seiner Inszenierung dann doch zu flach, bieder und überraschungsarm. Seine unnachahmliche Stärke liegt vielmehr darin, episch-ausschweifendes, rundum und jedweder dramaturgischen Durchhänger entbehrendes, unterhaltendes Erzählkino zu liefern, das sein Publikum fesselt, bei der Stange hält, und, vielleicht am Wichtigsten, glücklich zurücklässt. Tatsächlich schafft das wiederum von Darabont verfasste, diesbezüglich perfekte Buch es, seinen Zuschauer mit Leib und Seele selbst für zwei Stunden zu einem Insassen des Mikrokosmos 'Shawshank' zu machen, zu einem stillen Beobachter und zu einem Kumpel von Andy, Red, Brooks, Floyd (Brian Libby, das stumme Ungeheuer aus "Silent Rage", wie ich gestern erfreut feststellte) und den anderen. Eine glückliche, gar funktionale Knastfamilie, und ganz für lau.

9/10

Frank Darabont Stephen King period piece Gefängnis Maine Freundschaft


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MANIAC (Franck Khalfoun/F, USA 2012)


"You're beautiful."

Maniac ~ F/USA 2012
Directed By: Franck Khalfoun

Der infolge eines Mutterkomplexes wahnsinnig gewordene Schaufensterpuppenrestaurator Frank (Elijah Wood) ermordet und skalpiert Frauen, die er in Kontaktbörsen im Internet oder rein zufällig auf der Straße ausfindig macht. Als er die Installations-Künstlerin Anna (Nora Arnezeder) kennenlernt und sich zu ihr hingezogen fühlt, beginnen seine dunkle Seite und der letzte verbliebene Rest von Rationalität in ihm einen kurzen, aussichtslosen Kampf.

Das von Alexandre Aja co-gescriptete und -produzierte "Maniac"-Remake, an dem auch William Lustig in beratender Funktion mitwirkte, zählt zu den gelungenen Neuverfilmungen innerhalb der nicht abreißenwollenden Schwemme von Aufwärmungen klassischer Horrorfilme. Tatsächlich vermag er als in rein künstlerischer Hinsicht vollwertige Variation des bahnbrechenden Originals sogar durchgängig zu überzeugen. Ohne dieses einfach und einfallsloserweise zu kopieren, gelingen Khalfoun die Transponierung wesentlicher Elemente: Einsamkeit und Irrsinn, urbane Anonymität und Isolation sowie die muttergesteuerte Misogynie des Killers; dessen Unfähigkeit zur Ausbüng koitaler Praktiken mit seiner furchtbaren Perversion kollidiert. Statt des herbstlichen New York bietet nunmehr das sommerliche L.A. die Kulisse für Franks Feldzug wider die Rationalität, wobei man die Metropole als lebensfeindlichen, hochgewachsenen Großstadtmoloch im Film selten so kristallin erlebt hat. Die meiste Zeit erleben wir Franks Streifzüge per subjektiver Kamera, in den Mordszenen wagt sie sich jedoch nach außen, wie vielleicht auch Frank selbst sich dann nurmehr als Zuschauer wahrnimmt. Dennoch ist das Remake voll von schönen, keinesfalls redundanten Reminiszenzen an Lustigs Film wie auch an einen anderen Serienkiller-Evergreen: "The Silence Of the Lambs".

8/10

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THE PURPLE PLAIN (Robert Parrish/UK 1954)


"You know exactly where I belong to."

The Purple Plain (Flammen über Fernost) ~ UK 1954
Directed By: Robert Parrish

Der in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs in Burma stationierte RAF-Pilot Bill Forrester (Gregory Peck) ist todessehnsüchtig, seit er seine Frau in der Heimat noch am Vermählungstag durch einen Fliegerangriff verlor. Der ihm freundschaftlich zugetane Lagerarzt Harris (Bernard Lee) sorgt dafür, dass Forrester die schöne Burmesin Anna (Win Min Than) kennenlernt, die wie er weiß, was Verlust bedeutet. Tatsächlich verlieben sich die beiden ineinander und Forrester überwindet sein Trauma. Seinen neuen (Über-)Lebenswillen kann er bald unter Beweis stellen, als sein Flugzeug über Feindgebiet abstürzt. Zusammen mit dem blasierten Physiker Blore (Maurice Denham) und dem schwerverletzten Carrington (Lyndon Brook) muss sich Forrester durch den Glutofen Burmas zurück zur Zivilisation schleppen.

Ein in wunderschönen Farben gefilmtes Kriegsabenteuer, ausnahmsweise aus britischer Fertigung, jedoch mit einem amerikanischen Star als Gallionsfigur. Gregory Peck, unruhig träumend und schwitzend unter dem Moskitonetz, das kommt mir rückblickend wie ein beinahe schon ikonisches Dramabild dieser Tage vor. Als dem Wahnsinn nahes, schwer traumatisiertes Fliegeras, in dessen Brust natürlich die denkbar größte Heldenseele wohnt, ist Peck einmal mehr phantastisch, zumal ihm die Rolle auf den Leib geschneidert scheint. Selbstredend folgt die Erlösung für ihn auf dem Fuße, überhaupt darum geht es in "The Purple Plain"; um die Rückgewinnung und Erprobung verlorenen Lebensmutes. Davon, dass Parrish ein großartiger, formvollendeter Abenteuerfilm geglückt ist, dessen Bildpracht ihn visuell und auch atmosphärisch sehr nahe an die Arbeiten von Powell und Pressburger rückt, gar nicht zu reden.

9/10

Robert Parrish WWII Pazifikkrieg Burma Fliegerei Trauma period piece





Filmtagebuch von...

Funxton

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