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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE DEVIL-SHIP PIRATES (Don Sharp/UK 1964)


"He's still alive." - "Throw him overboard then!"

The Devil-Ship Pirates (Die Teufelspiraten) ~ UK 1964
Directed By: Don Sharp

1588: Nachdem die englische Seeflotte die Armada im Ärmelkanal erfolgreich schlagen konnte, rettet sich der schwer beschädigte, kleine Schoner 'Diablo' an die britische Küste. Was der mitreisende Don Manuel Rodriguez de Sevilla (Barry Warren) nicht weiß, ist, dass Capitano Robeles (Christopher Lee) und seine Mannen eigentlich Piraten sind, die zum Kriegsdienst gegen Elizabeth gepresst wurden. Nachdem Robeles kurzerhand desertiert, überfällt er das nächstliegende Dorf und macht sich die Unwissenheit der Bewohner zunutze, indem er Don Manuels zuvor gestreutes Gerücht, Philips Armada sei siegreich gewesen, ausnutzt. Harry (John Cairney), der Sohn des örtlichen Schmieds Tom (Anrew Keir), rebelliert gegen den grausamen Robeles und bekommt schließlich Hilfe von Don Manuel.

Der letzte Piratenfilm der Hammer ist nach meinem persönlichen Empfinden zugleich der gelungenste: Die kleinen Nachlässigkeiten der Vorgänger, die vornehmlich darin bestanden, ihre begrenzten production values zu kaschieren, fanden sich nunmehr ausgeräumt; die Geschichte, clever installiert von Jimmy Sangster und sorgsam inszeniert von Don Sharp, bleibt geschickterweise auf eine vergleichsweise übersichtliche Lokalität begrenzt, ohne dass es notbehelfend-forciert wirkt. Aus dem Widerstreit der englischen Provinzler gegen die üblen Seeräuber unter Captain Robeles wird ein kriminalistisches Kammerspiel, dass sogar bestimmende Elemente späterer home-invasion-movies vorwegnimmt - eine Gruppe anarchischer Gewaltverbrecher schneidet einen ohnehin abgelegenen Flecken von der Außenwelt ab und spielt sich hernach als Mini-Usurpatoren mit zunehmend bösartigen Besitzansprüchen auf. Zum Glück gibt es bei Hammer jedoch stets den jugendhaften Heroen, der, wenngleich unter herben privaten Verlusten, mit der Übermacht fertig wird. Großes Abenteuer in einem kleinen, feinen Film.

8/10

Don Sharp Jimmy Sangster Michael Carreras Hammer Piraten Seefahrt Historie period piece Sumpf


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WHITE LINE FEVER (Jonathan Kaplan/USA 1975)


"Stop him before the gates - by all means necessary!"

White Line Fever (Straße der Gewalt) ~ USA 1975
Directed By: Jonathan Kaplan

Frisch zurück von der Air Force, plant der junge Carol Jo Hummer (Jan-Michael Vincent), mit seinem neu erworbenen Truck die nötigen Dollars für die gewünschte Familiengründung einzufahren. Doch gleich sein erstes Anklopfen bei der Spedition des Ganoven Buck (L.Q. Jones) konfrontiert ihn mit der bitteren Realität: Nicht nur, dass Buck seine Fahrer auf eigenes Risiko geschmuggelte Zigaretten und Spielautomaten transportieren lässt, er hat auch noch die mächtige Trucker-Gewerkschaft des Gangsters Cutler (Don Porter) im Rücken. Carol Jo weigert sich, die illegale Ware zu fahren und beschwört damit einen Konflikt herauf, der mit immer härteren Bandagen bis hin zur Eskalation geführt wird...

"Convoy" hat vielleicht Peckinpah und Kris Kristofferson, "White Line Fever" jedoch hat die feisteren Eier. Und zwar gehörig. Die Trucker-Rebellion geschieht hier weniger als Kreuzzug gegen Staatsgewalt und als Symbol für Freiheit denn aus existenziellem Eigennutz; Carol Jo Hummer will als frisch verheirateter Jungmalocher mit Nachwuchs im Anzug nämlich bloß sein verdientes Schärflein einfahren, seine Bankraten tilgen und dabei ehrlich bleiben. Dass dies einigen Firmenbossen und Kollegen bereits zuviel ist und man daher recht urplötzlich beginnt, mit unfairen Bandagen zu hantieren, dafür kann der Held nichts - gefallen lässt er sich allerdings ebenso wenig. Doch in diesem Falle hat David wenig Chancen gegen Goliath, auch wenn er hier und da ein paar gezielte Treffer landet. Am Ende besteht Carol Jo zwar als moralischer Sieger mit gewaltigem Feedback, was ihm vielleicht die Gründung einer eigenen Gewerkschaft (und, wenn man spekulieren möchte, vielleicht früher oder später auch den Abstieg in die Korrumpiertheit) ermöglicht, die dafür gezahlten preise jedoch rechtfertigen seine Dickköpfigkeit kaum bis gar nicht. Dieser Mut zur Entromantisierung des Proletariermilieus ist Kaplan gar nicht hoch genug anzurechnen.

8/10

Jonathan Kaplan Trucker Rache Arizona


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AUF DER REEPERBAHN NACHTS UM HALB EINS (Rolf Olsen/BRD 1969)


"Was denkst du dir bei diesem ungeheuerlichen Auftritt?"

Auf der Reeperbahn nachts um halb eins ~ BRD 1969
Directed By: Rolf Olsen

Nach acht Jahren wird der unschuldig wegen Mordes eingesessene Hannes Teversen (Curd Jürgens) aus dem Gefängnis entlassen. Für den eingefleischten Schifffahrtskapitän Hannes gilt nun zweierlei: Die Wiederherstellung seines guten namens durch einen nachträglich erbrachten Unschuldsbeweis, sowie die Abrechnung mit den damaligen Meineids-Zeugen, allen voran Hannes' früherer Kompagnon Lauritz (Fritz Tillmann), Ehemann der einst Ermordeten, der Hannes' Reederei-Anteile an sich gebracht hat. Lauritz indes pflegt noch immer halbseidene Kontakte zur Hafen-Unterwelt. Zudem erfährt Hannes von seinem besten Freund Pitter (Heinz Reincke) etwas für ihn schwer zu Verkraftendes über die junge Antje (Jutta D'Arcy)...

Mit diesem Remake des noch deutlich romantischer konnotierten, gleichnamigen Albers-Films von Wolfgang Liebeneiner legte Olsen einen weiteren Eintrag zu seinem Curd Jürgens/St.-Pauli/Crime-Zyklus vor. Wie immer in jenen Filmen ist der 'Normannische Kleiderschrank' als ebenso sonorer, besonnener wie trinkfester Herr der Lage zu sehen, der damit ja irgendwie auch in bester, nordischer Albers-Tradition steht. Ein paar Liedchen, darunter natürlich der titelgebende Akkordeon-Klassiker, müssen auch bemüht werden, klare Kiste. Widerfahrenes Unrecht wird bei Jürgens und durch ihn, wenn noch möglich, garantiert gut gemacht, damit von allem (halbwegs) ehrenhaften Mitmenschen am Ende Seeluft und Paulier Hafen-Stinkerei wieder reuelos eingesogen werden können. Im besten Falle stiftet der Gute dann noch ein bis zwei Liebesbeziehungen zwischen jungen Leuten und geht schlussendlich wieder in Ruhe seinem Patent nach, sei es als Arzt, Pfarrer oder eben Kapitän in schnieker Uniform. Heinz Reincke spielt einmal mehr den lustigen Adlatus, viele Darsteller mussten ihre Stimmen der damaligen Praxis der Nachsynchronisierung opfern: Darum klingt Fritz Wepper auch plötzlich wie Thomas Danneberg. Aber so war das damals, auf St. Pauli.

6/10

Hamburg Rolf Olsen Kiez St. Pauli Sleaze Remake Rocker Verschwörung Helgoland


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GRAVITY (Alfonso Cuarón/USA 2013)


"Houston, I have a bad feeling about this mission."

Gravity ~ USA 2013
Directed By: Alfonso Cuarón

Die beiden Astronauten Kowalski (George Clooney) und Stone (Sandra Bullock) befinden sich auf einer Mission im Orbit mit Außeneinsatz. Da erreicht sie ein Warnruf von der Erde: Ein russischer Satellit ist gecrasht und seine Trümmerteile haben bereits andere Satelliten zerstört, was zur Folge hat, dass nun ein riesiges Trümmerfeld geradewegs auf sie zukommt. Ihr Space Shuttle wird zerstört und Kowalski und Stone können sich als einzige Überlende mit Mühe und Not retten. Sie gelangen frei treibend bis zur Raumstation ISS, wo Kowalski sich opfert, um Stones Leben zu retten. Auch die ISS ist bereits schwer mitgenommen. Stones letzter Ausweg ist eine chinesische Raumstation, in der es noch eine Rettungskapsel gibt. Die Frau muss allerdings zunächst ihre latente Todessehnsucht überwinden, um sich selbst retten zu können.

Das große Meisterwerk, das viele in "Gravity" ausgemacht haben wollen, konnte ich trotz eifriger Schaufelei und Graberei nicht vorfinden. Formal sicherlich von bemerkenswerter Könnerschaft und technischem Einfallsreichtum gekennzeichnet, hatte ich bei Cuaróns Werk dennoch das nicht abreißen wollende Gefühl, einen durch die Vorführung seiner Mittel etwas selbstherrlich duftenden Konzeptfilm vorgesetzt zu bekommen, der ein wenig wie ein unter Zeitnot geratener "Cast Away" daherkommt, aufgrund des All-Settings natürlich sehr viel spektakulärer ausschaut, mit Clooney und Bullock in ihren hoffungslos formelhaften Präsentationen jedoch stets innerhalb seiner eigenen Umlaufbahn kreist und nie Gefahr läuft, diese zu verlassen. Bei mir regte sich da nichts, ich habe allerdings, das fällt mir immer wieder auf, sowieso nicht so mörderisch viel übrig für um Realismus bemühte Weltraum-Szenarien.
Irgendwo bestimmt honorabel, mich hat er kalt gelassen.

5/10

Alfonso Cuarón Weltraum Freundschaft


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THRESHOLD (Richard Pearce/USA 1981)


"Ready, Dr. Gehring?"

Threshold (Herzchirurg Dr. Vrain) ~ USA 1981
Directed By: Richard Pearce

Thoas Vrain (Donald Sutherland) gilt in Fachkreisen als einer der besten Herzchirurgen der Welt. Als ihm ein ihm sympathischer Patient (Michael Lerner) trotz erfolgreicher und kompetent durchgeführter Transplantation unter den Fingern wegstirbt, wird er bezüglich einer beinahe fiktionesken Entwicklung des Biologen Aldo Gehling (Jeff Goldblum) hellhörig: Gehling hat ein selbsttätiges, auf Nuklearbasis arbeitendes Kunstherz erfunden, das nach diversen Testreihen auf seinen ersten Einsatz im menschlichen Organismus wartet. Entgegen des Beschlusses einer Ethikkommission pflanzt Vrain die Prothese einer jungen Patientin (Mare Winningham) ein, deren Leben akut auf der Kippe steht.

Ein besinnliches, ruhiges Drama um Helden in Weiß, die Notwendigkeit medizinischer Fortschritte und die allgemein vorherrschende Angst davor, das vollkommen ohne den üblichen Spitalkitsch auskommt und nicht allein aufgrund Donald Sutherland in der Hauptrolle an Redfords kurz zuvor entstandenen "Ordinary People" erinnert. Sutherland, zu dieser Zeit um einen Imagewechsel bemührt, der ihn vom bisweilen wirrköpfigen, hippieesken Sonderling hin zum gepflegten Establishment-Repräsentanten mit Fönfrisur führte, zeigt großes Schauspiel vermittels kleiner Gesten und Jeff Goldblum als nerdiger Forscher gibt eine Vorstudie seines Seth Brundle. Richard Pearces Inszenierung würde ich am ehesten als das wähnen, was man so landläufig 'behutsam' nennt; etwas weichgezeichnet, höchst unspektakulär; stets präsent, aber gepflegt im Hintergrund verharrend. Eben ein Film zum Durchatmen, der vielleicht gerade wegen seiner auffälligen Unauffälligkeit zu Unrecht ins Hintertreffen geraten ist.

8/10

Richard Pierce Chirurgie Krankenhaus Kalifornien


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THE CONCORDE... AIRPORT '79 (David Lowell Rich/USA 1979)


"They don't call it the cockpit for nothing, honey."

The Concorde... Airport '79 (Airport '80 - Die Concorde) ~ USA 1979
Directed By: David Lowell Rich

Joe Patroni (George Kennedy) ist zurück! Und, kaum zu glauben: diesmal fliegt er selbst, und zwar mit seinem Mitpiloten Paul Metrand (Alain Delon) eine Concorde von Washington D.C. über Paris nach Moskau zu den dort stattfindenden Olympischen Spielen. An bord befindet sich auch die Journalistin Maggie Whelan (Susan Blakely), die just festgestellt hat, dass ihr schwerreicher Lover Kevin Harrison (Robert Wagner) seine industriellen Finger in allerlei illegalen Waffenverkäufen an Amerikas schlimmste Feinde drinstecken hat. Um Maggie daran zu hindern, ihrer Recherche-Ergebnisse rechtzeitig zu veröffentlichen, verübt Harrison diverse Anschläge auf die Concorde - doch er hat nicht mit dem Können der beiden Superpiloten Patroni und Metrand gerechnet!

Der vierte und letzte "Airport", verzichtend auf leinwandtaugliches Scope und endlich auch Personal vom Schlage Sylvia Kristels, Sybil Dannings und Avery Schreibers vereinigend, dokumentiert den endgültigen formvollendeten Abstieg des Franchise in den lupenreinen Camp. Das Regieniveau befindet sich bestenfalls auf dem dem zeitgenössischer TV-Serien, die wenigen Spezialeffekte, sich zumeist in Luftaufahmen und Explosionen erschöpfend, sind schmerzvoll schlecht und der ganze Plot mitsamt seines dramaturgischen Fortlaufs ist von blühender Einfalt: natürlich muss, um eine einzelne Person zu meucheln, gleich ein ganzes Passagierflugzeug samt Insassen vom Himmel geholt werden (obschon es genügend andere Gelegenheiten zuhauf für den singulären Anschlag gäbe) und natürlich werden dafür spektakulärste Mittel wie Kampfdrohnen und Phantom-Jets benutzt (mit denen George Kennedy allerdings spielend fertig wird). Dazu kommen gar wunderhübsche Nuancen von Misogynie und Chauvinismus, die schon damals großflächiges Kopfschütteln ausgelöst haben sollten. Das Katastrophenepos und sein dramödischer Abgesang, in Farbe. Und als großer Filmfoto-Roman in BRAVO!

6/10

Paris Flugzeug David Lowell Rich Verschwörung Olympia Camp


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AIRPORT '77 (Jerry Jameson/USA 1977)


"Beauty is in the eyes of the beholder."

Airport '77 (Verschollen im Bermuda-Dreieck - Airport '77) ~ USA 1977
Directed By: Jerry Jameson

An Bord seines sündhaft teuren Privat-Luxusjets befinden sich nicht nur die zur Neueröffnung seines Museums geladenen Gäste des Multimillionärs Philip Stevens (James Stewart), sondern auch diverse Kunstobjekte, Delikatessen und anderer edler Tand. Darauf ist auch eine Gruppe von Ganoven, darunter Co-Pilot Chambers (Robert Foxworth) scharf, die sich als Crew-Mitglieder getarnt an Bord begibt und den Flieger Richtung Karibik umlenkt. Beim Versuch, das Radar zu unterfliegen, setzt Chambers jedoch auf dem Meer auf und der Jet versinkt oberhalb eines Tiefsee-Grabens. Für den heldenhaften Piloten Don Gallagher (Jack Lemmon) und die Fluggäste bleiben nur wenige Stunden zur Initiierung einer Rettungsaktion.

Das zweite "Airport"-Sequel ist wohl der einzige Beitrag der Reihe, der unter den wirklich maßgeblichen Katastrophenfilmen der Siebziger firmieren darf - nicht nur, dass er von allen vier Filmen die beeindruckendsten Hollywood-Grandseigneurs vereint, er findet sich zudem von Jerry Jameson, wenngleich sehr routiniert, überaus sauber und spannend inszeniert und spart sich die schlimmeren Flachnummern des direkten Vorgängers. Wie dort ist die Rettung der Verunglückten in erster Linie auch hier ein Wettlauf gegen die Zeit gegen gnadenlose Außenbedingungen: Der enorme Wasserdruck droht, die Hülle des Jets zum Zerbersten zu bringen, derweil durch diverse kleine Risse bereits Meerwasser eindringt. Zudem verknappt sich der Sauerstoff. Heldentode dürfen auch hier gestorben werden, darunter ein besonders pittoresker von Christopher Lee, der mit weit aufgerissenen Glubschern seine Todesszenen als "Dracula" revitalisiert. Und: Es ist kaum zu glauben, aber Jack Lemmon als physisch überaus präsenter Actionheld macht eine astreine Figur.

7/10

Jerry Jameson Sequel Atlantik Flugzeug Luftfahrt Heist Seenot


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AIRPORT 1975 (Jack Smight/USA 1974)


"My life's a surprise, one surprise after another."

Airport 1975 (Giganten am Himmel - Airport '75) ~ USA 1974
Directed By: Jack Smight

Auf dem Weg von Washington D.C. nach Los Angeles kollidiert ein Boeing-747-Passagierflugzeug mit 120 Fluggästen an Bord frontal mit einer Privatmaschine, deren Pilot (Dana Andrews) eine Herzattacke erlitten hat. Zwei der Piloten (Roy Thinnes, Erik Estrada) sterben bei dem Unfall, der dritte (Efrem Zimbalist jr.) wird schwer verletzt. Nun ist es an der tapferen Stewardess Nancy Ryor (Karen Black), die Boeing so lang in der Luft zu halten, bis der Bodencrew eine Lösung einfällt. Diese naht in der Person von Nancys Wochenend-Lover, des heldenhaften Alan Murdock (Charlton Heston)...

Die vielen Katastrophenfilme der siebziger Jahre sind ja vor allem eines: Ein markanter Hilferuf der angesichts von New Hollywood ratlosen Filmstudios, die versuchten, mit derlei Edeltrash den seltsam existenzialistischen Strömungen, die all die vollbärtigen Filmstudenten und Autoren urplötzlich als status quo hinstellten, Paroli zu bieten. Die Rezeptur war dabei stets dieselbe: Ein Altstar-Aufgebot, wie es zwanzig, dreißig Jahre zuvor undenkbar gewesen wäre, wurde Seite an Seite mit TV-Serien-Darstellern von heute herbeizitiert; große Namen von güldenem Klang säumten die credits neben unbedeutenden Vertragsakteuren und ein zwar arrivierter, jedoch noch nicht ganz so alter Spund hatte die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Während die Fox den megalomanisch veranlagten Irwin Allen für sich tanzen ließ, setzte Universal auf ein bereits etabliertes trademark: Arthur Haileys Roman "Airport" hatte bereits 1970, als noch alle unwissenderdings glaubten, ein 'disaster movie' sei so etwas wie ein Megaflop Marke "Cleopatra", für volle Kassen gesorgt - vier Jahre später wurde jener Titel dann im Zweijahrestakt weiterverbraten. Losen inhaltlichen Zusammenhalt erfuhr die gesamte Serie durch den stets wiederkehrenden Charakter des von George Kennedy gespielten Ingenieurs Joe Patroni, der dafür bürgte, dass man es auch wirklich mit einem waschechten "Airport" zu tun hatte.
"Airport 1975" kann niemand, der irgendwann einmal "Airplane!" des ZAZ-Trios gesehen hat, mehr für voll nehmen. Speziell dieses erste Sequel um thermische Nöte wurde darin nämlich gnadenlos gespooft, das nierenkranke Teenager-Mädchen, die Klampfe spielende Nonne - sie alle finden sich in Smights unverfroren kitschiger Luttragödie. Dazwischen hat man das Vergnügen mit diversen Früh-ProtagonistInnen des Golden Studio Age, angesichts deren Auftritten man etwas verwundert ist, dass die anno 74 überhaupt noch lebten, geschweige denn so luftdicht geschminkt werden konnten. Nerben dem erwähnten Andrews ist Myrna Loy mit an Bord und sogar Gloria Swanson, die sich selbst spielt. Faszinierende Randerscheinungen der Filmhistorie.

6/10

Jack Smight Sequel Flugzeug Luftfahrt


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RASPUTIN (Uli Edel/USA, H 1996)


"I have performed many autopsies in my time, but I've never located a soul." - "How many memories or emotions have you found?"

Rasputin ~ USA/H 1996
Directed By: Uli Edel

Grigori Jefimowitsch Rasputin (Alan Rickman) behauptet von sich, dass ihm Gott selbst erschienen sei und ihn mit Wunderkräften und seherischen Gaben ausgestattet habe. Den Etablierten von St. Petersburg fällt es allerdings schwer, Rasputin als wahren Gottesmann anzuerkennen, treibt er sich doch allzu gern mit Zigeunerhuren herum oder liegt volltrunken in der Gosse. Dennoch vermag der eilends an den Zarenhof Berufene es, dem an der Bluterkrankheit leidenden Zarewitsch Alexej (Freddie Findlay) das Leben zu retten. Für dessen Mutter (Greta Scacchi) ist Rasputin fortan tatsächlich ein Heiliger, der zwischenzeitlich im Monarchenhaus ein- und ausgehen darf, wie es ihm beliebt, derweil der Hofstaat und auch Zar Nikolaus II (Ian McKellen) immer wieder an seiner Ehrbarkeit und seinen Motiven zweifeln. Vor seiner Ermordung durch den Zarinnen-Cousin Prinz Felix (James Frain) sagt Rasputin voraus, dass ihm binnen zweier Jahre die gesamte Zarenfamilie nachfolgen werde. Die Oktoberrevolution hält sein Versprechen.

An der schillernden Persönlichkeit Rasputins Interessierte werden in diesem für HBO produzierten Ausstattungsstück ihre Freude haben. Eine großartige Darstellerriege, allen voran natürlich der wunderbar exaltierte Alan Rickman, der als Wunderheiler in einer weiteren, wie für ihn geschaffen erscheinenden Exzentriker-Performance zu sehen ist. Besonders seine Sterbeszene, in der er (zunächst vergeblich) vergiftet und erschossen wird (womit der Film nochmals die alte Mär füttert, derzufolge Rasputin trotz aller möglicher nicht sterben mochte - in Wahrheit wurde er schlicht gefoltert und erschlagen), ist großes Theater. Auch David Warner als Rasputins rationalistischem Geistesrivalen Botkin zuzuschauen bereitet einiges Vergnügen. Zudem fügt Edels Film sich zu den hübschen Revolutionsdramen, die mit großer Geste die Prä- und Postwirren des gesellschaftlichen Umsturzes zeigen. "Rasputin" besitzt dabei sogar noch einmal (nach "Dr. Zhivago") die eigentlich unschickliche Chuzpe, sich streng an einer aristokratischen Perspektive zu orientieren und Zwangsenteignung, Erniedrigung und schließlich Hinrichtung der Zarenfamilie in all ihrer barbarischen Realistik nachzuspüren.

7/10

Russland Biopic Historie period piece Russische Revolution Uli Edel TV-Film HBO Alkohol


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MARY REILLY (Stephen Frears/USA 1996)


"I always knew you'd be the death of us."

Mary Reilly ~ USA 1996
Directed By: Stephen Frears

Im London der 1880er Jahre erhält die als Kind schwer misshandelte und somit stark traumatisierte Mary Reilly (Julia Roberts) eine Anstellung als Hausmädchen bei dem renommierten Arzt Dr. Jekyll (John Malkovich). Die ebenso liebenswerte wie linkische Art des seltsamen Medziners fasziniert Mary und alsbald entsteht ein wechselseitiges, zartes Vertrauensverhältnis, das der Rest des Gesindes, allen voran der misstrauische Poole (George Cole), eher kritisch beäugt und das auf eine zusätzlich harte Probe gestellt wird, als Jekylls neuer Assistent, ein gewisser Mr. Hyde (John Malkovich), im Hause zu verkehren beginnt...

Nachdem bereits "Dracula" und "Frankenstein" durch Coppola und Brannagh zu Beginn respektive gegen Mitte der Dekade zeitgemäß konstruierte Neuinterpretationen im Kino erfahren hatten, kam mit dem vordergründig unscheinbar betitelten "Mary Reilly" auch die klassische Mär von Dr. Jekyll und Mr. Hyde zu aufgefrischten Ehren, allerdings in einer bereits literarisch umstrukturierten Variation, die ich allerdings stets sehr mochte. Hierin wechselt die Erzählperspektive zugunsten des von der Autorin Valerie Martin eigens neu eingeführten Hausmädchens Mary Reilly, eines ebenso verhuschten wie zartfühlenden Geschöpfes, das, ebenso wie der Hausherr, höchst abseitige libidinöse Untiefen beherbergt. Anders als im altbekannten Kontext, demzufolge Jekyll seine animalische Seite zu befreien trachtet und deshalb Mr. Hyde freisetzt, deutet Martin das Bedürfnis des Doktors nach innerer Befreiung als Resultat einer schweren Depression gekoppelt mit bleierner Todessehnsucht. Hyde ist hierin also eher die Entsprechung eines selbstzerstörerischen Geistes. Auch die Titelfigur ist ein Musterexempel für freudianische Analysierorgien; offenbar hat die einstmalige Misshandlung durch ihren versoffenen Vater (James Gambon) eine leichte Note masochistischer Unterwürfigkeit bei ihr hinterlassen, die sich in einer ihr selbst unerklärlichen Schwäche für Mr. Hyde manifestiert und sie in Verbindung mit ihren rational erklärbaren Gefühlen für Dr. Jekyll zu einer vollständigen Liebenden macht. Leider findet dieses im Grunde ideale Paar nicht zusammen, denn die Geschichte endet, wie sie eben endet - jedoch deutlich romantischer als gewohnt.

8/10

Stephen Frears Jekyll und Hyde London amour fou Victorian Age Serienmord period piece Madness mad scientist





Filmtagebuch von...

Funxton

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