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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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DARK TOURIST (Suri Krishnamma/USA 2012)


"You're disgusting."

Dark Tourist ~ USA 2012
Directed By: Suri Krishnamma

Der Wachmann Jim (Michael Cudlitz) hegt ein immenses Interesse an historischen Gewaltverbrechern. Gegenwärtig gilt eine ganze Konzentration dem Serienmörder und Brandstifter Carl Marznap (Pruitt Taylor Vince), der um die Mitte des 20. Jahrhunderts in der kalifornischen Provinz aktiv war und unter anderem seine eigenen Eltern getötet hat. Während seines Urlaubs reist Jim an die authentischen Schauplätze, um Marznaps Leben und Wirken nachzuspüren. Dabei verliert Jim in sich selbst und beginnt, sich mit dem ihm erscheinenden Marznap zu identifizieren...

Hervorragendes, pointiertes Serienkiller-Psychogramm, das, dessen bin ich mir bereits nach dieser Erstbetrachtung gewiss, zu den Höhepunkten des Subgenres gezählt werden kann. Krishnamma und Script-Autor Frank John Hughes tauchen tief hinab in die Psyche des tief gestörten Jim, zeigen seine diversen Zwangsneurosen und psychischen und physischen Narben, die offenbar von schwerem Missbrauch während seiner Kindheits- und/oder Jugendjahre herrühren, wie beiläufig und wählen stattdessen vornehmlich die subjektive Ich-Perspektive für ihre Erzählung. Erst ganz zaghaft, dann mit weiterreichender Konsequenz und schließlich im Nachhinein vervollständigt sich das zuvor infolge der bewusst einseitigen Berichterstattung brüchiges Identitätsporträt Jims, der unter komplexen Störungen leidet und sich infolge dessen ein gewalttätiges Ventil suchen. Krishnamma findet für diesen Abstieg in eine zutiefst menschliche Innenhölle betörend schöne und infolge dessen bald widersprüchliche Bilder und legt nicht nur diesbezüglich einen der beachtenswertesten Filme der jüngeren Zeit vor.

8/10

Suri Krishnamma Serienmord Madness Kalifornien Paraphilie


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CAPTAIN PHILLIPS (Paul Greengrass/USA 2013)


"I'm the captain now."

Captain Phillips ~ USA 2013
Directed By: Paul Greengrass

2009 sieht sich Schiffskapitän Phillips, das Containerschiff 'Alabama' mit einer Ladung Hilfsgüter von Oman nach Kenia befördert, mit einer kleinen Gruppe somalischer Piraten konfrontiert. Nachdem Phillips ihnen zunächst durch ein geschicktes Manöver entkommen kann, schafft es Muse (Barkhad Abdi) mit seinen Leuten doch noch, die Alabama zu entern. Auf Dauer erweisen sie sich jedoch der Übermacht und Bordkenntnis der Mannschaft nicht gewachsen und verlassen daher mit einem Rettungsboot und Phillips als Geisel wieder das Schiff. Verfolgt von der Navy entwickelt sich ein nervenaufreibendes Geiseldrama, bei dem Phillips' Leben mehr als einmal auf der Kippe steht...

Tadellos inszeniertes Spannungskino des bekanntermaßen um Kamerawackeleien nie verlegenen Paul Greengrass. Um die permanente Stresssituation, der Phillips sich beginnend mit der ersten Konfrontation mit den ebenso naiven wie entschlossenen Piraten ausgesetzt sieht, zu illustrieren, erweist sich dieses Stilmittel im vorliegenden Fall jedoch als mehr denn probat. Ein hohes Maß an innerer und äußerer Dramatik wird von Greengrass zur Inszenierung des Konflikts zwischen dem pflichtbewussten, räsonablen Seemann und den stets kurz vor der Explosion stehenden, gedungenen Entführern aufgeboten - eine klassische Kidnapping-Story mit all den wohlbekannten, jedoch erneut brillant variierten und umgesetzten Formeln, geschliffenes Studiohandwerk, gibt das finale Resultat her. "Captain Phillips" präsentiert sich auch als ein hervorragender Schauspielerfilm, in dem Tom Hanks in der Titelrolle so gut ist wie lang nicht mehr und auch die von Laien gespielten Somali Grandioses darbieten. Toller Film.

8/10

Paul Greengrass Piraten Afrika Somalia Seefahrt Kidnapping


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DAS HERZ VON ST. PAULI (Eugen York/BRD 1957)


"Das is mir schiet-egal!"

Das Herz von St. Pauli ~ BRD 1957
Directed By: Eugen York

Jonny Jensens (Hans Albers) spärlich besuchte, aber urige Eventpinte, 'Das Herz von St. Pauli', droht unter der hohen Steuerschuld in die Pleite zu gehen. Da vermittelt Jensens Sohn Hein (Hansjörg Felmy) dem alten Käpt'n eine Partnerschaft mit dem zwielichtigen Halbweltler Jabowski (Gert Fröbe). Dieser buttert einige Tausender in die Sanierung des Ladens, macht schlüpfrige Attraktiönchen als Publikumsmagneten und nutzt Jensens Rumkeller als Umschlagsplatz für seine krummen Geschäfte, derweil Jensen selbst als rührende Volkslieder schmetternder Tattergreis verheizt wird. Als Jabowski die erst siebzehnjährige Helga (Karin Faber) auftreten lässt und begrapscht, steht Ärger ins Haus...

Fast noch ein bisschen schöner als Albers' vorhergehender Pauli-Film "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" nimmt sich Eugen Yorks Krimödie aus. Albers ist hierin das letzte Mal in seiner ollen Paraderolle als tüchtiger Seebär im Trockendock zu bewundern, merklich steifer werdend, aber doch noch immer der Alte. Seine Anschreigefechte mit dem cholerischen Fröbe, der hier unbewusst bereits Vorübungen für die Rolle des Auric Goldfinger exerziert, sind pures Nachkriegs-Schauspielgold, das durch Nebendarsteller wie Werner Peters noch zusätzlich aufgewertet wird. Zudem markiert "Das Herz von St. Pauli" einen noch vergleichsweise zaghaften, aber doch recht wichtigen Schritt in später folgende Exploitationgefilde des Deutschen Kinos: Nicht nur ein Paar blanker Busen stolzierten durch diesen "Film, wie ihn sich das Publikum wünscht" (Verleihwerbung), auch Karin Faber zeigt in einer beiläufigen Szene elementare Teile ihres "Balkons" (Fröbe). Da werden einige der etwas biedereren Zuschauer, die mit Albers noch goldenen Kniep und Knapp anno Kautaback assoziierten, seinerzeit ähnlich aufgestöhnt haben, wie die gute Frau "Ich bin nicht prüde, aber DAS geht zu weit" Pingel (Elly Burgmer) in Jensens Etablissement.

7/10

Eugen York St. Pauli Kiez Hamburg Familie Vater & Sohn


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AUF DER REEPERBAHN NACHTS UM HALB EINS (Wolfgang Liebeneiner/BRD 1954)


"Oh. Jetzt wird's frivol."

Auf der Reeperbahn nachts um halb eins ~ BRD 1954
Directed By: Wolfgang Liebeneiner

Nach acht Jahren in der Ferne kommt der alte Seebär Hannes Wedderkamp (Hans Albers) zurück nach St. Pauli, um sich dort endgültig häuslich niederzulassen. Er ahnt nicht, dass Anni (Helga Franck) nur die Ziehtochter seines besten Freundes Pitter Breuer (Heinz Rühmann) ist und in Wahrheit sein eigenes Kind. Also konzentriert er sich ganz darauf, Pitters traditionelle Kneipe, das "Hippodrom", wieder auf Vordermann zu bringen. Als Pitter jedoch das Gefühl bekommt, Anni und Hannes sind sich etwas zu intim zugetan, platzt er mit der Wahrheit heraus. Und das ist nicht das einzige Problem: Ein paar Kleinkriminelle wollen die Ladung eines versenkten Marine-U-Boots bergen, dessen Lage nur Hannes und Pitter bekannt ist...

Auf der Suche nach potenten Nachfolge-Prestige-Projekten zu Käutners unsterblicher Reeperbahnade "Große Freiheit Nr. 7" kam man irgendwann auf den cleveren Trichter, dass Hans Albers sich am Besten an der Hamburger Waterkant machte, mit Quetschkommödchen, speckiger Schiebermütze, Pfeifchen und lallendem Sang. Exakt zehn Jahre nach besagtem Großerfolg inszenierte Wolfgang Liebeneiner unter besonderer Prononcierung von Lokalkolorit, Wirtschaftswunder und neuem Heimatstolz also diese Quasi-Fortsetzung, in der Hans Albers exakt denselben Typen noch einmal zu spielen hatte, allerdings unter anderem Nachnamen und leicht veränderter Biographie. Das Titellied allerdings darf auch hier nicht fehlen. Ein bisschen Kriminalogie kam noch mit herein - die große Kolportage, die Olsens fünfzehn Jahre jüngeres Remake auszeichnet, blieb bei Albers jedoch wohlweislich aus. Während sich darin tatsächlich Vater und Tochter ineinander verlieben, um unter Eröffnung der Wahrheit etwas verdattert dreinzuschauen (was andererseits auch zu Curd Jürgens' Image des geflissentlich überdatierten Playboys passt), bleibt es hier bei einer eher eifersüchtigen Vermutung; der Protagonist ist kein Ex-Knacki, Rühmann kein Reincke und auch miese Jugend-Schlägerbanden gehören noch nicht zum guten Ton in einem sauberen deutschen Kinofarbfilm. Das alles heißt jedoch nicht, dass der Pauli-Film-Chronist auf den Liebeneiner verzichten dürfte: "Wer noch niemals in lauschiger Nacht einen Reeperbahn-Bummel gemacht, is' ein armer Wicht, denn er kennt dich nicht - mein St. Pauli, St. Pauli bei Nacht..."

7/10

Wolfgang Liebeneiner St. Pauli Hamburg Kiez Seefahrt Freundschaft


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CARRIE (Kimberly Peirce/USA 2013)


"I'm warning you, moma."

Carrie ~ USA 2013
Directed By: Kimberly Peirce

Mit dem späten Beginn ihrer Geschlechtsreife beginnt die unter ihrer psychisch kranken, bigotten Mutter (Julianne Moore) leidende Carrie White (Chloë Grace Moretz) auch, ihre bisher latent aufgetretenen telekinetischen Kräfte weiterzuentwickeln. Während einige garstige Schulkameradinnen, allen voran die rotzige Chris (Portia Doubleday) Carrie mittels peinlicher Handyvideos, die sie auch noch ins Internet stellen, mobben, steht die reumütige Sue (Gabriella Wilde) ihr zur Seite. Sie überredet sogar ihren Freund Tommy (Ansel Egort), mit Carrie zum Abschlussball der Schule zu gehen. Doch hier entfesselt Chris die längst lauernde Katastrophe...

De Pamas monolithisches Original muss sich durch diese Neuverfilmung - und da geht es ihm wie nahezu sämtlichen anderen, mittlerweile in Legion gehenden Genreklassikern, die aufs Neue durch die Tretmühlen Hollywoods gejagt wurden und werden, in keinster Weise bedroht fühlen. Tatsächlich scheint mir Peirces "Carrie" wohl sogar eines der redundantesten Remakes jener nicht abreißen wollenden Welle (auf der ich allerdings zugegebenermaßen nach wie vor gern mitsurfe) zu sein, da es De Palma faktisch kaum etwas hinzusetzen kann. Das Thema 'Mobbing' ist natürlich infolge der neuen Medien, die eine virale Verbreitung entsprechender Aktionen in Blitzeile gestatten, hochaktuell und auch die Tatsache, dass Margaret White eine untherapierte Borderlinerin ist, veräußert die Neufassung wesentlich plastischer, das war's dann aber auch: Weder von der exzessiven, multivalenten Emotionalität des Originals, die neben De Palmas hochsensibler, kluger Inszenierung vor allem der durchweg wunderbaren Darstellerriege zu verdanken ist, ist noch etwas übrig geblieben, noch von der fatalistisch-bleiernen Bedrohlichkeit, die im eskaliernden Schulballfinale und insbesondere bei Carries anschließender, reumütiger Heimkehr zu spüren ist. Vor allem der häufig zu vernehmende Vorwurf, die eher als attraktiv wahrnehmbare Chloë Grace Moretz sei als verschlossene Außenseiterin fehlbesetzt, greift in geradezu verhängnisvoller Weise. Das nimmt dir jedenfalls keiner ab, Hit-Girl.
So hat "Carrie" 2013 wohl bestenfalls eine Berechtigung als refreshment für gegenwärtige Pennälerinnen, die sich auf einer Pyjama-Party mit Energydrinks zudröhnen und sich domestiziert gruseln wollen. Aber auch so was darf und muss es ja geben.

5/10

Kimberly Peirce Stephen King Remake Coming of Age Mutter & Tochter Kleinstadt Teenager


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UN CONDÉ (Yves Boisset/F, I 1970)


Zitat entfällt.

Un Condé (Ein Bulle sieht rot) ~ F/I 1970
Directed By: Yves Boisset

Eine Spirale der Rache und der wechselseitigen Gewalt entbrennt in Paris: Nachdem der Gangsterboss Tavernier (Francis Cosne) den Konkurrenten Dassa (Pierre Massimi) ermorden lässt und dessen Schwester (Françoise Fabian) bedroht, tritt Dassas bester Freund Dan Rover (Gianni Garko) auf den Plan. Bei der folgenden Racheaktion erschießt Dassas Partner Viletti (Michel Constantin) den Polizisten Barnero (Bernard Fresson), was wiederum dessen Freund Favenin (Michel Bouquet) nicht ungesühnt lassen kann...

Wenn der Krieg zwischen Unterwelt und Polizei sich verselbstständigt und für die Beteiligten zur Privatfehde gerät, so "Un Condé", dann geraten selbst althergebrachte, natürliche Konfliktstrukturen in Bedrängnis: Durch den alternden, verbissenen und systemmüden Flic Favenin, der irgendwann erkennen muss, wie sinnlos seine Vendetta ist und das er dadurch mehr Schaden anrichtet denn repariert, gerät das traditionelle Gleichgewicht zwischen Recht und Verbrechen in eine geradezu gefährliche Unwucht. Boisset illustriert dabei wunderhübsch die Differenz zwischen französischer und italienischer Genrekost: Im Vergleich zu den östlich lebenden Polizotti-Anrainern gehen die Pariser Condés sehr viel biederer, leiser, verächtlicher, vielleicht sogar bedrohlicher zu Werke. So ist Boisset vielleicht kein Melville, für einen knackigen, harten Polizeifilm klassischer Koloratur jedoch langt es allemal.

8/10

Yves Boisset Paris Rache Mafia


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LES AVALEUSES (Jess Franco/F, B 1973)


Zitat entfällt.

Les Avaleuses (Entfesselte Begierde) ~ F/B 1973
Directed By: Jess Franco

Einsam, stumm, depressiv, jahrtausendealt, dauergeil: Die Vampirin Irina Karlstein (Lina Romay) hat's nicht leicht. Auf der schönen Insel Madeira sucht sie sich ihre Opfer, denen sie sämtliche Lebenssäfte bei Fellatio und Cunnilingus aus den Genitalien saugt und sie hernach glücklich, aber tot zurücklässt. Für den Gerichtsmediziner Dr. Roberts (Jess Franco) ein klarer Fall, ebenso wie für den mysteriösen, blinden Parapsychologen Dr. Orloff (Jean-Pierre Bouyxou). Selbst die Liebe zu dem Lyriker Baron Von Rathony (Jack Taylor) vermag Irina nicht auf den rechten Weg zu führen und so ist sie am Ende froh, dass ihre Ahnen sie wieder zurück in die nebulöse Dunkelheit rufen, aus der sie einst emporstieg.

Bilder und Töne in meditativer Einheit - als solcher und nur solcher muss man "Les Avalseuses" begegnen. Der Film ist denkbar purster Franco, schundig, schäbig, imbezil, avantgardistisch und höchst poetisch, er findet wie so häufig wieder (s)eine erstaunliche Nische zwischen Konzeptkunst und unverhohlenem Trash. Francos jüngste Muse und Ehefrau Lina Romay erwies sich ja als überaus zeigefreudig und stets bereit, jede noch so schmutzige Avance ihres Gatten vor der Kamera umzusetzen, so dass sie auch dieses Machwerk zur Gänze trägt. Die Szenen derweil, in denen der Meister selbst oder der noch hölzernere Bouyxou vor der Kamera zu agieren haben, präsentieren unglaubliches Schmierentheater hinter kaum fassbarem, ominösem Dialog (für dessen Einsprechung sich in der deutschen Vertonung selbst ein Erik Schumann nicht zu schade war). Aber das ist eben, wie hinreichend erwähnt, die höchsteigene Signatur dieses zu Lebzeiten nimmermüden Kino-Dynamos (oder, wie Schifferle ihn so schön nennt, 'Cinemanen').

5/10

Vampire Portugal Madeira Insel Sucht Jess Franco Europloitation


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LA VÉNUS À LA FOURRURE (Roman Polanski/F, PL 2013)


Zitat entfällt.

La Vénus À La Fourrure (Venus im Pelz) ~ F/PL 2013
Directed By: Roman Polanski

Nach einem ermüdenden Vorsprechen voller dilettantischer Augenblicke freut sich Stückeautor Thomas (Mathieu Amalric) auf einen geruhsamen Feierabend. Doch da schneit aus Wind und Wetter eine weitere Bewerberin herein, die etwas vulgär erscheinende Vanda (Emmanuelle Seigner), die Thomas überrumpelt und ihn zu einer doch noch anzuberaumenden Audienz nötigt. Höchst überrascht von ihren darstellerischen Qualitäten lässt sich Thomas, dessen aktuelles Drama eine stark persönlich gefärbte Adaption der Sacher-Masoch-Novelle "Venus im Pelz" ist, in die gemeinsame Lesung fallen. Ohne es recht zu bemerken, verwandelt er sich mehr und mehr in Severin von Kusiemski, den Protagonisten des Stücks, der in der zunehmend die Situation bestimmenden Vanda seine lang herbeigesehnte Herrin findet.

Nach "Carnage" 'reduziert' sich Polanski inszenatorisch noch weiter; auf zwei Personen und einen einzigen, schrankenlosen Raum. Weniger Sozialsatire (wenngleich auch davon noch ein Funken vorhanden ist) denn Vivisektion zeitgenössischer Gender-Bilder sowie die Auslotung einer privat-sexuellen Untiefe ist diesmal das Thema, ähnlich wie schon "Bitter Moon", zu dem ich bereits keine innige, ja, vielleicht gar von allen Polanski-Filmen (einschließlich "Pirates" wohlgemerkt) die unpersönlichste pflege. Womöglich ist es so: wenn Polanski beginnt, seinem Figureninventar dessen sexuellen Nöte und Bedürfnisse zu entlocken, ist er für mich am uninteressantesten, von dem erfrischend-anarchischen "Che?", der das Ganze auf ein absurd-flockiges Level hievte, vielleicht einmal abgesehen. Amalric, wohl nicht von ungefähr von einer auffälligen physiognomischen Ähnlichkeit mit dem jungen Polanski geprägt, steht als der femininen Übermacht ausgelieferter Gummimann, der seine intellektuelle Überheblichkeit am Ende mit der Lächerlichmachung vor sich selbst bezahlt, in der Tradition klassischer Polanski-Figuren wie George aus "Cul-De-Sac" oder Trelkovsky in "Le Locataire", die ja jeweils auch am Ende ihres Filmweges als traurige Kapitulierer in Frauenschminke dazustehen hatten.
Innerhalb Polanskis Œuvre ist "La Vénus" ergo ein mit Leitmotiven gespickter Anknüpfpunkt vollster Existenzberechtigung und sowieso Pflichtprogramm für jeden Connaisseur. Das heißt jedoch nicht, dass man ihn wirklich lieben müsste.

7/10

Roman Polanski based on play Theater Paris Leopold von Sacher-Masoch Groteske Satire


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RUSH (Ron Howard/USA, D, UK 2013)


"Happiness is your biggest enemy."

Rush ~ USA/D/UK 2013
Directed By: Ron Howard

Die Formel-1-Saison 1976 erweist sich als Kopf-an-Kopf-Duell zwischen ihren beiden Starpiloten, dem Briten James Hunt (Chris Hemsworth) und dem Österreicher Niki Lauda (Daniel Brühl), zwei, wenn auch völlig unterschiedlich tickenden, Egomanen. Während Hunt das Leben eines Rockstars führt und seine Rennen lediglich als kurze Intermezzi seiner Jet-Set-Abenteuer begeht, ist Lauda die Ernsthaftigkeit in Person, ein stoisch-ehrgeiziger Mensch, der den Sieg zur Wissenschaft macht. Als Lauda beim legendären Nürburgring-Derby schwer verletzt wird, wittert Hunt seine Chance auf den Titel...

Ein erhebender Einblick in die jeweilige Historie zweier großer Hasardeure, der schon jetzt seinen Platz im Pantheon der klassischen Rennfahrerfilme sicher hat. Besonders durch die verblüffend authentischen Darstellungen der beiden Hauptdarsteller verleiht sich "Rush" einen liebevoll-aufrichtigen Einblick in die privaten Sphären zweier gesellschaftlicher Protagonisten ihrer Ära und nimmt sich mittels vieler kleiner Detals darüberhinaus die Zeit, den faszinierenden Hedonismus jener Tage widerzuspiegeln und wie dieser potenzielle Opfer wie eben die als Weltstars gefeierten Formel-1-Fahrer wahlweise vereinnahmte (wie im Falle Hunts) oder kalt ließ (wie im Falle Laudas). Eine der schönsten Episoden des Films erzählt, wie Lauda seine zukünftige Frau Marlene (Alexandra Maria Lara) kennenlernt: im Zuge einer Party von Curd Jürgens, die er erst gar nicht besucht. Anhand solcher Szenen zeigt sich dann auch Howards unbestrittenes Erzähltalent und seine mittlerweile unschlagbare Versiertheit darin, geschlossene Charakterporträts zu liefern.

8/10

Ron Howard Duell period piece Historie Formel 1 Autorennen Ehe Biopic


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WHIRLPOOL (Lewis Allen/UK 1959)


"Don't you trust anybody?"

Whirlpool (Die schwarze Lorelei) ~ UK 1959
Directed by: Lewis Allen

Weil sie abermals ihrem früheren Beschützer, dem Ganoven Hermann (William Sylvester) aus der Patsche geholfen hat, ist Lora (Juliette Gréco) wieder auf der Flucht. In Köln lernt sie per Zufall den Rheinschiffer Rolf (O.W. Fischer) und dessen kleine Besatzung kennen und wird von ihm eingeladen, auf seinem Kahn 'Clementine' flussaufwärts mitzureisen. Dies ist gar nicht in Hermanns Sinn, der eigentlich nach Amsterdam weiter will und bereits einen weiteren Menschen auf dem Gewissen hat. Die beiden schroffen Einzelgänger Rolf und Lora kommen sich derweil auf dem schönen Vater Rhein immer näher, die bereits informierte Polizei und den Amok laufenden Hermann auf den Fersen. In Höhe des Lorelei-Felsens wartet die Entscheidung...

Sein vorletzter Film führte den gebürtigen Engländer Lewis Allen wieder zurück in die alte Heimat und darüber hinaus nach Deutschland, wo er diese schöne Kolportage-Wundertüte als Rheinschifffahrt vor Ort filmen durfte."Whirlpool", dessen Titel wohl auf das Wechselbad der Gefühle anspielen mag, in dessen Strudel sämtliche Beteiligten gerissen werden, nimmt sich aus als eine bisweilen recht bizarr anmutende Melange aus wildwüchsiger Liebesgeschichte, Heimatfilm und Kriminaldrama mit Groschenroman-Atmosphäre. Selbstverliebte Außenaufnahmen kollidieren immer wieder mit hoffnungslos artifiziell aussehenden Atelier-Rückprojektionen, was der kitschromantischen Textur von "Whirlpool" höchst zuträglich ist. In englischer Sprache gedreht (dann allerdings teils nachsynchronisiert und somit lohnender in der deutschen Fassung) und mit der kantigen Gréco und dem knorrigen Fischer vortrefflich besetzt versäumt der Film es - und gerade das ist ihm hoch anzurechnen - eine wahrhaftige "Nationalidentität" anzunehmen; er geht sowohl als typisch englischer wie als typisch deutscher Genrefilm durch, was ihm einen Ehrenplatz zwischen den Stühlen garantiert.

8/10

Lewis Allen Köln Rhein Flucht Schiff Reise





Filmtagebuch von...

Funxton

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