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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE WRECK OF THE MARY DEARE (Michael Anderson/UK, USA 1959)


"I'm asking you to do something for me as one man to another."

The Wreck Of The Mary Deare (Die den Tod nicht fürchten) ~ UK/USA 1959
Directed By: Michael Anderson

Vor der bretonischen Küste stößt John Sands (Charlton Heston), Skipper eines kleinen Schleppers, bei stürmischer See auf einen scheinbar verlassenen Frachter, die "Mary Deare". Als Sands das vermeintliche Geisterschiff betritt, muss er feststellen, dass er mitnichten allein ist: Der sich ihm als Kapitän vorstellende Gideon Patch (Gary Cooper) ist die letzte lebende Person an Bord. Über die Ereignisse der letzten Tage schweigt sich Patch zunächst aus. Nachdem er die "Mary Deare" mit Absicht auf ein Riff gesteuert hat, bittet Patch Sands, ihn vor dem Seegericht zu unterstützen. Denn nicht nur, dass Patch eine höchst unsaubere Biographie vorweist, vertritt er auch noch eine recht ominös scheinende Theorie um einen geplanten Versicherungsbetrug...

Die Besonderheit um Andersons Film, der sich ein wenig ausnimmt wie ein leicht aus der Art geschlagenes Hitchcock-Werk, liegt in der Erzählperspektive: Berichtet wird das Ganze zu rund drei Vierteln aus der Sicht des ebenso wie der Rezipient völlig unbeschlagenen Seemannes John Sands, der Gideon Patch als einen mysteriösen, möglicherweise sogar gefährlich überkandidelten Zeitgenossen erlebt. Dem Zuschaur wird sogar noch mehr Bange gemacht, denn Patch hat, das offenbart man uns, mindestens eine Leiche im (Kohlen-)Keller. Die einzige Sicherheit betreffs dieser Figur ergibt sich durch ihren Interpreten Gary Cooper, der, soviel weiß man, stets integre Charaktere darbietet. Um einen solchen handelt es sich natürlich auch bei Gideon Patch, eine Art Will Kane auf hoher See, der als humanes Abschreibungsobjekt zum Opfer einer Verschwörung wird und sich verzweifelt Hilfe sucht, um seiner Bredouille zu entkommen. Anderson inszeniert dieses Zusammentreffen zweier Stars mit britischem understatement, dem auch die diversen Insel-Darsteller, darunter Richard Harris als gemeiner Hundsfott, Rechnung tragen. Trotz seines nach wie vor sehenswerten Prädikats haftet "The Wreck Of The Mary Deare" allerdings eine gewisse, unleugbare Patina an, die sich vor allem in Form der hier und da allzu gemächlich ausfallenden Narration bemerkbar macht.

7/10

Eric Ambler Michael Anderson Atlantik Schiff Seefahrt Verschwörung Courtroom


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NIGHT TRAIN TO LISBON (Bille August/D, CH, P 2013)


"Did you mind my cigarettes?"

Night Train To Lisbon (Nachtzug nach Lissabon) ~ D/CH/P 2013
Directed By: Bille August

Der alternde Berner Gymnasiallehrer Raimund Gregorius (Jeremy Irons), einsam und zerstreut, rettet eines Morgens eine junge Frau (Sarah Bühlmann) vor dem beabsichtigten Suizid. Die Dame verschwindet alsbald und hinterlässt lediglich ihren Mantel, in dem sich das Buch "Ein Goldschmieed der Worte" eines portugiesischen Autors namens Amadeu de Prado (Jack Huston) sowie eine Zugfahrkarten nach Lissabon befinden. Hals über Kopf bricht Gregorius nach Portugal auf, in der vagen Hoffnung, wahlweise die Unbekannte dort zu finden oder auch den Literaten des von Gregorius bereits nach erster Lektüre heiß verehrten Buches. Gregorius' Recherchen vor Ort ergeben, dass Amadeu De Prado zu Zeiten des späten Estado Novo als Arzt und Widerständler in Lissabon lebte und an einem Aneurysma gestorben ist. Seine einstigen Freunde João (Tom Courtenay) und Jorge (Bruno Ganz) jedoch leben noch und schildern Gregorius die Umstände von Amadeus Leben und Sterben nebst einer bittersüßen Liebesgeschichte. Auch für den in seinem präzisen Schweizer Alltag gefangenen Gregorius offenbaren sich dadurch neue Perspektiven.

Filme wie "Night Train To Lisbon" sind ja mit Regelmäßigkeit zu einem bedauernswert determinierten Dasein als stiefmütterliches Kulturartefakt verdammt: Man ahnt, wie etwas spießige Herrschaften und Dämlichkeiten jenseits der 50 sich dafür in Richtung Programmkino aufmachen, um dann beim nächsten Salontalk in gepflegter Runde bei einem Glas Rotwein und unter gemäßigter Begeisterung davon Kunde zu tun. Verdient hat zumindest Augusts Jüngster diese Monokelexistenz mitnichten, denn er ist schön, entspannt und rührend.
Bille August hat bekanntlich so seine Erfahrungen mit der Adaption von Weltliteratur und stellt seit nunmehr 35 Jahren international verbundenes Qualitätskino her. Mit Jeremy Irons findet er zwei Dekaden nach der Allende-Verfilmung "House Of The Spirits" wieder zusammen, wiederum in einer Aufarbeitung von Diktatur gespaltener Biographien. Witzigerweise sieht Irons mittlerweile wirklich aus wie sein damals auf alt geschminkter Protagonist und spielt nach wie vor auf denkbar höchstem Niveau. Hier und da dickfällig eingeflochtene Symbolismen wie eine neue Brille als Metapher für neue Lebensperspektiven scheinen verzichtbar, wenngleich sie auch kaum weiter stören. Lieber sollte man das formidabel bebilderte Stadtporträt genießen sowie die Tatsache, mit "Night Train To Lisbon" einen verhältnismäßig raren Film über die Landeshistorie sehen zu können.

8/10

Bille August Biopic period piece Bern Lissabon Portugal Historie Pascal Mercier Lehrer


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12 YEARS A SLAVE (Steve McQueen/USA, UK 2013)


"I will take the ones Platt and Eliza."

12 Years A Slave ~ USA/UK 2013
Directed By: Steve McQueen

New York in den frühen 1840ern: Der farbige Solomon Northup (Chiwetel Eijofor) lebt als gebildeter, freier Bürger und anerkannter Violinist ein geordnetes Familienleben, bis ihn ein paar Schlepper unter dem Vorwand eines musikalischen Engagements nach Washington locken, von wo aus er als angeblich entflohener Sklave Platt nach Louisiana verschifft und dort verkauft wird. Solomon kommt zunächst auf die Plantage des relativ freigiebigen Plantagenbesitzers Ford (Benedict Cumberbatch), wo er zunehmend häufg mit dem unterbelichteten Aufseher Tibeats (Paul Dano) aneinandergerät. Dies kostet ihn beinahe das Leben. Schließlich ist Ford gezwungen, Solomon als Schuldtilgung an den Baumwollpflanzer Epps (Michael Fassbender) weiterzureichen, einen sadistischen, bigotten Menschen, der seine Sklaven, allen voran die von ihm insgeheim geliebte Patsey (Lupita Nyong'o), schwer misshandelt. Der umherreisende Arbeiter Bass (Brad Pitt) ermöglicht Solomon schließlich, nach zwölf Jahren der Versklavung, die Rückkehr zu seiner Familie.

Schriften, Filme und TV-Serien über das dunkle Kapitel der Sklaverei im US-Süden gibt es ja zuhauf, was nicht bedeutet, dass jedwede neuerliche Bearbeitung dieses Themas jemals überflüssig sein könnte. Mit Tarantinos "Django Unchained" erfolgte erst letzthin eine - hier und da vielleicht etwas zu - geschmäcklerische Aufbereitung im dem Regisseur typischen Retrostil, der ausnahmsweise eine überfällige Abrechnung mit dem rassistischen Abschaum ermöglichte - eine solche ist in dem auf einer authentischen Zusammenfassung der Solomon Northup zugestoßenen Ereignisse nicht zu erwarten. Anders als gewohnt wird der Hauptcharakter hier nicht aus Afrika angeschleppt oder bereits in der Sklaverei geboren - bei ihm handelt es sich um einen sensiblen, hochkultivierten und vor allem gesellschaftlich etablierten Zeitgenossen, der dazu neigt, die unterwürfigen Hausfaktoten seiner Hautfarbe selbst mit einer gewissen Hochnäsigkeit zu beäugen und dabei nicht erkennen will, dass er für viele Weiße des Nordens auch bloß als 'exotisches Exemplar seiner Gattung' von Interesse ist. Die zwölf Jahre als Sklave setzen somit für Solomon auch Lernprozesse in Gang; über die Individualität jedes Einzelnen, über Identitätsfindung und wahre Zugehörigkeit. McQueen zeichnet derweil seine subtil gehaltene, paradox-ästhetische Bildsprache aus und dass er sich seinem Publikum als einer der wenigen Filmemacher der Gegenwart auch Einstellungen zuzumuten getraut, die die Dauer von drei Sekunden übersteigen.

9/10

Sklaverei Historie period piece Biopic New York Südstaaten Louisiana New Orleans Best Picture ethnics Steve McQueen (D.)


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CROMWELL (Ken Hughes/UK 1970)


"Every man who wages war believes God is on his side. I'll warrant God should often wonder who is on his."

Cromwell ~ UK 1970
Directed By: Ken Hughes

1642 plant der Gutsherr Oliver Cromwell (Richard Harris) bereits die Abreise nach Amerika, als der eherne Parlamentarier Ireton (Michael Jayston) ihn bei seinem rebellischen Ehrgeiz packt: Die Politik König Charles I. (Alec Guinness) würde einzig zugunsten von Geld und Gut geführt, derweil die arme Landbevölkerung unter Willkür und Knechtschaft zu leiden hätte. Cromwell findet bald heraus, dass diese Vorwürfe nicht unbegründet sind und dass sämtliche Vermittlungsversuche zwischen Unter- und Königshaus scheitern. Als Charles das Parlament auflöst, kommt es zum Bürgerkrieg und, nach der fortwährenden Weigerung des Königs zum Kompromiss, zu dessen Absetzung und Exekutierung. Für einige Jahre wird England zu einer Republik mit Cromwell als sogenanntem "Lord Protector".

Geschichtsstündlein in epischer narrativer und formaler Breite sind bei mir stets gern gesehen, auch, wenn sie hier und da ungenau ausfallen, raffen, "übersehen" oder gar klittern. "Cromwell" ist von vornherein angelegt als Heldenepos, das den nicht selten rücksichtslos vorgehenden Usurpator (heute spräche man von einer "Militärdiktatur") als Pionier und Helden der Demokratie feiert. Von den späteren, teils von Rachsucht geprägten Feldzügen gegen Iren und Schotten sowie seinem harten Vorgehen gegen Katholiken berichtet Hughes wohlweislich nichts und überlässt es dem wie so häufig zielstrebig aufspielenden Harris, aus der Titelfigur einen gerechten, hellsichtigen Zweifler zu machen, der häufig mit sich selbst hadern muss ob harter Entscheidungen. Nichtsdestotrotz sind die Schlachtenaufzüge von erster Grandeur und sollten jeden Liebhaber monumentaler Bewegtbilder reizen. Zudem begegnen dem Zuschauer in "Cromwell" viele große britische Köpfe aus jener Zeit, darunter auch diverse primär dem Phantastikfreund geläufige: Charles Gray, Robert Morley, Patrick Wymark, Patrick Magee, Ian McCulloch, Geoffrey Keen und Frank Finlay geben sich die auserlesene Ehre. Guter Stoff.

8/10

Ken Hughes Historie period piece England Biopic


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BLACK ROBE (Bruce Beresford/CAN, AUS, USA 1991)


"Is the Blackrobe a demon?"

Black Robe ~ CAN/AUS/USA 1991
Directed By: Bruce Beresford

Der Jesuitenpater Laforgue (Lothaire Bluteau) entschließt sich anno 1634, von einer frankokanadischen Siedlung aus eine Reise zu einer nördlich gelegenen, weit entfernten Huronen-Mission anzutreten. Begleitet wird er von dem jungen Daniel (Aden Young). Eine Gruppe Algonkin-Indianer soll die beiden Männer eskortieren, wenngleich ihre Überlebenschancen aufgrund der vielen Gefahren, die sie auf dem Weg erwarten, ohnehin sehr gering ausfallen. Tatsächlich beginnen nicht nur die Algonkin, den enthaltsamen, stillen Laforgue bald als undurchsichtiges Wesen zu fürchten, auch ein von ihnen aufgesuchter, zwergenwüchsiger Schamane (Yvan Labelle) beäugt ihn mit abergläubischem Misstrauen. Nachdem die Gruppe von Irokesen überfallen und aufgerieben wird, ist Laforgue auf sich allein gestellt. Er gelangt dennoch an sein Ziel, doch auch die von einer Seuche dezimierten Huronen fürchten seinen schwarzen Rock.

Beresfords möglicherweise eindringlichstes Werk ist ein trister, harter Film, der von der Abenteuerromantik eines J.F. Cooper weiter gar nicht entfernt sein könnte und eher in der Tradition von Aldrichs "Ulzana's Raid" steht denn in der des zeitnah entstandenen "Dances With Wolves". Wo dieser zumindest von Chancen berichtete, illustriert der beinahe endzeitlich anmutende "Black Robe" das Aufeinanderprallen zweier unvereinbarer Kulturen, deren Konfrontation nicht zuletzt aufgrund des puritanischen, selbstverleugnenden Starrsinns des gottesfürchtigen Missionars zu einer Parabel um Scheitern und Verlust gerät. Die Kolonisten aus der Alten Welt zeigen sich bereits in diesem noch recht frühen Stadium ihrer Okkupation als viel zu arrogant und rassistisch, um ein auch nur funktionales Verhältnis zu den ihnen unbegreiflichen Eingeborenen schaffen zu können, derweil allerdings auch die Indianer den Eindringlingen und ihren Bräuchen mit Stutzen und Unverständnis begegnen. Und tatsächlich bergen Geleit und Beschützen des Schwarzrocks Tod und Verderben für sie. Eine bitterere conclusio dürfte in einem Film dieser Thematik kaum vorstellbar sein, gerade darum ist er als Kontrastprogramm zu Costner jedoch von solch elementarer Größe.

9/10

Bruce Beresford Kanada Indianer Mission Kirche period piece Reise


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CLEARCUT (Ryszard Bugajski/CAN 1991)


"That is oral tradition!"

Clearcut (Die Rache des Wolfes) ~ CAN 1991
Directed By: Ryszard Bugajski

Der Papierfabrikant Bud Rickets (Michael Hogan) holzt rücksichtslos ein riesiges Forstgebiet an der US-kanadischen Grenze ab, das eigentlich im Besitz der hiesigen Indianer steht. Seine Verletzung des Stammesterritoriums vergilt Rickets den Ureinwohnern öffentlichkeitswirksam mit angeblichen zivilisatorischen Segnungen wie einem Stromnetz, Wasserversorgung und anderen Kinkerlitzchen, die sich bei genauerem Hinsehen als billig und kaum funktionstüchtig entpuppen. Der weiße Anwalt Peter Maguire (Ron Lea) vertritt die Interessen der Indianer vor Gericht, scheitert jedoch fortwährend an jeder neuen Instanz. Eines Tages entführt ein wie aus dem Nichts auftauchendes Stammesmitglied namens Arthur (Graham Greene) sowohl Peter als auch Rickets, lässt den reichen Unternehmer hautnah spüren, was seine Versündigungen an der Natur bedeuten und den liberalen Anwalt bei Rickets Qualen zusehen.

"Dances With Wolves" löste eine kleine, ökologieträchtige Rückbesinnung auf native Wertkonstrukte im Kino aus und ermöglichte neben einigen anderen, mehr oder minder gelungenen Beiträgen wie "Black Robe", "Thunderheart", "The Last Of The Mohicans" oder "Geronimo" auch den großartigen "Clearcut" des polnischen Filmemachers Ryszard Bugajski. Darin radikalisiert Graham Greene, der, ebenso wie der gesichtsgegerbte Floyd Westerman, in Costners Epos noch als gewissermaßen idealtypischer, weil ebenso spirituell wie besonnen veranlagter Indianer zu sehen war, ebendiese Rolle. In Arthur brodelt der aggressive Archaismus seiner Vorväter, Arthur ist einer der sagt "Genug", einer, der es leid ist, die romantischen Vorstellung der weißen Okkupanten von seinem Menschenschlag auszufüllen und der vom passiven Widerstand zurück ans Austeilen geht. Das Urteil darüber, ob Arthur ein durchgedrehter Amokläufer ist oder mit seiner Aktion tatsächlich ein zielgerichtetes Konzept verfolgt, überlässt "Clearcut" dem Zuschauer. Vielleicht ist Arthur aber auch bloß eine mystische Persönlichkeitsabspaltung Peters, der beim traditionellen Tipi-Schwitzen zuvor traszendente Erfahrungen gemacht hat und seiner eigenen, angepassten Hilflosigkeit trotzen möchte. Auch dafür spricht einiges, wenn man etwas genauer hinschaut. Letzten Endes ist eine rationale Erklärung der Ereignisse müßig; "Clearcut" versäumt bei all seiner Liebäugelei mit den Gerundzügen des Terrorfilms klugerweise, je exploitative Züge anzunehmen, er bleibt stets gleichermaßen hartes Drama wie respektables Kunstwerk.

9/10

Ryszard Bugajski Kanada Indianer Kidnapping


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DAS INDISCHE GRABMAL (Fritz Lang/BRD, F, I 1959)


"Ich bin durstig. Bring mir Wasser."

Das indische Grabmal ~ BRD/F/I 1959
Directed By: Fritz Lang

Nachdem eine Karawane die beiden Entfohenen Harald Berger (Paul Hubschmid) und Seetha (Debra Paget) halbverdurstet in der Wüste gefunden hat, machen sie sich von einem Provinzdorf aus weiter ins Gebirge auf. Doch dort finden sie die Häscher des Maharadschas Chandra (Walter Reyer). Derweil verweilen Bergers Schwester Irene Rohde (Sabine Bethmann) und deren Mann Walter (Claus Holm), die während der Flucht des Paares nichtsahnend im Palast angekommen sind und von Chandra eine Lügengeschichte bezüglich Bergers Verbleib aufgetischt bekommen in den Gemächern des Maharadscha. Rohde soll für diesen, der vor Eifersucht rast, ein Grabmal bauen, das für die illoyale Seetha bestimmt ist. Zuvor soll sie allerdings noch Chandras Gemahlin werden. Über dem Usurpator braut sich derweil bereits ein aufständisches Unwetter zusammen...

Der Nachfolgefilm zum "Tiger von Eschnapur" ist im Vergleich etwas weniger schwelgerisch und stattdessen um einiges zügiger und flotter geraten als der Erstling. Er genießt somit die Vorteile vieler konzeptueller Sequels - Handlungsträger und Ausgangssituation sind etabliert und der Film kann dramaturgisch sogleich aus den Vollen schöpfen. So gibt er sich denn auch um Einiges spektakulärer: Debra Paget wiederholt ihren Tempeltanz aus dem ersten Teil in weitaus gewagterer Garderobe, hinzu kommen schön ranzige Elemente wie eine künstliche Kobra, Krokodile und besonders die zombieesk gezeichneten Leprösen, die als eine Art ungeliebter Horror-Schandfleck ihr Dasein im hinterletzten Katakombenverlies fristen und schließlich unter einigem Gestöhne ausbrechen. Harald Berger entwickelt sich mehr und mehr zu einer gutdeutschen, may'schen Heldenfigur vort exotischer Kulisse mit Bärenkräften und unablässigem Mut.
Für den langsam erblindenden Lang und dessen Kunst, die danach nur noch "Die 1000 Augen des Dr. Mabuse" für Atze Brauners CCC hervorbrachte, im Prinzip kein Ruhmesblatt, muss man die Dublette in etwa analog zu "Land Of The Pharaos" im Œuvre Howard Hawks' betrachten: Hier machen große Regisseure ganz bewusst Schund für die Massen. Und eben weil sie groß waren, ist auch ihr Schund groß - im allerbesten Wortsinne.

7/10

Fritz Lang Indien Camp Remake


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DER TIGER VON ESCHNAPUR (Fritz Lang/BRD, F, I 1959)


"Ist das Indien?"

Der Tiger von Eschnapur ~ BRD/F/I 1959
Directed By: Fritz Lang

Der deutsche Architekt Harald Berger (Paul Hubschmid) soll für Chandra (Walter Reyer), den Maharadscha der indischen Provinz Eschnapur, ein neues Krankenhaus entwerfen und bauen. Bereits auf der Reise zum Palast Chandras lernt Berger die Tempeltänzerin Seetha (Debra Paget) kennen und beschützt sie vor einem menschenfressenden Tiger. Seetha ist ebenfalls auf dem Wege zum Maharadscha, der als Witwer ein Auge auf sie geworfen hat und sie insgeheim zu heiraten plant. Als seine Untergebenen davon erfahren, beginnt es zu brodeln - eine ordinäre Tänzerin darf niemals den Platz der verstorbenen Maharani einnehmen. Zudem verliebt sich Seetha in Berger. Als Chandra davon erfährt, sieht er rot. Berger und Seetha bleibt nurmehr die Flucht in den Dschungel...

Für die mittlerweile dritte Verfilmung des einst von Fritz Langs damaliger Frau Thea von Harbou erdachten Stoffes um eine wildromantische Liebesgeschichte in schwülem indischen Klima gelang Arthur Brauner einer seiner größten Coups: Er holte Lang, der zuvor insbesondere seine Arbeit an dem Kostümfilm "Moonfleet" als im Nachhinein frustrierend empfand und auf Besuch in Deutschland weilte, mittels eines Vertrags mit der CCC langfristig zurück aus Hollywood in die alte Heimat. Zunächst sollte Lang ein "Nibelungen"-Remake drehen, was sich jedoch fürs Erste zerschlug. Brauner produzierte dieses sieben Jahre später trotzdem - mit Harald Reinl als Regisseur. Lang übernahm stattdessen eine alte Herzensangelegenheit: Mit dem Zweiteiler "Der Tiger von Eschnapur" und "Das indische Grabmal" verband ihn eine fast 35 Jahre alte Beziehung. Nachdem von Harbou das Originalscript verfasst hatte, wurde es nämlich ehedem von Joe May, der das Prestige-Projekt nicht dem Jungspund überlassen wollte, inszeniert. Lang hatte nun die Möglichkeit, sich mittels prachtvoller Farbgestaltung und einer deftig-campigen Aufbereitung des Stoffs für die einstige Schmach zu revanchieren. Trotz des für Brauner-Verhältnisse großzügigen Budgets wurden die beiden mit gut zweimonatigem Abstand gestarteten Filme ein nationaler Erfolg, avancierten zur beständigsten der drei Versionen und haben sich bis heute ihren Status als Fernseh-Evergreens vom Schlage der "Sissi"- oder Karl-May-Filme bewahren können.

6/10

Fritz Lang Indien Camp Remake


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SEIN LETZTES RENNEN (Kilian Riedhof/D 2013)


"Geht doch gut."

Sein letztes Rennen ~ D 2013
Directed By: Kilian Riedhof

Nachdem seine Frau Margot (Tatja Seibt) mehrfach binnen kürzester Zeit zusammengeklappt ist, legt man Paul Averhoff (Dieter Hallervorden) und ihr nahe, doch ins Seniorenheim zu gehen. Dort nimmt sich vornehmlich die junge, einsame Therapeutin Müller (Katharina Lorenz) der alten Menschen an und strukturiert ihr Programm gerade so einfallslos, wie die Konvention es gestattet. Paul, ehemals ein weltberühmter Läufer, weigert sich, seinen Alltag in solch trister Weise zu begehen und nimmt sich stattdessen vor, sich selbst und den anderen ein letztes Mal zu zeigen, was er kann und den Berlin-Marathon zu laufen. Was zunächst mit ungläubgem Staunen und Kopfschütteln quittiert wird, entwickelt sich bald zum festen Lebensziel, wenngleich es unter schweren Verlusten angegangen werden muss.

"Man ist so alt, wie man sich fühlt". Oder sich gibt, sich präsentiert. Dem Interview mit Dieter Hallervorden auf der Blu-Ray nach zu urteilen ist der Mann, der da zum Gespräch gebeten wurde, jener Weisheit zufolge vielleicht halb so alt, wie es in seinem Ausweis steht. Unglaublich, dass ein Mann dieser - nummerischen - Jahre und Lebenserfahrung noch so unverbraucht und unverkrampft aus dem Nähkästchen plaudert. Wenn alt werden so aussieht, dann möchte ich das auch. Paul Averhoff, der Mann, dem Hallervorden in "Sein letztes Rennen" mit stiller Hingabe und wenig Worten eine ganze Biographie einhaucht, ist deutlich älter als der ihn darstellende Schauspieler, so viel ist sicher. Hier und da ein wenig kauzig, allerlei Tütteligkeiten und Sperenzchen pflegend, weiß er, dass er sich im (von Riedhof auch filmisch wunderhübsch illustrierten) Herbst seines Lebens befindet, leugnet ein wenig, dass es seiner Margot täglich schlechter geht und vielleicht auch, dass er tatsächlich selbst zum "Alten Eisen" zählt. Was ihm letztlich den entscheidenden Auftrieb gibt, ist die Tatsache, dass er sich aller Erwartungen und Rollenkonventionen zum Trotz schlichterdings nicht damit abfindet. Averhoff geht bzw. läuft unverdrossen seinen Weg und wird dafür belohnt, mit Freundschaft, Ehrerbietung und neuem Familienglück - ganz unsentimental, ganz realistisch. Und Regisseur KIlian Riedhof ist ein großer Film über das Altwerden in Würde gelungen, mit einem Hallervorden, der im Kino vielleicht noch nie so gut war.

8/10

Kilian Riedhof Berlin Marathon Ehe Alter Familie Herbst


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SLAUGHTERHOUSE-FIVE (George Roy Hill/USA 1972)


"Hello. Farewell."

Slaughterhouse-Five (Schlachthof 5) ~ USA 1972
Directed By: George Roy Hill

Der Weltkriegsveteran und wohlhabende Firmenvorsitzende Billy Pilgrim (Michael Sacks) besitzt die Fähigkeit, inmitten seines eigenen Bewusstseins ohne Zeit- und Raumbarrieren umherzureisen. So kann es sein, dass er in der einen Sekunde in seinem Körper als alter Mann in der heimischen Villa steckt, nur um sich in der nächsten als junger G.I. hinter feindlichen Linien in den Ardennen wiederzufinden. Das bedeutet auch, dass Billy den genauen Zeitpunkt und die Umstände seines Todes kennt. Ferner sind Aliens vom Planeten Tralfamadore auf ihn aufmerksam geworden, die wie er, vierdimensionale Lebewesen sind und ihn daher mitsamt seinem Lebensbegleiter und Hund Spot und seiner heimlichen Lebensliebe, dem Pin-Up-Girl Montana Wildhack (Valerie Perrine) auf ihren Planeten holen, um dort in abgeschirmtem Areal eine Familie zu gründen.

Drei Jahre nach Erscheinen von Vonneguts monolithischem Roman "Slaughterhouse-5 or The Children's Crusade: A Duty-Dance With Death" machte sich George Roy Hill an dessen Verfilmung und schuf mit ihr ein vordringliches Meisterwerk der Literaturadaption. Hinter einer komplex-tragikomischen Biographie, die, angesiedelt in New Hampshire statt in Minnesota und vielleicht noch ergänzend angereichert mit einem Bären, in ganz ähnlicher Form später auch von einem John Irving hätte stammen mögen, verbirgt sich ein zutiefst involvierendes Antikriegs-Pamphlet (Vonnegut hatte die Bombardierung Dresdens tatsächlich als Kriegsgefangener in jenem städtischen Schlachthof miterlebt und beidem durch den Roman eine weitaus größere Öffentlichkeit eingetragen), und, ganz beiläufig und profan, der weise Ratschlag, sich auf die schönen, wertvollen, unwiederbringlichen Momente im Leben zu konzentrieren und die bösen, traurigen, verzichtbaren beiseite zu schieben. Dabei sind die Science-Fiction-Elemente durchaus diskutabel bzw. lassen sich als eine Art literarischer Katabolismus begreifen: Ob Billy Pilgrim nur wirklich das "Zweite Gesicht" und die Fähigkeit zur vierdimensionaler Flexibilität besitzt oder sich wie jeder alternde Mensch lediglich bildhaft an Vergangenes erinnert, ob Tralfamadore nun wirklich ein ferner Planet oder vielleicht doch bloß ein bewusstseinsverändernder Schmerzlöser ist, das alles spielt letzten Endes eine untergeordnete Rolle. Was "Slaughterhouse-5" bestimmt und so wertvoll macht, ist seine leise, aber umso unmissverständlicher vorgetragene Botschaft.

10/10

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Funxton

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