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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE KING AND I (Walter Lang/USA 1956)


"Death is not worse pain than an empty life."

The King And I (Der König und ich) ~ USA 1956
Directed By: Walter Lang

Im Jahre 1861 kommt die britische Lehrerin Anna Leonowens (Deborah Kerr) an den Hof des Königs von Siam (Yul Brynner), um dessen Kinderschar die abendländische Kultur näher zu bringen. Doch auch der König selbst benimmt sich in vielerlei Hinsicht wie ein unreifes Kind, lebt seine Egomanie und Mysoginie, obschon sich hinter seinem oberflächlichen Getue ein eigentlich liebenswerter Mensch verbirgt, den es Anna im Laufe der Zeit sogar herauszuschälen gelingt.

Diese Kino-Adaption von Walter Lang ist die berühmteste der Biographie Anna Leonowens durch Margaret Langdon und des sich später anhängenden Broadway-Musicals von Rodgers und Hammerstein. Bereits zehn Jahre zuvor hatte es eine (unmusikalische) Variation von John Cromwell gegeben, die bislang letzte kam 1999 von Andy Tennant - wiederum ohne Songs und Tanz. Die Rolle des Königs Mongkut bildete Yul Brynners Karrierestamm und verfolgte ihn von 1951, als er den Part erstmalig auf der Bühne gab, über die vorliegende Verfilmung, für die Brynner den Oscar erhielt, eine kurzlebige TV-Sitcom von 1972 bis hin zu zahlreichen weiteren Bühneninszenierungen, von der er die letzte 1985, vier Monate vor seinem Krebstod, durch seine unnachahmliche Performance bereicherte. Über 34 Jahre hinweg prägte Brynner somit jenen fiktionalisierten König Mongkut, doppelt so lang, wie der reale Monarch dereinst auf dem Thron saß.
Wie verwachsen Brynner mit seiner Leibrolle war, lässt sich an diesem bunten, sämtliche schönen und campigen Attribute von Hollywood-Musicals in sich vereinenden Leinwandstück ablesen. Der sonst häufig so ernste, mimisch wie gestisch eher karg auftretende Darsteller bringt hierin einen Mut zu Humor und offener Theatralik auf, die sich nur als Kompensation für seine sonstige Arbeit interpretieren lässt. Er lacht und singt, schwitzt und springt. Deborah Kerr, wenngleich liebenswert wie je und natürlich das eigentliche figurale Zentrum des Films, muss dagegen beinahe zwangsläufig verblassen. Was von "The King And I" in dieser Fassung bleibt, ist vor allem ihr verlockend zuckriger, bunter Kitsch in Scope und ihre untadelige, progressive Botschaft an all die echten und falschen Monarchen der Welt. Et cetera, et cetera, et cetera.

8/10

Walter Lang Rodgers & Hammerstein Thailand Bangkok period piece Freundschaft Musik Erwachsenenmärchen Historie


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THE GLASS MENAGERIE (Irving Rapper/USA 1950)


"How beautiful it is and how easily it can be broken."

The Glass Menagerie (Die Glasmenagerie) ~ USA 1950
Directed By: Irving Rapper

Tom Wingfield (Arthur Kennedy) lebt zusammen mit seiner Schwester Laura (Jane Wyman) und ihrer Mutter Amanda (Gertrude Lawrence) in einem kleinen Appartment in St. Louis. Tom arbeitet in einer Schuhfabrik und kann seine schriftstellerischen Ambitionen nur schwerlich ausleben. Zudem leidet er unter den Zeteranfällen und dem ewigen Bessergewisse Amandas, vor dem der Vater, ein Matrose, bereits vor vielen Jahren ausgerückt ist. Auch Tom plant, zur See zu fahren. Laura ist hingegen ein stilles, sensibles Mädchen. Sie hat einen Klumpfuß, weswegen sie völlig in sich gekehrt ist und ihr Aufmerksamkeitshauptmerk ihrer Sammlung von Glastierchen widmet. Eines Abends kommt dann Toms fröhlicher Arbeitskollege Jim (Kirk Douglas) zum Essen, in dem Amanda bereits den potenziellen Bräutigam für Laura wittert...

Williams-Klassiker, der, zumal von stark autobiographischen Zügen getragen, recht repräsentativ für das Werk des großen Dramatikers daherkommt: Eine dysfunktionale Familie mit matriarchalischer, ausgebrannter, aber doch zäher Südstaatenkokotte an der Spitze, die ihre fragilen Kinder in den Wahnsinn zu treiben droht. Amanda ist eine rechte southern belle vom alten Schlage, extrem desensibilisiert, ewig spitz daherredend, unbequeme Wahrheiten ignorierend und stets mit einem unpassend guten Ratschlag zur Stelle. Darunter leiden ihre erwachsenen Kinder, die lediglich zu gleichen Teilen aus Pflichtgefühl füreinander und einer gewissen Bequemlichkeit bei ihr bleiben und die Amanda stets versucht, in bestimmte Rollen zu pressen. Tom ist der Ersatzvater, der für Mütterlein und Schwesterchen rundum zu sorgen hat (und der seine ihm tatsächlich gar nicht zukommenden Part nur allzu gern in massig Bourbon ertränkt); Laura eine höchst fragile, freigeistige Seele, die Amanda gern als robotende Stenotypistin sähe und sie nebenbei unbedingt unter der Haube wissen will. Am Ende schaffen es - in Rappers Filmversion - beide, sich von der sanften Tyrannei der Mutter loszustrampeln.
Williams' Vorlage endet freilich nicht ganz so optimistisch Tom und Laura trennen sich im Streit und Williams impliziert, dass keineswegs Lauras Emanzipation, sondern eher ihr endgültiges Zerbrechen die Folge jenes schicksalsschweren Abends ist. Entsprechend unglücklich war er mit Rappers Adaption, die, zumindest nach Williams' Dafürhalten, keinen guten Leumund verdiente.
Ich mag den Film sehr und denke, dass gerade sein Mut zum Verzicht auf Nihilismus und schwere Tragödie ihm - und das meine ich denkbar positiv - einigen pädagogischen Wert verleiht, der ihn nicht zuletzt zu guter Schullektüre macht. Dass die Intention des Urhebers verwässert wird, ist freilich höchst streitbar.

9/10

Irving Rapper Tennessee Williams Südstaaten St. Louis Missouri based on play Familie Geschwister Mutter & Tochter Mutter & Sohn


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MUD (Jeff Nichols/USA 2012)


"He's not dangerous."

Mud ~ USA 2012
Directed By: Jeff Nichols

Die beiden aus dem Arbeitermilieu am Mississippi stammenden, vierzehnjährigen Freunde Ellis (Tye Sheridan) und Neckbone (Jacob Lofland) entdecken auf einer Flussinsel den sich dort versteckenden Mud (Matthew McConaughey). Die State Police und die Killer des Gangsterbosses King (Joe Don Baker) sind ihm auf den Fersen, weil er im Zuge einer Eifersuchtsrache Kings Sohn erschossen hat. Mud plant, mit einem alten Boot und seiner Freundin Juliper (Reese Witherspoon), die in der Stadt auftaucht, über den Golf nach Mexiko zu fliehen. Die Jungs, besonders Ellis, dessen Welt soeben im Zerbrechen begriffen ist, weil seine Eltern (Ray McKinnon, Sarah Paulson) die Scheidung planen, entschließen sich, Mud bei seiner Flucht zu unterstützen. Dabei gilt es jedoch, einige Hürden zu nehmen.

Eine sehr liebenswerte Außenseiter-Geschichte hat Jeff Nichols da zu Papier und Zelluloid gebracht, deren etymologische Titelparallele zu Martin Ritts "Hud" vielleicht nicht ganz zufällig ist. Der im Moment ja urplötzlich wieder allgegenwärtig scheinende McConaughey spielt nämlich eine Rolle, die vor 45 Jahren verpflihtend für Paul Newman gewesen wäre; einen Südstaaten-Outlaw, der durch die Gegend tingelt und seine Himmelschlösser aus Lebenslügen so lang erfolgreich praktiziert, bis er endgültig in der Patsche sitzt. Eine unglückliche, amouröse Besessenheit treibt ihn in die totale Enge, bis es an zwei selbst noch grünen Jungs ist, ihn Vernunft und Stärke zu lehren. Ganz unbemerkt rückt Nichols dabei den Titelhelden aus dem Fokus und stattdessen den liebenswerten, selbst nicht immer ganz vernünftigen Ellis ins Zentrum seines Films, der sich ganz der gemächlichen Explosivität eines forcierten Erwachsenwerdens verschreibt und seine Story mit ebenso unspektakulären wie schönen Bildern erzählt. Dass "Mud" am Ende zu einer willkürlichen Mixtur aus Realismus und Kintopp geronnen ist, die sich gegen das Verzagen und für die Hoffnung entscheidet, gehört zu der wesensimmanenten Konsequenz des Films.

9/10

Jeff Nichols Arkansas Coming of Age Freundschaft Flucht Südstaaten Mississippi


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THE STUNT MAN (Richard Rush/USA 1980)


"He's not dead... yet!"

The Stunt Man (Der lange Tod des Stuntman Cameron) ~ USA 1980
Directed By: Richard Rush


Der Vietnamveteran Cameron (Steve Railsback) ist wegen eines Kavaliersdelikts auf der Flucht vor der Polizei. Als er dem Filmemacher Eli Cross (Peter O'Toole), der gerade dabei ist, ein Epos über den Ersten Weltkrieg zu drehen, in die Arme läuft, fackelt dieser nicht lange. Wegen des Unfalltodes seines Hauptdarstellerdoubles, dessen Zeuge Cameron nebenbei geworden ist, benötigt Cross nämlich dringenden Ersatz und nutzt die Notsituation Camerons schamlos aus. Dieser jedoch gewöhnt sich rasch an seine überraschende Tätigkeit beim Film, verliebt sich in die Schauspielerin Nina Franklin (Barbara Hershey) und gelangt bald zu der Überzeugung, dass Cross wahnsinnig sein muss...

Später New-Hollywood-Nachklapp und ein einsames Exempel für kompromissloses Autorenfilmen. Richard Rush verbrachte Ewigkeiten mit den Vorbereitungen für "The Stunt Man", sein erstes Projekt nach dem bereits sechs Jahre zurückliegenden "Freebie And The Bean". Rush hatte eine irrsinnige Logistik zu stemmen, da sein "Film-im-Film-Projekt" trotz dessen lediglich quasi-dokumentierter Erschaffungsphase noch immer immens aufwändig daherkam. Ähnlich wie die in derselben Phase entstandenen "Apocalypse Now", "1941" oder "Heaven's Gate" geriet "The Stunt Man" somit zu einem Zeugnis für die entfesselte Schaffenskraft eines Regisseurs, dessen schöpferische Meriten die infolge der kreativen Erosion New Hollywoods nachhaltig verwirrte Studiolandschaft dermaßen durcheinander brachten, dass das jeweilige Management im Nachhinein nurmehr als 'bizarr' zu bezeichnende, kommerzielle Wagnisse eingeging - zumeist mit ökonomisch betrachtet ernüchternden Resultaten. Diesem Irrlauf verdanken wir jedoch die genannten, meisterhaften Filme, und das ist gut so. Natürlich war "The Stunt Man" nie dazu angetan, ein großes Publikum zu begeistern; dafür ist er viel zu eigensinnig, verschroben, speziell. Sein Erbe hat sich, ebenso wie das seines Regisseurs, eigentlich bis heute nicht recht entfaltet - ein Zustand, dem hoffentlich einmal Abhilfe geleistet werden wird.

9/10

Richard Rush Hollywood Film im Film Stuntman Satire New Hollywood


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THE SUSPECT (Robert Siodmak/USA 1944)


"I simply put trust in his conscience."

The Suspect (Unter Verdacht) ~ USA 1944
Directed By: Robert Siodmak

London, kurz nach der Jahrhundertwende: Der gutmütige Verkäufer Philip Marshall (Charles Laughton) leidet unter dem häuslichen Terrorregime seiner Frau Cora (Rosalind Ivan), einer unentwegt zeternden Xanthippe, die nicht nur ihrem Gatten, sondern auch dem gemeinsamen Sohn John (Dean Harens), den sie aus dem Hause treibt, das Leben verdunkelt. Als Philip beginnt, sich mit der bezaubernden Stenotypistin Mary (Ella Raines) zu treffen und daraus bald aufrichtige Liebe erwächst, droht Cora ihm mit einem öffentlichen Skandal, der seinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ruin bedeutete. In seiner Verzweiflung sieht sich der sonst so besonnene Mann veranlasst, seine Frau mittels eines unfälligen Treppensturzes "verschwinden zu lassen", was den misstrauischen Inspektor Huxley (Stanley Ridges), der Philip fortan wie eine Klette anhängt, auf den Plan ruft. Immerhin ist der Weg zu Mary frei, doch ihr Glück ist nicht von Dauer: Sein versoffener, gewalttätiger Nachbar Simmons (Henry Daniell) versucht, Philip zu erpressen, indem er ihm droht, vor Gericht als falscher Zeuge einer möglichen Anklage aufzutreten. Erneut ist Philip gezwungen, zum Gewaltverbrecher zu werden. Als er, kurz vor seiner Ausreise nach Kanada mit Mary und John, von Huxley erfährt, dass Simmons sympathische Ehefrau (Molly Lamont) des Mordes an ihrem Gatten verdächtig ist, entscheidet er, sein Gewissen zu erleichtern und sich zu stellen.

Mit "The Suspect" ist ein weiterer formvollendeter film noir geglückt, der im Vergleich zu weiteren Genrebeiträgen wie "Phantom Lady", "The Killers" oder "The Spiral Staircase" jedoch sehr viel signifikanter mit dem humanistischen Drama liebäugelt. Charles Laughton, der, wie man weiß, ganz vortrefflich eherne Sadisten und korrupte Verbrecher darzustellen wusste, ist hier als in Not geratener Sympathieträger zu sehen, der der trügerischen Illusion erliegt, dazu gezwungen zu sein, tödliche Selbstjustiz anzuwenden, um sein Leben schadlos zu erhalten. Zunächst scheint sich auch wirklich alles zu seinen Gunsten zu fügen, doch Justitia fordert schlussendlich seine moralische Integrität heraus, die sich dann erwartungsgemäß als unbestechlich erweist. Siodmak beordert sein Publikum gleich zu Beginn geschickt auf Marshalls Seite: Als geduldiger, wenngleich höchst unglücklicher Ehemann hält er den psychischen Druck, den Cora verursacht, aus und ist stets bereit, einen Neuanfang zu wagen. Doch Coras Boshaftigkeit schwingt sich zu immer neuen Höhen auf, die andere Zeitgenossen bereits wesentlich früher hätten explodieren lassen. Hinzu kommt der zeitbedingte soziale Druck, der familiäre Skandale gleichbedeutend macht mit existenziellem Ruin. Eine Frau wie Mary, jung, schön und liebenswert, ist da das einzig hilfreiche Balsam, doch selbst sie schützt nicht vor der alten Gesetzmäßigkeit, derzufolge ein Verbrechen in höchster Not nur seltenst ein singuläres bleibt. Der Giftmord am Nachbarn Simmons, der, wie wir erfahren, als Coras maskulines Pendant seine Frau ins Unglück stürzt, säuft und auch vor Erpressung nicht zurückschreckt, wird Marshall mittelbar zum Verhängnis, nicht, weil er so dumm wäre, sich erwischen zu lassen, sondern weil er Simmons' Frau vor dem drohenden Strick bewahren muss.
Das Script beruft sich inoffiziell auf den authentischen Fall des Dr. Hawley Crippen, eines emigrierten Pharmazeutikers, der in London seine ihn betrügende Frau vergiftet hatte und mit seiner Geliebten nach Kanada übersetzte, als er an Bord der Passage erkannt und den Behörden zugeführt werden konnte. Crippen erwies sich während der folgenden Verhandlung als überaus sympathischer Mann, dem eigentlich kein Mord zuzutrauen wäre.

9/10

Robert Siodmak period piece London Ehe film noir Edwardian Age


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THE PRIDE OF THE YANKEES (Sam Wood/USA 1942)


"I'm putting my money on Gehrig."

The Pride Of The Yankees (Der große Wurf) ~ USA 1942
Directed By: Sam Wood

Entgegen der Vorstellungen seiner konservativen, heißgeliebten Mutter (Elsa Janssen) wird der deutschstämmige Manhattaner Lou Gehrig (Gary Cooper) mit 20 Profi-Baseballer bei den New York Yankees. Im Gegensatz zu Teamkollegen und Freunden wie dem lebenshungrigen Babe Ruth (Babe Ruth) hält Gehrig sich stets frei von Skandälchen und Zeitungsaufmachern, heiratet seine große Liebe Eleanor Twitchell (Teresa Wright) und erkrankt mit nur 35 Jahren an 'amyotropher Lateralsklerose', einem seltenen neuronalen Leiden, das seine Karriere im Profisport und schließlich auch sein Leben beendet.

Nach seinem Eintritt in den Zweiten weltkrieg benötigte Amerika vor allem echten Heldenstolz. Der als "Iron Horse" bekannte hitter Lou Gehrig, Profisportler und, infolge seiner tödlichen Krankheit tragisch konnotiertes Massenidol, bot sich geradezu perfekt für eine epische Verfilmung seines Lebens an, die dazu angetan war, selbst ein sportfernes Publikum (zu dem sich auch der anfänglich skeptische Produzent Samuel Goldwyn zählte) zum Lachen und zu Tränen zu rühren. Der damals bereits 40-jährige Gary Cooper hatte die mitunter fragwürdige Aufgabe, jenen berühmten New Yorker Heiland zwischen seinem achtzehnten und sechsundreißigsten Lebensjahr zu interpretieren, meisterte diese jedoch trotz allers Skepsis mit einer der schönsten Darstellungen seiner Karriere. Zwischen Augenzwinkern und -tränen personifizierte Cooper eine nahtlose Kultursymbiose aus Gehrig und seinem eigenen Image als großer Sohn Amerikas mit einer bezaubernden Teresa Wright an seiner Seite. "The Pride Of The Yankees" wurde unter Sam Woods Ägide zu einem durchweg liebenswerten, unterhaltenden Sympathie-Evozierer, der den Zuschauer mit zumindest kurzfristig währender, aufrichtiger Philanthropie in Herz und Kopf zurücklässt.

8/10

Sam Wood period piece New York Baseball Ehe Mutter & Sohn Familie Freundschaft Biopic


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CAVALCADE (Frank Lloyd/USA 1933)


"Thank you for being there."

Cavalcade (Kavalkade) ~ USA 1933
Directed By: Frank Lloyd

Die Londoner Familie Marryot feiert mit ihren Hausangestellten am Silvesterabend 1899 das Heranbrechen des neuen Jahrhunderts, derweil in Südafrika der Zweite Burenkrieg tobt. Sowohl Robert Marryot (Clive Brook) als auch Hausdiener Alfred Bridges (Herbert Mundin) ziehen als Soldaten gen Süden, kommen jedoch trotz berechtiger Ängste ihrer Ehefrauen Jane (Diana Wynyard) und Ellen (Una O'Connor) wohlbehalten zurück. Doch das Schicksal hält noch manchen Schlag in den folgenden Jahren und Jahrzehnten bereit.

Nach "Cimmaron" eine weitere, sich über mehrere Dekaden Erzählter Zeit erstreckende Familienchronik, die mit dem Oscar für den Besten Film belohnt wurde; in diesem Falle allerdings eine formal wie darstellerisch wesentlich geschlossenere und, wie ich finde, interessantere. Seine Theaterwurzeln merkt man dem edlen Stück sicherlich noch an, dieser Umstand erleichterte es jedoch weder um seine Kinoqualität, noch macht er es weniger sehenswert.
Es geht hierin weniger um das Erblühen folgender Generationen als um den zwangsweisen Zerfall zweier Familien. Die eine verliert gleich beide Söhne (Frank Lawton, John Warburton) an das Schicksal in Form der Titanic-Kastastrophe und des Ersten Weltkrieges, derweil die andere sich nach dem Unfalltod des Vaters durch emporkömmlingshaftes Verhalten unbeliebt macht. Das Resultat ist ein atmosphärisch und zeitlöich verdichtetes Porträt des gesellschaftlichen Empfindens jener Ära historischer Umwälzungen. Dass nicht lange nach Filmen wie diesem noch ein Zweiter Weltkrieg die Menschheit ins Unglück stürzen sollte, scheint nicht zuletzt angesichts seiner mahnenden Worte wie ein urwüchsiges Schrecknis.

8/10

London England Familie Burenkrieg Fin de Siècle WWI Ehe Best Picture Victorian Age Edwardian Age


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CIMARRON (Wesley Ruggles/USA 1931)


"Sugar, if we all took root and squatted, there would never be any new country."

Cimarron (Pioniere des Wilden Westens) ~ USA 1931
Directed By: Wesley Ruggles

Davon, dass er sein erstes Landnahme-Wettrennen gegen die unehrenhafte Dixie Lee (Estelle Taylor) verloren hat, lässt sich der rastlose Pionier Yancey Cravat (Richard Dix) keinesfalls entmutigen: Kurzerhand klemmt er sich daheim in Wichita Frau Sabra (Irene Dunne) und Söhnchen Cim (Junior Johnson) unter den Arm und reist mit ihnen dorthin, wo soeben die Stadt Oklahoma City im Entstehen begriffen ist. Von nun an betätigt sich Cravat als Lokalpolitiker und unbestechlicher Zeitungsverleger und wird so zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten der Stadt. Doch lange halten ihn auch diese Aufgaben nicht; Yancey zieht es noch weiter gen Westen, derweil Sabra die Verlagsleitung übernimmt und ihre Kinder zu ehrenhaften jungen Leuten heranwachsen.

"Go west, young man": Über einen Zeitraum von vierzig Jahren erstreckt sich die Familienchronik der Cravats, die ein Hohelied auf den überseeischen Pioniergeist anstimmt und Menschen wie den porträtierten Yancey Cravat trotz all ihrer notwendigen Unzuverlässigkeit in Familiendingen zu den heimlichen Landesvätern deklariert. Dabei bemüht sich der bei der damals noch starken RKO produzierte Film nach Leibeskräften, auch den liberalen Geist der Nation einzufangen, indem er die langsame Überwindung des allseitigen Rassismus thematisiert, damit jedoch in Ehren scheitert. Cravat kämpft unter anderem auch für die Belange ortsansässiger Indianerstämme und will ihnen sogar freies Wahlrecht ermöglichen - ganz zum Unverständnis Sabras, die umso entsetzter ist, als der mittlerweile erwachsene Cim (Don Dillaway) eine Häuptlingstochter (Dolores Brown) ehelichen will.
Weniger zimperlich gibt sich das Erzählte hinsichtlich afroamerikanischer Gleichstellungsfragen - der junge Hausdiener der Cravats, Isaiah (Eugene Jackson), wird als ebenso lustiger wie sich aufopfernder, aber auch hoffnungslos zurückgebliebener Schimpanse charakterisiert und ist somit ein trauriges, wenngleich authentisches Beispiel für den omnipräsenten Rassismus jener Jahre im die Gesellschaft widerspiegelnden Hollywood.
Regisseurssignaturen waren seinerzeit übrigens noch wenig öffentlichkeitswirksam. Wesley Ruggles' Name taucht nicht als der des Inszenierenden auf.

6/10

Wesley Ruggles Familie Oklahoma Pioniere Best Picture Edna Ferber


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ELEPHANT WALK (William Dieterle/USA 1954)


"It's just all about Wiley Sr.!"

Elephant Walk (Elefantenpfad) ~ USA 1954
Directed By: William Dieterle

Die junge Londoner Buchhändlerin Ruth (Elizabeth Taylor) lernt den auf Ceylon beheimateten Teepflanzer John Wiley (Peter Finch) kennen, begeht eine Blitzhochzeit mit ihm und zieht mit ihm auf dessen gewaltige Plantage 'Elefantenpfad'. Nachdem Ruth von dem dort vorherrschenden Luxus überwältigt wurde, erkennt sie, dass hier keineswegs alles dem schönen Schein gerecht wird: John ist von dem patriarchalischen Geist seines verstorbenen Vaters besessen, der stets Herrengesellschaften gab und seine imperialistischen Ideale so weit trieb, dass er sogar die einheimischen Elefanten gegen sich aufbrachte. Allerdings scheint nicht nur Johns Unterwerfung grenzenlos; auch seine Geschäftspartner und das Hauspersonal, allen voran der erwürdige Appuhamy (Abraham Sofaer) sehen in ihm eine pure Reinkarnation des Seniors. Johns Vorarbeiter Carver (Dana Andrews) macht Ruth derweil schöne Augen und tatsächlich liebäugelt sie mit einer Trennung von John. Da bricht die Cholera aus...

Mit immerhin 60 Jahren nahm sich Dieterle dieses Standish-Romans an, der ihm die Möglichkeit bot, prächtige Technicolor-Bilder vor Ort in Ceylon einzufangen und mit einem einmaligen Darstellertrio zu arbeiten. "Elephant Walk" transportiert zugleich viel von Daphne Du Mauriers "Rebecca" oder Anya Setons "Dragonwyck", in denen sich jeweils junge, naive Damen durch überstürzte Hochzeiten mit reichen Neurotikern ins Unglück stürzen. Ein klassisches Thema in der Frauenliteratur demnach, das Dieterle jedoch mit sehr viel formaler Akribie und dräuender Mystik neu entpackt. Auch hier gilt wieder: Um dem alten Filz zu entrinnen, muss dieser ersteinmal niedergetrampelt werden; es müssen Einsichten geschaffen werden, die einen Neuanfang ermöglichen. Die Elefantenherde bzw. ihr alter, wütender Bulle, denen Wiley Sr. einst den jahrtausendealten Weg zur Tränke verbaute, stehen dabei als überdeutliche Symbole eines kolonisierungsfeindlichen Landstrichs, dem auch abendländische Arroganz nicht standhält.
Elizabeth Taylor übte hier sozusagen schon einmal für ihre zwei Jahre darauf folgende Rolle der Leslie Benedict in der Ferber-Adaption "Giant", die nichts anderes als eine noch sorgfältigere Konturierung der im Prinzip selben Figur darstellen sollte. Womit sich ein weiterer Motivkreis schließt.

8/10

William Dieterle Sri Lanka Kolonialismus Freundschaft Madness Camp Ehe


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JUAREZ (William Dieterle/USA 1939)


"Democracy... government of the cattle, by the cattle, for the cattle!"

Juarez ~ USA 1939
Directed By: William Dieterle

Mexiko, 1864: Während nördlich des Rio Grande der Bürgerkrieg tobt, sieht der mit den Südstaatlern sympathisierende Kaiser Napoleon III (Claude Rains) jenseits des Atlantik seine Machtfelle davon schwimmen. Um sich eine dauerhafte Position zu sichern, setzt er den Österreicher Maximilian von Habsburg (Brian Aherne) vor Ort als Marionettenkaiser ein. Maximilian, der selbst zum Opfer eines gigantischen Schwindels wird, weil er die institutionalisierte Monarchie in Mexiko als allgemeines Volksbegehr verkauft bekommt, steht gegen den gewählten Landespräsidenten Benito Juárez (Paul Muni) und dessen Gefolgschaft. Immer wieder kommt es zu Scharmützeln und Verrat auf beiden Seiten, bis die Konföderierten im Norden schließlich kapitulieren. Damit wird auch die französische Präsenz aus Mexiko vertrieben und Maximilian entmachtet. Am 19. Juni 1867 lässt Juárez ihn standrechtlich erschießen und mit allen gebotenen Ehren beisetzen.

Grandioses Geschichtskino, von William Dieterle als eines seiner zahlreichen Biopics inszeniert und unter jenen in vorderster Qualitätsfront angesiedelt. Dabei trägt der Film doch eigentlich den falschen Titel, ist seine Porträtierung des Erzherzogs Maximilian doch deutlich konkreter und konturenreicher als die der Grauen Eminenz Juárez. Jener, von Paul Muni als großer Lincoln-Verehrer mit Zylinder, der seine Politik des Intellektuellen vornehmlich aus dem Hintergrund heraus betreibt, mit der gewohnten Präsenz interpretiert, verkörpert vielmehr eine Grundidee: Die der Demokratie nämlich, der Bildung, der Zivilisation und Vernunft und stellt den altweltlichen Monarchen somit auf progressive Weise in den Schatten. Es geht in Juárez insgesamt weniger um Figuren als um Ideologien; der altehrwürdige, blaublütige Filz des alten Europa vs. das unaufhaltsame Fortschrittsdenken des nordamerikanischen Kontinents. Dass dies vor 75 Jahren auf eine deutlich intelligentere, subtilere Beschwörung des Freiheitsgedankens hin inszeniert wurde als es die allermeisten themenverwandten, zeitgenössischen Film vermögen, spricht wenig schmeichlerische Bände über die Entwicklung des Kinos.

9/10

William Dieterle John Huston Mexiko Mexikanische Revolution period piece Historie Biopic





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