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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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TRACK OF THE CAT (William A. Wellman/USA 1954)


"Them damned thieving women..."

Track Of The Cat (Spur in den Bergen) ~ USA 1954
Directed By: William A. Wellman

Während des harten Winters in den Rocky Mountains werden einige Rinder auf der Ranch der Familie Bridges zum Opfer eines marodierenden Pumas. Die beiden grundverschiedenen, älteren Brüder Arthur (William Hopper) und Curt (Robert Mitchum) machen sich auf, das Tier zu erlegen, derweil der Jüngste, Harold (Tab Hunter), dessen Braut Gwen (Diana Lynn) bei den Bridges' zu Gast ist, im Hause bleibt. Arthur wird von dem Puma getötet, Curt sucht alleine nach der Bestie weiter und findet selbst den Tod. Nun ist es an dem ängstlichen Harold, sich gegen das Tier - und gegen seine Familie - zu behaupten.

Wie "The Ox-Bow Incident" basiert auch "Track Of The Cat" auf einer Romanvorlage des Westernautors Walter Van Tilburg Clark. Im Gegensatz zu dem sujetbedingt sehr konzentriert gesponnenen Ersteren ist der von Duke Waynes 'Batjac' produzierte "Track Of The Cat" jedoch ein vielschichtiges Familienkaleidoskop, das deutlich mehr mit den großen amerikanischen Dramaturgen des vergangenen Jahrhunderts zu tun hat denn mit einer ordinären Jagdgeschichte. Wellmans Film, ein im positivsten Wortsinne wahrlich 'schwerer Brocken', steckt voller Symbolik und großer CinemaScope-Bilder, die man rein gewohnheitsbedingt eher von einem Elia Kazan oder Richard Brooks inszeniert glauben würde. Und doch stemmt der große alte Routinier sein Paket auf bewundernswert involvierende Weise, verleiht jeder einzelnen Figur eine lückenlose Charakteristik und findet zwischendurch immer wieder Zeit für eine unikale Filmsprache, die garantiert beispiellos ist. Es geht unter anderem, knapp resümiert, - eine umfassende Analyse mag Telefonbuchstärke erreichen - um unangemessene, matriarchalische Gewalt, Bigotterie, Geschwisterhass, Alkoholismus, Natursymbolik, Landnahme, Bildung und vor allem um Emanzipation.
Mitchums Sterbeszene spricht Bände: Um sich vor der Kälte zu schützen, will der Verirrte nächtens unter einem Baum ein Feuer entzünden, doch kurze Windstöße löschen jedes Streichholz. Da kommt er auf die Idee, einen bei der Leiche seines Bruders gefundenen Gedichtband von Keats zu zerreißen, um damit die Flamme zu schüren. Es löst sich jedoch eine Schneemasse von einem Ast über ihm und erstickt auch dieses Feuer. Da sieht er die Signalflamme, die Harold bereits daheim für ihn angesteckt hat und läuft kopflos darauf zu, nur um dann einen Abhang herunterzurutschen und eine Schlucht hinabzustürzen. Ein paar Minuten erzählter Zeit, die bereits Wesentlichstes über Wellmans Film, ein großes Meisterwerk im Übrigen, berichten.

9/10

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QUELQU'UN DERRIÈRE LA PORTE (Nicolas Gessner/F 1971)


"Why would you want to help me?" - "Because I'm your doctor."

Quelqu'Un Derrière La Porte (Der Mörder hinter der Tür) ~ F 1971
Directed By: Nicolas Gessner

Der Gehirnchirurg Laurence Jeffries (Anthony Perkins) ist besessen von seiner Arbeit und vernachlässigt seine Frau Frances (Jill Ireland), die sich demzufolhe auf der anderen Kanalseite einen französischen Liebhaber (Henri Garcin) hält, mit dem sie sich unter Vorwänden regelmäßig trifft. Jeffries weiß davon, vermag jedoch nicht, gegen Frances aufzubegehren. Als eines Abends ein amnesischer Patient (Charles Bronson) in seine Klinik eingeliefert wird, fasst Jeffries kurzerhand einen teuflischen Plan: Er dichtet dem Mann, den er mit zu sich nach Hause nimmt, seine eigene Vergangenheit an, erzählt ihm, Frances wäre seine Ehefrau und würde Ihm Hörner aufsetzen. Der labile Fremde nimmt Jeffries seine Geschichte tatsächlich ab und identifiziert sich mit seiner aufoktroyierten Rolle. Doch der sich so brillant wähnende Arzt ahnt nicht, um wen es sich bei seinem Hausgast wirklich handelt...

Mit "Qulqu'Un Derrière La Porte" näherte sich Bronsons Euro-Engagement langsam aber sicher seinem Schwanengesang. Eine schleichende Übergangsphase erfolgte nun, die den gemeißelten Mimen nach ein paar internationalen Coproduktionen mit Richard Fleischers "Mr. Majestyk" engültig in die USA zurück führte. In Gessners beeindruckendem Kammerspiel, dass sich aufgrund seiner räumlichen Verdichtung im Übrigen exzellent als Bühnenstück adaptieren ließe, spielt Bronson vielleicht eine seiner ehrlichsten Rollen: Als entflohener Geisteskranker, Vergewaltiger und Mörder ohne Gedächtnis ist er trotz all der Jahre späteren Vigilantentums noch immer grandios vorstellbar. Auch darstellerisch straft er hierin so manchen inkompetenten Kritiker Lügen. Sein häufig verwirrtes, fragendes Gesicht mitsamt traurigem Augenpaar, dessen Unterbewusstsein natürlich all seine Schandtaten gespeichert hat, zeugt von einer Spielqualität, die später leider redundant wurde und damit zwangsläufig brachzuliegen hatte. Und sein herzzereißender Suizid am Ende, als er sich, vielleicht doch noch ein letztes Mal Herr aller seiner Sinne, der neuerlich drohenden Gefangennahme sowie der quälenden Gewissheit auf die einzig denkbare Art entzieht.

8/10

Nicolas Gessner England Norfolk Amnesie Madness


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RESURRECTION MAN (Marc Evans/UK 1998)


"My Victor was a good boy. Write that in your paper!"

Resurrection Man ~ UK 1998
Directed By: Marc Evans

Belfast, 70er Jahre: Eine Gruppe protestantischer Gewaltverbrecher, die sich selbst 'Resurrection Man' nennt, macht die ohnehin krisengeschüttelte Stadt noch unsicherer. Willkürlich greift man sich vornehmlich männliche, alternde katholische Bürger und quält sie zu Tode. Als inoffizielles Aushängeschild von Resurrection Man fungiert der junge Protestant Victor Kelly (Stuart Townsend), ein von ödipalen Komplexen zerfressener, sadistischer Psychopath. Der selbst unter psychischen Problemen leidende Journalist Ryan (James Nesbitt) setzt sich auf die Spur Kellys und verfolgt dessen letzten Lebensabschnitt.

Basierend auf den Gräueltaten der damals tatsächlich existenten 'Shankill Butchers', einer protestantisch geprägten Terrorgruppe, die in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts Nordirland unsicher machte, entstand zunächst Eoin McNamees Roman "Resurrection Man", aus dem der Autor dann das Script für Evans' Film destillierte. Vornehmlich bietet dieser die Chronik des inoffiziell ausgetragenen Duells zwischen Kelly und Ryan, zweier gleichermaßen sozial inkompatibler Individuen, die ihre desolaten psychischen Zustände auf ihre jeweils spezielle Weise ausleben oder kontrollieren. Nur einmal begegnet man sich; die Fronten werden geklärt, alles weitere geschieht einfach.
"Resurrection Man" macht es seinem Publikum nicht leicht - sein Personal besteht ausschließlich aus Typen, von denen man sich im wahren Leben despektierlich fernhielte, allen voran natürlich der asoziale, gemeingefährliche Victor Kelly, der auf seinen Mordzügen gezielt nach Stellvertretern für seinen unbändigen Vaterhass sucht. Stuart Townsend hat für die Interpretation dieses Menschenmonsters offenbar sehr akribisch Vincent D'Onofrios Prä-Suizid-Szene aus "Full Metal Jacket" studiert; zumindest bemüht er sich um eine entsprechende Mimik.
In jedem Falle sehenswert, insbesondere für Liebhaber des britischen period gangster movie, muss man sich allerdings darauf entstellen, mit Evans' Werk eines sehr kalten, emotionsentleerten Filmes ansichtig zu werden, an dessen fröstelnde, unbeteilte Objektivität im Hinblick auf das Dargestellte man sich erst einmal gewöhnen muss.

7/10

Marc Evans Belfast Historie Nordirland Familie Mutter & Sohn Journalismus period piece Serienmord Kokain


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MAN HUNT (Fritz Lang/USA 1941)


"May you never lodge it in the wrong heart."

Man Hunt (Menschenjagd) ~ USA 1941
Directed By: Fritz Lang

Der arrivierte englische Großwild-Jäger Alan Thorndike (Walter Pidgeon) testet in der Praxis, ob ein Attentat gegen Adolf Hitler (Carl Ekberg) durchführbar wäre. Bevor er jedoch vor Ort eine echte Patrone ins Ziel feuern kann, erwischen ihn die Schergen des Führers. Der Gestapo-Oberst Quive-Smith (George Sanders) will Thorndike nötigen, ein Geständnis zu unterschreiben, demzufolge er zugibt, im Auftrag der britischen Regierung gehandelt zu haben, um Hitler somit einen öffentlichen Grund zu liefern, gegen England ins Feld zu ziehen. Thorndike weigert sich jedoch beständig und es gelingt ihm schließlich die Flucht zurück zur Insel, Quive-Smith und seine Leute stets dicht auf den Fersen. Schutz und Unterstützung findet Thorndike bei dem hübschen, naiven Arbeitermädchen Jerry (Joan Bennett), dessen Involvierung in seine Affäre er jedoch bald zutiefst bereut...

Einer der ersten echten Propagandafilme aus Hollywood, sozusagen als präventives Werk für die kurz darauf folgende Atlantik-Charta und das US-Engagement im Zweiten Weltkrieg. Mit der Verfolgung Unschuldiger durch Übermächte hatte Lang bereits vormals geliebäugelt; in "Fury" oder "You Only Live Once". "Man Hunt" jedoch setzte diesen verzweifelten Topos in einen noch weitaus kosmopolitischeren Zusammenhang: Hier kamen die Nazis ins Spiel, das damalige Reich des Bösen, das seit kurzem die Welt ins Chaos stürzte. Basierend auf dem erst kurz zuvor erschienenen Roman "Rogue Male" des britischen Autoren Geoffrey Household, ging alles ganz schnell: Die Fox erhielt die Rechte und binnen kürzester Zeit wurde "Man Hunt", ursprünglich als Projekt für John Ford vorgesehen, der parallel jedoch an "The Grapes Of Wrath" arbeitete, von dem eilends hinzugezogenen Fritz Lang inszeniert. Als dessen Projekt eignete sich "Man Hunt" ohnedies in idealer Weise: Lang konnte erstmals im Kino mit dem ihm zutiefst verhassten Nationalsozialismus abrechnen und sein oben erwähntes, bevorzugtes Thema der Jagd auf das Individuum neuerlich kultivieren. Dabei geht er besonders gegen Ende mit wütender Entschlossenheit zur Sache: Die, wie dem Protagonisten Thorndike jedem Rezipienten zuvor eingehend ans Herz geheftete, bezaubernde Jerry wird zum Opfer der Nazis und damit zum Grund für Thorndikes erbitterte Rachsucht. Nachdem er sich mitsamt Präzisionsgewehr von der Truppe verabschiedet hat und auf eigene Faust nach Hitler sucht,hält "Man Hunt" am Schluss beschwörend fest, dass die braune Brut in ihm nur einen von vielen erbitterten Gegnern hätten, vor denen man auf der Hut sein sollte. Nehmt euch in Acht, ihr Nazis! Hier kommt Amerika!

9/10

Nationalsozialismus Deutschland England London WWII Fritz Lang Flucht Propaganda


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THE BELLS OF ST. MARY'S (Leo McCarey/USA 1945)


"Just dial "O" for "O'Malley"."

The Bells Of St. Mary's (Die Glocken von St. Marien) ~ USA 1945
Directed By: Leo McCarey

Vater O'Malley (Bing Crosby) wird diesmal an die Klosterschule "St. Mary's" berufen, da die hier lehrenden, schnatternden Nonnen von seinem Vorgänger offenbar nicht gebändigt werden konnten. In der Tat entpuppt sich die Leiterin Schwester Benedict (Ingrid Bergman) trotz guter Anlagen als in vielerlei Hinsicht zu 'mütterlich' für die Erziehung der ungeschliffenen Jungs des Viertels. Doch O'Malleys Anwesenheit zeigt bald erste Erfolge: Anstatt weiterhin zu predigen, in einer Schlägerei auch noch die andere Wange hinzuhalten, gibt Schwester Benedikt nun heimlich Boxunterricht. Doch es sieht, bei aller positiven Entwicklung, nicht gut aus für St. Mary's: Das marode Schulgebäude steht im Schatten eines neu errichteten, riesigen Bürohauses des reichen Bauherrn Horace P. Bogardus (Henry Travers), der anstelle der Schule lieber einen Parkplatz sähe. Doch mit List und Tücke macht O'Malley selbst aus dieser harten Nuss einen weichen Frömmler...

Als Sequel zu dem ein Jahr zuvor entstandenen Oscar-Abstauber "Going My Way" kultiviert "The Bells Of St. Mary's" die bereits im Vorgänger installierte, episodische Erzählstruktur und lässt die kleinen Anekdoten um Pfarrer O'Malley und seine Wirkungserfolge abermals wie eine Blaupause für eine TV-Sitcom erscheinen (eine kleine Serie mit dreißig Folgen und Gene Kelly in der Rolle Bing Crosbys sowie Leo G. Carroll in der von Father Fitzgibbons aus dem Original ging sechzehn Jahre später tatsächlich on air). McCarey bringt dabei das Kunststück fertig, die Fortsetzung summa summarum noch etwas schöner als den Erstling zu gestalten, was, neben der rührigeren Ausgangssituation sowie der Zurücknahme von Crosbys Sangeseinlagen insbesondere der dem Protagonisten mindestens gleichberechtigt geschalteten Ingrid Bergman und auch dem begnadeten Henry Travers zu verdanken ist. Eine Familienzusammenführung sowie Bogardus' urplötzliche Läuterung, die, Kant wusste es, natürlich vornehmlich der eigenen Gesundheitsverbesserung zugute kommt und damit schön schnippisch in die ansonsten wiederum rührselige Geschichte eingebunden wurde.
Wohl einer der erste Fälle in der Filmhistorie, in welchem eine Fortsetzung ihr Original übertrifft.

7/10

Leo McCarey Kirche New York Freundschaft Sequel


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GOING MY WAY (Leo McCarey/USA 1944)


"I'm going to sleep well tonight."

Going My Way (Der Weg zum Glück) ~ USA 1944
Directed By: Leo McCarey

Der etwas unkonventionell arbeitende Pfarrer Chuck O'Malley (Bing Crosby) kommt in die New Yorker Pfarrei 'St. Dominic', um dort seinen alternden Kollegen Fitzgibbon (Barry Fitzgerald) als 'Kurator' zu unterstützen. Fitzgibbon lässt sich merklich ungern in die althergebrachten Karten pfuschen und reagiert anfangs etwas beleidigt auf O'Malleys Methoden, die unter anderem die Verkupplung einer jungen Ausreißerin (Jean Heather) mit dem Banker-Sohn Haines Jr. (James Brown) sowie die Installation eines Chors für die zumeist auf der Straße herumhängenden Jungen des Viertels beinhalten. Schließlich werden aus den beiden Männern jedoch gute Freunde, bis O'Malley, der sich als eine Art "Feuerwehr"-Geistlicher entpuppt, vom Bischoff zu seinem nächsten Auftrag abberufen wird.

McCareys unter der Last der Jahre doch recht betulich wirkender Film, der für Bing Crosby eine veritable Heldenrolle stiftete, ist so brav und schmerzlos, dass es schon fast wehtut. "Going My way" zeichnet auf die denkbar bravste Weise den Weg eines verständigen Kirchenmannes nach, der mit Strohhut auf dem Kopf zu Werke geht und Musik als das Allheilmittel für jedwedes Böse in der Welt kultiviert. Ob er dabei Kinderlieder oder das "Ave Maria" trällert, ist nebensächlich; Jedwedes wird mit derselben anmutigen Inbrunst vorgetragen. Der Charakterisierungs-Kniff liegt darin, O'Malley als vormaligen Lebemann zu präsentieren, der die Priesterweihen erst recht spät angenommen hat und der daher deutlich mehr Praktiker ist als viele seiner eher angestaubten, prmanent mit dem Katechismus wedelnden Amtsgenossen. Sein größtes Verdienst liegt schließlich darin, den dickköpfigen Fitzgibbon "weichzuklopfen" und ihm neue Energie zuzuschustern.
Als weicher Film, der ganz nebenbei auch ein bisschen für das (als selbstverständlich formulierte) militärische Engagement junger Männer in Übersee wirbt, war "Going My Way" nebenbei der große Oscar-Gewinner seines Jahres.

6/10

Leo McCarey New York Kirche Freundschaft Best Picture Musik


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DEFIANCE (John Flynn/USA 1980)


"You ever show your ugly face 'round here again, I'm gonna kick your ass."

Defiance (Die Schläger von Brooklyn) ~ USA 1980
Directed By: John Flynn

Der Matrose Tommy (Jan-Michael Vincent) ist unfreiwillig zu einem längeren Aufenthalt in New York gezwungen, bevor er seine nächste Heuer erhält. Höchst enerviert kommt Tommy in der East Side unter, wo er neben einigen netten Nachbarn wie der über ihm lebenden Marsha (Theresa Saldana) oder dem etwas großmäuligen, aber herzlichen Carmine (Danny Aiello) auch rasch die üble Schlägertruppe 'Souls' kennenlernt, der der Chicano Angel Cruz (Rudy Ramos) vorsteht. Die Leute in Tommys Straße kuschen vor Cruz und seinen Jungs; jeder Versuch der Gegenwehr wird mit noch heftigerem Terror beantwortet. Als Tommy endlich ein Platz auf einem Dampfer in Aussicht gestellt wird, muss er Farbe bekennen: Raus aus der Stadt oder doch zu seinen neuen Freunden halten und ein für allemal mit den Souls abrechnen...?

Der etwas familienkompatiblere Selbstjustiz-Film. Wie so häufig in den Siebzigern spielt Vincent hier den eher bodenständigen Arbeitertypen, der höchst wenig Gefallen daran findet, sich mit den ihm umgebenden, asozialen Elementen in Konflikt zu setzen und letzten Endes auf die immer noch denkbar diplomatischste Weise für sein Recht und das seiner Mit-Involvierten kämpft. Anders als etwa ein Paul Kersey, der einige Jahre später in "Death Wish 3" auf die denkbar brachialste Weise gegen den New Yorker Bandenterror vorgeht, indem er die unbelehrbaren, delinquenten Kids sogar bewusst zu Straftaten motiviert, um sie dann abknallen zu können, ist Tommy der sukzessive hochgeschaukelte Wutbürger, der seine neuen Nachbarn und Freunde gegen Ende zu einer Art "Zweckmiliz" mobilisieren und damit den Frechdachsen Einhalt gebieten kann. Immerhin überlässt er die Rüpel nach einer gehörigen Tracht jedoch der staatlichen Exekutive. So ist "Defiance" auf ebenbütiger Ebene auch die Geschichte einer Sesshaftwerdung nach jahrelanger Ruhelosigkeit und damit im Grunde traditioneller Westernstoff. Das einzige humane Opfer bleibt dem rührenden Lenny Montana vorbehalten, der als retirierter polnischer Boxer mit etwas breitgeschlagener Birne einen letzten großen Märtyrer-Akt vollziehen und damit den Stein des Anstoßes zur Rettung seines Viertels geben darf.
"Defiance" lässt sich somit trotz des kontroversen Topos als überraschend stilles, humanes und sogar warmherziges Werk verorten, das seinem Regisseur zu größter Ehre gereicht. Ferner eine Blaupause nicht nur für den erwähnten, dritten "Death-Wish"-Beitrag, sondern auch für thematisch analog Gelagertes wie Robbins' "Batteries Not Included" oder Hensleighs "The Punisher"-Variation (respektive die ihr zugrunde liegenden Comicstrecke von Garth Ennis).

8/10

John Flynn New York Selbstjustiz Rache Freundschaft


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DRUM (Steve Carver/USA 1976)


"If my niggers stop fornicatin', we stop eatin'!"

Drum (Die Sklavenhölle der Mandingos) ~ USA 1976
Directed By: Steve Carver

Der mittlerweile gealterte Plantagenbesitzer Maxwell Hammond (Warren Oates) kommt nach New Orleans, um sich neben ein paar neuen Sklaven auch eine weiße Hausfrau auf seinen Besitz zu holen. In dem Mandingo Drum (Ken Norton), Sohn eines afrikanischen Stammeshäuptlings und der weißen Bordellbesitzerin Marianna (Isela Vega) wird er ebenso fündig wie in der entehrten High-Class-Lady Augusta Chavet (Fiona Lewis). Zurück auf Falconhurst entwickelt sich Drum schnell zum vorbildlichen Vorarbeiter und Aufseher, in dem der weit weniger angepasste Blaise (Yaphet Kotto) einen guten Freund findet. Als Blaise beschuldigt wird, Hammonds verdorbene Tochter Sophie (Rainbeaux Smith) zu belästigen, spitzt sich die Situation dramatisch zu: Am Verlobungsabend von Hammond und Augusta startet der in Ketten gelegte Blaise einen Sklavenaufstand. Drum muss sich für eine Seite entscheiden...

Das Sequel zu Richard Fleischers denkwürdigem Camper "Mandingo" wandelt auf deutlich anderen Pfaden denn das Original. Von dessen beiden vorgezeichneten Pfaden verzichtet "Drum" nahezu völlig auf den transgressiven; verbannt das bei Fleischer noch bestimmende, skandalöse, schockierende Element ebenso aus seinem Rahmen wie dessen künstlerische Ambitionen. Es bleibt ein eindeutiges Bekenntnis zur Exploitation, das nicht allein durch die Besetzung von Yaphet Kotto und Pam Grier, sondern zudem in Form eines Übermaß' weiblicher Nacktheit entsprechende Ambitionen belegt. Die Gewaltsszenen bleiben, mit Ausnahme der manuell vorgenommenen Kastration des eklig-bösen John Colicos durch Ken Norton (die sich allerdings auch noch verhalten präsentiert), in domestizierte Bahnen. Die einzige Darstellerin, die in derselben Rolle von "Mandingo" nach "Drum" überlebt, ist die füllige Lillian Hayman als stets verlässliche Haus-Mammy Lucretia Borgia. Perry King, der seinerzeit den noch deutlich unbeherrschteren Maxwell Hammond verkörperte, wird, einen größeren Handlungs-Zeitsprung zwischen den beiden Filmen implizierend, durch Warren Oates ersetzt. Mit Oates, der sich ein neuerliches Stelldichein mit Isela Vega, seiner Partnerin aus "Bring Me The Head Of Alfredo Garcia" gibt, ändert sich auch das Persönlichkeitsbild des Charakters völlig: Aus dem zur Barbarei neigenden Soziopathen wird ein lustiger Lebemann, dessen tiefsitzender Rassismus eher einer persönlichen Bildungsschwäche denn Generationen intrafamiliären Zerfalls zugeschrieben werden darf. So entsteht gar ein gewisses Freundschaftsband zwischen Drum und seinem Master, das am Ende die (sogar eher unfreiwillige) Flucht der Titelfigur ermöglicht. Susan Georges vormalige Rolle pflanzt sich hier in der von Rainbeaux Smith fort; denn in einen waschechten Sklavenfilm gehört von jeher auch ein kleines, pervertiertes weißes Luder. Inszenatorisch hält sich "Drum" eher auf TV-Niveau - weder der ursprüngliche regisseur Burt Kennedy, noch sein spätes Substitut, der vormalige Corman-Schützling Carver (welcher unfairerweise als alleiniger Regisseur kreditiert wird) leisten sich - offenbar ganz bewusst - keinerlei Extravaganzen.

6/10

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THE RAINS OF RANCHIPUR (Jean Negulesco/USA 1955)


"I won't forget you."

The Rains Of Ranchipur (Der große Regen) ~ USA 1955
Directed By: Jean Negulesco

Die Ehe zwischen dem englischen Lord Esketh (Michael Rennie) und seiner amerikanischen Gattin Edwina (Lana Turner) ist längst am Ende, was einzig und allein der gefühlskalten Frau zuzuschreiben ist. Während eines Aufenthalts in Indien entflammt ihre Liebe für den einheimischen Arzt Dr. Safti (Richard Burton), ganz zum Unwillen von dessen mütterlicher Mentorin, der Maharani (Eugenie Leontovich) von Ranchipur. Derweil entdeckt der permanent alkoholisierte Architekt Tom Ransome (Fred MacMurray), ein alter Freund sowohl Edwinas als auch Dr. Saftis, dass seine Seele noch nicht so erkaltet ist, wie er bislang glaubte. Ein gewaltiger Monsun zeigt ihnen allen schließlich ihre wahren Bestimmungen auf.

Ausgesprochen ansehnlicher Trivialkitsch, der seine Qualitäten weniger aus der tatsächlich etwas verkrusteten Herz-Schmerz-Kolportage gewinnt, denn aus seinen prachtvollen Bildern im noch jungen CinemaScope-Format, das mit Unterstützung von knalligem DeLuxe wunderhübsche Lokaleindrücke präsentiert, die allerdings, so es sich nicht um Atelier-Aufnahmen handelt, aus dem Nachbarland Pakistan stammen. Eine Kobra und ein Tiger, beide echt, kommen vor; die Liebäugelung mit dem Katastrophenfilm in Form spektakulärer, noch immer überaus beeindruckend wirkender Überschwemmungssequenzen verleiht Negulescos Film zusätzliche Schauwerte. Angesichts dessen verzeiht man sogar großmütig, dass Burton trotz Turban kein bisschen indisch ausschaut und dass MacMurray und besonders Rennie jeweils eine der unbeteiligsten, leidenschaftslosesten Leistungen ihrer Karriere vorweisen.

6/10

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THE PHYSICIAN (Phillip Stölzl/D 2013)


"I don't want to treat warts all my life."

The Physician (Der Medicus) ~ D 2013
Directed By: Phillip Stölzl

England im frühen elften Jahrhundert: Nachdem seine Mutter an der 'Seitenkrankheit', einer Blinddarmentzündung, gestorben ist, schließt sich der junge Rob Cole (Adam Wright) einem Bader (Stellan Skarsgård) an, einem fahrenden Gaukler, Barbier und Wunderheiler, der allerlei Wehwehchen heilt. Schon früh entdeckt Rob seine Gabe, per Handauflegen bei Patienten den unmittelbar nahenden Tod voraussehen zu können. Viele Jahre bleibt er bei dem Bader und erlernt dessen Geschäft, bis er als Erwachsener (Tom Payne) Zeuge wird, wie ein jüdischer Medicus (Martin Hancock) dem Bader seinen Grauen Star sticht und ihn somit vor dem Erblinden rettet. Rob wird gewahr, dass wahre Heilkunst sehr viel komplexer ist als er es bislang vermutete und entschließt sich, nach Isfahan zu reisen, wo der große Arzt Ibn Sina (Ben Kingsley) eine Schule für angehende Mediziner leitet. Zunächst tarnt sich Rob als Jude, da Christen im Orient nicht gern gesehen sind. Nach einer langen, beschwerlichen Reise gelangt er an sein Ziel und wird tatsächlich Student bei Ibn Sina. Nicht nur die Heilkunde, auch die tief religiös konnotierten Konflikte zwischen den Seldschuken und Mullahs, den Juden und den Anhängern des monarchistisch geprägten Shah (Olivier Martinez) sowie die unglückliche Liebe zu der schönen Rebecca (Emma Rigby) bestimmen fortan das abenteuerliche Leben Robs, der es in der Folge schafft, die Beulenpest aus Isfahan zu verbannen und nach der heimlich durchgeführten Obduktion eines infolge der Appendizitis verstorbenen Patienten zum Tode verurteilt, jedoch in letzter Sekunde gerettet wird und dem Shah mittels einer Blinddarm-Operation das Leben rettet. Zurück in London eröffnet Rob gemeinsam mit Rebecca ein eigenes Krankenhaus.

Ich empfand die damalige Lektüre von Noah Gordons Romanschlager "Der Medicus" - sie mag nunmehr gute 25 Jahre zurückliegen - als sehr inspirierend und spannend und hätte mir schon dereinst eine Verfilmung gewünscht, zumal die vor Details und Opulenz strotzenden Beschreibungen des Autors geradezu nach einer luxuriösen Leinwand-Adaption schreien. Selbiges gilt übrigens auch für den Nachfolger "Der Schamane", in dem Rob Coles Nachfahren in die Neue Welt übersiedeln.
Erwartungsgemäß passt die epische Struktur des Romans nicht in einen Zweieinhalbstünder; etliche (mir wichtige) Stränge, wie seine Lehrjahre beim Bader oder die ausufernde Reiseerzählung um Robs einjährige Fahrt nach Isfahan sowie seine Konfrontationen mit Glaubensnuancen und seine anhaltenden Kollisionen mit der ewigen Divergenz zwischen Religion und Vernunft mussten weichen. Stölzls Film legt das narrative Hauptgewicht auf Robs Zeit in Isfahan und seine Beziehung zu Ibn Sina, der von Ben Kingsley erwartungsgemäß fürstlich interpretiert wird. Tiefergehende oder gar subtile Betrachtungen zu jedwedem der verhandelten Themen darf man, im Gegensatz zu inhaltlichen Simplifizierungen, von "The Physician" nicht erwarten; die Feindbilder sind mit den allen Fortschritt negierenden, glaubensverkrusteten Islamisten erwartungsgemäß höchst aktuell, was irgendwie auch erklärt, warum der Film gerade jetzt entstanden sein wird. Bei aller unterhaltenden Qualität, Bildgewalt und visuellen Wertigkeit bleibt er somit stets oberflächlich und betont unkompliziert konsumierbar. Ich meine, Gordons Buch hätte einen komplexere Umsetzung verdient gehabt.

6/10

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