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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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CANICULE (Yves Boisset/F 1984)


"Shit."

Canicule (Dog Day - Ein Mann rennt um sein Leben) ~ F 1984
Directed By: Yves Boisset

Nach einem missglückten Banküberfall in einer französischen Stadt, bei dem er von seinem Partner Snake (Pierre Clémenti) hintergangen wird, flüchtet der amerikanische Bankräuber Jimmy Cobb (Lee Marvin) mitsamt der Beute vor dem ihn verfolgenden Polizeiaufgebot in die sommerliche Provinz. Dort gerät er an eine dysfunktionale Bauernfamilie, die ihm zusätzlichen Stress verschafft, da jeder einzelne von ihnen schwer gestört ist und eigene Pläne verfolgt. Bald wissen auch Cobbs verbliebene Partner, wo er sich versteckt hält und es kommt zu diversen Konfrontationen.

Der vorvorletzte Film, den Lee Marvin mit seiner Präsenz adelte (vor dem ersten "Dirty Dozen"-Sequel und "The Delta Force") setzt ein spätes Highlight in seinem ohnehin glänzenden Schaffen. Als US-Gangster in Frankreich, dessen 'Spezialität' es ist, seinen Gegnern die Kniescheiben wegzuschießen, gerät er an etwas, mit dem selbst er niocht fertig werden kann, an westeuropäische Land-Idiotie nämlich. Auf dem durchaus imposanten Hof, auf dem er nach anstrengender Flucht strandet, erwarten ihn der sexgierige, versoffene Patriarch Horace (Victor Lanoux), dessen nicht minder versoffener Bruder Socrate (Jean Carmet), Horaces Frau Jessica (Miou-Miou), deren unehelicher Sohn Chim (David Bennent), die haltlos nymphomanisch veranlagte Ségolène (Bernadette Lafont), die alte Haushälterin Gusta (Muni), sowie zwei afrikanische Landknechte (Joseph Momo, Mohamed Bekhtaoui) - ein böses, verzerrtes Spiegelbild der zeitgenössischen französischen Gesellschaft, durch die Bank verdorben und verrückt. Besonders gegen Jessicas durchtriebene Pläne (ohnehin wirkt die ebenso kluge wie schöne, stilbewusste Frau wie ein Fremdkörper unter all den Hinterwäldlern) hat Cobb keine Chance. Zu David Bennent, diesem seltsam faszinierenden Kindmann, der einen jeden Film schon durch seine bloße Anwesenheit mystisch auflädt: extraordinaire, comme toujours.
Boisset ist ein kleines, schmutziges Meisterwerk zwischen Kunst und Sleaze geglückt, dessen prononciert-grotesker Erzählfarbe sicherlich auch ein Jeunet oder Kusturica manches verdanken.

9/10

Yves Boisset Sommer Flucht Familie Groteske


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MEGAFORCE (Hal Needham/USA, HK 1982)


"It's all on the wheel, it all comes around."

Megaforce ~ USA/HK 1982
Directed By: Hal Needham

Wenn's kriselt und nichts mehr hilft, muss die 'Megaforce' her - eine geheime, aufeinander eingespielte Eliteeinheit von Supersoldaten, die mit unfassbarem technischen Equipment Herr jeder Lage wird. Um die Krise zwischen den beiden Wüstenstaaten Sardun und Gamibia beizulegen, ruft man die Megaforce unter Commander Ace Hunter (Barry Bostwick) ins Feld. Als dieser erfährt, dass sein alter Söldnerkumpel Guerera (Henry Silva) die gegnerischen Truppen befehligt, freut er sich bereits auf ein Wiedersehen.

Was dazumal noch jeden Kindergeburtstag bereicherte, zumal aufgrund der (eventuellen, hier hatten wir sie) Indizierung ein hübsch heißes Eisen, kann sich anno itzo eines ziemlich käsigen Aromas nicht erwehren. Man kennt das als entsprechender Generationsvertreter ja zur Genüge; ein für diese Art der Entzauberung dermaßen akutes Beispiel wie Hal Needhams "Megaforce" jedoch begegnet einem nur alle Jubeljahre mal. Dieser Film, entstanden zwischen den beiden "Cannonball Run"-Epen und wiederum mit Produktionsflanke von Golden Harvest in Hong Kong, lässt einen wahlweise mit zerstörtem Kortex oder offenem Mund (möglicherweise auch beidem) zurück. Obschon das Ganze in der Gegenwart angesiedelt ist, ziehen die Helden mit Geländefahrzeugen wie aus den Endzeitfilmen ins Feld, arbeiten mit Laserstrahlern, Hologrammen und fliegenden Motorrädern und kleiden sich wie zum Gang in die Schwulendisco in hautenge, goldene Spandex-Anzüge. Rainer Brandt hat wieder mal erkannt (sic!) was die Stunde geschlagen hat und das Ganze mit einer wundervoll affigen Flapsvertonung garniert, wobei "Megaforce" sich wohl auch schon im Original nicht allzu bierernst genommen haben wird. Dass sich das Wesen des Krieges hierin völlig gewaltlos und infantilisiert zum Abenteuerspiel für Heranwachsende im Grundschulalter simplifiziert findet, an dessen Ende sich zwei Kumpels nochmal grinsend zusammenraufen, wird der eigentliche Grund für das langfristige Verharren dieses wahrlich albernen Trashtakels auf dem deutschen Index gewesen sein. Als hätte Needham vorsätzlich die damals frisch gegründeten Grünen ärgern wollen. Heutzutage noch sehr viel undenkbarer als das allermeiste Andere aus jenen Jahren.

5/10

Hal Needham Trash Wüste


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INBRED (Alex Chandon/UK, D 2011)


"What 'bout a pint for everyone?"

Inbred ~ UK/D 2011
Directed By: Alex Chandon

Im Zuge eines Resozialisierungsprogramms nehmen die beiden Londoner Sozialpädagogen Jeff (James Doherty) und Kate (Jo Hartley) ein renitentes Quartett straf- oder auffällig gewordener Jugendlicher mit in die nordenglische Provinz: aus Dwight (Chris Waller), asozialer Junggangster, Tim (James Burrows), fehlgeleiteter Pyromane, Sam (Nadine Rose Mulkerrin), introvertierte Borderlinerin und der Einbrecher Zeb (Terry Haywood) besteht ihre handverlesene Truppe. Vor Ort machen sie rasch die unangenehme Bekanntschaft der Einheimischen, wildwüchsiger bis derangierter Typen, die einen unheimlichen Eindruck machen. Natürlich kommt es bald zu einem unangehmen Zusammenstoß, der den Großstädtern das wahre Gesicht der Landeier präsentiert: Es handelt sich bei diesen nämlich um geisteskranke, inzestuös geprägte Kannibalen, die im wahrsten Sinne des wortes keine Gefangenen machen.

Obgleich ich seinen "Cradle Of Fear" noch immer in unguter Erinnerung habe, entschloss ich mich, Chandons jüngstem Exzess "Inbred" eine Chance zu geben - nicht unbelohnt. Was auf dem seinerzeit noch im Amateurstil und auf Videomaterial gefilmten Grufti-Splatter auf eher peinliche Weise selbsträsonistisch und stupide wirkte, fällt zehn Jahre später deutlich versöhnlicher und offener aus. Nachdem die europäische Genre-Gemeinde ja bereits via "Calvaire" und "Frontière(s)" erfahren musste, dass missgestaltete, verrückte, u.U. kannibalisch geprägte Hillbillys und Bootlegger nicht nur in den Appalachen heimisch, sondern auch diesseits des Großen Teiches kontinental verankert sind, ergriff Chandon ergänzend zu der Franzkonkurrenz Partei für die Insel und führt uns ein paar besonders widerliche Beispiele für unkontollierten, hinterwäldlerischen Wildwuchs vor: Seine zwischen mehr und weniger verwachsen changierenden Freaks sind Typen übelster Sorte, denen man selbst bei schönstem Tageslicht nicht begegnen möchte. Und wie man Chandon kennt, lässt er auch in "Inbred" wieder so richtig die Sau raus - wobei einen allenthalben das Gefühl beschleicht, Chandon habe von der Widerstandsfähigkeit menschlicher Körper eine etwas seltsame Vorstellung. Wenn nämlich irgendwas passiert, dann richtig - Leiber und Köpfe platzen und explodieren, dass man sich vorkommt wie auf dem Rummel. Grand guignol eben, aber in Reinkultur. Ich hatte meinen Spaß dran, auch ohne Originalitätsbescheinigung.

6/10

Alex Chandon Splatter Backwood Teenager Kannibalismus Terrorfilm


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EL KÁRATE, EL COLT Y EL IMPOSTOR (Antonio Margheriti/E, I, HK, USA 1974)


Zitat entfällt.

El Kárate, El Colt Y El Impostor (In meiner Wut wieg' ich vier Zentner) ~ E/I/HK/USA 1974
Directed By: Antonio Margheriti

Bei dem Versuch, seinen Tresor zu sprengen, kann der Halunke Dakota (Lee Van Cleef) nicht verhindern, dass der wohlhabende chinesische Geschäftsmann Wang (Al Tung) ums Leben kommt. Als dessen Bruder (Pai-Chen Yang) in China davon erfährt, schickter den Kung-Fu-Kämpfer Ho Chiang (Lo Lieh), zugleich Wangs Neffe, nach Monterey in Amerika. Dort schließen sich Dakota und Ho zusammen, um Wangs Erbschaft ausfindig zu machen. Dafür müssen sie jedoch zunächst ein Rätsel lösen, dessen einzelne Bestandteile Wang dereinst auf vier weibliche Popos tätowierte. Eines davon gehört der frivolen Gattin (Erika Blanc) des verrückten Predigers Hobbitt (Julián Ugarte), der sich, als er davon erfährt, selbst Wangs Schatz unter den Nagel reißen will.

Dass es sich für den (Euro-)Western und fernöstliches Kampf-Procedere durchaus lohnt, eine fruchtbare Kurzehe einzugehen, hatte Bond-Regisseur Terence Young bereits drei Jahre zuvor mit "Soleil Rouge" bewiesen, in dem ein japanischer Samurai und ein amerikanischer Gunslinger sich notgedrungen zusammenraufen müssen, um ein begehrtes Objekt (in diesem Falle handelte es sich um ein Schwert) zu erringen. Für "El Kárate, El Colt Y El Impostor" gingen derweil die Hong Konger Shaw Brothers eine ihrer Ost-West-Kollaborationen ein, um zwei große Unterhaltungsmärkte zu bedienen. Inszeniert wurde der Spaß von dem in Crossover-Dingen keinesfalls unerfahrenen Genre-Ass Margheriti, der hierfür sein berühmtes Pseudonym 'Anthony M. Dawson' verwendete. "El Kárate, El Colt Y El Impostor" ist erwartungsgemäß witzig und bewegt sich bis zum knalligen Showdown etwa in den Breitengeraden eines Spencer-/Hill-Western; soll heißen, es wird mehr geprügelt denn geschossen und es gibt, nicht zuletzt aufgrund der pobackigen Story-Prämisse, mancherlei Gelegenheit für schlüpfrige Hintern-Witzchen. Wer derlei Kuriositäten mag und beispielsweise mit der Hofbauer/Kuei-Zusammenarbeit "Yang Chi" etwas anzufangen weiß, der wird ganz bestimmt auch bei Lee Van Cleef und Lo Lieh auf seine Kosten kommen.

6/10

Antonio Margheriti Shaw Bros. Crossover Martial Arts Italowestern Europloitation


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NIGHT LIFE (David Acomba/USA 1989)


"Just kidding."

Night Life ~ USA 1989
Directed By: David Acomba

Teenager Archie Melville (Scott Grimes) wird von seinen Mitschülern fast durchweg höhnisch belächelt: Er arbeitet nämlich im Bestattungsunternehmen seines Onkels (John Astin) und empfindet den alltäglichen Umgang mit Leichen als ganz gewöhnliches Handwerk. Allein mit der KFZ-Mechanikerin Charly (Cheryl Pollak), wie er eine Außenseiterin, verbindet ihn eine unausgesprochene Romanze. Besonders die Football-Bullys Rog (Kenneth Ian Davies) und Allen (Mark Pellegrino) setzen Archie immer wieder zu - daher ist er auch nicht sonderlich erschüttert, als die Jungs mitsamt ihren Freundinnen (Darcy DeMoss, Lisa Fuller) eines Nachts bei einem Autounfall das Zeitliche segnen. Es kommt, wie es kommen muss, das pöbelnde Quartett landet durchweg auf Archies "Werkbank" - wird jedoch durch einen blitzeinschlag wieder zum Leben erweckt und stellt Archie und Charly toterdings weiter nach...

Außer in den ersten beiden "Critters"-Filmen und eben "Night Life" war von Scott Grimes in Leinwand-Breitengraden eher wenig zu sehen, er verschwand irgendwann in den Niederungen der TV-Serials und lugte daraus nur mal kurz als Will Scarlet für Scotts "Robin Hood" wieder hervor. Schade, denn jener ebenso augenzwinkernde wie sympathische Bursche war ehedem immer für einen Lacher gut - wie "Night Life", eine schelmische Mixtur aus Zombie-Splatter und Coming-of-Age-Comedy beweist. Im Prinzip fährt Acombas Film atmosphärisch natürlich gänzlich auf der Schiene ähnlich gelagerter Produktionen des Jahrzehnts rund um 'teenagers in heat' und könnte ebensogut auch als eine kammerspielartige Variation von "Return Of The Living Dead" bezeichnet werden, mit dem er sich einige Topoi teilt. "Night Life" allerdings verzichtet auch nicht auf baren Slapstick und schwarzen Humor beinahe klassischer Façon, etwa, wenn der linkische Archie unter Zeitdruck stehend die fachgerechte Präparierung einer Leiche vorlegen soll und dies unter einigem geschmacklosem Getöse völlig vermasselt. Im Finale werden die Schrauben dann nochmals mächtig angezogen, wenn es um die endgültige Entsorgung der bereits im Leben unsympathischen Zeitgenossen geht.
Hierzulande genießt der meines Erachtens sträflich vernachlässigte "Night Life" immerhin ein minimales Popularitätsniveau als einer der letzten §-131-Streifen, wobei es sich bei ihm vermutlich wirklich um den einen Film handelt, dessen Zwangsexilierung die lächerlichste, unangebrachteste und willkürlichste bundesdeutscher Zwangszensur markiert.
Right then: Eventually free "Night Life" and get'm on some fuckin' BR.

7/10

David Acomba Teenager Zombies Leichenbestatter Splatter Kleinstadt


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FILTH (Jon S. Baird/UK 2013)


"Same rules apply."

Filth (Drecksau) ~ UK 2013
Directed By: Jon S. Baird

Detective Bruce Robertson (James McAvoy) von der Polizei in Edinburgh steht als einer von fünf Kollegen auf der Stufe zur Beförderung. Dazu gilt es jedoch, den publicityträchtigen Mord an einem jungen Japaner (Zack Eisaku Niizato) aufzuklären. Nicht nur, dass Robertson damit aus unerfindlichen Gründen nicht fertig wird, er befindet sich auch sonst auf einem strk abschüssigen Ast: Seine Familie hat ihn verlassen, er ist sexuell frustriert und neigt zu entsprechenden Absonderlichkeiten, er trinkt, nimmt Kokain und Psychopharmaka in rauen Mengen, intrigiert gegen seine Kollegen und verrät sogar seinen Kumpel Bladesey (Eddie Marsan).

Ich habe Irvine Welshs dem Film zugrunde liegenden Roman nicht gelesen und weiß daher nicht, inwieweit Bairds Adaption geglückt ist. Als potenzieller, britisch konnotierter Nachklapp zu Abel Ferraras "Bad Lieutenant", als der sich "Filth" zwangsläufig identifizieren lässt, ist er jedoch wohlgeglückt. Der zwangsläufige Vergleich ergibt zwar erwartungsgemäß, dass Bairds mit viel schwarzem Humor arbeitendes Schurkenstück zwar nicht an Ferraras monolithischem Meisterwerk kratzen kann, als Fallstudie eines Staatsbediensteten jedoch, der seine ihm auferlegten Kompetenzen missbraucht, um sein ohnehin längst zerbrochenes Ego noch weiter in die Selbstzerstörung zu treiben, ist auch "Filth" ziemlich erstklassig. Nach der noch etwas humorig gefärbten ersten halben Stunde, die Robertsons Charakter in einer "Trainspotting"-ähnlichen Stilisierung vorstellt, macht Baird nämlich keine Gefangenen mehr: Mit dem Protagonisten geht es unaufhörlich bergab; Sucht, Niedertracht, Egozentrik und psychische Störungen multipler Kuleur bis hin zur Persönlichkeitsspaltung ergreifen nicht nur von Robertson Besitz, sondern werden auch dem Zuschauer stellvertretend für ihn kredenzt. Ein recht harter Einblick in einen von Schuldkomplexen zermarterten Geist muss man sich da gefallen lassen, mitsamt bösem Abschluss. Letzte Chance: vorbei.

8/10

Jon S. Baird Irvine Welsh Schottland Edinburgh Drogen Alkohol Madness Kokain Groteske Psychiatrie


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THE FIRST GREAT TRAIN ROBBERY (Michael Crichton/UK 1978)


"You look a sight."

The First Great Train Robbery (Der große Eisenbahnraub) ~ UK 1978
Directed By: Michael Crichton

London, 1855. Der gewiefte Halunke Edward Pierce (Sean Connery) plant etwas bisher nie Dagewesenes: Den Überfall auf einen fahrenden Zug. Als Beute soll die Soldkasse für die auf der Krim stationierten Soldaten, die wöchentlich von london abtransportiert wird und stets 25.000 Pfund enthält, herhalten. Zuvor gilt es jedoch, vier voneinander unabhängig aufbewahrte Schlüssel nachzubereiten, um damit den sprengsicheren Tresor öffnen zu können. Mithilfe diverser Komplizen, allen voran seiner Geliebten Miriam (Lesley-Anne Down) und dem Trickbetrüger Agar (Donald Sutherland) arbeitet sich Pierce trotz diverser Unwägbarkeiten immer weiter an das Ziel seiner Bemühungen vor...

Auf seinem eigenen Roman basierend inszenierte Michael Crichton dieses schelmisch grinsende Ganoven-Stück, das sich trotz diverser Spannungsmomente (sowie einer etwas eklektisch wirkenden Szene, in der ein Verräter grausam abgestraft wird) seine Lockerheit und seinen Witz stets bewahrt und die eher fröhlichen Seiten der Viktorianischen Ära hervorkehrt. Eine Art britisches Pendant zu George Roy Hills meisterhaftem "The Sting" ist das Resultat.
In allen erforderlichen, narrativen Nuancen berichtet Crichton von der minutiösen Vorbereitung und Durchführung des Coups, der sich sogar als handfeste Kritik an der Empire-Politik festmachen lässt: Der Aufmarsch gegen die Russen in Osteuropa wird durch den Diebstahl eines kompletten Wochensolds für die königliche Armee finanziell empfindlich geschwächt. Natürlich entspringt all dies Crichtons gewitzter Fabulierkunst; die Tatsache jedoch, dass der Film von der Pike auf ganz sein persönliches Baby ist, lässt sich anhand der runden, charmanten Erscheinung desselben stets deutlich wahrnehmen.

8/10

period piece Michael Crichton London Heist Zug Victorian Age


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KINDERARZT DR. FRÖHLICH (Kurt Nachmann/BRD 1972)


"Ich verlange Dr. Sssss!"

Kinderarzt Dr. Fröhlich ~ BRD 1972
Directed By: Kurt Nachmann

Sein erster Arbeitstag endet für den frisch examinierten Mediziner Dr. Fröhlich (Roy Black) frustrierend: In der Klinik seines künftigen Schwiegervaters (Heinrich Schweiger) haben nämlich weder die Patienten noch das Personal etwas zu lachen. Also erstmal raus aus der Stadt. Da kommt Fröhlichs Studienkollege Hansi Bichler (Hansi Kraus) mit seinen Nöten gerade recht: Er soll die Praxis seines Onkels (Kurt Nachmann) im bayrischen Kuhdorf Sonnberg übernehmen, hat jedoch nur studentische Flausen im Kopf und daher nichts an entsprechender Kompetenz vorzuweisen. So reist Dr. Fröhlich als kurzfristiger Stellvertreter Hansis gen Alpen und wird vor Ort mit allerlei Verwechslungsgarn und spinnerten Dorfbewohnern, aber immerhin auch mit der großen Liebe konfrontiert.

Wäre die typisch anarchische Form, die die Lisa-Produktionen dieser Jahre im Regelfalle aufweisen, nicht, man wäre glatt versucht, einen Schmalztopf unterm Fernseher zu platzieren, um die infolge von Roy Blacks öligen Auftritten freiwerdenden Rohstoffe zwecks kulinarischer Weiterverwendung aufzufangen. Wenn der König des Schmierschlagers in der Kirche zum Dorfe schmetternd das 'Ave Maria' intoniert und dazu die Ikonen katholischer Frömmigkeit ins Bild gerückt werden, dann droht sich das Maß jedenfalls akut selbst zu überfüllen. Glücklicherweise sind da aber noch Urgesteine wie Georg Thomalla, Ralf Wolter, Heinz Reincke und Rainer Basedow (kurz vorm endgültigen Durchdrehen), die sogar Blacks unsägliche Vorstellung als schleimiger Kinderliebhaber mit unergründlichen Gelüsten unterm weißen Kittel vergessen machen. Da gibt es dann doch noch manches zu belachen und zu bestaunen, ganz so, wie es sich für Münchner Komikkino jener Ära geziemt.

5/10

Kurt Nachmann Bayern Alpen Dorf Lisa-Film


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THE WORLD'S END (Edgar Wright/UK, USA, J 2013)


"Drink up. Let's Boo-Boo."

The World's End ~ UK/USA/J 2013
Directed By: Edgar Wright

Nach 23 Jahren kommt der ewig pubertierende Gary (Simon Pegg) auf die Idee, eine dereinst angesetzte und nie vollendete Kneipentour endlich zu ihrem verdienten Abschluss zu bringen. Also mobilisiert er seine vier Kumpels von damals, mittlerweile allesamt fest im Establishment verankert, zu einem zünftigen Bier-Revival. Die eher skeptischen buddys Andy (Nick Frost), Oliver (Martin Freeman), Steven (Paddy Considine) und Peter (Eddie Marsan) treten dennoch an zur Unsichermachung der "Goldenen Meile" ihrer einstigen Heimatstadt Newton Haven, an deren Ende der legendäre Pub "World's End" auf sie wartet. Doch Newton Haven ist zu einem von 2000 terrestrischen Invasionsankern einer interplanetarischen Wirtschafts-Ägide geworden, die nicht nur das globale Kommunikationsnetz stiftet und kontrolliert, sondern auch den Planeten in ihre Galaktische Union eingemeinden will. Wer sich wehrt oder aufmuckt, wird durch einen blaublütigen Androiden ersetzt. Für Gary und Andy ein unhaltbarer Zustand.

"World's End" - das war bis dato in meinem persönlichen inneren Lexikon der präfinale Abschnitt von Neil Gaimans "Sandman-Zyklus, in dem der reisende Angestellte Brant Tucker infolge eines Realitätssturm in einen Autounfall und dann in das titelgebende Gasthaus gerät, um sich dort Geschichten verschiedenster (Fabel-)Individuen aus unterschiedlichen Realitssphären erzählen zu lassen. Diese Geschichte mündet schließlich in die Ereignisse um Morpheus' Tod.
Ob der Abschluss von Edgar Wrights so genannter "Blood-&-Ice-Cream"-Trilogie von Gaimans einzigartiger Fabulierkunst beeinflusst wurde, lässt sich lediglich mutmaßen, der Schluss jedoch liegt nahe. Wrights Film jedenfalls hat mir, soviel vorweg, nicht gut gefallen. Die allermeisten Gags wollten bei mir nicht zünden und erschienen mir wie tausendmal vorgekaut und abgespult, was jedoch noch schwerer wog, war das latente Gefühl, dass alles, wovon der Film im Kern erzählt-, die verjährte Freundschaft der Helden, ihre Kleinstadtwurzeln, ihre Weiterentwicklung in der großen Welt, ihr Alkoholkonsum und insbesondere die vorgeblich komische, insgeheim jedoch dramatische und kritische Beurteilung von Garys stoischem Lebenswandel, - viel mehr bloße Behauptung bleibt denn herzliche Involvierung. Das Ganze zu einem Invasionsfilm mit zombieesken Androiden aufzublähen, denen man ihrer Künstlichkeit wegen, geschmackssicher und stets lustig die Gliedmaßen und Häupter zwangsamputieren kann, ohne dass die Freundin gleich das Kino verlassen möchte, ist vielleicht die größte Verschwendung der Filmgeschichte. Hätte man es bei der Kneipentour belassen, die die Jungs bis zum Ende unter zotigem Philosophieren über das Erwachsenwerden natürlich bis zum Ende hätten durchstehen müsen - der Film wäre vermutlich toll geworden. Das was er in seiner endgültigen Form darstellt, mitsamt all seinem satirischen Gebahren über Zwangsglobalisierung und Bankenimperialismus, hinterlässt einen überaus faden Nachgeschmack.
Dabei ist die Songauswahl des Soundtracks sowas von traumhaft, ein repräsentatives Rave-On- und Brit-Pop-Revival der goldenen Jahre dieser Musik zwischen 89 und 91, dem nur The Farm fehlt. Wrights Film indes gibt kaum mehr her denn ein Manifest tragisch verschenkter Ressourcen.

4/10

Edgar Wright England Freundschaft Alkohol Aliens Invasion Apokalypse Androiden Satire Groteske


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ROMAN HOLIDAY (William Wyler/USA 1953)


"You should always wear my clothes."

Roman Holiday (Ein Herz und eine Krone) ~ USA 1953
Directed By: William Wyler

Die junge engische Thronfolgerin Prinzessin Ann (Audrey Hepburn) ist auf Staatsbesuchsreise durch Europa. In Rom wird ihr der sie umgebende Trubel um all die engmaschigen Besuchstermine und die höfischen Etikette zuviel. Nach einem halben Nervenzusammenbruch erhält sie ein Sedativ und büchst danach aus der Botschaft aus. Auf der nächtlichen Straße findet sie der amerikanische Journalist Joe Bradley (Gregory Peck) und nimmt die schlaftrunkene Schöne mit in sein Appartement. Erst am nächsten Morgen wird ihm bewusst, wen er da eigentlich aufgegabelt hat, ohne, dass Ann ihrerseits dies bemerkt. Zusammen mit seinem Kumpel, dem Photographen Irving (Eddie Albert), initiiert Joe eine eintägige Exklusivreportage über die sich freistrampelnde Prinzessin. Als er sich jedoch in das bezaubernde Wesen an seiner Seite verliebt, muss er seine Pläne überdenken.

Diese bittersüße Liebeskomödie zählt zu Wylers vielen Meisterwerken, was der Regisseur allerdings auch dem zu keinem Zeitpunkt je in den Kitsch abdriftenden Script des zu dieser Zeit auf der Schwarzen Liste befindlichen Dalton Trumbo zu verdanken hat. Mit Audrey Hepburn, der tatsächlich ein paar blaublütige Gene durch die Venen schossen, ward die perfekte Verkörperung für die einerseits fragile und andererseits doch so pflichtbewusste Prinzessin gefunden. Nach einigen wenigen und wenig beachteten Minirollen in europäischen Produktionen begründete "Roman Holiday" ihr knapp zwei Jahrzehnte währendes stardom als einer der schönsten Schwäne Hollywoods, die Filmromanzen mit den ganz großen, häufig auch deutlich älteren Ikonen des golden und silver age pflegen durfte, wobei seltsamerweise die vielumschriebene "Chemie" zwischen ihr und ihren männlichen Partnern stets authentisch wirkte - vermutlich auch dies ein Verdienst des ihr eigenen, turmhohen Charmes. Gregory Peck bildete in diesem Punkt sogleich einen formidablen Auftakt, wenn ihm am Ende auf der Pressekonferenz, als er Anne das vermutlich letzte Mal zu Gesicht bekommt, die Tränen in den Augen stehen im Bewusstsein, mit dem vielleicht ungeheuersten Verlust seines Lebens fertig werden zu müssen, dann nimmt man ihm dies mit aller Konsequenz ab. Für Wyler dürfte seine Geschichte dieser 24 römischen Ferienstunden bei so viel geballter, kreativer Unterstützung nahezu ein Selbstläufer gewesen sein.

9/10

William Wyler Standesdünkel Rom Adel amour fou Dalton Trumbo Coming of Age





Filmtagebuch von...

Funxton

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