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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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EL CUERPO (Oriol Paulo/E 2012)


Zitat entfällt.

El Cuerpo (The Body) ~ E 2012
Directed By: Oriol Paulo

Um mit seiner Freundin hat Álex Ulloa (Hugo Silva) seine herrische, reiche Gattin Mayka (Belén Rueda) ermordet. Indem er ihr ein verzögert wirkendes, pulsverlangsamendes Gift verabreicht und den folgenden Herzstillstand auf Maykas akute Flugangst schiebt, glaubt er sich als Hauptverdächtiger aus dem Schneider. Doch noch in der folgenden Nacht verschwindet Maykas Leiche aus der Gerichtsmedizin. Treibt die vermeintlich Tote aufs Neue ein diabolisches Spiel mit Álex? Der alternde Inspektor Peña (José Coronado) ermittelt.

Regisseur und Autor Oriol Paulo ist dem Vernehmen nach ja mächtig stolz auf die vertrackte Story, um eine "postmortale" Intrige, die er da ersonnen hat, führt das Publikum mit Liebe auf falsche Fährten und lässt am Ende die Schnur platzen, indem er einen großen twist aus dem Sack lässt, den vorher niemand erraten soll. Was richtig ist: "El Cuerpo" bildet einen sehr traditionsbewussten film noir, der als vollwertiges Gesellenstück eines fraglos talentierten Regisseurs Bestand hat und jenen auch zu wahren wissen wird. Möglicherweise werden sich viele Zuschauer auch tatsächlich von Paulo hinters Licht (und wieder zurück) führen lassen. Dabei ist die schlussendliche Auflösung gar nicht schwer zu ermitteln; Paulo flicht etliche Hinweise ein, die bereits offen darauf hindeuten und von dem zentralen, großen Verdächtigungs-Trara noch nichtmal allzu weit abzweigen. Bereits die Ankündigung von Komplexität schärft ja bereits präventiv die Sinne und so ist's denn auch hier. Paulo hat seine Lektionen emsig und bravourös studiert: Hitchcock, De Palma, Singers "The Usual Suspects" scheinen bei ihm permanent durch alle Ritzen und berauben ihn leider ein wenig der Eigenständigkeit. Dennoch ein erfreulich konzentrierter Film im Dickicht des gegenwärtigen Einerlei.

7/10

Barcelona Oriol Paulo Nacht Verhör Ehe neo noir Unfall


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LE PASSAGER DE LA PLUIE (René Clement/F, I 1970)


Zitat entfällt.

Le Passager De La Pluie (Der aus dem Regen kam) ~ F/I 1970
Directed By: René Clement,

Ein stummer Fremder (Marc Mazza) steigt aus dem Bus, verfolgt und vergewaltigt die junge Mélancolie 'Mellie' Mau (Marlène Jobert), deren Ehemann Tony (Gabriele Tinti) als Pilot arbeitet und außer Haus ist. Es gelint Mellie, den Fremden in ihrem Keller zu stellen und zu erschießen. Aus Scham und Angst hält sie die Affäre geheim und lässt die Leiche verschwinden. Bereits am nächsten Tag macht sie die Bekanntschaft des Amerikaners Harry Dobbs (Charles Bronson), der sich zunächst charmant gibt, ihr jedoch schon bald das Leben schwer macht. Dobbs ist nämlich auf der Suche nach ebenjenem Fremden, den Mellie erschossen hat und fahndet darüber hinaus nach einer Flugtaschen, in der sich ein Haufen Geld befindet. Trotz der folgenden Verhörduelle können beide eine gewisse wechselseitige Anziehung nicht leugnen...

Besonders als verquere Romanze finde ich "Le Passager De La Pluie", der schon aufgrund seines Schauplatzes, des Var-Territoriums, wesentlch sonniger daherkommt als sein Titel vermuten lässt, so schön. Obschon Bronsons schöne Gattin Jill Ireland in einer Nebenrolle als Freundin Mellies auftritt, geht die chemische Saat zwischen ihm und der aparten Marlène Jobert auf wundersame Weise auf: Wie die beiden sich küssen, schlagen und hier und da auch mal fast umbringen, das zeichnet Cléments Film, ganz unabhängig von dem zu luxuriöser Marginalität degradierten Krimiplot, in erster Instanz aus. Das Urteil darüber, ob dies Bronsons romantischste Rolle ist, will ich aufgrund momentan mangelhaften Überblicks einmal hintenanstellen; eine heiße Anwärterin wäre sie in jedem Fall.

8/10

René Clement Vergewaltigung Côte dAzur


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ADIEU L'AMI (Jean Herman/F, I 1968)


Zitat entfällt.

Adieu L'Ami (Bei Bullen "singen" Freunde nicht) ~ F/I 1968
Directed By: Jean Herman

Erst bei ihrer Ankunft in Marseille lernen sich die beiden Algerienkriegsveteranen Dino Barran (Alain Delon) und Franz Propp (Charles Bronson) kennen. Barran ist Arzt und durch die versehentliche Erschießung seines besten Freundes in Depressionen verfallen, Propp indes ein lebenslustiger Gauner, der vor keiner Möglichkeit, schnelles Geld zu machen zurückschreckt. Als Barran die geheimnisvolle Isabelle (Olga Georges-Picot) kennenlernt, veranlasst diese ihn zu einem Bruch bei einem Pariser Multi. Doch anstatt den Safe leerzuräumen, soll Barran zuvor entwendete Dokumente wieder darin platzieren. Während des Jobs taucht plötzlich auch Propp auf und beide werden im Safe eingesperrt. Nachdem ihnen viele Stunden später die Flucht glückt, gerät Propp in die Fänge der Polizei. Doch an ihm hat der ermittelnde Inspektor Méloutis (Bernard Fresson) eine harte Nuss zu knacken...

Bronson in Europa, Bronson in Frankreich. Hier hat der polnischstämmige US-Akteur einige seiner schönsten und stilvollsten Filme hinterlassen, die einerseits Wegbereiter für sein späteres Hartarsch-Image abgaben, andererseits jedoch in formal krassem Gegensatz im Besonderen zu seinem darstellerischen Werk in den Achtzigern stehen. In "Adieu L'Ami" ist er ein Sonnyboy, der als unwesentlich mehr denn als Stichwortgeber für den damals weitaus größeren Star Alain Delon fungiert. Die beiden als buddies zu besetzen, die sich, wie es sih ziemt, zunächst an die Kehle gehen, um dann höchsten Respekt und Vertrauen gegenüber dem jeweils Anderen zu entwickeln, zeugt jedoch von einigem Gespür. Der robuste, rustikale Bronson und der charmante gentilhomme Delon formulieren reizende Gegensätze, die ihre unfreiwillig beginnende Partnerschaft umso glaubwürdiger erscheinen lassen.
Dem gegenüber stehen einige mitunter seltsam anmutende Volten, die Script und Inszenierung vollziehen und aus denen ich nicht immer schlau werde. Die Schlusseinstellung etwa repräsentiert dies vorzüglich. Jene vermögen jedoch den positiven Gesamteindruck, den "Adieu L'Ami" resümierend hinterlässt, nicht wesentlich zu trüben.

7/10

Jean Herman Marseille Paris Buddy Movie Heist femme fatale Fremdenlegion


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RESURRECTION MAN (Marc Evans/UK 1998)


"My Victor was a good boy. Write that in your paper!"

Resurrection Man ~ UK 1998
Directed By: Marc Evans

Belfast, 70er Jahre: Eine Gruppe protestantischer Gewaltverbrecher, die sich selbst 'Resurrection Man' nennt, macht die ohnehin krisengeschüttelte Stadt noch unsicherer. Willkürlich greift man sich vornehmlich männliche, alternde katholische Bürger und quält sie zu Tode. Als inoffizielles Aushängeschild von Resurrection Man fungiert der junge Protestant Victor Kelly (Stuart Townsend), ein von ödipalen Komplexen zerfressener, sadistischer Psychopath. Der selbst unter psychischen Problemen leidende Journalist Ryan (James Nesbitt) setzt sich auf die Spur Kellys und verfolgt dessen letzten Lebensabschnitt.

Basierend auf den Gräueltaten der damals tatsächlich existenten 'Shankill Butchers', einer protestantisch geprägten Terrorgruppe, die in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts Nordirland unsicher machte, entstand zunächst Eoin McNamees Roman "Resurrection Man", aus dem der Autor dann das Script für Evans' Film destillierte. Vornehmlich bietet dieser die Chronik des inoffiziell ausgetragenen Duells zwischen Kelly und Ryan, zweier gleichermaßen sozial inkompatibler Individuen, die ihre desolaten psychischen Zustände auf ihre jeweils spezielle Weise ausleben oder kontrollieren. Nur einmal begegnet man sich; die Fronten werden geklärt, alles weitere geschieht einfach.
"Resurrection Man" macht es seinem Publikum nicht leicht - sein Personal besteht ausschließlich aus Typen, von denen man sich im wahren Leben despektierlich fernhielte, allen voran natürlich der asoziale, gemeingefährliche Victor Kelly, der auf seinen Mordzügen gezielt nach Stellvertretern für seinen unbändigen Vaterhass sucht. Stuart Townsend hat für die Interpretation dieses Menschenmonsters offenbar sehr akribisch Vincent D'Onofrios Prä-Suizid-Szene aus "Full Metal Jacket" studiert; zumindest bemüht er sich um eine entsprechende Mimik.
In jedem Falle sehenswert, insbesondere für Liebhaber des britischen period gangster movie, muss man sich allerdings darauf entstellen, mit Evans' Werk eines sehr kalten, emotionsentleerten Filmes ansichtig zu werden, an dessen fröstelnde, unbeteilte Objektivität im Hinblick auf das Dargestellte man sich erst einmal gewöhnen muss.

7/10

Marc Evans Belfast Historie Nordirland Familie Mutter & Sohn Journalismus period piece Serienmord Kokain


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DELIRIO CALDO (Renato Polselli/I 1972)


Zitat entfällt.

Delirio Caldo (Das Grauen kommt nachts) ~ I 1972
Directed By: Renato Polselli

Der sich für die Polizei als Profiler betätigende Psychologe Dr. Herbert Lyutak (Mickey Hargitay) leidet selbst unter schweren Störungen: Er ist impotent, sadistisch veranlagt, hat hyänenhafte Sexual-Halluzinationen und wird bisweilen zum - Frauenmörder! Seine eigene Gattin Marzia (Rita Calderoni) ahnt um die Anwandlungen ihres Mannes und betätigt sich selbst als Gewaltverbrecherin, um ihn zu decken. Welche Pläne jedoch verfolgt die Nichte der beiden, die flotte Joaquine (Christa Barrymore)? Und sind die ermittelnden Polizisten betreffs ihrer Garderobenwahl wirklich so geschmacksgeschädigt, wie wir mutmaßen müssen?

Kein Belatschern - Renato Polsellis "Delirio Caldo" gehört zu den blühendsten Auswüchsen psychotronischem Filmschaffens, derer man die auserwählte Ehre hat ansichtig zu werden. Von der ersten Sekunde an nimmt dieser entrückte Streifen einen mit auf eine Reise in die Bereiche des unmöglich Geglaubten und vermag es immer noch wieder, einen draufzusetzen, ohne Rücksicht auf Verluste sozusagen. Dabei gibt es ganz unterschiedliche Schnittfassungen, so unter anderem eine, in der Dr. Lyutaks neurotische Anwandlungen auf ein Vietnam-Trauma geschoben werden. Doch bereits die herkömmliche - so man eine solch ordinäre Kategorisierung im Zusammenhang mit "Delirio Caldo" überhaupt verwenden darf - tut vortrefflich ihre unheilvolle, hiernzersetzende Wirkung beim Rezipienten; vorausgesetzt natürlich, man bedient sich der ohnehin verpflichtenden, deutschen Sychronisation, die aus der berühmten Münchener Schier-Fabrikation (nach dem Dialogautor Heinz G. Schier benannt) stammt, allerdings erst zu frühen Achtziger-VHS-Zeiten erstellt wurde und voll poetischer Strahlkraft ist. Letzteres nicht zuletzt wegen des wunderbaren Christian Marschall auf Mickey Hargitay, der noch jede semantische Absonderlichkeit seriös klingen lassen konnte. Fraglos kommt man in diesem Zusammhang nicht umhin, die zwei berühmtesten Bonmots zu zitieren: "Ich bin's, der Kartoffel" sowie "Ich habe einen instinktiven Verdacht metaphysischen Charakters". Doch auch seltener Hervorgehebene Fäkalanalogien wie "Jetzt drückt er" oder "Ich habe sie erst gesehen, als ich mich von meinem Schiss erhob" lassen Nonsensträume wahr werden, von all den anderen, paradoxen Basisambitionen, wie die, Italien unbedingt nach London ausschauen zu lassen und damit völlig auf die Schnauze zu fallen, gar nicht zu reden. Soviel Stuss unter einem Zylinder, das kann doch nur große Kunst sein.

6/10

Serienmord Madness Psychiatrie Renato Polselli Europloitation Trash Giallo Profiling


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MAN HUNT (Fritz Lang/USA 1941)


"May you never lodge it in the wrong heart."

Man Hunt (Menschenjagd) ~ USA 1941
Directed By: Fritz Lang

Der arrivierte englische Großwild-Jäger Alan Thorndike (Walter Pidgeon) testet in der Praxis, ob ein Attentat gegen Adolf Hitler (Carl Ekberg) durchführbar wäre. Bevor er jedoch vor Ort eine echte Patrone ins Ziel feuern kann, erwischen ihn die Schergen des Führers. Der Gestapo-Oberst Quive-Smith (George Sanders) will Thorndike nötigen, ein Geständnis zu unterschreiben, demzufolge er zugibt, im Auftrag der britischen Regierung gehandelt zu haben, um Hitler somit einen öffentlichen Grund zu liefern, gegen England ins Feld zu ziehen. Thorndike weigert sich jedoch beständig und es gelingt ihm schließlich die Flucht zurück zur Insel, Quive-Smith und seine Leute stets dicht auf den Fersen. Schutz und Unterstützung findet Thorndike bei dem hübschen, naiven Arbeitermädchen Jerry (Joan Bennett), dessen Involvierung in seine Affäre er jedoch bald zutiefst bereut...

Einer der ersten echten Propagandafilme aus Hollywood, sozusagen als präventives Werk für die kurz darauf folgende Atlantik-Charta und das US-Engagement im Zweiten Weltkrieg. Mit der Verfolgung Unschuldiger durch Übermächte hatte Lang bereits vormals geliebäugelt; in "Fury" oder "You Only Live Once". "Man Hunt" jedoch setzte diesen verzweifelten Topos in einen noch weitaus kosmopolitischeren Zusammenhang: Hier kamen die Nazis ins Spiel, das damalige Reich des Bösen, das seit kurzem die Welt ins Chaos stürzte. Basierend auf dem erst kurz zuvor erschienenen Roman "Rogue Male" des britischen Autoren Geoffrey Household, ging alles ganz schnell: Die Fox erhielt die Rechte und binnen kürzester Zeit wurde "Man Hunt", ursprünglich als Projekt für John Ford vorgesehen, der parallel jedoch an "The Grapes Of Wrath" arbeitete, von dem eilends hinzugezogenen Fritz Lang inszeniert. Als dessen Projekt eignete sich "Man Hunt" ohnedies in idealer Weise: Lang konnte erstmals im Kino mit dem ihm zutiefst verhassten Nationalsozialismus abrechnen und sein oben erwähntes, bevorzugtes Thema der Jagd auf das Individuum neuerlich kultivieren. Dabei geht er besonders gegen Ende mit wütender Entschlossenheit zur Sache: Die, wie dem Protagonisten Thorndike jedem Rezipienten zuvor eingehend ans Herz geheftete, bezaubernde Jerry wird zum Opfer der Nazis und damit zum Grund für Thorndikes erbitterte Rachsucht. Nachdem er sich mitsamt Präzisionsgewehr von der Truppe verabschiedet hat und auf eigene Faust nach Hitler sucht,hält "Man Hunt" am Schluss beschwörend fest, dass die braune Brut in ihm nur einen von vielen erbitterten Gegnern hätten, vor denen man auf der Hut sein sollte. Nehmt euch in Acht, ihr Nazis! Hier kommt Amerika!

9/10

Nationalsozialismus Deutschland England London WWII Fritz Lang Flucht Propaganda


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DEFIANCE (John Flynn/USA 1980)


"You ever show your ugly face 'round here again, I'm gonna kick your ass."

Defiance (Die Schläger von Brooklyn) ~ USA 1980
Directed By: John Flynn

Der Matrose Tommy (Jan-Michael Vincent) ist unfreiwillig zu einem längeren Aufenthalt in New York gezwungen, bevor er seine nächste Heuer erhält. Höchst enerviert kommt Tommy in der East Side unter, wo er neben einigen netten Nachbarn wie der über ihm lebenden Marsha (Theresa Saldana) oder dem etwas großmäuligen, aber herzlichen Carmine (Danny Aiello) auch rasch die üble Schlägertruppe 'Souls' kennenlernt, der der Chicano Angel Cruz (Rudy Ramos) vorsteht. Die Leute in Tommys Straße kuschen vor Cruz und seinen Jungs; jeder Versuch der Gegenwehr wird mit noch heftigerem Terror beantwortet. Als Tommy endlich ein Platz auf einem Dampfer in Aussicht gestellt wird, muss er Farbe bekennen: Raus aus der Stadt oder doch zu seinen neuen Freunden halten und ein für allemal mit den Souls abrechnen...?

Der etwas familienkompatiblere Selbstjustiz-Film. Wie so häufig in den Siebzigern spielt Vincent hier den eher bodenständigen Arbeitertypen, der höchst wenig Gefallen daran findet, sich mit den ihm umgebenden, asozialen Elementen in Konflikt zu setzen und letzten Endes auf die immer noch denkbar diplomatischste Weise für sein Recht und das seiner Mit-Involvierten kämpft. Anders als etwa ein Paul Kersey, der einige Jahre später in "Death Wish 3" auf die denkbar brachialste Weise gegen den New Yorker Bandenterror vorgeht, indem er die unbelehrbaren, delinquenten Kids sogar bewusst zu Straftaten motiviert, um sie dann abknallen zu können, ist Tommy der sukzessive hochgeschaukelte Wutbürger, der seine neuen Nachbarn und Freunde gegen Ende zu einer Art "Zweckmiliz" mobilisieren und damit den Frechdachsen Einhalt gebieten kann. Immerhin überlässt er die Rüpel nach einer gehörigen Tracht jedoch der staatlichen Exekutive. So ist "Defiance" auf ebenbütiger Ebene auch die Geschichte einer Sesshaftwerdung nach jahrelanger Ruhelosigkeit und damit im Grunde traditioneller Westernstoff. Das einzige humane Opfer bleibt dem rührenden Lenny Montana vorbehalten, der als retirierter polnischer Boxer mit etwas breitgeschlagener Birne einen letzten großen Märtyrer-Akt vollziehen und damit den Stein des Anstoßes zur Rettung seines Viertels geben darf.
"Defiance" lässt sich somit trotz des kontroversen Topos als überraschend stilles, humanes und sogar warmherziges Werk verorten, das seinem Regisseur zu größter Ehre gereicht. Ferner eine Blaupause nicht nur für den erwähnten, dritten "Death-Wish"-Beitrag, sondern auch für thematisch analog Gelagertes wie Robbins' "Batteries Not Included" oder Hensleighs "The Punisher"-Variation (respektive die ihr zugrunde liegenden Comicstrecke von Garth Ennis).

8/10

John Flynn New York Selbstjustiz Rache Freundschaft


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THE COUNSELOR (Ridley Scott/USA, UK 2013)


"Why wasn't Jesus Christ born in Mexico? Because you couldn't find three wise men or a virgin there."

The Counselor ~ USA/UK 2013
Directed By: Ridley Scott

Der Berater und Anwalt (Michael Fassbender) des Großdealers Reiner (Javier Bardem) gerät in eine empfindliche Situation, als man ihn verdächtigt, eine gewaltige Lieferung Kokain aus Mexiko gestohlen zu haben. Der Anwalt hatte den Deal nach Beratung mit Reiner und unter Vermittlung des hintergründigen Westray (Brad Pitt) eingefädelt, um sich noch mehr Luxus gönnen und mit seiner schönen Verlobten Laura (Penélope Cruz) in Reichtum schwelgen zu können. Er ahnt nicht, dass er einem eiskalt ersonnenen Plan von Reiners Liebchen Malkina (Cameron Diaz) aufsitzt, die tatsächlich hinter dem Kokaindiebstahl steckt und damit die Ermordung sämtlicher Beteiligten durch die rachsüchtigen Mexikaner nicht nur in Kauf nimmt, sondern ausdrücklich herbeiführt.

Vielleicht könnte man "The Counselor" in Scotts Gesamtwerk etwa jene Stellung zuordnen, die "Showgirls" in Paul Verhoevens Œuvre innehat: Eine mehr oder weniger freiwillige Liebäugelung mit Camp und Sleaze, die unter Inkaufnahme einer geradezu offensiven Exaltiertheit mit Sex und Amoral hausieren geht und die Schlechtigkeit der Welt ausstellt in einer Form, die wohl vornehmlich dazu angetan ist, ein eher bürgerliches Publikum zu schockieren; dem in Genrebelangen "erfahreneren" Betrachter - und dies dürften, davon gehe ich einfach mal aus - ohnehin die meisten sein, die sich "The Counseor" widmen, allerdings lediglich eine Variation altbekannter Themen kredenzt. "Scarface", "Traffic", "Blow", "Savages", "Spring Breakers" stehen in der Ahnenreihe dieses mit verlockenden Bildern protzenden Epos, in dem sogar Ströme von Jauche noch toll aussiehen: Leg' dich nicht mit Latino-Gangstern an, die sind nämlich die härtesten, kranksten und brutalsten Bastarde der Welt, die Föten und Schlimmeres zum Frühstück verspeisen! Wesentlich mehr sitzt eigentlich nicht drin in Scotts wie mit einem riesigen Nudelholz ausgewalzten Geschichte eines Niedergangs, die mir allerdings trotzdem prima gefallen hat, weil ich seit eh und je auf des Regisseurs selbstherrliches, schwelgerisches Stilgewichse abfahre und mich mit selbigem stets hinreichend wohl gefühlt habe. Hervorragende Darsteller, schöne Menschen, die, mit Ausnahme der armen Penélope Cruz (die es ausgerechnet am härtesten erwischt), kriegen, was sie verdienen und am Ende aber auch gar nichts mitnehmen können von Dolce oder Gabana, das kann auch mal schön sein. Und dann der mir omnipräsent scheinende Michael Fassbender. Mir fast schon unheimlich, dass ich, ganz unbewusst, schon so Vieles mit ihm angeschaut habe (ich zählte überraschterdings just ganze zwölf Filme, with many more to come). Ist aber auch echt okay, der Junge.

8/10

Ridley Scott Mexiko Arizona Drogen femme fatale


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THE WRECK OF THE MARY DEARE (Michael Anderson/UK, USA 1959)


"I'm asking you to do something for me as one man to another."

The Wreck Of The Mary Deare (Die den Tod nicht fürchten) ~ UK/USA 1959
Directed By: Michael Anderson

Vor der bretonischen Küste stößt John Sands (Charlton Heston), Skipper eines kleinen Schleppers, bei stürmischer See auf einen scheinbar verlassenen Frachter, die "Mary Deare". Als Sands das vermeintliche Geisterschiff betritt, muss er feststellen, dass er mitnichten allein ist: Der sich ihm als Kapitän vorstellende Gideon Patch (Gary Cooper) ist die letzte lebende Person an Bord. Über die Ereignisse der letzten Tage schweigt sich Patch zunächst aus. Nachdem er die "Mary Deare" mit Absicht auf ein Riff gesteuert hat, bittet Patch Sands, ihn vor dem Seegericht zu unterstützen. Denn nicht nur, dass Patch eine höchst unsaubere Biographie vorweist, vertritt er auch noch eine recht ominös scheinende Theorie um einen geplanten Versicherungsbetrug...

Die Besonderheit um Andersons Film, der sich ein wenig ausnimmt wie ein leicht aus der Art geschlagenes Hitchcock-Werk, liegt in der Erzählperspektive: Berichtet wird das Ganze zu rund drei Vierteln aus der Sicht des ebenso wie der Rezipient völlig unbeschlagenen Seemannes John Sands, der Gideon Patch als einen mysteriösen, möglicherweise sogar gefährlich überkandidelten Zeitgenossen erlebt. Dem Zuschaur wird sogar noch mehr Bange gemacht, denn Patch hat, das offenbart man uns, mindestens eine Leiche im (Kohlen-)Keller. Die einzige Sicherheit betreffs dieser Figur ergibt sich durch ihren Interpreten Gary Cooper, der, soviel weiß man, stets integre Charaktere darbietet. Um einen solchen handelt es sich natürlich auch bei Gideon Patch, eine Art Will Kane auf hoher See, der als humanes Abschreibungsobjekt zum Opfer einer Verschwörung wird und sich verzweifelt Hilfe sucht, um seiner Bredouille zu entkommen. Anderson inszeniert dieses Zusammentreffen zweier Stars mit britischem understatement, dem auch die diversen Insel-Darsteller, darunter Richard Harris als gemeiner Hundsfott, Rechnung tragen. Trotz seines nach wie vor sehenswerten Prädikats haftet "The Wreck Of The Mary Deare" allerdings eine gewisse, unleugbare Patina an, die sich vor allem in Form der hier und da allzu gemächlich ausfallenden Narration bemerkbar macht.

7/10

Eric Ambler Michael Anderson Atlantik Schiff Seefahrt Verschwörung Courtroom


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CLEARCUT (Ryszard Bugajski/CAN 1991)


"That is oral tradition!"

Clearcut (Die Rache des Wolfes) ~ CAN 1991
Directed By: Ryszard Bugajski

Der Papierfabrikant Bud Rickets (Michael Hogan) holzt rücksichtslos ein riesiges Forstgebiet an der US-kanadischen Grenze ab, das eigentlich im Besitz der hiesigen Indianer steht. Seine Verletzung des Stammesterritoriums vergilt Rickets den Ureinwohnern öffentlichkeitswirksam mit angeblichen zivilisatorischen Segnungen wie einem Stromnetz, Wasserversorgung und anderen Kinkerlitzchen, die sich bei genauerem Hinsehen als billig und kaum funktionstüchtig entpuppen. Der weiße Anwalt Peter Maguire (Ron Lea) vertritt die Interessen der Indianer vor Gericht, scheitert jedoch fortwährend an jeder neuen Instanz. Eines Tages entführt ein wie aus dem Nichts auftauchendes Stammesmitglied namens Arthur (Graham Greene) sowohl Peter als auch Rickets, lässt den reichen Unternehmer hautnah spüren, was seine Versündigungen an der Natur bedeuten und den liberalen Anwalt bei Rickets Qualen zusehen.

"Dances With Wolves" löste eine kleine, ökologieträchtige Rückbesinnung auf native Wertkonstrukte im Kino aus und ermöglichte neben einigen anderen, mehr oder minder gelungenen Beiträgen wie "Black Robe", "Thunderheart", "The Last Of The Mohicans" oder "Geronimo" auch den großartigen "Clearcut" des polnischen Filmemachers Ryszard Bugajski. Darin radikalisiert Graham Greene, der, ebenso wie der gesichtsgegerbte Floyd Westerman, in Costners Epos noch als gewissermaßen idealtypischer, weil ebenso spirituell wie besonnen veranlagter Indianer zu sehen war, ebendiese Rolle. In Arthur brodelt der aggressive Archaismus seiner Vorväter, Arthur ist einer der sagt "Genug", einer, der es leid ist, die romantischen Vorstellung der weißen Okkupanten von seinem Menschenschlag auszufüllen und der vom passiven Widerstand zurück ans Austeilen geht. Das Urteil darüber, ob Arthur ein durchgedrehter Amokläufer ist oder mit seiner Aktion tatsächlich ein zielgerichtetes Konzept verfolgt, überlässt "Clearcut" dem Zuschauer. Vielleicht ist Arthur aber auch bloß eine mystische Persönlichkeitsabspaltung Peters, der beim traditionellen Tipi-Schwitzen zuvor traszendente Erfahrungen gemacht hat und seiner eigenen, angepassten Hilflosigkeit trotzen möchte. Auch dafür spricht einiges, wenn man etwas genauer hinschaut. Letzten Endes ist eine rationale Erklärung der Ereignisse müßig; "Clearcut" versäumt bei all seiner Liebäugelei mit den Gerundzügen des Terrorfilms klugerweise, je exploitative Züge anzunehmen, er bleibt stets gleichermaßen hartes Drama wie respektables Kunstwerk.

9/10

Ryszard Bugajski Kanada Indianer Kidnapping





Filmtagebuch von...

Funxton

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