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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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SPONTANEOUS COMBUSTION (Tobe Hooper/ USA 1990)


"Burn, motherfuckers!"

Spontaneous Combustion (Fire Syndrome) ~ USA 1990
Directed By: Tobe Hooper

Erst als gesetzter Erwachsener findet Sam (Brad Dourif) heraus, dass sein ganzes Leben eine wohlfeil konstruierte Lüge ist. Tatsächlich waren seine Eltern (Stacy Edwards, Brian Bremer) vor 35 Jahren als Versuchskaninchen bei einer Atombombenzündung anwesend, die Mutter bereits hochschwanger. Kurz nach Sams Geburt kamen dann beide durch spontane Selbstentzündung ums Leben. Nun, als etablierter Hochschullehrer tätig und in einer scheinbar gesunden Beziehung lebend, muss Sam feststellen, dass er ein Mutant ist, der nicht nur selbst aus seinem Körper heraus Flammen schießen lassen kann, sondern der darüber hinaus auch pyrokinetische Kräfte besitzt, also weit entfernte Objekte durch reine Gedankenkraft in Brand zu setzen vermag. Für die Wissenschaftler-Clique, die Sam seit seiner Geburt beobachtet und lenkt, ein bedauerliches Faktum, denn Sam ist über diese Erkenntnisse alles andere als glücklich...

Was einem typischen Cronenberg-Stoff auf den ersten Blick sicherlich nicht unähnlich ist, entpuppt sich zumindest teilweise als idiosynkratisch inkompatibel mit den Filmen des Kanadiers. Immerhin ist Sam bzw. David, wie sein richtiger Name lautet, kein Resultat fehlgeleiteter chirurgischer oder pharmakologischer Experimente, sondern eine Art verfemte Superhelden-Antwort auf das Atomzeitalter, ein "X-Man" ohne die für die persönliche Stabilität notwendige peer group, sozusagen. Auch ein gutes inhaltliches Maß von Stephen Kings "Firestarter", respektive dessen Adaption durch Mark L. Lester hat Tobe Hooper für sein Script verwursten können, zumal ja auch die kleine Charlie gewissermaßen als Spielball für skrupellose Autoritäten herhalten muss und sich dafür grausam rächt. Im Gegensatz zu jenen popkulturellen Vorläufern verkraftet Sam selbst den Einsatz seiner Fähigkeiten jedoch weniger gut und verbrutzelt sich mit jedem weiteren Pyro-Akt stets ein bisschen mehr, bis hin zum Unausweichlichen. John Landis hat eine guest appearance erster Klasse bekommen, wenn er als genervter Radiotechniker als Erster die furchtbare Macht Sams zu spüren bekommt. Somit ist auch "Spontaneous Combustion" vielleicht am ehesten als spaßiger Schnack zu verstehen und weniger als bierenst zu nehmender Genrevertreter. Insofern kommt man sicherlich zumindest besser klar mit ihm.

5/10

Tobe Hooper Pyrokinese Atombombe Verschwörung


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BUTCHER BOYS (Duane Graves, Justin Meeks/USA 2012)


"Excuse me, Ma'am."

Butcher Boys ~ USA 2012
Directed By: Duane Graves/Justin Meeks

Auf einer Tour durch das nächtliche San Antonio gerät die verwöhnte Sissy (Ali Faulkner) nach ihrer Geburtstagsparty und infolge eines Rennens gegen ein paar andere Kids in die Fänge einer Straßengang, der 'Boneboys', der sämtliche Freunde Sissys und übrige Beteiligte unversehens und ratzeputz zum Opfer fallen. Obschon die Boneboys sich äußerlich nicht von der "Konkurrenz" unterscheiden, haben sie doch eine signifikante Eigenart: Sie essen ihre Opfer auf. Damit nicht genug, verbirgt sich, wie Sissy als einzige Überlebende bald feststellen muss, hinter der äußerlichen Unscheinbarkeit des Gang-Hauptquartiers im Industrieviertel der Stadt ein wahres Höllenkabinett, denn hier wird ganz besonderes Fleisch für ganz besondere 'gourmands' produziert...

Die einmal herbeigerufenen, kannibalischen Texaner lassen den armen Kim Henkel offenbar nicht los - mit "Butcher Boys" oder "Bone Boys", wie der alternative Titel dieses fiesen, kleinen Films lautet, legt der Autor von "The Texas Chain Saw Massacre" ein weiteres, inoffizielles Remake des von ihm mitkreierten Originals vor, unter etwas anderer Determination zwar, mit milder Sozialkritik versehen und unter stetiger Berufung auf ein satirisches Essay Jonathan Swifts, atmosphärisch und im Hinblick auf seinen ganz natürlichen Wahnsinn jedoch eine echte "TCM"-Vollblut-Variation und sicherlich wesentlich verwandter mit dem mentalen Grundstock des ursprünglichen Franchise denn all seine übrigen Sequels und Neuverfilmungen. Tatsächlich haben Henkel und seine beiden Regisseure Graves und Meeks das eigentlich Unerwartbare bewältigt: Ein zeitgemäßes, gekonntes Reboot zu schaffen, das den bösen Humor der Geschichte präserviert und sich im Gegensatz zu den letzten nominellen "TCM"-Filmen, keiner Publikumsschicht anbiedert - mit Ausnahme von Liebhabern des 74er-Originals vielleicht, die neben dem Genuss eines ruppigen Genrestücks die Möglichkeit erhalten, viele Reminiszenzen in personeller und formaler Gestalt auszumachen. Irgendwie geil auch, dass der Film auf der imdb so mies abschneidet, weist dies doch ganz wunderbar nach, wie speziell und ungemütlich er ist.

7/10

Duane Graves Justin Meeks Texas San Antonio Kannibalismus Terrorfilm Nacht Kim Henkel


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Z.P.G. (Michael Campus/UK 1972)


"Baby! Baby!"

Z.P.G. (Geburten verboten) ~ UK 1972
Directed By: Michael Campus

In nicht allzu weit entfernter Zukunft greift die Menschheit zu einem letzten verzweifelten Mittel, um dem niederdrückenden Problem der Überbevölkerung Herr zu werden: Geburten sind auf Jahre hinaus verboten. Wer insgeheim dennoch ein Baby bekommt und entdeckt wird, wird umgehend und öffentlich zum sofortigen Erstickungstod verurteilt und hingerichtet. Für die beiden Museumsmitarbeiter Carol (Geraldine Chaplin) und Russ McNeil (Oliver Reed) ist der Wunsch nach Nachwuchs dennoch so stark, dass Carol sich schwängern lässt und ihren Säugling in einem Versteck bekommt. Durch Zufall bekommt das befreundete Ehepaar Borden (Don Gordon, Diane Cilento) Wind davon und besteht zunächst darauf, sich das Baby zu "teilen" um später, unter der Drohung, die Ereignisse zu melden, den kompletten Anspruch auf es zu erheben. Carol und Russ weigern sich jedoch und stellen sich ihrem Schicksal.

"Z.P.G.", die Abkürzung steht für "Zero Population Growth", ist inmitten der gewaltigen Welle an Dystopien jener Jahre etwas ins Hintertreffen geraten. Als gering budgetierter, englischer Produktion ist ihm wahrscheinlich bereits damals keine besondere PR-Kampagne zuteil geworden, dabei ist er nicht minder gräulich und warnhaft anzuschauen als ähnliche Filme wie "Fahrenheit 451" und "Soylent Green". "Z.P.G." bedient eine beinahe lückenlose Vielzahl dystopischer Szenarien und Albträume: Die Atmosphäre ist völlig verschmutzt, die Städte liegen in undurchdringlich-nebulösem Dauersmog und erlauben eine Bewegung außerhalb der kärglichen Appartements nurmehr mit Gasmaske. Letzte Pflanzen werden gehütet wie Schätze, frische Nahrungsmittel wurden längst durch synthetische ersetzt, die in genau abgezählter Kalorienabgabe ausgegeben werden. Um nur ja nicht den Wunsch nach vergangenen, überall als "ungesund" und "barbarisch" verleumdeten Genüssen zu wecken und die Sozietät zu affirmativen, gleichgeschalteten Zombies zu erziehen, beschränken sich die medialen Angebote auf Tele-Einkäufe, derweil soap-opera-ähnliche Szenen, so auch von den McNeils und den Bordens, live vorgespielt werden. Statt Freizeitparks gibt es heißbegehrte "Museen", in denen die Leute sich, oft erst nach monatenlanger Wartezeit, anschauen können, in welch abartiger Undiszipliniertheit ihre Vorgenerationen einst lebten. Die depressiven und/oder apathischen Senioren werden in eng abgeschirmten Wohneinheiten beherbergt; Nachwuchs gibt es lediglich in Form fabrikmäßig hergestellter Kinderpuppen. Die nicht genauer umrissenen, aber allgegenwärtigen Autoritäten besitzen eine nahezu lückenlose Überwachungsgewalt und indoktrinieren die Gesellschaft mittels pausenlos vermittelter, auditiver Botschaften.
Campus gelingt es, dieses Schreckensszenario so angemessen quälend und unerquicklich darzustellen, dass es noch lange nachwirkt. Insofern ein erstklassiger Lehrfilm über werdende Katastrophen und insbesondere für SciFi-Freunde 'not to be missed'.

8/10

Dystopie Zukunft Michael Campus Familie


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HEATED VENGEANCE (Edward D. Murphy/USA 1985)


"It's too late."

Heated Vengeance (Cambodscha Connection) ~ USA 1985
Directed By: Edward D. Murphy

Zehn Jahre nach dem Ende des Vietnamkriegs kehrt Lieutenant Hoffman (Richard Hatch) nach Südostasien zurück, da seine damalige Geliebte Michelle (Jolina Mitchell-Collins), wie er erst kürzlich erfahren hat, einen gemeinsamen Sohn (J.C. Bernardo) mit ihm hat. Dummerweise erkennt ihn in Laos Bingo (Ron Max), ein alter Bekannter aus Kriegstagen wieder, den Hoffman einst wegen Vergewaltigung und Missbrauchs einer einheimischen Minderjährigen ins Militärgefängnis stecken ließ. Bingo, der mittlerweile eine lukrative Heroinfabrik im Dschungel betreibt, will die Gelegenheit nutzen, sich an Hoffman zu rächen. Er entführt seinen früheren Richter und sperrt ihn ein, doch Hoffman gelingt die Flucht. Im nun folgenden, erbarmungslosen Ein-Mann-Guerillakrieg gegen die Dealer erinnert er sich rasch bewährter Kampfesfinten...

War Mitte der Achtziger schon aufgrund seines reißerischen VHS-Covers ein automatisches Muss für den kleinen Funxton, dessen Mama ihm stets derlei Zeug aus den Achtzehner-Regalen der hiesigen Videotheken fischen musste. Seit schätzungsweise gut 28 Jahren nicht mehr gesehen, kamen bei der heiß erwarteten Wiederbetrachtung, wie das eben immer so ist, nun gleichsam Ernüchterung und nostalgische Gefühle zueinander. Klar, das Ganze ist mental schlicht gehaltenes, dschungelgrünes B-Action-Kino der Indie-Klasse; selbstredend vornehmlich auf den Philippinen gefertigt und mit einigen mittlerweile bekannt und familiär gewordenen Gesichtern, unter anderem denen von Michael J. Pollard, Cameron Dye und Dennis Patrick, aufgebrezelt. Im Gegensatz zu den meisten, finster konnotierten Ex-Vietnam-Guerreros dieser Zeit ist der unmuskulöse Richard Hatch übrigens geradezu ein Sonnenschein: Mit schicken Hawaii-Hemd und nahezu permanent breit grinsend ist er nicht ganz der kombattante Tausendsassa vom Schlage eines Braddock oder Rambo: Mal setzt er sich versehentlich in ein Wespennest, mal balanciert er unbehende über einen Felsgrat. Doch gerade diese Verweigerung einer Übermenschenzeichnung verleiht "Heated Vengeance" sein gewisses Etwas.

5/10

Vietnam Thailand Laos Edward D. Murphy Vietnamkrieg Rache Heroin Independent


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BETRAYED /Constantin Costa-Gavras/USA 1988)


"They got more guns in that part of the county than people."

Betrayed (Verraten) ~ USA 1988
Directed By: Constantin Costa-Gavras

Nachdem der als wetternder Hardcore-Satiriker berüchtige Radio-Moderator Sam Kraus (Richard Libertini) von Fanatikern erschossen wurde, wird die junge FBI-Agentin Cathy Weaver (Debra Winger) unter einem Decknamen auf die Spur neonazistischer Verschwörer im Mittelwesten gesetzt. Getarnt als Ernte-Mäherin lernt sie den Witwer Gary Simmons (Tom Berenger) kennen, einen liebevollen Familienvater, der sich in Cathy verliebt, ihr jedoch bald sein wahres Gesicht zeigt: Simmons ist ein besessener Rassist, Terrorist und Gewaltverbrecher, der zum Spaß Menschenjagden auf Schwarze veranstaltet, seine Kinder mit seinem überschäumenden Hass indoktriniert und sogar eine Führungsposition unter den Rechtsextremisten seiner Region innehat. Entsetzt über diese Entdeckung will Cathy aussteigen, doch ihr Chef (John Heard) nötigt sie, weiterzustochern, bis konkrete Beweise gegen Simmons und seine Genossen vorliegen.

Die Tatsache, dass das Script zu "Betrayed" von Joe Eszterhas stammt, lässt bereits eine populistische Simplifizierung des Dargestellten befürchten und tatsächlich: Selbst für Costa-Gavras-Verhältnisse fällt dieser Film ungewohnt polemisch aus, ringt geradezu um dramatische Spitzen und nutzt Holzhammer-Methoden, um auch wirklich dem Letzten klarzumachen, dass inmitten Amerikas eine neonazistische Verschwörung brodelt, die dazu angetan ist, das gesamte Land in seinen Grundfesten zu erschüttern, wenn man sie nicht rechtzeitig bremst. Ihre Basis findet die teils krude dargebrachte Geschichte in dem authentischen Mord an dem zynischen, jüdischstämmigen Radio-Talk-Moderator Alan Berg, der 1984 in Denver von rechten Terroristen ermordet wurde, und eignet sich insofern durchaus als filmischer Anknüpfungspunkt zu Oliver Stones brillantem, faktisch mit derselben Ausgangssituation schließenden "Talk Radio".
Abgesehen von seiner Holzhammermethodik allerdings - und es ist natürlich nicht so, dass ich gegen diese Form liberaler Fahnenschwenkerei überhaupt etwas hätte, im Gegenteil - gelang Costa-Gavras ein spannender, ansprechend inszenierter Thriller, der eine allzu eindimensionale Schilderung der Gegebenheiten zumindest versucht zu vermeiden. Selbst Gary Simmons entpuppt sich hinter seiner abartigen Rassistenfront als armes, intellektuell eher minderbemittelt es Würstchen, das bereits im Vietnamkrieg gewohnt war, Befehle zu befolgen und dessen tiefliegende Aggression Resultat wiederum elterlicher Vorprägung und eines enttäuschten Privatlebens ist. Eszterhas und Costa-Gavras vermeiden es, die im Wochenendcamp zwischen brennenden Kreuzen und Waffenschule grillenden Mittwest-Farmer als wirklich üble Kerle darzustellen, sie sind frustrierte, ungebildete, alleingelassene und somit leicht infiltrierbare und desorientierte Individuen auf der Suche nach Sündenböcken jedweder Kuleur. Ich mag "Betrayed" mit seiner eher plumpen, aber korrekt veräußerten Didaktik sehr gern und werde ihn mir bald, wie früher eigentlich stets, mal wieder im Doppel mit dem damals fast zeitgleich veröffentlichten "Mississippi Burning" zu Gemüte führen.

8/10

Constantin Costa-Gavras Joe Eszterhas Rassismus FBI undercover amour fou Familie manhunt Terrorismus


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CYCLONE (René Cardona Jr./MEX, USA, I 1978)


Zitat entfällt.

Cyclone (Tornado) ~ MEX/USA/I 1978
Directed By: René Cardona Jr.

Ein gewaltiger Tornado sorgt in der Karibik dafür, dass diverse Unglückliche mit dem Flugzeug abstürzen oder mit ihren Booten von der Küste abgetrieben werden. Ein paar der Abstürzler, die Besatzung eines kleinen Fischerbootes und einige Touristen auf einem Glasbodenboot treffen durch Zufall auf dem Meer zusammen und müssen Hunger, Durst und gefräßige Haie überwinden, bis einige wenige von ihnen schlussendlich gerettet werden können.

Nachdem sein Vater sich zwei Jahre zuvor mit "Supervivientes De Los Andes" des (in "Cyclone" zitierten) authentischen Flugzeugunglücks in Südamerika angenommen hatte, infolge dessen die hungernden Passagiere die Toten verzehren um überleben zu können, griff auch der Junior jenes Thema auf. Diesmal ist ein Wirbelsturm die Ursache allen Übels und es gilt nicht nur Hunger und Durst, sondern auch die feindselige Natur in Form einiger Tigerhaie in den Griff zu bekommen. Zwischendurch werden immer wieder Gottesglaube, Hoffnung und Ethik diskutiert, einer etwas überdrehten Amerikanerin (Carroll Baker) wird der kleine Hund entrissen, abgemurkst und verzehrt, die vor Erschöpfung Verstorbenen müssen schließlich als Fischköder und (naturgepökelter) Nahrungsvorrat herhalten. Am Ende bezahlen die meisten der Gierigen ihre Freveleien dann doch noch mit dem Leben, als eine ganze Rotte Tigerhaie (in gekonnten, sehr realistischen Einstellungen übrigens) sich anhand der im Wasser Treibenden in einen Blutrausch frisst. Das Ganze ist psychologisch erwartungsgemäß wenig reizvoll arrangiert worden; Cardona Jr. geht es primär um Spekulatives und Sensation. Die übliche Verstärkung aus Hollywood kommt diesmal in den Personen der erwähnten Carroll Baker, Arthur Kennedy und Lionel Stander (während des Drehs ganz offensichtlich mehr oder minder permanent unter Strom stehend), Olga Karlatos, Hugo Stiglitz, Muskelmann Andrés Garcia und Mike Moroff, den ich aus "Return Of The Living Dead III" wiedererkannt habe, sind auch dabei. Ein großes Hallo also mal wieder im (gemäßigten) Exploitationkino.

6/10

René Cardona Jr. Kannibalismus Haiangriff Karibik Seenot Atlantik


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SQUADRA VOLANTE (Stelvio Massi/I 1974)


Zitat entfällt.

Squadra Volante (Die gnadenlose Jagd) ~ I 1974
Directed By: Stelvio Massi

Der unkonventionelle Interpol-Ermittler Tomas Ravelli (Tomas Milian) kennt nur noch ein Ziel: Den Mörder seiner Frau zu fassen, einen französischen Bankräuber namens Marseille (Gastone Moschin), der einst im Zuge einer Fluchtaktion ein paar Querschläger auf Ravellis Gattin abgab. Marseille, der gerade wieder ein großes Ding in Multimillionenhöhe durchgezogen hat und bereits im Vorhinein insgeheim plant, seine Komplizen abzuservieren, tritt nun erneut in Erscheinung. Daraufhin verbeißt Ravelli sich gnadenlos in dessen Verfolgung.

Tomas Milian in einer Vorstudie für Nico Giraldi - zwar noch ohne dessen loses Mundwerk und exaltierte Gestik, dafür jedoch bereits mit unverwechselbaren Kennzeichen wie Baskenmütze und abgebranntem Zigarrenstummel im Mundwinkel zu Werke gehend. Doch egal wie und wodurch, der Mann ist sowieso stets eine Bank. Der markant bekieferte Gastone Moschin, den man noch aus Di Leos "Milano Calibro 9" in allerbester Erinnerung hat, markiert einen tollen Antagonisten für Milian. Leider gibt sich die schnittige Stefania Cassini als Moschins gieriges Liebchen hier etwas zugeknöpft, dafür hält Massi andernorts nicht hinterm Berg. Ich bin unglücklicherweise noch nicht mit so vielen seiner Werke vertraut, der mit allen Mitteln eines sauberen Poliziescho operierende "Squadra Volante" zumindest ist mir eines der bisher liebsten.

7/10

Stelvio Massi Duell Jagd Rache Poliziottesco


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SURVIVAL QUEST (Don Coscarelli/USA 1988)


"Shit, what a zoo!"

Survival Quest (Camp der verlorenen Teufel) ~ USA 1988
Directed By: Don Coscarelli

Eine Gruppe von sechs Freizeitsportlen (Dermot Mulroney, Traci Lind, Catherine Keener, Paul Provenza, Dominic Hoffman, Ben Hammer) aus der Großstadt gibt sich vertrauensvoll in die Hände des Survival-Spezialisten Hank (Lance Henriksen), um ein vierwöchiges Überlebenstraining im kalifornischen Hinterland zu absolvieren. Zeitgleich bricht der Ex-G.I. Jake (Mark Rolston) zum Drill einem Team tumber Pseudo-Soldaten in das gleiche Areal auf. Während Hank seine Leute mit Sympathie und Vertrauensübungen auch psychologisch anleitet, setzt Jake auf Erniedrigung und puren Militarismus. Es dauert nicht lange, bis beide Gruppen erstmals aufeinanderprallen. Weitere Begegnungen verschärfen die Situation, bis schließlich Raider (Steve Antin), einer von Jakes Männern, durchdreht und einen Privatkrieg mit echten Automatikgewehren beginnt.

Zwischen all den "Phantasm"-Filmen (von denen jetzt ein fünfter naht - *lechz*) fertigte Don Coscarelli ganz still und heimlich diesen recht freundlichen Abenteuerfilm an, der zumindest in der ersten Hälfte eine fast liebenswerte Disney-Atmosphäre verbreitet, bis er dann im zweiten Teil doch zur handfesten Action übergeht, die sich mit Ausnahme des knalligen Showdown allerdings halbwegs moderat visualisiert findet. Obgleich durchaus klassische Backwood- und Terrorfilm-Elemente eine Rolle spielen, stehen doch der Teamgeist und die durchweg sympathisch gezeichnete Truppe von Lance Henriksen, mit seiner unverwechselbaren Physiognomie verlässlicher Genredarsteller dieser Tage und wieder einmal als knorriger Patriarch zu bewundern, im Vordergrund des Geschehens. Wie sie Zusammenhalt, Vertrauen und Freundschaft und Naturliebe lernen, das scheint Coscarelli weitaus mehr zu bewegen als boshafte Duelle mit ihren Zwangs-Kombattanten und so endet sogar der zu Beginn als höchst fieser Zeitgenosse eingeführte Rolston, der nach "Aliens", in dem er analog als harter Marine auftrat, ein Klassentreffen mit "Bishop" Henriksen begehen darf, durchaus versöhnlich. Schon damals sehr sehenswert auch Catherine Keener als heimliche Protagonistin, die ehedem noch mehr Ähnlichkeit mit der jungen Pam Grier besaß denn mit ihrem eigenen, späteren Ich und in der Folge wohl einige Besuche beim Kieferorthopäden absolviert hat.
Klein, aber fein.

7/10

Don Coscarelli Kalifornien Freundschaft Duell


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EXECUTIVE DECISION (Stuart Baird/USA 1996)


"Colonel, were not gonna make it!" - "You are!"

Executive Decision (Einsame Entscheidung) ~ USA 1996
Directed By: Stuart Baird

Unter dem Vorwand, seinen Kompagnon Jaffa (Andreas Katsulas) freizupressen, entführt der Terrorist Nagi Hassan (David Suchet) eine Passagiermaschine von Athen nach Washington D.C.. Tatsächlich plant Hassan jedoch, den Flieger über der Hauptstadt abstürzen zu lassen und somit eine an Bord versteckte, riesige Menge Nervengas freizusetzen, die große Teil der Ostküste verseuchen würde. Der Terrorbekämpfungsexperte Austin Travis (Steven Seagal) mit seinen Männern sowie der CIA-Analytiker David Grant (Kurt Russell) wolle sich über ein kompliziertes Andock-Manöver in der Luft an Bord des Jets schmuggeln und Bombe und Terroristen lahmlegen. Der Plan jedoch geht geflissentlich schief, Travis kommt ums Leben und der in Feldaktionen unerfahrene Grant muss mithilfe der nunmehr führungslosen Gruppe von Seals, der Stewardess Jean (Halle Berry) sowie dem Techniker Cahill (Oliver Platt) versuchen, die verfahrene Situation zu retten.

Einer der besten Genrebeiträge der Neunziger, der angesichts seiner traditionsbewusst-handgemachten und trotz des spektakulären Sujets nie über Gebühr albern wirkenden Inszenierung selbst den meisten aktuellen Actionfilmen noch eine lange Nase zu drehen vermag. Der vornehmlich als Cutter tätige Stuart Baird hat im Falle "Executive Decision" wirklich alles richtig gemacht: Zum Einen werden klassische Werke der Gattung wie "The Delta Force" eingehend zitiert und erfahren eine schöne Ehrerbietung, zum anderen ist dieser mit Herz und Seele abgefasste Film durch eine unablässige Verkettung von Suspense-Elementen, die sich in erster Linie darauf rekurrieren, dass die heimlich an Bord befindlichen Retter nicht von den Terroristen entdeckt werden, so unglaublich spannend und straff, dass die knapp 130 Minuten Laufzeit einem kaum halb so lang erscheinen. Ferner halte ich den Einfall, Seagal dem Heldentod zu überantworten, bevor es überhaupt richtig losgeht und stattdessen den als Salonlöwen eingeführten Krawattenträger Russell, der sich zudem erst den nötigen Respekt von Travis' Crew erwirtschaften muss, den Tag retten zu lassen, immer noch für pures Ideengold.

9/10

Stuart Baird Terrorismus Kidnapping Luftfahrt Flugzeug


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THE COLLECTOR (William Wyler/USA 1965)


"There'd be a blooming lot more of this sort of thing, if more people had the time and the money."

The Collector (Der Fänger) ~ UK/USA 1965
Directed By: William Wyler

Mit dem großzügigen Gewinn aus einer Fußballwette plant der einsame Bankangestellte Freddie Clegg (Terence Stamp) gar Diabolisches: Er kauft ein altes Landhaus mit Kellerverlies und entführt seine alte Jugendliebe Miranda (Samantha Eggar), eine in der Hipsterszene verkehrende Kunststudentin, die nichts von ihm weiß. Wochenlang sperrt Freddie Miranda in das Verlies, mit dem Ziel, sie möge ihn besser kennenlernen und sich irgendwann in ihn verlieben. Doch die selbstbewusste junge Frau denkt gar nicht daran, sich von Freddie beugen zu lassen...

Ein junger Psychotiker, intellektuell leicht minderbemittelt und durch seine grundlegende Unfähigkeit zur Empathie zum Gewaltverbrecher werdend: Terence Stamp als Freddie Clegg, dessen größte Leidenschaft darin besteht, Schmetterlinge zu ersticken, auf Bretter zu nageln und seiner Sammlung einzuverleiben, steht in damals noch junger Tradition zu Anthony Perkins' Norman Bates und Karlheinz Böhms Mark Lewis, zwei nicht minder desolat-isolierte, junge Männer, schüchtern, unscheinbar, gar freundlich in ihrem Gebahren, die in ihrem Inneren jedoch die Bestie beherbergen. Nun ist Wylers Ansatz ein geflissentlich anderer: Den Schritt zum Serienmörder hat Freddie Clegg noch nicht vollzogen, seine Aktion besitzt noch mehr von einem Hilferuf. Zudem wird er keiner tiefenpsychologischen Analyse unterzogen; wo Bates unter einem Mutter- und Lewis an einem Vaterkomplex zu leiden hatten, erfährt man im Falle Freddies nur Bruchstückhaftes. Am Ende jedoch erweist er sich als nicht minder pathologisch denn seine Vorbilder - Miranda hat, trotz ganz anders lautender Hoffnungsschürung, keine Chance, Freddie wieder zu entkommen. Sie kann es ihm gar nicht recht machen - bleibt sie ablehnend und spröde, wird sie weiter festgehalten und als sie schließlich trotz allen Widerstandes doch gebrochen ist und sich Freddie gar widerstandslos hingibt, will ihr "Gastgeber" sie nicht mehr. Es folgt ein schleichender Tod aus Verzweiflung nach wochenlanger emotionaler Berg- und Talbahnfahrt. Vielleicht der schlimmstmögliche.

10/10

William Wyler Madness Kidnapping London amour fou





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Funxton

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