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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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DISTURBED (Charles Winkler/USA 1990)


"I'm fine."

Disturbed (Tödliche Visionen) ~ USA 1990
Directed By: Charles Winkler

Da seine Psychiatrie-Klinik mit forensischem Schwerpunkt eher klamm läuft, freut sich Dr. Russell (Malcolm McDowell) erstmal über jeden Neuzugang, so auch über die aggressive Borderlinerin Sandy (Pamela Gidley). Doch, was niemand ahnt: auch der nach außen hin saubere Russell selbst leidet unter einer schweren Störung; er neigt nämlich dazu, attraktive Insassinnen seines Instituts zu betäuben und zu vergewaltigen. Als er dies auch bei Sandy versucht, unterläuft ihm ein folgenschwerer Fehler. Mit Unterstützung des Langzeitpatienten Michael Kahn (Geoffrey Lewis) versucht er hernach, Sandys Leiche zu entsorgen, doch verschwindet diese spurlos, derweil Russell selbst bald glaubt, Gespenster zu sehen.

Psychiatrie-Komödien als Spätnachhall des sich ungebrochener Popularität erfreuenden "One Flew Over The Cuckoo's Nest" erfreuten sich in den endenden Achtzigern einer kurzen Blüte: "The Dream Team" oder "Crazy People" illustrierten mit jeweils prominenter Besetzung die alte Weisheit, derzufolge die gesamte Welt verrückt ist, die Klappsmühlen-Patienten die einzigen sind, die dies erkannt haben und somit gewissermaßen die besseren Gesellschaftsmitglieder. Ein unbekannterer Vertreter dieser kurzen Phase ist Irwin-Sohn Charles Winklers besonders schwarzhumoriger "Disturbed", in dem der ohnehin stets grandiose Malcolm McDowell einmal mehr demonstriert, dass er für die Rolle des verwackelten Soziopathen prädestiniert ist. Tatsächlich sind mir mit Ausnahme von "A Clockwork Orange" und "Caligola" keine famoseren Leistungen von ihm im Gedächtnis und das will angesichts seiner eigentlich vielen Meriten schon manches heißen. Wie in einem alten Hammer-Thriller wird er hierin von der nachtragenden Tochter eines früheren Opfers (Kim McGuire) sukzessive in den Wahnsinn getrieben, im Zuge einer wohlfeil vorbereiteten und einstudierten Selbstjustiz-Rache. Diese ist zwar uneingeschränkt vorhersehbar und im Grunde wenig originell apostrophiert, das schmälert jedoch nicht das Vergnügen an dem witzigen Treiben in Russells Klinikum, in dem unter anderem auch Irwin Keyes, Adam Rifkin, Clint Howard und Deep Roy einsitzen, die man sich ja eigentlich sowieso allesamt und immerdar als Kernpsychos wünscht, optimalst, wie in "Disturbed", unter einem Dach!
Somit: vergnüglich!

7/10

Charles Winkler Psychiatrie Rache Madness


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CHEAP THRILLS (E.L. Katz/USA 2013)


"200."

Cheap Thrills ~ USA 2013
Directed By: E.L. Katz

Für Familienvater Craig (Pat Healey), erfolgloser Autor und Automechaniker aus Existenznot ist es ein ausnehmend beschissener Tag: Er findet eine finale Räumungsandrohung an der Tür und sein Chef (Eric Neil Gutierrez) schmeißt ihn kurzerhand raus. Beim Depri-Bier in der Kneipe trifft er seinen alten High-School-Kumpel Vince (Ethan Embry), der sich deutlich mehr über das Wiedersehen freut als umgekehrt. Und zwei Tische weiter sitzt das Pärchen Colin (David Koechner) und Violet (Sara Paxton), das mit großen Geldscheinen und Koks nur so um sich wirft. Colin macht sich eine Freude daraus, die beiden klammen Männer mit seinem scheinbar unbegrenzten Geldvorrat zu immer gröberen Streichen anzustiften, die vom Wettsaufen über Ohrfeigen bis hin zu einem saftigen Schlag in die Fresse reichen. Zu Haus bei Colin und Violet, bei edlem Whiskey und noch mehr Koks werden Colins Vorschläge analog zur Höhe des gebotenen Geldes schließlich zunehmend entwürdigend und geschmacklos, bis sie gar blutige Züge annehmen...

Wenn selbst die abartigste Gameshow noch nicht entwürdigend genug ist, dann, so berichtet uns Katz' böse Sozialsatire, in der sich nebenbei Healey und Paxton aus Wests "Innkeepers" unter deutlich günstigeren Vorzeichen wiederbegegnen, kann sich die reiche Dekadenz immer noch ein paar arme Schlucker vor dem Existenzaus nach Hause holen, mit großen Scheinen winken und dabei zusehen, wie treue Ehemänner, Familienväter und vermeintlich integre Gesellschaftsmitglieder weit über die persönlichen Grenzen und noch weiter hinaus bis ins ethische Niemandsland driften. Die Idee ist im Prinzip so neu nicht, das alte Manhunt-Subgenre und/oder scharfe Mediensatiren wie Toelles "Millionenspiel" haben sie bereits mehrfach aufgegriffen, kultiviert und variiert. Dennoch lotet Katz neue Grenzen aus, indem er einerseits die Initiatoren und Konsumenten des perversen Spiels unmittelbar als personifizierte Albträume dekadenter Gelangweiltheit denunziert (David Koechner wird man künftig selbst als Champ Kind nicht mehr ohne eine gewisse, grundfeste Antipathie genießen können), deren Reichtum aus letztlich unerheblicher Quelle stammt und seine Teilnehmer von anfänglichen Sympathieträgern zu korrupten Arschlöchern macht. Ein ziemlich schäbiges Weltbild setzt sich da am Ende zusammen, eines jedoch, das tief drinnen vermutlich näher an der globalen Psychorealität liegt als jenes aus 99 Prozent aller übrigen Tinseltown-Komödien.

7/10

E.L. Katz Transgression Satire Los Angeles Alkohol Drogen Kokain Nacht


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YOU'RE NEXT (Adam Wingard/USA 2011)


"I wanna meet your family."

You're Next ~ USA 2013
Directed By: Adam Wingard

Die australischstämmige Erin (Sharni Vinson) freut sich, endlich die wohlhabende Familie ihres Galans Crispian (AJ Bowen), den sie als Dozenten an der Uni kennen und lieben gelernt hat, zu treffen. Doch das umfangreich aufgetragene Diner im heimischen Herrenhaus, zu dem auch Crispians Geschwister mit ihren LebensgefährtInnen geladen sind, wird jäh gestört: Eine Gruppe Meuchelmörder mit Tiermasken greift die Gesellschaft mit Machete, Axt und Armbrust an und schickt einen nach dem anderen von ihnen ins Jenseits. Womit niemand rechnet: Erin hat einst im Outback ein hartes Survival-Training durchlaufen und erweist sich in dieser Krisensituation als gnadenlose Überlebenskünstlerin.

Ein Plot, der nicht ganz von ungefähr an Agatha Christies "Ten Little Indians" erinnert und auch in seiner conclusio stark an die klassische Kriminalromancière gemahnt, verpackt in einen Wingard gemäßen, harten Terrorfilm mit deutlichen Action-Anleihen. An sich setzt "You're Next" dem bereits hinreichend ausgeschöpften Subgenre der 'home invasion'-Thriller wenig Neues hinzu und die Atmosphäre nimmt sich niemals so bedrohlich aus wie bei den in dieser Hinsicht teils sehr viel nachhaltigeren Traditionswerken. Die Tiermasken des gedungenen Killertrios sind zwar eine knorke Idee zur Publikumsverunsicherung, wenn dann jedoch einmal die unspektakulär humanen Individuen darunter offenbart wurden, verpufft rasch der letzte Hauch des Mysteriösen. Abseits davon präsentiert sich Wingards Film als von einem gesunden Sarkasmus geprägt, von immenser visueller Härte (die mich ein ums andere Mal staunen ließ, dass er ungeschnitten mit einer FSK-Freigabe davon gekommen ist) und für Gernhaber moderner Qualitätsgenreware ungezügelter Gangart geradezu verpflichtend.

8/10

Adam Wingard Home Invasion Belagerung Terrorfilm Slasher Splatter Nacht


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UN CONDÉ (Yves Boisset/F, I 1970)


Zitat entfällt.

Un Condé (Ein Bulle sieht rot) ~ F/I 1970
Directed By: Yves Boisset

Eine Spirale der Rache und der wechselseitigen Gewalt entbrennt in Paris: Nachdem der Gangsterboss Tavernier (Francis Cosne) den Konkurrenten Dassa (Pierre Massimi) ermorden lässt und dessen Schwester (Françoise Fabian) bedroht, tritt Dassas bester Freund Dan Rover (Gianni Garko) auf den Plan. Bei der folgenden Racheaktion erschießt Dassas Partner Viletti (Michel Constantin) den Polizisten Barnero (Bernard Fresson), was wiederum dessen Freund Favenin (Michel Bouquet) nicht ungesühnt lassen kann...

Wenn der Krieg zwischen Unterwelt und Polizei sich verselbstständigt und für die Beteiligten zur Privatfehde gerät, so "Un Condé", dann geraten selbst althergebrachte, natürliche Konfliktstrukturen in Bedrängnis: Durch den alternden, verbissenen und systemmüden Flic Favenin, der irgendwann erkennen muss, wie sinnlos seine Vendetta ist und das er dadurch mehr Schaden anrichtet denn repariert, gerät das traditionelle Gleichgewicht zwischen Recht und Verbrechen in eine geradezu gefährliche Unwucht. Boisset illustriert dabei wunderhübsch die Differenz zwischen französischer und italienischer Genrekost: Im Vergleich zu den östlich lebenden Polizotti-Anrainern gehen die Pariser Condés sehr viel biederer, leiser, verächtlicher, vielleicht sogar bedrohlicher zu Werke. So ist Boisset vielleicht kein Melville, für einen knackigen, harten Polizeifilm klassischer Koloratur jedoch langt es allemal.

8/10

Yves Boisset Paris Rache Mafia


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ENEMIES CLOSER (Peter Hyams/CA, USA 2013)


"I hate guns."

Enemies Closer ~ CA/USA 2013
Directed By: Peter Hyams

Ein aufregender Tag für den Ex-Marine und eine Insel im kanadischen Grenzgebiet betreuenden Park Ranger Henry (Tom Everett Scott): Erst lernt er eine schöne Wildanglerin (Linzey Cocker) kennen, die ihm eindeutige Avancen macht, dann kommt Clay (Orlando Jones), der Bruder von einem von Henrys gefallenen Freunden, auf Henrys Insel um dessen Tod zu rächen. Schließlich sucht der halbirre Gangsterboss Xander (Jean-Claude Van Damme) nach einem im See abgestürzten Flugzeug, das eine große Heroinlieferung an Bord hatte und macht mächtig Rabatz.

Peter Hyams ist im Gegensatz zu früher ja ein nurmehr sehr spärlich zu Werke gehender Filmemacher. Mit "Enemies Closer", seiner ersten Regiearbeit seit vier Jahren, kooperierte er (sieht man von seiner Arbeit als dp für Sohn John ab) zum dritten Mal mit Van Damme nach "Timecop" und "Sudden Death" zusammen. Diesmal ist der Belgier als Antagonist zu sehen und übernimmt dabei ironischerweise einen ganz ähnlichen Part wie seinerzeit Powers Boothe in "Sudden Death": Eher grotesk gezeichnet ist der gewalttätige Xander ein Öko-Psychopath, der vornehmlich mit bloßen Händen oder Stichwaffen zu Werke geht, um die Schadstoff-Emissionen des Schießgeräts zu vermeiden und sich jedermann als 'Veganer' vorstellt. Mit krauser Wirrfrisur Marke Einstein sieht JCVD dazu noch extra verschroben aus. Antreten muss er als Bösewicht gegen ein zur Teamarbeit gezwungenes Buddy-Duo, das sich ursprünglich gegenseitig an die Kehle wollte und nur gemeinsam gegen Xander bestehen kann. Das in Teilen wiederum an "Die Hard" angelehnte Szenario um eine Gruppe Krimineller, die ein friedliches, abgeschottetes Territorium infiltriert und gewaltsam 'entweiht', ist altbekannt, jedoch mit schmissigen Action- und Zweikampf-Sequenzen angereichert, die inmitten der sich audiovisuell immer irrwitziger gestaltenden Genrekultur beinahe rührend altmodisch anmutet.

7/10

Peter Hyams Rache Drogen


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RITUALS (Peter Carter/CA, USA 1977)


"Sorry, Mitzi! Just a moment!"

Rituals ~ CA/USA 1977
Directed By: Peter Carter

Fünf befreundete Mediziner im mittleren Alter machen sich einen Spaß daraus, ihren Abenteuerurlaub jedes Jahr in zunehmend unwirtlichen Territorien ohne jeglichen Zivilisationsanschluss zu verleben. Erst nach einer Woche lassen sie sich vom Privatpiloten wieder abholen. Diesmal führt sie ihre Tour in ein wildes, entwässertes Tal im Gebiet von Ontario. Schon nach der ersten Nacht sind sämtliche Stiefel verschwunden, woraufhin sich D.J., der jüngste der Truppe und Bruder von Martin (Robin Gammell), der als einziger Ersatzschuhwerk bei sich hat, aufmacht, zu der weiter entfernten Talsperre zu gelangen, um von dort aus Hilfe zu holen - denn, soviel ist klar - die Männer sind hier nicht allein. Schon bald folgen die Übrigen D.J. und sehen sich seltsamen Streichen und Fallen ausgesetzt, die in schweren Unfällen enden. Schließlich sind nur noch Harry (Hal Holbrook) und Mitzi (Lawrence Dane) übrig, die sich der Ursache des Terrors gegenübersehen...

Ein brillanter, unverhohlen avantgardistischer Horrorfilm, der sich aus einer fruchtbaren Schnittmenge des dräuenden Öko-Mystizismus eines Peter Weir, blankem Backwood-Terror vom Schlage eines "Deliverance" und unkonventioneller Genrekost wie "The Wicker Man" speist: Fünf Götter in weiß, wie viele im Ergrauen begriffene Herren ihres beruflichen Schlags berauscht von der eigenen Fachkompetenz und höchst selbsträsonistisch, entpuppen sich als psychische Wackelkandidaten, denen bereits innere Spannungen schwer zu schaffen machen und die durch die äußere, zunächst nicht greifbare Bedrohung endgültig umfallen wie Kartenhäuschen im Sturm. So inhaltlich unwesentlich die Conclusio letzten Endes auch sein mag - dass sie sich als Denunzierung des Kriegwesens und seiner vergessenen Gespenster versteht, verleiht dem Film noch eine zusätzliche Dimension der Zivilisationskritik. Dass "Rituals" hinzukommend noch brillant inszeniert ist, kreuzungemütlich und kunstvoll-unübersichtlich gleichermaßen, macht ihn zu einer echten Perle des Subgenres. Die für die Zweitauflage von X-Rated eigens angefertigte, späte Synchronfassung lohnt übrigens.

9/10

Peter Carter Kanada Wald Freundschaft Terrorfilm Backwood Slasher


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ESCAPE PLAN (Mikael Håfström/USA 2013)


"Du bist der Deufel!"

Escape Plan ~ USA 2013
Directed By: Mikael Håfström

Der Ex-Staatsanwalt Ray Breslin (Sylvester Stallone) hat sich mittlerweile zum führenden Tester für Gefängnissicherheit gemausert. In cognito lässt er sich in die großen Hochsicherheitsanstalten der USA einweisen, um dann mittels seiner stets erfolgreich verlaufenden Ausbrüche deren Schwächen aufzuzeigen. Sein neuester Job führt ihn in einen semilegalen Superknast namens 'Das Grab'. Unversehens wird Breslin jedoch zum Opfer einer Verschwörung und landet als wirklicher Insasse ohne den üblichen Evakuierungscode in jenem Komplex, der ausgerechnet unter emsigster Verwendung von Breslins Aufzeichnungen konstruiert wurde. Im 'Grab' lernt er dann Emil Rottmayer (Arnold Schwarzenegger) kennen, der sich als wertvoller Partner für Breslins kommende Ausbruchspläne erweist.

Nach den beiden Happening-Spektakeln "The Expendables" und "The Expendables 2" erfolgt nun mit "Escape Plan" also wirklich das, was anno dunnemals unsere feuchten Jungsträume beherrschte und zumindest ehedem physikalisch unmöglich schien: Stallone und Schwarzenegger als gleichberechtigte Protagonisten in ein- und demselben Film! Was wir damals eben nicht auf dem naiven Plan hatten, war die Tatsache, dass auch diese beiden virilen, unzerstörbar und vor allem ewig in Form scheinenden Muskelpakete dereinst Falten werfen und unter anderen höchst sterblichen Begleiterscheinungen wie Runzeln, Altersflecken und grauem Haar leiden würden. Auf ihrem Popularitätszenit lebten die beiden ja davon, dass sie, wie bei einem Bodybuilding-Contest, ihre öffentlichkeitswirksam inszenierte Rivalität zur Schau stellen und zeitweilig sogar in thematisch oder zumindest titulär parallel gelagerten Konkurrenzproduktionen gegeneinander antreten konnten. Für uns damals als zwölf-, dreizehn-, vierzehnjährige VHS-Fresser (wobei ich manche Eskapaden dank Geleit meiner lieben Mama schon damals im Kino genießen durfte) war das Gang, Gebe und Weltgeschlossenheit. Undenkbar die Tatsache, diese beiden Testosteron-Schleudern vereint auf Leinwand oder Mattscheibe anhimmeln zu dürfen.
Doch heute, da sind sie alt und insofern respektiert und dennoch irgendwie belächelt, diese zwei Opas mit ihren stark geäderten Faltenarmen und roten Puterhälsen. Selbstironie und -reverenz gehört mittlerweile zu ihrem Tagesgeschäft, bei Politikversager Schwarzenegger zwangsläufig noch deutlich mehr als bei seinem Freund Stallone. Das in jeder Beziehung einleuchtendste kommerzielle und popularitätsschürende Fazit dieser Entwicklung musste ein Team-Up sein, schon allein deshalb, weil eine globale Generation Enddreißiger und Frühvierziger ihnen (insgeheim) noch immer treu ist und besagte Feuchtträume sich endlich erfüllt finden würde.
Das Resultat ist, mit wenigen Anstrichen, erfreulich. Die Senioren spielen altersgemäße Rollen in einem sauberen Genrefilm, der ohne megalomanisch zu versagen in ähnlicher Form durchaus auch zu den Hochphasen seiner Hauptdarsteller hätte entstehen mögen. Futuristische Ausbruchsfilme wie "Fortress" und "No Escape" datieren ja in jenen Zeiten, insofern passt's. Vor allem Schwarzenegger reüssiert, sein Einzelhaft-Ablenkungsmanöver, im Zuge dessen er (im Orginal) österreichisch parliert, ist sogar phantastisch. Wie einige andere Gags, die gepflegt und nie selbstherrlich wirken wie in den "Expendables"-Filmen. Gut, Arnies finaler Griff zum Maschinengewehr, von Håfström wie eine erlösende Abfuhr nach eineinhalbstündiger Verstopfungsqual inszeniert, muss dann doch der Albernheit in Erwartung dumpfer Publikumsovationen stattgeben, aber sei's drum: der Erzrepublikaner als kosmopolitisch agierender Robin Hood, der bei Bedarf die Hochfinanz kollabieren lassen kann - diese fast subversive Idee macht vieles wieder wett. Jetzt aber bitte wieder weg vom Event und jeder zurück zum persönlichen Schwanengesang (in zwanzig Jahren).

8/10

Mikael Håfström Gefängnis Freundschaft Schiff


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SUDDENLY (Lewis Allen/USA 1954)


"Your guts are showing all over the place, brave boy."

Suddenly (Der Attentäter) ~ USA 1954
Directed By: Lewis Allen

Der auf einer Zugreise befindliche US-Präsident soll einen Kurzstopp am Bahnhof des Kleinstädtchens Suddenly einlegen. Davon benachrichtigt, ergreift der hiesige Sheriff Shaw (Sterling Hayden) zusammen mit den anrückenden Secret-Service-Kräften die nötigen sicherheitsvorkehrungen. Zu spät, denn im Hause von Shaws Freundin Ellen (Nacy Gates) hat sich bereits der gedungene Killer John Baron (Frank Sinatra) mit zwei Helfershelfern einquartiert. Von hier aus will er den Präsidenten mit einem Präzisionsgewehr erschießen. Shaw, Ellen, ihr kleiner Sohn Pidge (Kim Charney) und ihr Schwiegervater (James Gleason) geraten in die Gewalt der Attentäter und müssen hilflos mit ihnen die Ankunft des Präsidenten abwarten...

Bereits ein Jahr vor Wylers Meisterwerk "The Desperate Hours" kam dieser im Hinblick auf Erzählzeit und Handlungsort stark verdichtete, kleine Home-Invasion-Thriller von Lewis Allen in die Kinos, der als Antagonisten einen wie immer hartgesottenen Sterling Hayden und einen noch hungrigen, auf der Höhe seiner schauspielkunst befindlichen Sinatra vorlegte und allein infolge dieser Konstellation große Klasse mitbrachte. Die Plotprämisse um ein paar bezahlte Attentäter, die niemand Geringeren als den Präsidenten (!) abknallen wollen, wirkt rückblickend etwas betulich-naiv (was, wie ich erst vorhin mäßig amüsiert feststellte, Dr. Uwe Boll nicht daran hinderte, erst im letzten Jahr ein Remake anzufertigen), zumal die entrüsteten Kleinstädter dauernd versuchen, an das (faktisch nicht vorhandene) patriotische Ehrgefühl der Gangster zu appellieren ("Traitors!" "But it's your president, too!"). Nicht zuletzt die dramaturgisch nicht ungeschickt eingefädelte Beziehungsebene, der zufolge sie es auf den höchst kiebigen, rotzlöffeligen Filius, der einen gar goldenen NRA-Nachwuchs abgibt, abgesehen haben, macht die stilsicheren Finstermänner zu den geheimen Sympathieträgern wider Anstand und Biedermeiertum.

8/10

Lewis Allen Familie Attentat Kleinstadt home invasion film noir


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THE NIGHT WALKER (William Castle/USA 1964)


"I never planned to kill somebody - but now I have to..."

The Night Walker (Er kam nur nachts) ~ USA 1964
Directed By: William Castle

Die labile Irene (Barbara Stanwyck), einsame Ehefrau des erblindeten, krankhaft eifersüchtigen Millionärs Howard Trent (Hayden Rorke), hat sehnsüchtige Träume um einen virilen, jungen Liebhaber. Eines nachts wird sie durch eine Explosion im Haus geweckt, der Howard offenbar zum Opfer gefallen ist. Bald quälen sie fürchterliche Albträume um den Toten. Irene zieht in die Stadt, um dort vergessen zu können, doch ihre Träume bleiben manifest. Der geheimnisvolle junge Mann (Lloyd Bochner) erscheint ihr jetzt regelmäßig und nimmt sie mit auf bizarre Streifzüge durch das nächtliche Los Angeles. Bald glaubt Irene, kaum mehr zwischen Traum und Realität unterscheiden zu können. Sie bittet den Anwalt Barry Morland (Robert Taylor) um Hilfe...

"The Night Walker" ist einer von Castles formvollendetsten, schönsten Filmen, in dem er seinem großen Vorbild Hitchcock so nahe kommt wie vielleicht nie zuvor und nie wieder und in dem er fürderhin De Palma viele wertvolle Anregungen und Motive für dessen künftiges Werk bereitet: Die erotischen Bedürfnisse einer alternden Frau und wie sich finstere Mächte diese zunutze machen, um sie gegen sie zu verwenden, die fließenden Grenzen zwischen realis und irrealis, fieberhafte Wahrnehmungsinsuffizienzen, turmhohe Verschwörungsaktivitäten und natürlich ein unverhältnismäßig formvollendet inszeniertes Verbrechen, das deutlich mehr von Kunst in sich trägt als manch anerkanntes Kunstwerk. Wie so häufig griff Castle auch hier auf zwei alternde Golden-Age-Stars jenseits ihrer großen Erfolge zurück - Barbara Stanwyck (57) und Robert Taylor (53) sahen schonmal besser aus, wenngleich die Maske sichtlich Wunder vollbrachte. Dennoch ziert sie, auch das sicherlich stets Mitgrund für Verwendung von Personal ihres Kalibers, nach wie vor der glamouröse Hauch des alten Hollywood, eine Aura wesensimmanenter Arroganz und luxuriöser Überheblichkeit, die weder die Jahre noch das Genrekino jemals würden untergraben können.

9/10

William Castle Robert Bloch Los Angeles Traum


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NO MERCY (Richard Pearce/USA 1986)


"Every hooker's got a hard luck story."

No Mercy (Gnadenlos) ~ USA 1986
Directed By: Richard Pearce

Weil man ihm sein hauseigenes Liebchen Michele (Kim Basinger) wegschnappen will, macht sich der Cajun-Gangster Losado (Jeroen Krabbé) höchst persönlich von Louisiana nach Chicago auf, um seinen Nebenbuhler Paul Deveneux (Terry Kinney) vom Angesicht der Erde zu tilgen. Durch Zufall schlittern auch die beiden Cops Eddie Jilette (Richard Gere) und Joe Collins (Gary Basaraba) in die Angelegenheit hinein. Joe wird ebenso wie Deveneux getötet, Jilette verfolgt Losado und Michele bis nach New Orleans, findet die Schöne dort und flieht mit ihr in die Sümpfe. Doch Losado, der große Teile der hiesigen Justiz in der Tasche hat, lässt sich auch davon nicht aufhalten. Mit der inoffiziellen Autorisierung seines Chefs (George Dzundza) und persönlich entflammter Liebe zu Michele macht Jilette schließlich dem brutalen Verbrecher nach hartem Kampf den Garaus.

Zwei der schönsten Hollywood-Stars der Achtziger fanden hier zum ersten und einzigen Mal zusammen, in einem Genrefilm, der große Teile der Gattungshistorie wie aus einem Bausatz plündert und neu zusammenfügt und der schon allein durch die ätherischen Physiognomien der beiden Hauptdarsteller märchenhaft anmutet, ohne jemals echte Originalität oder Eigenständigkeit vorweisen zu können. Gere und Basinger in den besten Jahren - allein das kam einem Versprechen für beiderlei Geschlechter gleich. New Orleans nebst den Sümpfen von Louisiana als zentrallokaler Dreh- und Angelpunkt gaben ja stets eine beliebte Kulisse für Menschenjagden und Verfolgungsszenarien ab; zusätzlichen Zunder erhält das ohnehin erotisch aufgeladene Szenario dadurch, dass Gere und Basinger aneinander zwangsgekettet sind und gar nicht anders können als sich, trotz wechselseitiger Abschätzigkeiten, ineinander zu verknallen. Dabei fangen damit die Probleme erst an. Krabbé - in diesen Jahren häufig in internationalen und Hollywood-Produktion zu Gast und dann zumeist als Antagonist, ist einer der bösesten Bösen des Jahrzehnts. Erst seine lauernde, bedrohliche Aura verleiht "No Mercy" den nötigen Pfiff, denn jeder vernünftige Actionthriller steht und fällt mit seinem Schurken.

6/10

Richard Pearce Chicago Louisiana New Orleans Sumpf Duell Rache Südstaaten





Filmtagebuch von...

Funxton

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