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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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WARNING SIGN (Hal Barwood/USA 1985)


"I warned you, Joanie!"

Warning Sign (Warnzeichen Gen-Killer) ~ USA 1985
Directed By: Hal Barwood

Die sich nach außen hin als agrarbiologisches Forschungszentrum gebende Firma 'Biotek' entwickelt hinter verschlossenen Türen in Wahrheit einen biologischen Kampfstoff. Als dieser infolge eines dummen Zufalls zum Ausbruch kommt, reagiert die besonnene Pförtnerin Joanie Morse (Kathleen Quinlan) sofort und riegelt das Gebäude hermetisch ab. Die zunächst an ein Versehen glaubenden Mitarbeiter finden sich schon bald eines Schlimmeren belehrt: Das Virus lässt seine Opfer zunächst unter starken Schmerzen zusammenbrechen und dann als mordlustige Wahnsinnige wieder aufstehen. Joanie, die seltsamerweise selbst immun gegen den Kampfstoff ist, hat alle Hände voll zu tun sich der umherstaksenden Irren zu erwehren, derweil ihr Mann Sheriff Morse (Sam Waterston) zusammen mit dem früheren Biotek-Mitarbeiter Fairchild (Jeffrey DeMunn) einen Weg in das Gebäude findet und ihr zur Hilfe eilt.

Eine inhaltliche Mischung aus "The Crazies" und dem unmittelbar zuvor geschauten "The Andromeda Strain", erreicht das Regiedebüt des vormals als Scriptautor aktiven Hal Barwood nie die Intensität seiner Vorbilder. Dafür erweist er sich hier und da dann doch als allzu ungeschlossen betreffs seines Gesamtbildes. Barwood vermisst es schlicht, klarzumachen, wohin sein Film eigentlich will; - eine exploitative Horrorgeschichte mit entstellten Wutzombies, eine Kritik an den Regierungsmachenschaften im Kalten Krieg oder schlicht der Versuch eines Katastrophenfilms? Irgendwie wohl alles davon und nichts so recht. Dann die vielen groben dramaturgischen Schnitzer: Die angerückten Nationalgardisten finden sich nicht in der Lage, gegen eine Wagenladung protestierender Farmer zu bestehen und riskieren eine kontinentale Krise, Morse und Fairchild schlüpfen recht problemlos durch ein offenes Treibhaus in das Biotek-Gebäude - warum schlüpft das Virus nicht einfach auch dort hinaus? Fragen über Fragen, deren Antworten der Film leider schuldig bleibt. Immerhin: Unterhaltsam ist er, gut besetzt und en gros irgendwie auch lohnenswert. Man sollte lediglich eine gute Portion Gutgläubigkeit als Rüstzeug mitbringen.

7/10

Hal Barwood Virus Utah


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THE ANDROMEDA STRAIN (Robert Wise/USA 1971)


"There's a fire, sir."

The Andromeda Strain (Andromeda - Tödlicher Staub aus dem All) ~ USA 1971
Directed By: Robert Wise

Eine Raumkapsel stürzt über der Kleinstadt Piedmont, New Mexico ab. Nachdem sie geöffnet wurde, dringt eine mikroskopisch große Spore aus, die sofort fast alle Stadteinwohner und Säugetiere tötet und sich auszubreiten droht. Nun greift 'Operation Wildfire', ein von dem Wissenschaftler Jeremy Stone (Arthur Hill) initiiertes Forschungsprojekt, das in einem virologischen Notfall sämtliche Vorkehrungsmaßnahmen trifft von der Analyse bis hin zur Vernichtung des Organismus. Stone und seine drei Mitarbeiter Dutton (David Wayne), Hall (James Olson) und Leavitt (Kate Reid) arbeiten rund um die Uhr in dem eigens angelegten, unterirdischen Komplex.

Die besondere Faszination von "The Andromeda Strain" liegt in seiner minutiösen, hochnüchtern-präzisen Aufbereitung der im Zentrum stehenden Ereignisse. Zwar gönnt sich Wise hier und da modische formale Spielereien wie split screen und clevere Spezialeffekte, bleibt ansonsten aber extrem konzentriert am Kern des Geschehens - nämlich der Sondierung des alsbald mit dem Codenamen 'Andromeda' versehenen, sich als extraterrestrisch herausstellenden Erregers, der zum Entsetzen seiner Entdecker das Blut seiner Opfer gerinnen lässt und zu Staub zersetzt. Wise müht sich wie schon Michael Crichton in seiner Romanvorlage erfolgreich, eine unnachgiebige Ernsthaftigkeit mit höchster dramatischer Spannung zu verknüpfen. Dafür bedarf es weniger ausführlicher Charaktersektion (viel erfährt man über das Kern-Quartett im Grunde nicht) denn einer ausführlichen Schilderung des Untersuchungsprozesses, der Entdeckung und Isolierung von Andromeda, seines Wirkungsgrades, möglicher Immunstoffe und schließlich seiner Unschädlichmachung, die um ein Haar mit einer Atomexplosion nebst katastrophaler Folgen einhergeht. Sehr dicht, somit ein feines Genrestück und einer von Wises Besten.

9/10

Robert Wise Michael Crichton Virus Nevada New Mexico


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MÖRDERSPIEL (Helmut Ashley/BRD, F 1961)


"Die Fragen zu stellen überlassen Sie bitte mir!"

Mörderspiel ~ BRD/F 1961
Directed By: Helmut Ashley

Der erfolgreiche Modedesigner Klaus Troger (Harry Meyen) ist zugleich ein triebhafter Frauenmörder, der in seine Opfer das zutiefst verhasste Bild seiner Ehefrau Eva (Magali Noël) projiziert. Als er gerade vom Tatort seines bereits fünften Mordes verschwinden will, trifft er den jungen Heinz Kersten (Götz George), der gerade auf dem Weg zu einer mondänen Party bei der reichen Familier Hauser ist. Troger macht gute Miene zum bösen Spiel und begleitet Kersten kurzerhand zu den Hausers, wo sich auch Eva mit ihrem Galan Dahlberg (Georges Rivière) befindet. Um den Abend aufzupeppen, schlägt Kersten schließlich das altbewährte 'Mörderspiel' vor, bei dem ein per Karte gezogener 'Detektiv' einen ebenso ausgelosten 'Mörder' herausfinden soll. Schon in der zweiten Runde gibt es einen wirklichen Toten: Dahlberg. Die heranrückende Polizei hat allerlei Mühe, Mörder und Motiv auszukundschaften, doch es zeichnet sich eine Lösung ab...

Das beste an diesem ansonsten schön trivialen kleinen Kriminalspiel ist Sven Nykvists einfallsreiche Photographie, die die Erzählperspektive des zwar pathologischen, aber dennoch zu schärfster Deduktion fähigen Serienmörders Troger einnimmt und mitunter sogar in die Subjektive geht. Dabei kommen durchaus kunstvolle Einstellungen und Bilder zustande. Ansonsten vermag "Mörderspiel" durch seine reduzierte, narrative Akribie zu vereinnahmen - der eigentliche, immerhin eindeutig das filmische Zentrum einnehmende Plot wirkt teils arg konstruiert und durch merkwürdige "Wendungen", die nie recht zum Grundstamm der Erzählung passen wollen, vorangetrieben. Immerhin: Das Script ist geschickt genug, das Publikum zum Komplizen des Gewaltverbrechers zu machen und mit ihm sozusagen als amoralische Unterstützung aus dem Off auf ein Entkommen zu hoffen. Ein solches gelingt sogar um Haaresbreite, doch - man kennt das - am Ende gewinnt doch wieder der altbewährte Kinocode vom Sieg der Gerechtigkeit. Schade.

6/10

Helmut Ashley Serienmord München


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WOULD YOU RATHER (David Guy Levy/USA 2012)


"May the game begin!"

Would You Rather (Tödliches Spiel) ~ USA 2012
Directed By: David Guy Levy

Iris (Brittany Snow) bangt um das Leben ihres schwer krebskranken keinen Bruders Raleigh (Logan Miller). Dieser benötigt dringend eine teure Knochenmarkstransplantation. Ihr Arzt Dr. Barden (Lawrence Gilliard Jr.) macht Iris eines Tages mit dem Millionär Shepard Lambrick (Jeffrey Combs) bekannt. Dieser lädt Iris zu einem Spiel in seiner Stiftung ein, dessen Hauptgewinner sich sämtliche Lebensträume erfüllen können wird - für Iris die langersehnte Chance, Raleigh zu helfen. In Lambricks Haus angekommen trifftt Iris ihre sieben Mitspieler, allesamt problembehaftete Existenzen, deren jeweilige Vergangengenheit von Alkoholismus, Spielsucht, Kriegseinsätzen und anderen Traumata geprägt ist. Bald platzt Lambrick mit der Spielidee heraus: Abwechselnd muss jeder Mitspieler sich für eine von zwei Alternativen entscheiden, die zunehmend sadistischer und abartiger werden. Quält man einen Mitspieler oder lieber sich selbst? Verstümmelt man einen anderen oder macht eine Ertränkungsprobe? Am Ende gibt es nur einen Gewinner und der heißt Lambrick.

Vulgärpsychologischer torture porn, der den richtigen Bogen nie bekommt, weil er in den entscheidenden Momenten schlichterdings nicht die Eier hat, seine zuvor suggerierte Abseitigkeit kongenial zu visualisieren. Anders als der deutlich intelligentere, letzthin geschaute "Cheap Thrills", der ein ganz ähnliches Thema wesentlich pointierter verhandelt, scheitert "Would You Rather" beinahe auf ganzer Linie. Dabei sollte doch selbst harter Tobak wie jener, von dem David Guy Levy und Scriptersinner Steffen Schlachtenhaufen (kein Witz, der heißt wirklich so) hier fabulieren, anno Gegenwart auch onscreen kein ausgemachtes Problem mehr darstellen. Da jedoch verliert "Would You Rather" den Mut, scrollt eilends zur Reaktion des Nachbarn hinüber und bleibt damit auf scheinbar sicherem Eis.
Im Ernst, natürlich ist dies nicht das Hauptproblem des Films, der gewalttätige Teenager-Phantasien, wie wir sie wohl alle irgendwann einmal so oder ähnlich im Geiste durchgespielt haben, Schmerzgrenzen und Reaktionen zu seinen Topoi kürt. Es scheint mir ganz einfach das Versäumnis ausgefeilterer Charakterisierungen, geschliffenerer Persönlichkeitszeichnungen, derer eine Geschichte wie diese ausnahmslos bedarf, um sich Bedeutsamkeit zu erkaufen. Das hier eingeführte Figureninventar jedoch rekrutiert sich aus stereotypen Hülsen, die einem strunzegal sind und deren Schicksal nicht berührt. Einen wirklich brauchbaren Akteur wie John Heard verheizt man gleich zu Anfang und nutzt zur Mitte hin eine Pseudo-Rettungsaktion zwecks redundanter Erzählzeit-Verlängerung.
Das Ende schließlich ist nur noch doof. Die deutsch vertonte Fassung gilt es ferner unbedingt zu vermeiden, denn die Qualität der Synchronisation spottet jeder Beschreibung. Nee, das war nix. Und vor allem schade um die teils wirklich tollen Promo-Artworks.

3/10

David Guy Levy Spiel Terrorfilm Madness Bruder & Schwester Krebs


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G MEN (William Keighley/USA 1935)


"A very funny remark."

G-Men (Der FBI-Agent) ~ USA 1935
Directed By: William Keighley

Als sein freund Eddie Buchanan (Regis Toomey) erschossen wird, entschließt sich der nicht sonderlich erfolgreiche, weil immens idealistische New Yorker Anwalt Brick Davis (James Cagney), sich als G-Man beim FBI zu bewerben. Brick erweist sich für die Behörde bald als sehr nützlicher Neuzugang, denn durch seine früheren Kontakte in die Unterwelt legt er einige wertvolle Spuren offen, unter anderem die zu dem berüchtigten Bankräuber Danny Leggett (Edward Pawley).

Nachdem die klassischen Gangsterfilme um Cagney, Robinson und Muni während der Depressionsjahre ein Massenpublikum erobert hatten, stieg die Besorgnis der Zensoren bezüglich der falschen Leinwand-Ideale. Die Darstellung organisierten Verbrechens als Eskapismusfaktor im Kino und die erbarmungslose Realität der schweren Rezession vermochten, so schlussfolgerte man wohlweislich im Breen Office, verhängnisvolle Kausal-Zusammenhänge hervorrufen. Daher wurde aus dem "öffentlichen Feind" James Cagney ein aufrechter FBI-Mann, ein ebenso vorbildlich agierender wie romantischer Streiter gegen jene Elemente, die er zuvor (und später dann wieder) im Film verkörpert hatte. Seinen Brick Davis legte Cagney als liebenswerten Strahlemann an, für den Unbestechlichkeit und Integrität die obersten Maximen darstellten, der allerdings auch in zwischenmenschlicher Hinsicht ein feiner Kerl war; ganz anders eben als brutale Opportunisten und Emporkömmlinge wie Tom Powers, deren Verschlagenheit und latente Aggressivität Cagney wundersamerweise ebenso authentisch zu geben wusste wie die Liebenswürdigkeit des hier debütierenden Helden.
Dennoch funktionierte "G Men" nach wie vor nach den etablierten Schemata des Warner-Gangster-Movie, es ratterten die Thompsons und moralisch Aufrechte wie Gebeugte starben in deren Feuer. Bis auf einen leichten Perspektivwechsel konnte also das bewährte Produkt auch weiterhin an den Mann gebracht werden.

7/10

William Keighley New York Chicago FBI


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ALICE, SWEET ALICE (Alfred Sole/USA 1976)


"Where are you going?" - "None of your business, fatso."

Alice, Sweet Alice (Communion - Messe des Grauens) ~ USA 1976
Directed By: Alfred Sole

Zwei Schwestern, die eine, Karen (Brooke Shields) ein braves Zuckermäuschen, Alice (Paula Sheppard), die andere, ein fieses Biest, die darunter leidet, dass die Eltern sich getrennt haben und den Frust darüber, dass die Mutter (Linda Miller) ihre Liebe ziemlich ungleich verteilt, nur allzu gern an der jüngeren Karen auslässt. Ausgerechnet am Tage ihrer Erstkommunion wird Karen dann grausamst in der Kirche erdrosselt. Und es bleibt nicht bei diesem einen Vorfall: Tante Annie (Jane Lowry) wird mit einem Fleischermesser attackiert, Alices Vater (Miles McMaster) und der dicke Vermieter Mr. Alphonso (Alphonso DeNoble) werden ermordet. Doch die anfangs verdächtigte Alice scheidet wegen wasserfester Alibis aus. Wer also verbirgt sich unter Hexenmaske und gelbem Regenparka?

Im Gefolge von Romeros "Martin" eine weitere Studie um Vorstadt-Puritanismus, Irrsinn und Bigotterie. New Jersey schaut zwar nicht ganz so neoindustriell-schäbig aus der Wäsche wie Pittsburgh, schräge Figuren wie die hysterische Tante oder der fette Alphonso mit riesigem Pissfleck in der Haushose jedoch sorgen bereits ohnedies für eine konstant wenig heimelige Stimmung in der Gegend.
Alfred Soles Erzählung allerdings fällt im Vergleich zu seinem inszenatorischen Talent bezüglich Stimmungen und Gesichtern etwas ab. Eine im Prinzip sicher gelegte Fährte im Hinblick auf die Übeltäterin erweist sich als falsch, dafür wird zum letzten Drittel urplötzlich eine ganz unerwartete Person mit recht fadenscheiniger Motivation als Mordseele aus dem Hut gezogen. Außerdem ist der Film gut zehn Minuten zu lang, was seine vielen positiv zu wertenden Facetten allzu sehr unnötig in den Hintergrund drängt. Ansonsten aber ein brauchbares Stück blutigen Thrills für den willfährigen 70er-Genre-Chronisten.

6/10

New Jersey Kirche Familie Schwestern Madness Slasher


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DARK TOURIST (Suri Krishnamma/USA 2012)


"You're disgusting."

Dark Tourist ~ USA 2012
Directed By: Suri Krishnamma

Der Wachmann Jim (Michael Cudlitz) hegt ein immenses Interesse an historischen Gewaltverbrechern. Gegenwärtig gilt eine ganze Konzentration dem Serienmörder und Brandstifter Carl Marznap (Pruitt Taylor Vince), der um die Mitte des 20. Jahrhunderts in der kalifornischen Provinz aktiv war und unter anderem seine eigenen Eltern getötet hat. Während seines Urlaubs reist Jim an die authentischen Schauplätze, um Marznaps Leben und Wirken nachzuspüren. Dabei verliert Jim in sich selbst und beginnt, sich mit dem ihm erscheinenden Marznap zu identifizieren...

Hervorragendes, pointiertes Serienkiller-Psychogramm, das, dessen bin ich mir bereits nach dieser Erstbetrachtung gewiss, zu den Höhepunkten des Subgenres gezählt werden kann. Krishnamma und Script-Autor Frank John Hughes tauchen tief hinab in die Psyche des tief gestörten Jim, zeigen seine diversen Zwangsneurosen und psychischen und physischen Narben, die offenbar von schwerem Missbrauch während seiner Kindheits- und/oder Jugendjahre herrühren, wie beiläufig und wählen stattdessen vornehmlich die subjektive Ich-Perspektive für ihre Erzählung. Erst ganz zaghaft, dann mit weiterreichender Konsequenz und schließlich im Nachhinein vervollständigt sich das zuvor infolge der bewusst einseitigen Berichterstattung brüchiges Identitätsporträt Jims, der unter komplexen Störungen leidet und sich infolge dessen ein gewalttätiges Ventil suchen. Krishnamma findet für diesen Abstieg in eine zutiefst menschliche Innenhölle betörend schöne und infolge dessen bald widersprüchliche Bilder und legt nicht nur diesbezüglich einen der beachtenswertesten Filme der jüngeren Zeit vor.

8/10

Suri Krishnamma Serienmord Madness Kalifornien Paraphilie


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CAPTAIN PHILLIPS (Paul Greengrass/USA 2013)


"I'm the captain now."

Captain Phillips ~ USA 2013
Directed By: Paul Greengrass

2009 sieht sich Schiffskapitän Phillips, das Containerschiff 'Alabama' mit einer Ladung Hilfsgüter von Oman nach Kenia befördert, mit einer kleinen Gruppe somalischer Piraten konfrontiert. Nachdem Phillips ihnen zunächst durch ein geschicktes Manöver entkommen kann, schafft es Muse (Barkhad Abdi) mit seinen Leuten doch noch, die Alabama zu entern. Auf Dauer erweisen sie sich jedoch der Übermacht und Bordkenntnis der Mannschaft nicht gewachsen und verlassen daher mit einem Rettungsboot und Phillips als Geisel wieder das Schiff. Verfolgt von der Navy entwickelt sich ein nervenaufreibendes Geiseldrama, bei dem Phillips' Leben mehr als einmal auf der Kippe steht...

Tadellos inszeniertes Spannungskino des bekanntermaßen um Kamerawackeleien nie verlegenen Paul Greengrass. Um die permanente Stresssituation, der Phillips sich beginnend mit der ersten Konfrontation mit den ebenso naiven wie entschlossenen Piraten ausgesetzt sieht, zu illustrieren, erweist sich dieses Stilmittel im vorliegenden Fall jedoch als mehr denn probat. Ein hohes Maß an innerer und äußerer Dramatik wird von Greengrass zur Inszenierung des Konflikts zwischen dem pflichtbewussten, räsonablen Seemann und den stets kurz vor der Explosion stehenden, gedungenen Entführern aufgeboten - eine klassische Kidnapping-Story mit all den wohlbekannten, jedoch erneut brillant variierten und umgesetzten Formeln, geschliffenes Studiohandwerk, gibt das finale Resultat her. "Captain Phillips" präsentiert sich auch als ein hervorragender Schauspielerfilm, in dem Tom Hanks in der Titelrolle so gut ist wie lang nicht mehr und auch die von Laien gespielten Somali Grandioses darbieten. Toller Film.

8/10

Paul Greengrass Piraten Afrika Somalia Seefahrt Kidnapping


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LAST MAN STANDING (Joseph Merhi/USA 1995)


"I got 100 Dollars here!"

Last Man Standing ~ USA 1995
Directed By: Joseph Merhi

Detective Bellmore (Jeff Wincott) vom LAPD nimmt den Bankräuber Snake Underwood hops und wundert sich, dass dieser nach nur wenigen Stunden wieder ungefilterte Luft schnuppern kann. Bellmore wittert Korruption in der Chefetage, nominell bei seinen Vorgesetzten Seagrove (Steve Eastin) und Demayo (Michael Greene). Nicht zu Unrecht - eine öffentlich geäußerte Anschuldigung später verursacht Seagrove den Tod von Bellmores Partner Doc (Jonathan Banks) und auch Bellmore selbst steht plötzlich auf der Abschussliste. Zusammen mit seiner kaum minder waffenaffinen Frau Annabella (Jillian McWither) taucht Bellmore zunächst unter und arbeitet dann die gegnerische Seite Mann für Mann ab...

Pepin-Merhi waren und sind seit jeher eines meiner großen Versäumnisse, darum wollte ich wenigstens mal eines ihrer sagenumwobenen Werke beschauen Wie es aussieht, habe ich da mit der DTV-Produktion "Last Man Standing" sogleich einen überragenden Glücksgriff getan, denn Joseph Merhis Film offenbarte sich mir als mehr denn solides Genrestück, das eigentlich viel zu lang auf mich warten musste. Warum kann man "Last Man Standing" mögen, wenn nicht gar lieben? Nun, dafür gibt es mehrere Gründe; etwa den, dass der schlangenlederstiefelbewährte Jeff Wincott, untypisch für einen geschniegelt-definierten Action-Heros Mitte der Neunziger, in jeder dramaturgischen Ruhepause eine Kippe raucht. Dann ist da ein vortrefflicher Sinn für Humor, der, ob frei- oder unfreiwillig, immer wieder ins Schwarze trifft. Merhi schien zudem der Pennergilde von L.A. ein kleines Denkmal bereiten zu wollen, denn in gleich zwei Szenen hat einer von ihnen (mutmaßlich ein authentischer) einen irrwitzigen Auftritt. Die Actionszenen sind mit diversen Explosionen und Auto-Crashs recht spektakulär ausgefallen, an der Montage hätte man allerdings noch arbeiten können. Nichtsdestotrotz ein wie erwähnt schnuckeliger Nineties-Actioner, der sogar zum Dekaden-Kanon gezählt werden müsste; hinreichend brutal, verschmitzt und nicht mal unintelligent.

7/10

Joseph Merhi Pepin-Merhi DTV Los Angeles Verschwörung Korruption Rache


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THE QUILLER MEMORANDUM (Michael Anderson/UK, USA 1966)


"Do you smoke?"

The Quiller Memorandum (Das Quiller-Memorandum - Gefahr aus dem Dunkel) ~ UK/USA 1966
Directed By: Michael Anderson

Der US-Agent Quiller (George Segal) soll im Falle zweier Morde an britischen Geheimdienstlern ermitteln, die von einer Neonazi-Untergrund-Loge in West-Berlin ermordet wurden. In der Mauerstadt angelangt sieht sich Quiller sowohl von den "eigenen" Leuten als auch denen der Gegenseite unentwegt beschattet und beobachtet. Eine der Spuren führt zu der Lehrerin Inge Lindt (Senta Berger), mit der Quiller bald eine Liebesaffäre verbindet. Dabei ist auch Inge nie wirklich durchschaubar: Arbeitet sie tatkräftig bei den Neonazis mit oder ist sie tatsächlich so unschuldig, wie sie zu sein vorgibt? Am Ende kann Quiller das Hauptquartier der Gegner unter deren Obmann 'Oktober' (Max von Sydow) lokalisieren und auffliegen lassen, die Beziehung zu Inge jedoch verläuft kärglich im Sande.

Als eine der vielen "seriöser" formulierten Repliken zur Bond-Reihe, die das Leben eines Geheimagenten im Kalten Krieg als das darzustellen versuchten, was es vornehmlich bedeutete, nämlich unglamourös, einsam, bedrohlich und paranoid zu sein, entstand auch dieses beachtenswerte Werk von Anderson. Dabei gestalteten sich wenige Parallelen zum bewussten Pop-Spion, zumal in der deutschen Fassung, als augen- bzw. ohrfällig: Die Musik stammte auch im Falle "The Quiller Memorandum" von John Barry, was bereits eine auditive Analogie herstellte und Segal erhielt Sean Connerys deutsche Stimme, wobei der Sprecher Gert-Günther Hoffmann sich mühte, dasselbe sonor-arrogante Timbre zu treffen. Damit erschöpften sich jedoch die Gemeinsamkeiten bereits wieder: Der unexotische Handlungsort blieb stets derselbe, Quiller ist vergleichsweise unpromisk und auf die immerselbe Erkennungsparole angewiesen, ohne je selbst wirklich klar zu sehen. Er ist kaum zur Aktion gezwungen, wird quälend verhört und zeigt sich alles andere als heldenhaft, wenn er seine Geliebte als mögliches Mitglied der Nazi-Verschwörer im Stich lässt. All diese eher unangenehmen Geschicke machten Quiller ebenso wie Alec Leamas oder Harry Palmer zum veritablen Anti-007.

7/10

Michael Anderson Harold Pinter Berlin Verschwörung Kalter Krieg Spionage





Filmtagebuch von...

Funxton

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