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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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CITIZEN X (Chris Gerolmo/USA 1995)


"Together, you make a wonderful person."

Citizen X ~ USA 1995
Directed By: Chris Gerolmo

Rostow, UdSSR 1982: Der Gerichtsmediziner Viktor Burakov (Stephen Rea) wird urplötzlich von der lokalen Miliz zum Hauptermittler in einem Fall mehrerer im Wald gefundener Leichen ernannt. Früh ist Burakov davon überzeugt, es mit einem Serienmörder zu tun zu haben, doch während ihn sein Gönner Oberst Fetisov (Donald Sutherland) unterstützt und deckelt, torpediert ihr Vorgesetzter General Bondarchuk (Joss Ackland) sämtliche Untersuchungen, zum einen, um die Staatsräson nicht zu gefährden - im sozialistischen Sowjet-Gefüge darf es so etwas wie einen geisteskranken Schwerverbrecher nicht geben - und zum anderen, um seine eigene Homosexualität zu verschleiern. So wird Bukarov angehalten, seine Ermittlungen auf das Schwulenmilieu zu konzentrieren. Derweil mordet sich der schwer gestörte Angestellte Andrej Chikatilo (Jeffrey DeMunn) trotz einer zwischenzeitlichen Verhaftung unbehelligt weiter durchs Leben. Erst nach dem Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs können Bukarov und Fetisov Chikatilo dingfest machen. Er wird in 52 Fällen des Mordes verurteilt und im folgenden Gewahrsam erschossen.

Seine Fernseh-Herkunft bekommt "Citizen X", der sich mit dem Sujet um Andrej Chikatilo eines der berüchtigsten Serienmörders des vergangen Jahrhunderts annimmt, ausnehmend gut. So wird nämlich deutlich weniger Wert auf Kolportage und hohle Oberflächlichkeiten gelegt als es bei einem Leinwandstück möhlicherweise der Fall gewesen wäre und stattdessen eine teils von dokumentarischer Strenge geprägt, nüchterne Zusammenfassung der Ereignisse wiedergegeben. Einer ebensolchen bedarf es das Thema, wie sich rasch erweist, auch. Der Fall Chikatilo ist tatsächlich voll von Reizen für ein exploitatives Genrestück: Nicht nur weist die Persönlichkeitsstruktur des multiplen Mörders etliche im profiling zum Quasiklischee gereifte Facetten auf (Chikatilo ist impotent, Päderast, und ein schwächliches, graues Staatsmitglied mitsamt Parteiausweis, das im Kollektiv kaum weiter auffällt), auch seine Vorgehensweise ist grausamer, als es sich Scriptfantastereien auszudenken mögen. Chikatilo vergewaltigt seine teilweise unter zehn Jahre alten Opfer, verstümmelt ihre Genitalien, isst Teile von ihnen und masturbiert dazu. Dass der Film sich schon notgedrungen entsprechende visuelle Details erspart und sein Hauptaugenmerk Bukarovs unermüdlicher Arbeit widmet, zeichnet ihn am Ende aus und lässt ihn eben nicht als eine ordinäre Serienkiller-Gesichichte unter Vielen dastehen, sondern als hellsichtige Kritik am verlogenen Sowjet-Idealismus.

8/10

Chris Gerolmo TV-Film Serienmord UDSSR Russland Rostow Historie HBO Biopic


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ALLIGATOR II: THE MUTATION (Jon Hess/USA 1991)


"Do it! I deserve it! We both do!"

Alligator II: The Mutation ~ USA 1991
Directed By: Jon Hess

In einem Kleinstädtchen verschwinden mehrere Menschen, die sich allesamt in der Nähe des zentral gelegenen Sees oder der benachbarten Kanalisation aufgehalten haben. Detective David Hodges (Joseph Bologna), von der Chicano-Bevölkerung liebevoll 'El Solo Lobo' genannt, kann der Sache bald auf den Grund gehen: Ein durch Giftmüll mutierter Alligator frisst sich durch den unvorsichtigen Teil der Einwohner. Gleichzeitig treibt noch ein viel schlimmeres Monster sein Unwesen: der für seine krummen Grundstücksgeschäfte über Leichen gehende Unternehmer Vincent Brown (Steve Railsback).

Eigentlich ein B-Movie nach Maß, angemessen stupid, schnippisch, billig, lustig. Dafür steht die erstklassige Besetzung um Bologna, Railsback, Richard Lynch (ausnahmsweise mal als Sympathieträger) Brock Peters und Dee Wallace Stone, die sich in Cameos durch einige liebe Bekannte ergänzt findet wie Kane Hodder, Professor Toru Tanaka und vor allem - superwitzig - Voyo Goric, der bereits mit uns Winnetou und Old Shatterhand (im Tal der Toten) über die Leinwand geritten war. Insofern alles golden.
Leider, leider gibt es jedoch auch zwei extreme Störfaktoren: Zum einen sind die Alligator-Tricks im Vergleich zu Lewis Teagues zehn Jahre älterem, viel ambitionierterem Original zum Heulen. Zumeist hat man einfach echte Exemplare abgefilmt und für einige wenige Szenen Animatronik benutzt, die sich jedoch in Kopf und Schwanz erschöpft. Dies hat zur Folge, dass die Größe des Untiers permanent variiert, wobei es nie wirklich riesig und somit für ein monster movie allzu unspektakulär ist. Zum anderen ist Hess' Film schlicht zu lang. Wenngleich der Showdown nochmal Manches gut macht, hätte ein geschickterer Regisseur gute zehn Minuten unterm Schneidetisch zurückgelassen. Besonders im letzten Drittel verliert "Alligator II" sukzessive an Fahrt, dass man nicht eben selten verschämt nach dem Zählwerk schielt.

4/10

Jon Hess Sequel Alligator Monster Trash Kleinstadt Tierhorror


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BORN AMERICAN (Renny Harlin/USA, FIN 1986)


"Sleep, my little friend. You deserve a better world."

Born American ~ USA/FIN 1986
Directed By: Renny Harlin

Die drei jungen amerikanischen Freunde Savoy (Mike Norris), Mitch (Steve Durham) und K.C. (David Coburn) bereisen Europa. In der finnischen Provinz, in die sie zum Jagen gekommen sind, sitzen sie aus einer bierseligen Laune heraus auf der verhängnisvolle Idee auf, aus reinem Jux die sowjetische Grenze zu überschreiten, hinter der sie sich dann prompt verirren. In einem nahe gelegenen Dorf hält man sie für die Mörder eines erst kurz zuvor getöteten Mädchens und es kommt zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung, bei der sich das Trio gegen flugs anrückende Militärs zur Wehr setzen muss. Man wird gefasst und landet in einem desolaten Gefängnis. Mitch verfrachtet man in den Trakt mit den Verrückten, der schwer verletzte K.C. wird von einem Mitgefangenen "erlöst". Savoy trifft auf den geheimnisvollen 'Admiral' (Thalmus Rasulala), einen politischen US-Gefangenen im Besitz vieler brisanter Geheimnisse um CIA und KGB. Mit seiner Hilfe soll Savoy aus jenen gräulichen Mauern und zurück über die Grenze fliehen.

Sein Langfilmdebüt, ein wütendes, offen populistisches Pamphlet gegen das damalige "Reich des Bösen", brachte Renny Harlin erwartungsgemäß zunächst nur wenige Freunde auf liberaler Seite ein. In einer mehr oder weniger eindeutigen Replik auf und zu Alan Parkers "Midnight Express" ließ Harlin die Söhne von Chuck Norris und James Coburn in russische Gefangenschaft geraten, deren Methodik die Menschenrechte dem Vernehmen nach ebenso mit Füßen trat wie die türkische weiter südlich. Wer hier keine Beziehungen oder einen übermächtig starken Willen besitzt, der ist unausweichlich zum Tode verdammt; sei es durch Kälte, Hunger, äußere Gewalt oder, am Wahrscheinlichsten, das schiere Abdriften in den Wahn.
Mike Norris als Savoy Brown (toller Rollenname) wird gleich von Beginn an als besonnenster und stärkster des Freundetrios charakterisiert, der Grund, warum er auch als einziger am Leben bleibt. Die kick moves hat er sich beim berühmten Papi abgeschaut und auch der zielsichere Umgang mit der Uzi und anderem Feuerwerk deutet auf dessen stramme häusliche Erziehung hin.
Ansonsten scheinen mir die durchaus ambitionierte, zu einiger Dramatik neigende Inszenierung und das vergleichsweise tendenziöse Script nicht immer in homogener Weise zu arbeiten; man glaubt häufig zu spüren, dass Harlin doch mehr wollte, als er es letztlich zu formulieren im Stande war. Nichtsdestotrotz ein beachtliches Zeitporträt auf Augenhöhe mit Milius' gesinnungsgenössischem "Red Dawn".

5/10

Renny Harlin Finnland Helsinki Russland Kalter Krieg Gefängnis Flucht UDSSR


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MUD (Jeff Nichols/USA 2012)


"He's not dangerous."

Mud ~ USA 2012
Directed By: Jeff Nichols

Die beiden aus dem Arbeitermilieu am Mississippi stammenden, vierzehnjährigen Freunde Ellis (Tye Sheridan) und Neckbone (Jacob Lofland) entdecken auf einer Flussinsel den sich dort versteckenden Mud (Matthew McConaughey). Die State Police und die Killer des Gangsterbosses King (Joe Don Baker) sind ihm auf den Fersen, weil er im Zuge einer Eifersuchtsrache Kings Sohn erschossen hat. Mud plant, mit einem alten Boot und seiner Freundin Juliper (Reese Witherspoon), die in der Stadt auftaucht, über den Golf nach Mexiko zu fliehen. Die Jungs, besonders Ellis, dessen Welt soeben im Zerbrechen begriffen ist, weil seine Eltern (Ray McKinnon, Sarah Paulson) die Scheidung planen, entschließen sich, Mud bei seiner Flucht zu unterstützen. Dabei gilt es jedoch, einige Hürden zu nehmen.

Eine sehr liebenswerte Außenseiter-Geschichte hat Jeff Nichols da zu Papier und Zelluloid gebracht, deren etymologische Titelparallele zu Martin Ritts "Hud" vielleicht nicht ganz zufällig ist. Der im Moment ja urplötzlich wieder allgegenwärtig scheinende McConaughey spielt nämlich eine Rolle, die vor 45 Jahren verpflihtend für Paul Newman gewesen wäre; einen Südstaaten-Outlaw, der durch die Gegend tingelt und seine Himmelschlösser aus Lebenslügen so lang erfolgreich praktiziert, bis er endgültig in der Patsche sitzt. Eine unglückliche, amouröse Besessenheit treibt ihn in die totale Enge, bis es an zwei selbst noch grünen Jungs ist, ihn Vernunft und Stärke zu lehren. Ganz unbemerkt rückt Nichols dabei den Titelhelden aus dem Fokus und stattdessen den liebenswerten, selbst nicht immer ganz vernünftigen Ellis ins Zentrum seines Films, der sich ganz der gemächlichen Explosivität eines forcierten Erwachsenwerdens verschreibt und seine Story mit ebenso unspektakulären wie schönen Bildern erzählt. Dass "Mud" am Ende zu einer willkürlichen Mixtur aus Realismus und Kintopp geronnen ist, die sich gegen das Verzagen und für die Hoffnung entscheidet, gehört zu der wesensimmanenten Konsequenz des Films.

9/10

Jeff Nichols Arkansas Coming of Age Freundschaft Flucht Südstaaten Mississippi


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THE VALACHI PAPERS (Terence Young/F, I 1972)


"You made my decision."

The Valachi Papers (Die Valachi-Papiere) ~ F/I 1972
Directed By: Terence Young

Der Gangster Joe Valachi (Charles Bronson), einst lange Jahre als Fahrer für diverse New Yorker Unterweltgrößen tätig, landet im Knast und damit prompt auf der Todesliste des ebenfalls einsitzenden Paten Vito Genovese (Lino Ventura), der hinter Valachi einen heimlichen Kronzeugen fürs FBI vermutet. Erst nach einer offenen Mordankündigung durch Genovese ntschließt sich Valachi, wirklich auszupacken und berichtet dem Beamten Ryan (Gerald O'Loughlin) in langwierigen Sitzungen alles, was er über die Cosa Nostra weiß und bei ihr gelernt hat.

Nach "The Godfather" boomte der Mafiafilm, wobei besonders authentizitätsverhaftete Geschichten, die den Mob auf jene spezifische Weise zugleich ent- und remystifizierten, von Interesse waren. Die De-Laurentiis-Produktion "The Valachi Papers" bediente sich der authentischen Geschichte um das Mafia-Mitglied Joseph Valachi, der in Todesangst zum ersten öffentlich aussagenden Informanten des FBI wurde und trotz hochdotierter Kopfgelder eines natürlichen Todes im Gefängnis starb. Das Original war vermutlich nicht ganz so kernig wie sein von Bronson gespieltes Pendant auf der Leinwand, zu Beginn befremdlich schäuzerlos und mit grau gepuderter Perrücke auftretend. Doch dies bildet keinen Störfaktor. So spannend und ergiebig das Thema, so Vieles löst der Film ein: der mit viel Zeitkolorit garnierte Einblick in die hierarchischen Strukturen und Rituale der 'famiglia' nebst Ehrenkox und Vergeltungsschlag, sein authentisches Personal sowie die erlesene Besetzung, aus der neben Bronson und Ventura vor allem Joseph Wiseman und Guido Leontini hervorstechen Die Inszenierung unter Terence Young bleibt allerdings stets arg routiniert und programmatisch. Ein prägnanterer Regisseur mit etwas mehr Mut zur Extravaganz hätte "The Valachi Papers", der aufgrund seiner inhaltlichen Komplexität doch so viel hergibt, vielleicht zu einem Werk von Weltformat gemacht, wie es 18 Jahre später auch der ganz ähnlich konnotierte "Goodfellas" wurde.

8/10

Terence Young New York Mafia period piece Historie Gefängnis Verhör Biopic


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THE COLLECTION (Marcus Dunstan/USA 2012)


"Are you here to kill me?"

The Collection ~ USA 2012
Directed By: Marcus Dunstan

Arkin O'Brien (Josh Stewart), der nach einem harten Duell doch noch vom Collector (Randall Archer) gefangen und verschleppt wurde, soll nun, wie es die Tradition vorgibt, Zeuge des neuesten Streichs des wahnsinnigen Killers werden. Diesmal hat jener sich eine komplette Underground-Disco als Wirkungsstätte ausgesucht, in der er ein umfangreiches Massaker anrichtet. Einzige Überlebende - und somit neuestes Sammlestück des Collector - ist die Millionärstochter Elena Peters (Emma Fitzpatrick). Arkin jedoch kann diesmal entkommen, nicht allerdings, ohne bald darauf eine perfide Genesungskarte des Collector zu erhalten. Grund genug für Arkin, sich einem Eliteteam anzuschließen, das Elenas Vater (Christopher McDonald) kurzerhand zusammengestellt hat. Dieses will sich von Arkin zum Versteck des Killers führen lassen, um diesen endlich dingfest zu machen und Elena zu befreien. Doch das Domizil des Collector ist eine Menagerie des Todes, aus der ohne Weiteres niemand mehr entkommen kann.

Der Serienmörder als Massenmörder, auch das eine von vielen Parallelen zum "Saw"-Franchise, gibt sich zu Beginn des bereits titulär vielsagenden "Collector"-Sequels "The Collection" die blutrünstige Ehre. Eine riesige Dreschmaschine fährt auf Hüfthöhe mitten durch eine Gruppe ausgelassen feiernder, junger Menschen, um selbige in ihre Atome zu zerlegen. Diese, natürlich nicht bierernst zu nehmende, Ausgangssequenz gibt exakt die Richtung dieser doch um Einiges ungelenkeren Fortsetzung vor. Wie versprochen erhalten wir diesmal Einblick in die Sammlung des Sammlers, welche da multiple Psychosen vermuten, und, ein weiteres Sequel bereits antizipierend, eigentlich eine ganze Sammler-Schar hinter all den morbiden Kunstwerken vermuten lässt. Das, was der Geistesgestörte hier zusammenträgt, ist jedenfalls eine Art gesammelter Werke diverser Kino-Killer der letzten Dekaden - des Collectors Galerien wecken Erinnerungen an "Maniac", "Resurrection", "The Bone Collector" oder auch das "TCM"-Mobiliar und bestimmt noch zig andere, die mir gerade nicht einfallen oder die ich nicht kenne. Die Idee mit dem nach und nach dezimierten 'Platoon' war erst kürzlich noch im ersten "Hatchet"-Sequel nachzulesen. Man kann Marcus Dunstan angesichts soviel Reminiszenz-Gewese sicherlich vieles andichten - Innovativität zählt nicht dazu. Was bleibt, ist eine filmische Abrissbirne, ein großer, fetter Schaschlik-Spieß, der auf eher ungesunde Art völlt.

5/10

Marcus Dunstan torture porn Serienmord Splatter Nacht Sequel


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THE COLLECTOR (Marcus Dunstan/USA 2009)


"What's the time?"

The Collector ~ USA 2009
Directed By: Marcus Dunstan

Arkin O'Brien (Josh Stewart) renoviert als einer von vielen Handwerkern die rural gelegene Villa der Familie Chase. Was die Chases nicht ahnen: Der freundliche Arbeiter ist ein Ex-Knacki, dessen Frau Lisa (Daniella Alonso) einen riesigen Schuldenberg abzutragen hat. Also hat Arkin bereits den kompletten Hausgrundriss ausbaldowert, um in der folgenden Nacht - die Chases sind angeblich außer Haus - einen kleinen Bruch zu machen und den Tresor zu leeren. Leider jedoch ist Arkin nicht der einzige nächtliche Besucher. Zeitgleich mit ihm ist der 'Collector' zu Gast im Hause Chase - ein berüchtigter Serienmörder, der immer nur ein einziges Opfer am Leben lässt und dieses am Ende mit sich nimmt. Der Collector hat bereits das gesamte Haus mit tödlichen Fallen versehen und die Eltern Chase (Michael Reilly Burke, Andrea Roth) in seiner Gewalt. Nun ist der Einbrecher Arkin der einzige, unfreiwillige Verbündete der Chases. Ein tödliches Duell zwischen ihm und dem Collector entbrennt.

Marcus Dunstan, ein feister, freundlicher Herr Ende 30, der ein bisschen aussieht wie der dickere Zwillingsbuder von Eddie Vedder, hat bereits eifrig an den letzten vier "Saw"-Filmen mitgewerkelt, was bereits unzweideutige Hinweise auf seine Vorlieben offenbart. Tatsächlich schlummern fiesesete Ideen in dem Mann, der sich immer dann am wohlsten zu fühlen scheint, wenn er sich, stellvertretend für seine restlos abartig veranlagten Kinomörder, sadistische Fallen ausdenken kann, die ihre ahnungslosen Opfer in tausend Teile zerfetzen. Auch "The Collector" funktioniert nach diesem Schema: Ein verrückter Maskenmann (dessen Sackdesign ein wenig an das von Cronenberg in "Nightbreed" erinnert), der nicht nur über außerordentliche Intelligenz, sondern auch über eine extrem pathologische Kreativität verfügt, ver"mint" eine komplette Villa mit diversen Klingen, Bärenfallen und Spießen, um hernach die Einwohner mittendurch zu jagen. Wer sich am gescheitesten anstellt, wandert später in die Sammlung, denn natürlich hat der Collector, wie weiland sein literarischer Ahnherr Freddie Clegg, ein Faible für seltene Exemplare vom Schmetterling bis hin zum Zweibeiner.
Ähnlich sehenswert wie die meisten jüngeren "Home-Invasion"-Schocker zeugt auch Dunstans Werk von einigem Geschick und großer technischer Versiertheit, die sich im ziemlich ansehnlichen Stil des Films, der bei allem Herumgematsche höchsten ästhetischen Ansprüchen genügt, niederschlägt.

7/10

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TRAIN (Gideon Raff/USA 2008)


"If you do this, you're not better than us." - "Perhaps I'm not."

Train ~ USA 2008
Directed By: Gideon Raff

Sechs Mitglieder der in Russland antretenden US-Ringer-Mannschaft, darunter die eher mittelmäßig motivierte Alex (Thora Birch) und ihr Freund Todd (Derek Magyar), nehmen einen außerplanmäßigen Zug Richtung Odessa. Wie sich bald herausstellt, sind sie alle in die Fänge einer lokal operierenden Organmafia gegangen, die mit diesem Zug große Metropolen in Osteuropa anfährt und ahnungslose Touristen verschleppt, um ihnen im letzten Wagon bei lebendigem Leibe die benötigten Körperteile zu extrahieren. Als man sich sämtlicher von Alex' Freunden "angenommen" hat und nurmehr sie selbst übrig ist, entschließt sie sich endlich zu entschiedener Gegenwehr.

"Train" gehört zu jenen Filmen, denen ich im Prinzip lediglich deshalb mein gehobenes Augenmerk widme(te), weil sie (in ungekürzter Form) in Deutschland nach §131 StGb beschlagnahmt und damit für den hiesig sesshaften Gore-Enthusiasten gewissermaßen von besonders funkelndem Interesse sind. Ansonsten wüsste ich vermutlich nicht einmal von seiner Existenz.
Nun, die Sadismen und fiesen Ideen, die Gideon Raff in seinem zweiten und bis dato letzten - mittlerweile scheint er sich nurmehr auf das etwas gewinnversprechendere Fernsehen zu kaprizieren - Langfilm vorlegt, entsprechen, zumal in ihrem stereotyp formulierten Kontext, sicherlich schon dem, was den einen oder anderen selbsternannten Sittenwächter auf die Protestbarrikaden treibt. Doch bei allem Brimborium: Unwesentlich anderes als eine "Hostel"-Variante im Zug bietet "Train" nicht. Das Organhandel-Motiv kennt man noch aus "Turistas", mit Thora Birch konnte immerhin eine vormals renommierte Aktrice als 'final girl' gewonnen werden. Und die Slawen, die, das weiß man aus anderen Genrevertretern, ihre neugewonnene Freiheit vor allem gezielt dazu nutzen, ahnungslose Westtouristen (im wahrsten Wortsinne) auszunehmen, repräsentieren einmal mehr dankbare Feindbilder. An manchen Enden spürt man schon, dass "Train" formal gegen sein spekulatives Foltergewand zu arbeiten versucht; sich gar etwas mehr Würde, Konsumierbarkeit und Eleganz verleihen möchte, als es seinem Sujet gemeinhin zusteht. Das wirkt dann bestimmt possierlich, am Ende jedoch zwecklos: Ich kann nicht allen Ernstes in einer Sekunde eine offene Wirbelsäule zermeißeln lassen, um dann in der nächsten auf der Soundspur zu klingen wie Hans Zimmer und von den Zuschauern erwarten, dass sie das kommentarlos fressen.
Wie gehabt also: Anschaulicher, nicht allzu inflationär vorgetragener Splatter für Zeitgenossen, die genau dies wünschen.

6/10

Gideon Raff Splatter Organhandel Russland Terrorfilm Zug torture porn


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QUELQU'UN DERRIÈRE LA PORTE (Nicolas Gessner/F 1971)


"Why would you want to help me?" - "Because I'm your doctor."

Quelqu'Un Derrière La Porte (Der Mörder hinter der Tür) ~ F 1971
Directed By: Nicolas Gessner

Der Gehirnchirurg Laurence Jeffries (Anthony Perkins) ist besessen von seiner Arbeit und vernachlässigt seine Frau Frances (Jill Ireland), die sich demzufolhe auf der anderen Kanalseite einen französischen Liebhaber (Henri Garcin) hält, mit dem sie sich unter Vorwänden regelmäßig trifft. Jeffries weiß davon, vermag jedoch nicht, gegen Frances aufzubegehren. Als eines Abends ein amnesischer Patient (Charles Bronson) in seine Klinik eingeliefert wird, fasst Jeffries kurzerhand einen teuflischen Plan: Er dichtet dem Mann, den er mit zu sich nach Hause nimmt, seine eigene Vergangenheit an, erzählt ihm, Frances wäre seine Ehefrau und würde Ihm Hörner aufsetzen. Der labile Fremde nimmt Jeffries seine Geschichte tatsächlich ab und identifiziert sich mit seiner aufoktroyierten Rolle. Doch der sich so brillant wähnende Arzt ahnt nicht, um wen es sich bei seinem Hausgast wirklich handelt...

Mit "Qulqu'Un Derrière La Porte" näherte sich Bronsons Euro-Engagement langsam aber sicher seinem Schwanengesang. Eine schleichende Übergangsphase erfolgte nun, die den gemeißelten Mimen nach ein paar internationalen Coproduktionen mit Richard Fleischers "Mr. Majestyk" engültig in die USA zurück führte. In Gessners beeindruckendem Kammerspiel, dass sich aufgrund seiner räumlichen Verdichtung im Übrigen exzellent als Bühnenstück adaptieren ließe, spielt Bronson vielleicht eine seiner ehrlichsten Rollen: Als entflohener Geisteskranker, Vergewaltiger und Mörder ohne Gedächtnis ist er trotz all der Jahre späteren Vigilantentums noch immer grandios vorstellbar. Auch darstellerisch straft er hierin so manchen inkompetenten Kritiker Lügen. Sein häufig verwirrtes, fragendes Gesicht mitsamt traurigem Augenpaar, dessen Unterbewusstsein natürlich all seine Schandtaten gespeichert hat, zeugt von einer Spielqualität, die später leider redundant wurde und damit zwangsläufig brachzuliegen hatte. Und sein herzzereißender Suizid am Ende, als er sich, vielleicht doch noch ein letztes Mal Herr aller seiner Sinne, der neuerlich drohenden Gefangennahme sowie der quälenden Gewissheit auf die einzig denkbare Art entzieht.

8/10

Nicolas Gessner England Norfolk Amnesie Madness


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DE LA PART DES COPAINS (Terence Young/F, I, B 1970)


"Killing him wouldn't be murder. It would be like cleaning a cesspool."

De La Part Des Copains (Kalter Schweiß) ~ F/I/B 1970
Directed By: Terence Young

Der Indochina-Veteran und entflohene Ex-Knacki Joe Martin (Charles Bronson) hat sich bereits vor längerem mit Frau Fabienne (Liv Ullman) und Stieftochter Michèle (Yanick Delulle) an der Côte D'Azur niedergelassen, wo er mit einigem Erfolg reichen Amateurkapitänen das Navigieren auf See beibringt. Eines Tages tauchen jedoch seine vier früheren Mitgefangenen Katanga (Jean Topart), Ross (James Mason), Gelardi (Luigi Pistilli) und Whitey (Michel Constantin) nebst dem Gangsterblondchen Moira (Jill Ireland) auf. Joe hatte sie einst während des Ausbruchs in dem deutschen Militärgefängnis zurücklassen und ohne sie türmen müssen. Nun folgt die Abrechnung: Nachdem Joe den Vorboten Whitey erledigen kann, nehmen die verbleibenden Finsterlinge Fabienne und Michèle als Geiseln. Joe soll die Gangster mit seinem Boot in die Ägäis bringen. Doch der wehrhafte Familienvater lässt sich nicht beugen.

Schnörkelloser Eurokrimi, der eine frühe Paraderolle für Bronson transportiert und von Terence Young pointiert inszeniert wurde. Weg vom noch künstlerisch beflisseneren Genrekino der letzten Jahre silhouettiert "De La Part Des Copains" bereits Bronsons kommenden Archetypus - den des unerbittlichen, kantigen Helden, der sich mit wenigen Worten seinen Weg bahnt und der Bedrohungen der eigenen Person und vor allem der Familie mit doppelter Münze vergilt. Dem vorausgeschickten Whitey bricht Joe nach einem Zweikampf das Genick, den besonders boshaft (da misogyn, pädophil, und egozentrisch) charakterisierten Katanga setzt er am Schluss in Flammen. Dass Young an existenzialistischer Schwere nicht explizit interessiert ist, zeigen andererseits vergleichsweise versöhnliche Momente: Die zurückkehrende Besonnenheit des verblutenden James Mason angesichts des nahenden Todes etwa, der sich doch noch gegen seine Kumpane stellt oder die Schlussminute, die dem besorgten Zuschauer gewissermaßen garantieren soll, dass den Martins trotz der schweren Stunden zuvor ein untraumatisiertes, glückliches Weiterleben garantiert ist. Brosons privates Rennen gegen die Zeit und zwei Motorrad-Flics in einem roten Granada-Cabrio über die Provinz-Serpentinen ist ein kleines Meisterstück zeitgenössischen Actionkinos.

7/10

Terence Young Familie Kidnapping Côte dAzur car chase





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Funxton

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