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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE PUBLIC EYE (Howard Franklin/USA 1992)


"Everybody loves to have their picture taken."

The Public Eye (Der Reporter) ~ USA 1992
Directed By: Howard Franklin

Im New York der frühen vierziger Jahre gibt es einen, der immer zur richtigen zeit am richtigen Ort ist: Leon Bernstein (Joe Pesci), freier Fotograf und Paparazzo, der vor allem Sensationsfotos von Tod und Elend schießt und diese dann gegen ein mittelprächtiges Entgelt an die Presse verscherbelt. Der einsame Leon sieht sich selbst als kunstbeflissener Großstadtchronist, vielleicht auch ein wenig, um seine schmutzige Profession abzuleugnen, weniger sensible Zeitgenossen bezeichnen ihn als "Blitzlichtratte". Als ihn Kay (Barbara Hershey), die Witwe des Nachtklubbesitzers Lou Levitz kontaktiert, um ihr Informationen über einen sie bedrängenden, angeblichen Partner (David Gianopoulos) ihres verblichenen Gatten zu geben, ist dies für Leon nur die erste Spur einer bis in höchste Politikerkreise reichende Schwarzbenzin-Affäre, in der der Mafiaboss Spoleto (Dominic Chianese) die Fäden zieht und sich unliebsamer Konkurrenten zu entledigen plant. Eine perfekte Möglichkeit, Leons Arbeit etwas aktionsnäher auszurichten...

Ein feiner neo noir, der, angesiedelt im klassischen Gangsterambiente, ausnahmsweise keinen ausgewiesenen Schnüffler, sondern einen weitflächig verachteten Zeitgenossen vom äußeren Bildrand zum Protagonisten deklariert. Die aufdringlichen, sensaionsgeilen Fotografen mit ihren riesigen Blitzlichtern nimmt man üblicherweise eher als mehr oder weniger lästiges Komparsengeschmeiß wahr - umso fälliger vielleicht eine wie in "The Public Eye" stattfindende Teilrehabilitierung ihres keineswegs belastungsarmen Berufsstandes im Kino. Joe Pesci hat hier ausnahmsweise die Möglichkeit, frei von Cholerik und explosivem Irrsinn zu agieren als ein eher schüchterner, sich nach Zuneigung sehnender Schmutzfink, der sich seine im Halblichtmilieu abspielende Arbeit schön redet und sie nur allzu gern als teuren Bildband ediert sähe. Den für eine solche Story unerlässlichen, glamourösen Faktor bringt eine großzügig dekolletierte Barbara Hershey mit ein, als nicht ganz durchsichtige Kay Levitz einen guten Kopf größer als der zudem schlecht gekleidete Leon Bernstein, die jedoch als einzige seinen Kern durchschimmern sieht. Das Ende bildet in seiner an "Taxi Driver" erinnernden Moralverkehrung einen passgenauen Abschluss für diesen kleinkalibrigen, jedoch wirklich sehenswerten Film.

8/10

New York period piece Howard Franklin Fotografie Mafia Verschwörung film noir neo noir


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VIOLENT SATURDAY (Richard Fleischer/USA 1955)


"The Lord will prevent it."

Violent Saturday (Sensation am Sonnabend) ~ USA 1955
Directed By: Richard Fleischer

Ein Gangsterquartett (Stephen McNally, Lee Marvin, J. Carroll Naish, Robert Adler) hat sich für seinen nächsten Coup die Bank von Bradenville, einer Kleinstadt in Arizona, ausgesucht. Dabei haben die Leute von Bradenville, dessen Bruttosozialprodukt vornehmlich von dem unglücklich verheirateten Minen-Unternehmer Fairchild (Richard Egan) abhängig ist, bereits genug Sorgen: Fairchilds Manager Shelley Martin (Victor Mature) hadert mit seinem Ältesten (Billy Chapin), der ihn für einen Feigling hält, der Bankier Harry Reeves (Tommy Noonan) stellt der Krankenschwester Linda (Virginia Leith) nach, die Bibliothekarin Elsie Braden (Silvia Sidney) kommt mit ihren Wechseln nicht nach und Fairchilds Frau (Margaret Hayes) zieht über die Dörfer. Als ausgerechnet diese Scheinidylle von den vier Verbrechern aufs Korn genommen wird, stehen einige mehr oder weniger glückliche Renovierungen des lokalen Sozialgefüges ins Haus.

Eines seiner großen Meisterwerke ist ausgerechnet dieser wenig beleumdete Film Richard Fleischers, in jeder Hinsicht exzellent, irgendwo im gattungshistorischen Niemandsland zwischen film noir und den melodramatischen Kleinstadtstudien eines Douglas Sirk ersonnen und es sich darin vortrefflich bequemmachend. Technisch und narrativ höchst virtuos erzählt Fleischer seine Caper-Story unter Verwendung vieler kleiner Subplots und etlicher charakterisiernder Klein- und Kleinstdetails, was trotz der strengen Erzählzeit ein vollkommen tragfähiges Figurenkaleidoskop ermöglicht. Die beliebte Floskel des "Seiner Zeit Voraus"-Seins habe ich schon lange nicht mehr als so eklatant empfunden wie im Falle "Violent Saturday".
Freundschaft, Vertrauen, Obsession, Verzweiflung, Gewalt, Ethik und Liebe, all diese großen Emotionen und Lebensumtriebe bringen Fleischer und der Autor Sydney Boehm ("The Big Heat") wie beiläufig und doch höchst vital mit in ihr fabulöses Werk ein, das sich auf 48 angespannte Stunden erzählter Zeit kapriziert. Dabei habe ich den vielleicht tragischsten Charakter des Films bisher noch nicht einmal erwähnt: Ernest Borgnine als Amish-Farmer Stadt (ein rundes Vierteljahrhundert später wird er in einer ähnlich gelagerten Rolle in Wes Cravens "Deadly Blessing" zu sehen sein) weigert sich standhaft, auf die Gewalt der ihn und seine Familie in Geiselhaft nehmenden Gangster zu reagieren, bis er am Schluss zur Rettung seines Retters Martin zur Heugabel greift und damit durch einen instinktiven Streich seine gesamte Lebensüberzeugung verrät.

10/10

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PHANTOM OF THE RUE MORGUE (Roy Del Ruth/USA 1954)


"I sure didn't kill anyone. My consciousness is clean as my hands, as they say!"

Phantom Of The Rue Morgue (Der Würger von Paris) ~ USA 1954
Directed By: Roy Del Ruth

Paris um die vorletzte Jahrhundertwende. Ein Frauenmörder, der über die Dächer der Stadt kommt und geht, macht die Metropole unsicher. Besonders ungewöhnlich dabei vor allem die Vorgehensweise des Täters, der seine Opfer mit ungeheurer Kraft verstümmelt und deren Wohnungseinrichtungen zertrümmert. Die Spuren - signierte Fotografien, kleine Schmuckgeschenke und ähnliches - führen den schnell mit Verdachtsmomenten bei der Hand befindlichen Inspecteur Bonnard (Claude Duphin) ins Studentenmilieu und weiter zu dem jungen Professor Dupin (Steve Forrest), der sich durch eine persönliche Mörderhatz unglücklicherweise noch verdächtiger macht. Doch Dupin gibt nicht auf und hat alsbald die rettende Idee: Der "Täter" muss ein konditionierter Affe sein; etwas, womit Dupins Kollege Marais (Karl Malden) einige Erfahrung hat...

Ähnlich wie Robert Floreys 1932 entstandener "Murders In The Rue Morgue" präsentiert diese lose auf Poes Kurzgeschichte basierende Adaption einen bösen menschlichen Geist hinter den äffischen Attacken. Diesmal geht der Plot allerdings nicht ganz so sehr in Richtung Science Fiction, sondern stellt einen verwirrten, beziehungskranken Verhaltensforscher in sein Zentrum, gespielt von einem wie immer höchst sehenswerten Karl Malden, der damals noch häufiger als gestörter Widerwart im Kino zu sehen war. "Phantom Of The Rue Morgue" gehörte, ebenso wie André De Toths atmosphärisch recht ähnlich gelagerter "House Of Wax", zu einer kleinen Offensive, im Zuge derer das besorgende Studio sich anschickte, Genrefilme in schickem Warnercolor und Zweistreifen-3D ins Kino zu bringen - mit wechselhaftem Erfolg. Heute sind vor allem die schönen Atelierbauten und Kostüme von gehobenem Interesse, sowie natürlich der arme, verwirrte Gorilla 'Sultan' (eine weitere Freiheit gegenüber Poe, bei dem der Amok laufende Primat ein Orang Utan war), wie uns der Film versichert, ein eigentlich liebenswerter Kerl, an dessen beschissener Sozialisation bloß ein halbgescheiter Matrose (Anthony Caruso) und eben dieser misogyne Wissenschaftler mit Freud-Tick Schuld tragen. Wie dereinst King Kong wird der Ärmste am Ende zusammengeschossen, nachdem er die Schöne (Patricia Medina) wieder hat laufen lassen und, immerhin, nachdem er sich seiner beiden selbsternannten Herren zuvor entledigt hat.

8/10

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TOY SOLDIERS (Daniel Petrie Jr./USA 1991)


"Fuck my father and fuck you too. I'm not going anywhere without my friends."

Toy Soldiers (Boy Soldiers) ~ USA 1991
Directed By: Daniel Petrie Jr.

Weil sein Vater Enrique (Jesse Doran), ein berüchtigter Drogenbaron, in den USA angeklagt, dorthin deportiert und in Florida inhaftiert wird, entschließt sich der Kolumbianer Luis Cali (Andrew Divoff), ihn freizupressen: Er besetzt mit seinen Genossen das Jungeninternat 'Regis High', das der Sohn (Knowl Johnson) des Hauptanklägers Donoghue besucht (wobei ausgerechnet dieser bereits präventiv beurlaubt wurde), und nimmt sämtliche Schüler als Geiseln, um den alten Herrn freizupressen. Unter den Kids befindet sich auch der renitente Billy Tepper (Sean Astin), der sich zusammen mit seinen Kumpels weigert, dem terroristischen Treiben tatenlos zuzusehen und stattdessen mit allerlei Tricks und Schliche gegen Cali und seine Männer vorgeht.

Nominell passend zur kolumbianischen Koks-Metropole Cali schickten der vormalige Scriptwriter Daniel Petrie Jr. in seinem Regiedebüt nebst Co-Autor David Koepp eine Gruppe aufrechter US-amerikanischer Jungs gegen eine Bande systemzersetzender Drogenterroristen ins Feld. Eine nicht mal unüble, spannende Motiv-Melange aus "Die Hard" und "Dead Poet's Society" kam dabei heraus, stark komplexitätsentschlackt freilich und auf ein primär affektiv orientiertes, junges Publikum zugeschnitten. Handwerklich tadellos geraten gibt sich der Film den Anstrich einer Hochglanz-Produktion, wie sie eigentlich doch deutlich besser zum Vorgänger-Jahrzehnt passte; den Schnitt besorgte Spielbergs Hauscutter Michael Khan und Robert Folks bombastischer Score klingt dementsprechend frappant nach John Williams und Jerry Goldsmith. Etwas eklektisch mutet zunächst die Kombination aus durchaus harter Flinten-Action, die der ihres großen Vorbilds kaum nachsteht und mehr oder weniger typischer Pennälerkomödie an. Ein Eindruck, der sich mit zunehmender Erzählzeit allerdings wieder realtiviert und am Ende sogar sinnstiftend wirkt.
Dass nämlich ein ebenso selbstbewusster wie unbegradigter teenage rebel die Kastanien aus dem Feuer holt [ohne sich dabei verbrennen, respektive besudeln zu müssen versteht sich; beim letzten, blutigen Akt unterstützt ihn sein liebenswerter Dekan und Ersatzvater (Louis Gossett Jr.)], spiegelt die reaktionäre Basisposition des Films wider: Nachdem Politik und Militär sich des Dilemmas staatlicher Erpressbarkeit nicht mehr stellen müssen, weil ihnen die Mafia bereits die Entscheidung abgenommen hat, kommt nurmehr eine militärische Lösung in Frage. Doch ginge diese gnadenlos in die Hose, weil von weißhaarigen Senioren (Mason Adams) initialisiert; es bedarf junger, erfindungsreicher Freigeister, um die Staatsräson durchzuboxen.

7/10

Daniel Petrie Jr. Schule Internat Terrorismus Mafia Freundschaft Militär


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OUT OF THE FURNACE (Scott Cooper/USA 2013)


"I got a problem with everybody."

Out Of The Furnace (Auge um Auge) ~ USA 2013
Directed By: Scott Cooper

Als der rechtschaffene Stahlarbeiter Russell Blaze (Christian Bale) eines Abends leicht alkoholisiert in einen schweren Unfall verwickelt wird, hat dies schlimme Folgen für ihn: Er kommt wegen fahrlässiger Tötung ins Gefängnis. Während seines Knastaufenthalts trennt sich seine geliebte Freundin Lina (Zoe Saldana) von ihm und kommt mit dem örtlichen Sheriff (Forest Whitaker) zusammen, sein Vater (Bingo O'Malley) stirbt und sein jüngerer Bruder Rodney (Casey Affleck), traumatisierter Irakkriegsveteran, lässt sich hochverschuldet auf illegale Bareknuckle-Fights ein. Rodney gerät dabei an den miesen Hillbilly DeGroat (Woody Harrelson) gerät, was seinen Tod bedeutet. Da sich die Polizei in dieser Situation als unfähig erweist, entschließt sich Russell, das Gesetz selbst in die Hand zu nehmen.

Nach "Crazy Heart" eine weitere, stargespickte Ur-Americana von Scott Cooper um eine nicht minder "landestypische" Fallgeschichte. Dem ungeschriebenen, folkloristischen Gesetz zufolge, dass Country-Musik und legaler Waffenbesitz die Nation zu dem machen, was sie ist, muss es nunmehr also um die Waffe gehen. Um ein Präzisions-Jagdgewehr, um präziser zu sein.
Russell Blaze ist ein Mann, dem das Schicksal übel mitspielt. Einer, der stets das Richtige will und den dann die Ungerechtigkeit ereilt. Seine Strafe für den Unfall nimmt er, wenngleich im Grunde teilschuldig, bereitwillig in Kauf und sitzt sie ab. Er kämpft um seine Ex-Freundin, sieht jedoch ein, dass es keine Chance mehr für sie als Paar gibt. Er weint am Grab des toten Vaters, den er beim Sterben nicht begleiten konnte. Der baldigen Schließung seiner Arbeitsstätte sieht er mehr oder weniger gelassen entgegen. Seinem kriegsgeschädigten Bruder hört er zu und versucht, ihm Vernunft einzubläuen. Russell ist einsam, negiert jedoch tapfer Stillstand und Depression.
Angesichts all dieser auferlegten Bürden kann er angesichts der noch folgenden Ermordung Rodneys nicht anders, als ein einziges Mal zu reagieren, nicht tatenlos da zu stehen und zuzusehen, wie das Leben an ihm vorbeimäandert, ohne ihn aufs Boot zu lassen. Russells Selbstjustiz ist gezielt durchdacht, durchplant, moralisch abgesichert und sogar kirchlich absolutioniert: Harlan DeGroat, ohnehin nichts als wandelnder Menschenmüll, hat angesichts seiner Taten sein weiteres Recht auf unbehelligtes Weitermachen mit dem, was er so tut und wovon garantiert gar nichts menschenwürdig ist, verwirkt. Sheriff Barnes als letzte verbleibende, irdische Instanz hat da keine Schnitte mehr.
"Out Of The Furnace" als Selbstjustiz-Propaganda zu deklarieren, wäre viel zu kurz gedacht. Es geht vielmehr um die Weigerung einer stets im Gleichgewicht befindlichen Persönlichkeit, die ihn umgebenden Schicksalsschläge weiter passiv hinzunehmen. Den anschließenden, möglichen Fall, die gesetzliche Konsequenz, wird er erhobenen Hauptes hinnehmen (wie es für Russell weitergeht, lässt das Ende offen, man sieht ihn in einem letzten kurzen Einspieler ernst blickend und mit geschnittenem Haar an seinem Tisch sitzen - möglicherweise lag dazwischen eine weitere Gefängnisstrafe). Ob Russell das Richtige tut, mag man bestreiten - für sich selbst, daran gibt es keinen Zweifel, tut er das einzig Mögliche.
Einen Film zudem, der sich mit Pearl Jams "Release" eine musikalische Klammer setzt, kann ich am Ende schließlich nur lobpreisen.

8/10

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VOM TEUFEL GEJAGT (Viktor Tourjansky/BRD 1950)


"Was ist das für ein Lärm da draußen...?"

Vom Teufel gejagt ~ BRD 1950
Directed By: Viktor Tourjansky

Der zu Unrecht in Ungnade gefallene Psychiater Dr. Fingal (Willy Birgel) findet, ebenso wie seine Freundin Cora (Maria Helst), eine Einstellung in der Klinik seines alten Freundes und Berufsgenossen Helmut Blank (Hans Albers). Blank gilt als idealistischer Arzt, der zugleich selbst mit pharmazeutischen Substanzen experimentiert. Ein aus dem Ausland importiertes, noch unerforschtes Mittel names K-27 verspricht Heilung sogar in schweren Fällen von Psychose. Um die körperlichen auswirkungen zu testen, probiert Blank das Mittel an sich selbst aus. Apathie, Gedächtnisverlust und Willenlosigkeit stellen sich für mehrere Stunden ein, bis der Geist sich wieder erholt. Doch es bleibt nicht bei diesem einen Aussetzer: Nicht nur, dass Blank sich urplötzlich an ganze Tagesabläufe nicht erinnern kann, er entwickelt zugleich eine dunkle, kriminelle Seite, die immer dann zum Vorschein kommt, wenn er einen seiner "Aussetzer" hat...

Ein früher, deutscher Versuch, Genrekino zu machen, abseits von Heimatfilm, Kriegsschulddrama und aufkommender Wirtschaftswunderillusion und somit ein wichtiger Schritt in eine Richtung, die vor allem international verblasste, hiesige Leinwand wieder etwas weiter zu öffnen. "Vom Teufel gejagt" lässt sich dabei unschwer als "Jekyll/Hyde"-Variation identifizieren, wobei jedoch der Mut zu weiterer Intensivierung ausbleibt. Im Gegensatz zum "Original" ist Dr. Blank kein philosophisch angehauchter Kopf, der versucht, Es und Über-Ich zu trennen, sondern ein Philanthrop, dem es darum geht, seelische Krankheiten zu heilen. Im Selbstversuch muss der integre Mann dann unfreiwillig feststellen, dass er selbst eine ignorierte, weithin "abgespaltene" Persönlichkeitsfacette besitzt, die er bislang erfolgreich hat ignorieren können. Blanks Verwandlung in sein kriminelles alter ego wird zudem nie äußerlich sichtbar. Weder äffisches Schimpansengebiss noch zusammengewachsene Augenbrauen kennzeichnen seine Veränderung, nur ein leichtes Lichthuschen über die Augenpartie und eine lallende Sprechweise signalisieren: Der "böse Blank" ist wieder da.
Ein wenig klassischer "Mabuse" liegt darin, zudem eine recht hemdsärmelige Auffassung von Psychiatrie, die wahlweise nur völlig gestörte Geisteskranke (Alexander Golling) kennt oder überkandidelte Luxusfrauchen (Lil Dagover) mit Schoßhund. In jedem Fall ein nicht zu unterschätzender Lichtblick innerhalb der zeitgenössischen, nationalen Kinolandschaft.

8/10

Viktor Tourjansky Psychiatrie Medizin Madness Mad Scientist Jekyll & Hyde


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DEATH FORCE (Cirio H. Santiago/USA, PH 1978)


"The law is the sword."

Death Force (Ein Mann wird zum Killer) ~ USA/PH 1978
Directed By: Cirio H. Santiago

Nach einem Golddeal, an dem sich die drei Vietnam-Veteranen Russell (James Iglehart), McGee (Leon Isaac Kennedy) und Morelli (Carmen Argenziano) eigentlich nach dem Krieg gesundstoßen wollen, wird Ersterer von seinen zwei gierigen Kumpels verraten, aufgeschlitzt und ins südpazifische Meer geworfen. Wie durch ein Wunder landet Russell auf einer einsamenInsel, wo ihn zwei nach dem Zweiten Weltkrieg versprengte japanische Soldaten aufsammeln und gesund pflegen. Der Ältere von ihnen, Sakuro (n.n.), lehrt Russell den Umgang mit dem Samurai-Schwert und den uralten Krieger-Kodex.
Derweil reißen McGee und Morelli daheim in L.A. die gesamte Unterwelt an sich und avancieren mit einiger Brutalität zu den Bossen der Stadt. McGee hat es zudem auf Russells Frau Maria (Jayne Kennedy) abgesehen, die ihren Mann tot glaubt. Schließlich gelangt Russell über Umwege zurück in die Staaten, wo ihn von seiner unerbittlichen Rache an den ehemaligen "Freunden" nichts mehr abhält...

Aus dem kaum mehr übersichtlichen Werk Cirio H. Santiagos ein besonders herzhafter (und -licher) Beitrag; ein wiederholtes, spätes Blaxploitationbekenntnis, in dem allerdings weniger weibliche Anschaulichkeiten gepflegt werden (leider, muss man festhalten, denn Jayne Kennedy, damals Noch-Ehefrau von Leon Isaac Kennedy, war damals ein flottes Dämchen), sondern stattdessen einige possierliche Splatter-Maröttchen zum Einsatz kommen. James Igleharts flott geschwungenes Katana taugt nämlich hervorragend für Zwangsamputationen aller Art - am Ende rollen gar mehrfach die (Gips-)Köpfe. Dabei kommt gar ein subtiles, psyhologisches Momet zum Tragen: Kann ein Mann, den Vietnam und Verrat so dermaßen versaut haben, dass er die Häupter seiner Gegner nunmehr auf Spieße steckt und im Vorgarten drapiert, überhaupt noch einen funktionalen Familienvater abgeben? Kann ein Mann, der Rache, Sadismus, Perfidie und Blutwurst, äh, -durst noch leidenschaftlicher praktiziert als seine Feinde noch fähig sein zu Zärtlichkeit und Vaterliebe?? Der Film beantwortet diese existenzialistischen Fragen kurzerhand mit einem rotschildrigen "No!" und lässt Russell in der Schlusseinstellung unvermuteterweise von einem alliiert geglaubten Polizisten durchsieben. Vielleicht eine Art von Gnadenschuss oder Notschlachtung infolge gesteigerten Samurai-Wahnsinns - man weiß es nicht.
In jedem Falle aber kann sich "Death Force" trotz exorbitanter Länge noch gut vorzeigen, verfügt über eine vorzügliche Münchener Synchro mit Norbert Gastell, Tommi Piper und Fred Maire und hat somit alles, was es nimmt. Äh, braucht.

6/10

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THE ORPHAN KILLER (Matt Farnsworth/USA 2011)


"I already hated you as a child."

The Orphan Killer ~ USA 2011
Directed By: Matt Farnsworth

Der seit frühestem Kindesalter infolge des Raubmordes an den Eltern schwer traumatisierte und stets gewalttätige Marcus (David Backus) sitzt im streng katholischen St.-Michael's-Stift in einem verbarrikadierten Raum. Eines Tages gelingt ihm die Flucht - der Startschuss für einen blutigen Rachefeldzug, der in dem Mord an Marcus' jüngerer Schwester Audrey (Diane Foster) gipfeln soll, von der Marcus sich seit damals verraten fühlt.

Was ich letzthin im Schlusswort zu "Boggy Creek" schrieb, gilt für "The Orphan Killer" nochmals potenziert: Ein ekelhaft dummer, stilloser Film mit - eigentlich vermeide ich solche grob verallgemeinernden Termini nach Möglichkeit, hierfür jedoch scheinen sie gespuckt - dem ordinären "Gorebauern" als Hauptadressaten; mitsamt - auch dies soll eine Gebrauchsausnahme sein - tatsächlich selbstzweckhafter Gewaltdarstellung (ja, sowas gibt's tatsächlich).
Farnsworth, der sein imbeziles Werk mit restringierten Verbal-Fanfaren öffentlich hochzujubeln versuchte, trachtet, durch bewusste visuelle Schädigung und Schändung geistlichen Personals und Zubehörs, ein Höchstmaß an Provokation zu erreichen: Nonnen werden aufgeschlitzt, ein Pater (Edward Winrow) gefoltert; das Hauptopfer erhält eine buchstäblich christliche Folterbehandlung. Formale Spielereien wie etwa immer wieder eingestreute Helishots in verzerrtem Breitbild erweisen sich rasch als völlig bedeutungsloses Stilgewichse. Untermalt wird das Ganze von nervtötendem Billig-Metal zweier Combos namens Bullet Tooth und Sumerian (zum Auftakt gibt es gleich ein schreckliches Vulgär-Cover des "Lost Boys"-Klassikers "Cry Little Sister"), der so unpassend zum Einsatz kommt, dass Gehör und Auge sich in Kombination beleidigt finden. Wie sich John Savage (ja, der John Savage) in einem Gastauftritt als Polizist hierher verirren konnte, das wissen nur die Filmgötter.
Ein wahrlich bodenloser Dreck auf pubertärem Niveau, todlangweilig und dabei unangenehm pöbelnd-prollig, herz- und hirnlos.

1/10

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CHROMESKULL: LAID TO REST 2 (Robert Hall/USA 2011)


"What are we gonna do now?" - "Trying to survive."

Chromeskull: Laid To Rest 2 ~ USA 2011
Directed By: Robert Hall

Der nach dem Tankstellen-Massaker tot geglaubte Chromeskull-Killer Jesse Cromeans (Nick Principe) kann von einer geheimen Organisation, der er vorsteht, gerettet und über mehrere Monate in einem leerstehenden Lagerhaus von seinem treusorgenden Faktotum Spann (Danielle Harris) gesundgepflegt werden. Für Cromeans potenziellen Nachfolger Preston (Brian Austin Green) eine willkommene Möglichkeit, seine eigenen Mordfähigkeiten zu erproben, indem er das amnesische Mädchen (Allison Kyler) ermordet und ihrem jugendlichen Retter Tommy (Thomas Dekker) nachstellt und mitten aus einem Polizeiverhör heraus entführt. Auch Cromeans nächstes, planmäßiges Opfer, das kurz vor der Erblindung stehende Mädchen Jessica (Mimi Michaels), wird von Preston gekidnappt. Zeitgleich ist Cromeans wieder hinreichend hergestellt für neue Bluttaten, wobei Prestonss eigeninitiatives Vorpreschen ihm überhaupt nicht gefällt...

Ähnlich wie im "Saw"-Franchise findet sich das Mysterium um den gesichtsverstümmelten Serienkiller Jesse Cromeans im Sequel auf ein "globaleres" Niveau ausgeweitet: Der Maskenmörder, von dem bereits im Original die Annahme gesät wurde, dass er über beträchtliche Mittel verfügt, um sein Handwerk in solcher Perfektion verrichten zu können, steht, wie man nunmehr erfährt, einem ganzen, straff hierarchisierten Mitarbeiterstab vor, der einer Art Kult zu huldigen scheint und ein großes, unbekanntes Planziel verfolgt; das FBI bereits seit längerem auf den Fersen.
Abseits von diesem mäßig bahnbrechenden Erkenntnisgewinn lässt sich "Chromeskull: Laid To Rest 2" von konventioneller Slasher-Dramaturgie tragen, die mit wie gewohnt tadellos hergestellten Gore-Effekten prunkt. Tatsächlich gewinnen jene jedoch im Sequel, ganz im Gegensatz dazu, wie es noch im Erstling gehandhabt wurde, die hauptmotorische Funktion. Ohne seine zweifelsohne prächtigen Make-Up-Eskapaden hätte der Film kaum mehr zu bieten als irgendeine Episode eines x-beliebigen TV-Krimiserien-Formats. Mehr oder weniger krampfhaft versucht Hall, Mysterium und Undurchsichtigkeit weiterhin zu schüren, gar zu steigern, scheitert jedoch letzten Endes daran, dass er auf inhaltlicher Ebene allzuviel im Dunkeln lässt und darauf baut, dass "Laid To Rest" zu einem breitfächrigen Serial ausgebaut werden wird. Bis dato ist von einem solchen allerdings weit und breit nichts zu vernehmen. Ein auf der momentanen Basis verharrender inhaltlicher Abschluss nähme sich dann doch höchst unbefriedigend aus.

5/10

Robert Hall Slasher Splatter Sequel Serienmord Nacht


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LAID TO REST (Robert Hall/USA 2009)


"Drive!"

Laid To Rest ~ USA 2009
Directed By: Robert Hall

Eine junge Frau (Bobbi Sue Luther) erwacht des Nachts in einem Sarg in einer Leichenhalle, ohne sich an irgendetwas erinnern zu können - weder weiß sie, wer sie ist, noch wie sie hierherkam. Kaum jedoch, dass sie bei Bewusstsein ist, zeigt sich der mutmaßlich Verantwortliche für ihren Zustand: Ein stummer Wahnsinniger hinter einer Totenkopf-Chrommaske geht auf sie los. Sie kann jedoch fliehen und wird von Tucker (Kevin Gage) aufgelesen, der sie mit zu sich und seiner Frau Cindy (Lena Headey) nach Haus nimmt. Doch auch hier ist niemand sicher: der Maskenmann hat sie bereits ausfindig gemacht und verrichtet weiter sein blutiges Handwerk an der armen Cindy. Auf der weiteren Flucht gesellt sich noch der nerdige Steven (Sean Whalen) zu Tucker und der Dame, den irren Killer stets auf den Fersen...

Hartes Gore-Kino zum Angewöhnen, wenngleich garantiert bar jedweder Originalitätsmerkmale: Ein leichter, nie zu aufdringlicher Humor, aber allgegenwärtiger schwebt über "Laid To Rest", der die visuelle Ultrahärte des Dargestellten auf erstaunliche Weise konterkariert, ja, sogar kompensiert und dem Film so eine breitflächigere Zugänglichkeit verschafft. Dabei werden die Widerlichkeiten in quantitativer Hinsicht niemals ausufernd, sondern bewegen sich innerhalb eines eher traditionell vorgegebenen Rahmens. Interessant auch die filmische Topographie und die hin- und herführenden Wege, die das Heldentrio zurücklegt. Die Nacht selbst wird hier zum Spielplatz des Killers. So erhält das aktuelle Horrorkino mit 'Chromeskull' weiteren, aparten Mörder-Zuwachs, dessen Herkunft und Motive sich in diesem ersten Film allerdings noch nicht schlüssig erläutert finden.
Mittlerweile haben die jungen Wilden da ja schon eine Riege zusammengestellt, die es durchaus mit ihren Achtziger-Urahnen aufnehmen könnte (man denke an Jigsaw, den Reeker, Victor Crowley, den Collector, die "Wrong-Turn"-Mutanten oder den norwegischen Geir Olav Brath) - wobei heuer ja doch weniger übernatürliche oder gar untote Zeitgenossen zu Werke gehen; die Chancen wären also doch ungleich verteilt. Dennoch, ein solches Filmprojekt, das wäre schon einen Nerd-Orgasmus wert...

7/10

Robert Hall Slasher Serienmord Splatter Südstaaten Nacht





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Funxton

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