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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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SUNSHINE (Danny Boyle/UK, USA 2007)


"I volunteer."

Sunshine ~ UK/USA 2007
Directed By: Danny Boyle


In nicht allzu ferner Zukunft droht die Sonne zu verglühen und damit alles irdische Leben auszulöschen. Um dem vorzubeugen, schickt man das Schiff Icarus II als letzte Hoffnung der Menschheit gen Galaxiezentrum. Eine gigantische, an Bord befindliche Bombe soll den Sonnenkern neu entzünden und den Himmelskörper somit wieder zum Strahlen bringen. Die bereits sieben Jahre zuvor entsandte Icarus I, deren Besatzung denselben Auftrag hatte, ist auf ihrer Mission verschwunden. Als die Icarus II sich auf der Höhe des Merkur befindet, empfängt sie eine Notrufschleife von dem Vorgängerschiff. Zwar soll die Mission keinesfalls gefährdet werden, doch die Möglichkeit, eine weitere Bombe zünden und damit einen eventuellen Fehlversuch wieder wettmachen zu können, scheint zu verlockend. Also entschließt man sich, an Bord der Icarus I zu gehen - ein in mehrerlei verhängnisvoller Fehler.

Da ich Boyle und seine Filme gern mag und ihm die unfreundliche Bezeichnung 'Plagiator' nicht unbedingt zukommen lassen möchte, nenne ich ihn von nun ab einfach "idea refresher". Warum? Nun ja - die filmische Identität von "Sunshine" gründet sich ausschließlich auf Boyles visuellem Gespür und seinem Geschick, im Umgang mit relativ beengten monetären Mitteln, respektive dafür, die richtigen Leute engagieren zu nkönnen, um seine Visionen umsetzen zu können. In diesem Falle gesellte sich wiederum Alex Garland als Drehbuchautor dazu (wiederum unter keinem geringeren Topos als dem des Weluntergangs), dem man wohl eigentlich die unwirsche Wilderei im großen Garten der Genrehistorien vorwerfen müsste, so man denn diesem Film böswillig begnenen wollte. Aber das will ich gar nicht, mir hat "Sunshine" nämlich allem "refreshing" zum Trotze gut gefallen. Es gelingt ihm nämlich, ähnlich wie es bereits im Falle "28 Days Later", seinem genreinternen Revisionismus ein starkes humanes Element angedeihen zu lassen. Weniger als um bestimmte Handlungswendungen verhandelt die Geschichte ethische Diskurse, etwa um das Zurückstellen des eigenen Wohls im massiven Gegengewicht zu dem einer ganzen Spezies, sowie metaphysische Besessenheitsformen - sich der Sonne zu nähern, Zentrum und Spender allen Lebens, vermag durchaus auch irrsinnig zu machen. Diese wahrhaft übersinnliche Erfahrung trifft gleich zwei Figuren des "Sunshine"-Personals, wobei die Psychose der einen, nämlich des überlebten, leicht verbrutzelten Captains (Mark Strong) der Icarus I sich besonders tödlich auf die verbleibenden auswirkt. Es gibt also doch noch Neues und Spannendes aus dem Genrelager zu vermelden. Glücklicherweise und auch wenn ich angesichts der zuvor so schönen, klaren Bildgestaltung nicht ganz verstanden habe, was die verwischte Kamera im aktionsbetonten Finale soll. Prätention? Inszenatorische Exzentrik? Möglicherweise auch inszenatorischer Sauerstoffmangel... Egal.

7/10

Danny Boyle Sonne Apokalypse Mission Raumschiff Zukunft Alex Garland


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MILLIONS (Danny Boyle/UK 2004)


"It's not suspicious, it's unusual."

Millions ~ UK 2004
Directed By: Danny Boyle

Kaum mitsamt seinem verwitwetem Vater Ronnie (James Nesbitt) und dem älterem Bruder Anthony (Lewis McGibbon) in das neue Reihenhäuschen im Grünen eingezogen, fällt dem siebenjährigen Damian (Alex Etel) eine Sporttasche mit über zweihunderttausend Pfund Cash darin in die Hände. Der aufgeweckte und zugleich etwas verschrobene Junge, der das für ein Zeichen Gottes hält, erzählt seinem wesentlich praktikabler veranlagten Bruder davon. Beide zerbrechen sich den Kopf darüber, was man mit einer solch hohen Geldsumme anstellen kann. Während Anthony schon in gewinnträchtigen Dimensionen zu denken beginnt, erscheint Damian der heilige Franziskus (Enzo Cilenti) und rät ihm, das Geld an die Armen zu verteilen, was der Kleine dann zu Anthonys Kopfzerbrechen auch eifrig praktiziert. In jedem Falle gilt es, das Geld rechtzeitig loszuwerden, denn der "E-Day", der Tag der Währungsreform zugunsten des Euro steht vor der Tür. Zudem dauert es nicht lange, da kreuzt der eigentliche "Besitzer" der Moneten, ein finsterer Räuber (Christopher Fulford) auf und auch Ronnie erfährt von dem Geld.

Eine charmante kleine, an Capra angelehnte Moralfabel über den Wert der Menschlichkeit gegenüber dem des blanken Materialismus mit Kindern als Protagonisten inszenierte Danny Boyle nach "28 Days Later" und spendierte dem Publikum damit sozusagen den denkbar diametralstmöglichen Film. "Millions" präsentiert eine Reflexion über die Scheinheiligkeit des Geldes, wie es Menschen korrumpiert und dass es erst der naiven Unschuld eines kleinen Kindes bedarf, um die richtigen Wege zu finden, sich nicht vom Mammon verderben zu lassen. Sein bekanntes Faible für überbordernden, ins Surreale abgleitende Bilder im Verbund mit sphärischer Musik hält Boyle hier weitestgehend im Zaum und konzentriert sich ganz auf das ausgezeichnete Spiel seiner Kinderdarsteller. Ein für seine Verhältnisse ungewöhnlich humanistischer Film ist die Folge, in dem die Emotionalität den zwanghaften Formalismus des Regisseurs erstmals klar in den Schatten stellt. Angesichts des philanthropischen Resultats ein guter Weg, der später mit "Slumdog Millionär" perfektioniert werden wird.

7/10

Kinder Heist Geld Parabel Danny Boyle England


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28 DAYS LATER (Danny Boyle/UK 2002)


"OK, Jim. I've got some bad news..."

28 Days Later ~ UK 2002
Directed By: Danny Boyle


28 Tage nachdem eine Gruppe Ökoterroristen unfreiwillig für die Verbreitung eines von Wissenschaftlern gezüchteten "Wut-Virus" gesorgt hat, erwacht der junge Londoner Jim (Cillian Murphy) aus einem Unfallkoma. Zunächst verwirrt über die scheinbar entvölkerte Großstadt trifft er bald auf die ersten Infizierten, die sich in einem Stadium hirnloser Raserei befinden sowie die beiden Flüchtlinge Selena (Naomie Harris) und Mark (Noah Huntley). Nachdem auch Mark dem Virus zum Opfer gefallen ist, schließen sich Jim und Selena mit dem freundlichen Frank (Brendan Gleeson) und seiner Tochter Hannah (Megan Burns) zusammen, um nach Manchester zu fahren, von wo aus ein Dauersignal per Funk abgestrahlt wird. An dessen Quelle angekommen erwartet sie keinesfalls die versprochene Rettung.

Stark von Romero und dessen "Dead"-Zyklus sowie von seinem "The Crazies" und Gilliams "Twelve Monkeys" inspirierte Überarbeitung des Zombiefilms. Diverse Motive daraus werden, neben dem Überbau der hochansteckenden Seuche und der daraus resultierenden Quarantänemaßnahmen wieder aufgegriffen und/oder offen zitiert: Das Belagerungsthema, die seltsame Mischung aus Freiheit und Isolation der Überlebenden im Angesicht der hinweggerafften Menschheit, ihr situativ rationalisiertes Plünderungsverhalten, Militarismus als Versuch der Zivilisationswahrung. Danny Boyle findet mit der Unterstüzung seines Autors Alex Garland (dessen Roman "The Beach" Boyle zuvor verfilmt hatte) zu seiner alten Form zurück, lässt wieder die Finger vom epischen Scope und arbeitet diesmal ganz reduziert mit DV, was ihm teilweise ausnehmend beeindruckende Bilder ermöglicht und den Film als originäres Genreprodukt durch den seltsam artifiziellen Look sogar für naserümpfende Arthouse-Apologeten goutierbar macht. Tatsächlich handelt es sich wohl um seinen mit Abstand besten Film seit "Trainspotting", da, obgleich Boyle mittlerweile eine klare, spezifische Handschrift als auteur entwickelt hat, es ihm hier zugleich gelingt, sich von sich selbst zu emanzipieren. Ein Genrefilm, dazu einen wie erwähnt relativ gering budgetierten und von einer solch begnadeten visuellen Inspiriertheit zehrenden, hätte anno 02 sicherlich nicht unbedingt jeder von Danny Boyle erwartet.

8/10

Apokalypse England Danny Boyle Splatter Virus London Zombies Alex Garland


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THE BEACH (Danny Boyle/UK, USA 2000)


"No offence at all - but you're fucked in the head, right?"

The Beach ~ UK/USA 2000
Directed By: Danny Boyle


Der amerikanische Rucksacktourist Richard (Leonardo DiCaprio) sucht die 'wahre Exotik', abseits von den großflächig frequentierten Tourizentren und dem, was all die anderen so im Urlaub tun. In Bangkok trifft er auf den seltsamen Daffy (Robert Carlyle), der Richard eine Karte anvertraut, die den Weg zum angeblich schönsten Strand der Welt auf einer kleinen Insel im Golf von Thailand weisen soll. Zusammen mit dem französischen Paar Françoise (Virginie Ledoyen) und Étienne (Guillaume Canet) reist Richard zu besagtem Strand und findet dort neben schwerbewaffneten einheimischen Marihuanabauern eine hermetische New-Age-Kommune vor, die sämtlichen problematischen Lebensfragen abgeschworen hat.

Ein von seiner verführerischen Oberfläche abgesehen eigenartig leerer Film, der sich pausenlos mit Fragen und Diskursen abgibt, die mich einfach nicht interessieren und mich deshalb mutmaßlich auch nicht erreichen konnten. Reduziert formuliert geht es wie bereits in Alex Garlands Romanvorlage wohl um die Unvereinbarkeit von abendländischer Zivilisation und unberührten Naturarealen. Das selbstgeschaffene, vermeintliche Paradies wird nach und nach zum lebensfeindlichen Abgrund, den im Falle "The Beach" ausgerechnet der "Held" initiiert wie den Ausbruch eines hochinfektiösen Virus. Unbedacht reicht er vor seiner eigenen Ankunft eine Kopie der geheimen Karte weiter und beschwört damit vier Morde sowie mittelfristig das Zerbrechen der Inselkommune herauf, fordert durch die Tötung eines Babyhais den Zorn der Natur heraus und sorgt für beziehungsfeindlichen Lug und Trug. Boyle erweist sich als formvollendeter Ästhet, der in diesem Falle aber ebensogut einen Urlaubskatalog hätte illustrieren können - seine mikrokosmische Apokalypse jedenfalls juckt letzten Endes keinen, weil die von ihr Betroffenen irgendwie sowieso allesamt Arschlöcher sind.
Man fühlt sich an mitunter wesentlich Besseres im Kino erinnert; an "Hell In The Pacific" etwa, an "Apocalypse Now", "Long Weekend" oder den erst kurz zuvor entstandenen "The Thin Red Line", die allesamt ebenfalls den Pazifikraum zur infernalen Zone deklarierten, nur, dass sie den Schneid hatten, ihre topografische Metaphysik mit echten Figuren zu exerzieren und nicht bloß mit deren schönen Abziehbildern.

5/10

Tourismus Parabel Danny Boyle Thailand Marihuana Drogen Haiangriff Bangkok Alex Garland Subkultur


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A LIFE LESS ORDINARY (Danny Boyle/UK, USA 1996)


"Right, you daughter! I have your asshole here!"

A Life Less Ordinary (Lebe lieber ungewöhnlich) ~ UK/USA 1996
Directed By: Danny Boyle


Die Engel Jackson (Delroy Lindo) und O'Reilly (Holly Hunter) erhalten von ihrem Boss Gabriel (Dan Hedaya) den Auftrag, die beiden ungleichen Individuen Robert Lewis (Ewan McGregor) und Celine Naville (Cameron Diaz) zu verkuppeln. Dabei sieht zunächst alles danach aus als wäre dies unmöglich: Robert ist eine arbeits- und mittellose Reinigungskraft, Celine die verwöhnte Tochter eines millionenschweren Industriellen (Ian Holm). Zudem nimmt Robert Celine als Geisel, um ihren Vater zu erpressen. Jackson und O'Reilly lassen sich von diesem anheuern, um mehr Einfluss auf das Geschehen zu erhalten, doch stellen sie sich kaum weniger dämlich an als ihre Zielobjekte.

Nach dem gewaltigen filmischen Rundumschlag "Trainspotting" war wohl ein gewisses kreatives Loch für Danny Boyle unumgänglich. Der umfassende Erfolg seiner letzten Arbeit bescherte dem Regisseur zwar einen Dreh in den Staaten und eine prominente Besetzung, dafür haperte es jedoch etwas mit der Tragfähigkeit der erzählten Geschichte. "A Life Less Ordinary" taumelt der willkürlichen und in den allermeisten Fällen nicht gekonnten Pseudoexzentrik hinterher, die das weltweite "Independent"-Kino (das diese Bezeichnung eigentlich kaum mehr verdiente) im Tarantino-Gefolge infizierte. Im Klartext heißt das: Eine tolldreiste Romanze, eine gutes Pfund criminal craziness, ein paar glänzende Handfeuerwaffen und ein paar makabre Gewaltspitzen, gekoppelt mit einer schicken visuellen Umsetzung und einem hippen Soundtrack. Nun, allein letzterer war im Falle "Trainspotting" um Einiges sorgsamer kompiliert und auch der Rest schrappt ziemlich häufig recht knapp an der Nervigkeitsgrenze vorbei. Ein weniger talentierter Regisseur hätte damit auch schallend auf die Schnauze fallen können. So aber ist "A Life Less Ordinary" eben ein weithin müßiges Zeitprodukt, ganz nett, de facto aber nurmehr aus Komplettierungsgründen brauchbar.

5/10

Engel Danny Boyle Schwarze Komödie


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THE KEEP (Michael Mann/USA 1983)


"What's all the shooting in the village, huh?"

The Keep (Die unheimliche Macht) ~ USA 1983
Directed By: Michael Mann


Rumänien, 1941: Wehrmachtsoffizier Woermann (Jürgen Prochnow) will eine seltsame Bergfeste in den Karpathen in Beschlag nehmen, da in der Gegend dem Vernehmen nach Partisanen am Werk sind. Obwohl die Soldaten eindringlich gewarnt werden, vergreifen sie sich an den silbernen Artefakten in der Burg und entfesseln eine tödliche Macht unbekannten Ursprungs. Bald darauf trifft auch eine SS-Kompanie unter der Führung des gestörten Major Kaempffer (Gabriel Byrne) in dem Dorf ein, die das in Verbindung mit den ünbernatürlichen Ereignissen stehende Ableben diverser Soldaten untersuchen soll. Just imselben Moment wird in Griechenland ein seltsamer Mensch names Trismegestus (Scott Glenn) auf die freigewordenen Energien aufmerksam...

Was Michael Mann mit seinem zweiten abendfüllenden Werk wirklich im Sinn hatte, lässt sich angesichts dieses nurmehr existenten Fragments von einem Film kaum mehr nachvollziehen - in jedem Fall liest man ja viel an später Ehrenrettung über "The Keep"; dass er ursprünglich eine Länge von über drei Stunden gehabt haben und wesentlich aufschlussreicher gewesen sein soll, dass die Paramount wild darin herumgeschnippelt und von Manns ursprünglicher Vision nichts mehr übriggelassen habe etc. pp. Tatsache ist aber doch, dass man zumindest in den meisten Fällen von selbst von Studioseite verstümmmelten Werken noch zumindest rudimentär etwas von dem basalen Potenzial erahnen kann, das ihnen einst innewohnte. Im Falle "The Keep" aber geht das nicht. Die seltsamen, manchmal schönen, zumeist jedoch zwischen den zwei Polen 'kryptisch' und 'albern' dargereichten Bilder werden mehr durch die sphärische Musik von Tangerine Dream zusammengehalten als durch die (nunmehr?) brüchige, inkonsistente Narration. Zunächst ist man angesichts der auf der Besetzungsliste stehenden Namen noch angetan von dem, was Mann an darstellerischer Größe für seinen Film aufgetan hat, dann jedoch erlebt man vornehmlich wildes Chargieren und großflächige Ratlosigkeit, selbst auf Seiten gestandener Mimen vom Schlage eines Ian McKellen. Das Ganze lässt sich zwar durchaus noch anschauen (am besten vermutlich unter Einfluss bewusstseinserweiternder Substanzen), zumal unter dem Label eines der gegenwärtig wohl weltbesten Filmemacher; auf der anderen Seite jedoch lässt sich mutmaßen, dass, wäre dies kein Film von Michael Mann, er heute wohl bestenfalls unter Kuriositätensammlern einen Namen genösse.

5/10

WWII Nationalsozialismus Michael Mann Monster


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STARSHIP TROOPERS (Paul Verhoeven/USA 1997)


"I'm doing my part!"

Starship Troopers ~ USA 1997
Directed By: Paul Verhoeven


Die Zukunft. Die gesamte irdische Gesellschaft ist mittlerweile politisch miteinander verschmolzen, intrahumane Konflikte existieren nicht mehr. Seine Feinde sucht und findet man nunmehr in den Tiefen des Weltalls: Dort leben riesige Insekten, von den Menschen kurzerhand "Bugs" genannt, die es auszurotten gilt, um den Fortbestand der eigenen Spezies zu sichern. Die jungen Soldaten Rico (Casper Van Dien), Flores (Dina Meyer) und Ibanez (Denise Richards) hüpfen geradewegs von der Schulbank in die Militärausbildung, um am interplanetarischen Krieg gegen die Bugs zu partizipieren.

Die wichtigsten Stabsmitglieder von "RoboCop" unterstützen Verhoeven durch ihre enthusiastische Mitarbeit bei seiner zweiten großen SciFi-Satire, die jedoch noch weitaus schärfer und hinterfotziger zu Werke geht als das genau zehn Jahre zuvor entstandene Regisseurs-Meisterstück. Das "Troopers"-Script stammt wiederum von dem überaus hellsichtigen Ed Neumeier, der martialische Score von Basil Poledouris und Jost Vacano trumpft ein weiteres Mal als dp.
"Starship Troopers" kleidet seine vorgebliche Utopie einer globalen klassenbefreiten Einheitsgesellschaft mit ungebrochenen kombattanten Ambitionen in aseptische, klinisch reine Bilder, bevölkert von ausnahmslos schönen Jugendlichen in soap-opera-artigen Luftschlössern auf der einen und verstümmelten Kriegsveteranen, die sich nicht scheuen, eine neue Soldatengeneration heranzuziehen, auf der anderen Seite. In der Zukunft ist der Faschismus in seiner reinsten Form wiederum omnipräsent, nur eben auf intergalaktischer Ebene; denn ohne Feindbilder können auch die futuristischen Menschenpendants nicht. Ihr Faschismus ein Kosmopolitikum. Alles lebt nurmehr für Leistung, Image, gutes Aussehen, Geld, materiellen Erfolg und ähnliche Oberflächlichkeiten. Verhoeven und Neumeier machen es ihrem Publikum dabei keineswegs leicht: Ihre böse Kritik (bekanntermaßen ist jede Dystopie vornehmlich eine überspitzte bzw. kodierte Sektion bereits bestehender Verhältnisse) verstecken sie hinter gelacktem, formal nicht nur einwandfreiem, sondern gar exzellentem Mainstream-Kino, das nur selten seine schmutzigen Kehrseiten durchschimmern lässt; in den bereits aus "RoboCop" und "Total Recall" bekannten Infotainment-Clips etwa, oder in den spektakulär-blutigen Schlachtenszenen. So ist "Starship Troopers" im Wesentlichen dichter an "Im Westen nichts Neues" als an der im Prinzip ad absurdum geführten und damit nurmehr nominellen Vorlage von Heinlein - bloß, dass er noch ein gutes Stück schwärzer mit seinen Figuren umgeht als Remarque ehedem mit seinem Paul Bäumer: In dieser Version der Gefreitenmoritat genießt ein Johnny Rico nämlich keine reinigende, sittliche Edukation, sondern bleibt auf ewig ein Held - ein hübscher und ganz besonders dummer freilich.

9/10

Aliens Militaer Paul Verhoeven Satire Monster Zukunft Dystopie Farce


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NIAGARA (Henry Hathaway/USA 1953)


"Too bad they can't play it for you now, Rose."

Niagara ~ USA 1953
Directed By: Henry Hathaway

Die frisch verheirateten Polly (Jean Peters) und Ray Cutler (Max Showalter) lernen in ihren Flitterwochen bei den Niagara-Fällen das eher dysfunktionale Paar Rose (Marilyn Monroe) und George Loomis (Joseph Cotten) kennen. Während die lebenslustig scheinende Rose es liebt, die Blicke der Männer auf sich zu ziehen und bald von Polly bei einem Tête-à-tête mit einem Fremden (Richard Allan) entdeckt wird, leidet ihr sich misanthropisch gebender Mann scheinbar unter einen Nervenschwäche und einem (dabei kurioserweise vollkommen berechtigten) pathologischen Eifersuchtssyndrom. Als Rose und ihr Liebhaber versuchen, George aus dem Weg zu räumen, schlägt dieser gnadenlos zurück - und bringt dabei auch Polly in tödliche Gefahr.

Marilyn Monroe macht Männer madig! Das ist speziell in der Rückschau nichts Neues; dass sie ihre Gespielen jedoch zu mörderischer Gegenwehr veranlasst, das gab's nur selten. Zu Zeiten von "Niagara" war man bei Fox gerade erst dabei das spätere, legendäre Image der blonden Sexbombe zu kreieren und hatte die romantisch-komödiantische Seite der Darstellerin, die unlängst in einer gewaltigen Welle bunter Scope-Produktionen über die Welt hereinbrechen sollte, noch nicht ausdefiniert. "Niagara" ist dennoch ein cineastischer Sonderfall: Ein klassischer film noir in Technicolor nämlich. Und wie wichtig die Farbe ist für diesen melodramatischen Krimi, zeigt sich ohne Umschweife - man denke nur an die kirschroten Lippen der Monroe oder an die dazu analoge Szene, in der Loomis, kurz nachdem er Rose erwürgt hat, ihren glitzernden Lippenstift findet. Überhaupt, diese Mordsequenz mit den stillstehenden Glocken, die zuvor noch Roses verräterisches Liebeslied zu spielen pflegten - welch eine wunderbar morbide Ästhetik ihr zugrunde liegt... Wie "Niagara" generell ein ganz wunderbarer Film ist.

9/10

Madness Henry Hathaway film noir Ehe


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BLOWN AWAY (Stephen Hopkins/USA 1994)


"Who are you?" - "I'm the kite rescuer."

Blown Away (Explosiv) ~ USA 1994
Directed By: Stephen Hopkins


Ausgerechnet als der Bostoner Bombenentschärfer Jimmy Dove (Jeff Bridges) sich aus Liebe zu seiner neuen Frau (Suzy Amis) von seinem Beruf verabschieden will, holt ihn seine Vergangenheit ein in der Person des aus dem Gefängnis geflohenen Terroristen Ryan Gaerity (Tommy Lee Jones). Jimmy, der eigentlich Liam McGivney heißt, und Gaerity waren einst befreundete Mitglieder der IRA und haben diverse Anschläge verübt bis Gaerity von Jimmy verraten wurde und in einem nordirischen Gefängnis landete. Für diesen Umstand will sich der Sprengstoffprofi nun ausgiebig rächen.

"Blown Away", der mit dem damals kurzzeitig schicken IRA-Thema und dem auf den nordamerikanischen Kontinent ausgeweiteten Nordirland-Konflikt hantiert, präsentiert sich als handwerklich vorzügliche Regiearbeit, die dem neuen Genretenor 'Geschwindigkeit' noch nicht zu folgen bereit ist, sondern ihre Geschichte vermittels einer eher als 'klassisch' zu bezeichnenden Dramaturgie erzählt. Die politischen Züge der Story bleiben allerdings bloße Behauptung und tief in der Bedeutungslosigkeit stecken, derweil die Pyroeffekte und vor allem ihre Affektsteuerung das eigentliche Herz von "Blown Away" darstellen: Dem Titel gemäß geht es nämlich primär um die voyeuristische Faszination von Explosionen und Feuer; die Zerstörung von Gaeritys Vertsteck, einem Tankerwrack, etwa, wird auf der Leinwand dermaßen zelebriert, als ginge es darum, einen multiplen Orgasmus zu visualisieren. Dass der Film dann ein klassisches U2-Stück ("I Still Haven't Found What I'm Looking For") zu einem Leitmotiv ernennt - es symbolisiert Gaeritys in den Wahn abgeglittenen Rachewunsch und seine jahrelange Abgeschnittenheit vom Weltgeschehen - ist insbesondere für Band-Enthusiasten wie mich ein geradezu brillanter Einfall.
Auch daher: "Blown Away" lohnt die Wiederentdeckung.

8/10

Terrorismus IRA Stephen Hopkins Boston Nordirland


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CORALINE (Henry Selick/USA 2009)


"How dare you disobey your mother!"

Coraline ~ USA 2009
Directed By: Henry Selick


Hinter einer übertapezierten Tür ihres neuen Hauses entdeckt die kleine Coraline den Eingang in eine Art Parallelwelt. Dort waren ihre "anderen Eltern" auf sie, welche im Gegensatz zu ihrer realen Mum und ihrem realen Dad, die für das Mädchen von Berufswegen nur wenig Zeit haben, überaus fürsorglich sind - nur dass sie Knöpfe anstelle von Augen haben. Coraline bekommt hier köstliches Essen serviert, hat ein traumhaftes Kinderzimmer und wird in der Nachbarschaft zu prächtigen Shows und Revueen eingeladen. Irgendwann jedoch muss sie feststellen, dass all das nur Fassade ist und ihre "andere Mutter" eine bösartige Hexe, die es nur darauf abgesehen hat, Coraline, wie schon andere Kinder zuvor, für immer an ihre Welt zu binden.

Nicht ganz so atmosphärisch dicht daherkommend wie Neil Gaimans an Lewis Carroll orientierte, zauberhafte Vorlage, bewahrt Selicks per prachtvoller Stop-Motion animierte Adaption dennoch den Geist des Romans. Es geht um erste pubertäre Widerborstigkeitsphasen,jenes seltsam unentschlossene Gefühl zwischen dem Eindruck eines sich peu à peu einschleichenden Aufmerksamkeitsmangels von "oben" und dem Drang zur persönlichen Mündigkeit sowie der schließlich unweigerlichen Gewissheit, eines gewissen Unzufriedenheitspotenzials zum Trotze am Ende doch stets das sichere eigene statt eines alternativen Zuhauses zu wählen. Wie Myriaden anderer Kinder an der Schwelle zum Erwachsenwerden muss auch Coraline (nicht etwa Caroline) Jones diese notwendige Erfahrung machen - auf beschwerliche, wenn auch umso phantastischere Art und Weise. Möglicherweise ist auch alles bloß ein Produkt ihrer überbordernden Phantasie - aber wen interessiert das letzten Endes?

8/10

3-D Henry Selick Kinder Neil Gaiman Hexen





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Funxton

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