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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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TOTAL RECALL (Paul Verhoeven/USA 1990)



"Open your mind."

Total Recall (Die totale Erinnerung) ~ USA 1990
Directed By: Paul Verhoeven


Im Jahre 2084 werden die Planeten nach ihrer Kolonisierung im großindustriellen Maßstab ausgebeutet. Auf dem Mars baut man wertvolles Turbiniumerz ab. Der raffgierige Politiker Cohaagen (Ronny Cox) verwaltet dieses Milliardengeschäft und "versorgt" die Arbeiter im Gegengzug mit wegen der lebensfeindlichen planetaren Atmosphäre existenznotwendigen Kuppeldächern, die allerdings von billigster Konstruktion sowie nicht strahlenresistent sind und daher für Mutationen bei den Kindern sorgen. Derweil träumt der Bauarbeiter Doug Quaid (Arnold Schwarzenegger) auf der Erde von einem Marsbesuch. Da ein solcher in der Realität allzu umständlich erscheint, entscheidet sich Quaid für einen Besuch bei der Erinnerungsimplantierungsfirma REKALL, um sich zumindest eine lebensechte, wenn auch gefälschte Erinnerung an den Mars zu erkaufen. Sein persönliches Kundenpaket sieht außerdem vor, dass Doug für die Dauer des Egotrips aus seinem Alltag als Arbeiter entkommen und seine Ferien als Geheimagent verbringen kann. Die Implantation scheint jedoch schiefzugehen und urplötzlich sieht sich Quaid mit zahlreichen waffenstarrenden Gegnern und einer falschen Identität konfrontiert. Seine Frau (Sharon Stone) will ihn töten und bald landet er tatsächlich auf dem Mars, wo er zum Revolutionshelden wird.

Mit "Total Recall" verbinde ich ganz besondere biographische Erinnerungen: Ich hatte das große Glück, den Film damals mit vierzehn Jahren auf der Leinwand sehen zu können, eine Kinoerfahrung, die mich so dermaßen übergebügelt hat wie nichts Vergleichbares zuvor. Überhaupt sind die Latenz- bzw. Pubertätsphasen ja für den möglichst unbefangenen Genuss von Eventmovies das beste Alter, man hat das Staunen noch nicht verlernt und ist perzeptiv betrachtet andererseits noch naiv genug, um auf mediale Affektevozierung halbwegs widerstandslos eingehen zu können. In dieser Phase also hatte Verhoeven mich mit seiner brillanten Reflexion um ein möglicherweise auch innerhalb der Filmrealität rein imaginäres Abenteuer erwischt, und zwar kalt. Diesem Erlebnis konnte danach wie erwähnt zunächst mal gar nichts das Wasser reichen, bis dann irgendwann Ridley Scotts Director's Cut von "Blade Runner" kam (sicher nicht ganz zufällig ebenfalls eine Dick-Verfilmung mit sich sukzessive auftürmenden Identitäts- und Realitätsfragen). Auf die sagenhafte technische Fertigung von "Total Recall", mit all seinen topographischen Konstruktionen und Szenarien, seiner kompromisslosen (jedoch rein visuellen) Brutalität und dem hypnotisierenden Goldsmith-Score einzugehen lohnt kaum, das ist ja sowieso alles hinlänglich bekannt. Was indes bis heute rückhaltlos fasziniert, ist die um die verschiedenen möglichen, dabei ungeklärten Realitätsebenen kreisende Metastruktur. Die Frage danach, ob sich all das, was er und wir mit ihm erleben, tatsächlich nur um Quaids Egotrip handelt, ob er einer "schizoiden Embolie" zu erliegen droht, wie man ihm zwischendurch weiszumachen versucht oder ob Quaid tatsächlich den Mars rettet, lässt sich, von Verhoeven ganz bewusst arrangiert, bis zum Schluss nicht eindeutig beantworten - wenngleich die ungewöhnliche Weißblende zum Abschluss schon stellvertretend für eine gewisse inszenatorische Tendenz betrachtet werden kann. Neben "The Terminator" dürfte "Total Recall" somit das intelligenteste Lichtspiel sein, in dem Schwarzenegger je das Glück hatte aufzutreten. Vor allem lebt dieser Film ausnahmsweise nicht von Arnolds Physis, sondern von der bloßen narrativen Substanz des Scripts. Es mag - wie öfter bei mir - reaktionär anmuten, aber für mich ist "Total Recall" ein Zeugnis aus besseren Kinotagen.

10/10

Splatter Mutant Zukunft Philip K. Dick Paul Verhoeven Mars Weltraum Identitaetskrise



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Funxton

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