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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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FRIGHT NIGHT (Tom Holland/USA 1985)


"All they want to see nowadays are slashers, running around in ski masks, hacking up young virgins. "

Fright Night (Die rabenschwarze Nacht) ~ USA 1985
Directed By: Tom Holland


Neben dem ordinären Vorort-Teenager Charley Brewster (William Ragsdale) zieht ein unheimlicher Typ namens Jerry Dandridge (Chris Sarandon) mitsamt seinem Faktotum (Stepghen Geoffreys) ein. Es fällt Charley nicht schwer, in dandridge einen Vampir zu erkennen, der bereits für mehrere Morde in der Gegend verantwortlich ist und wegen seiner Entdeckung nun auch Charley bedroht. Mit der zaghaften Hilfe des abgehalfterten Gruselfilmstars Peter Vincent (Roddy McDowall) zieht Charley in den Kampf gegen den bösen neuen Nachbarn, der zudem Charleys Freundin Amy (Amanda Bearse) entführt hat.

Ein sehr schönes Beispiel für den vermeintlich zwangsjuvenilisierten klassischen Horrorfilm der achtziger Jahre. Als Reaktion auf den Maskenmörderwahn versuchte man, selbst auf gezielte Studioinitiativen hin, das jugendliche Publikum, also jenes, für das Horrorfilme in erster Instanz gemacht werden, zurück in die Kinos zu locken, indem man klassische Monsterstoffe wie eben den des Vampirs in einen semiernsten Kontext einband und ihn ergänzend mit den Problemen und Nöten der zeitgenössischen Jugend verknüpfte. Charley Brewster ist ein absoluter Durchschnittsjunge, nicht sonderlich hübsch, mit einem ansatzweisen Mutterkomplex behaftet (seine Mum (Dorothy Fielding) ist alleinerziehend) und voll überschüssigem Testosteron, das er bei seiner puritanisch erzogenen Freundin par tout nicht loswird. Sein Antagonist Dandridge indes markiert nicht irgendeinen Gegner, sondern nichts weniger als Charleys ultimative Nemesis: Ein Frauenheld, auf attraktive Weise älter, erfahren und mit dem gewissen überheblichen Killerfunkeln im Auge, das die Damen unweigerlich über die Bettkante zieht. Charleys Aggressionen konzentrieren sich demnach wesentlich weniger auf die Tatsache, dass sein Nachbar ein Monster ist denn auf den Umstand, dass selbiger scheinbar unendlich viele Freischüsse genießt.
Besonders toll an "Fright Night" sind die heute noch rundum beeindruckenden Latexeffekte. Holland fährt die beeindruckendsten Vampirgebisse auf, die man je gesehen hat und die "Schmelzszenen" der drei Monster evozieren nach wie vor höchste Verzückung. Toll.

7/10

Teenager Monster Tom Holland Vampire


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AUS EINEM DEUTSCHEN LEBEN (Theodor Kotulla/BRD 1977)


"Befehl ist Befehl."

Aus einem deutschen Leben ~ BRD 1977
Directed By: Theodor Kotulla


Die Karriere des Franz Lang (Götz George): 1900 zur Zeit des Kaiserreichs geboren, versucht er als Jugendlicher mit allen Mitteln, im Ersten Weltkrieg als Infanterist an die Front zu kommen, was er durch die Fürsprache eines von seinem preußischen Enthusiasmus begeisterten Offiziers (Siegurd Fitzek) auch bewerkstelligt. Während der Weimarer Republik wird er dann zunächst Freikorpsler, um später dann in die NSDAP und bald darauf auch in die SS einzutreten. Himmler (Hans Korte) persönlich rekrutiert ihn nach einer kurzen Gefängnisstrafe wegen Mordes an einem KPD-Mitglied schließlich als Direktor von Auschwitz und Organisator der industriellen Massenvernichtung. Nach dem Krieg bezüglich seiner Greueltaten und nach seinem Gewissen befragt, antwortet Franz voller Selbstsicherheit, er sei sich keiner Schuld bewusst, er habe "bloß Befehle befolgt".

Anhand der Biographie des Naziverbrechers Rudolf Höß, der in Kotullas Film wie in Merles Vorlage "La Mort Est Mon Métier" seinen Fluchtnamen Franz Lang trägt, unternimmt "Aus einem deutschen Leben" den Versuch, nachzuzeichnen, unter welchen Umständen ein Mensch zum vollkommen gewissenlosen Exekutionswerkzeug einer Diktatur werden kann. Höß ist bereits von Haus aus ein zwischen maßlosem Patriotismus und rückhaltloser Untertänigkeit pendelnder Mensch, der stets auf der Suche ist nach konsequenten Vorgesetzten und Machthabern, die seinen beinahe pathologischen Pflichterfüllungsdrang füttern und ihm Staatsplanung und selbstständiges Denken abnehmen. Obgleich Götz George dem Menschenmonster ein durchaus charakteristisches Antlitz verleiht, ist das Beispiel Höß doch bloß eines von vielen - wenn auch ein extremes. Für den Posten des Todesplaners hätte Himmler auch einen anderen gefunden; die jeweiligen KZ-Direktoren scheinen sogar so etwas wie Bewunderung füreinander zu hegen ob der Effizienz, mit der von ihnen tagtäglich eine wechselnd große Anzahl "Einheiten" beseitigt werden.
Kotulla verzichtet auf vordergründige Dramaturgie und lässt seinen akribisch recherchierten und absolut präzis gestalteten Film erscheinen wie nüchternes Schulfernsehen. Dass gerade diese Form gewählt wurde, um über das eigentlich Unbeschreibare zu berichten, erweist sich als adäquate Wahl. "Aus einem deutschen Leben" schleicht sich sozusagen subkutan an, um dann fast unmerklich zuzustechen und erst zu schmerzen zu beginnen, nachdem die Nadel längst wieder entfernt wurde. Dem trägt besonders das grausige Ende Rechnung, in dem, unterlegt von ein paar gegenwärtigen, herbstlich-grauen Auschwitz-Bildern einige von Höß selbstverfasste Fakten mittels Georges eindringlicher Stimme vorgetragen werden. Danach kann man dann erstmal gar nichts mehr sagen.

9/10

Konzentrationslager WWI Nationalsozialismus Theodor Kotulla WWII Historie Weimarer Republik


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THEY CAME TO CORDURA (Robert Rossen/USA 1959)


"I became two men. One can't stand living in the same skin with the other."

They Came To Cordura (Sie kamen nach Cordura) ~ USA 1959
Directed By: Robert Rossen


Mexiko, 1916: Nachdem Pancho Villa die Grenze übertreten und das Kavallerie-Camp Furlong bei Columbus, New Mexico überfallen hat, geht die Armee der Vereinigten Staaten mit unerbittlicher Härte gegen ihn vor. Nach einer Attacke gegen einen Villaristen-Unterschlupf schlägt der Offizier Thorn (Gary Cooper) vier Soldaten vor, die wegen ihres selbstlosen Einsatzes die Tapferkeitsmedaille in Cordura erhalten sollen. Außerdem bekommen die Kavalleristen den Auftrag, die als Verräterin wegen Paktierung mit dem Feind eingestufte Adelaide Geary (Rita Hayworth) nach Cordura zu eskortieren. Auf dem beschwerlichen Weg durch die Wüste zeigt sich, dass sich beileibe nicht jeder Charakter durch eine einzelne markante Tat definiert.

Rossens spannender, psychologisch hervorragend austarierter Western vor dem historischen Hintergrund der Mexikanischen Revolution bietet dankbare Spätkrarriererollen für die beiden Altstars Cooper und Hayworth, die beide nochmal die Gelegenheit zu jeweils ausgesprochen nuancierten Darstellungen haben und diese auch wohlfeil nutzen. Selbiges gilt für die erstklassigen, als Wölfe im Schafspelz zu überzeugen wissenden Nebendarsteller Van Heflin und Richard Conte. Einen geflissentlich unangenehmen Beigeschmack erhält der Film allerdings durch seine Reduktion der Schuld/Sühne-Thematik auf die singuläre Diskursplattform militärischen Pflichtbewusstseins und selbstlosen Kampfeseinsatzes sowie die entsprechenden Leistungen. Andererseits ist genau das eben der Topos des Films und somit in der Retrospektion kaum vollwertig kritisierbar. Als intelligentes Ensemblestück mit durchweg großzügiger Interpretationsbasis hat "Cordura" vielen der weitaus oberflächlicheren Werke dieser Tage eine Menge voraus. Warum er nicht wesentlich wohlgelittener ist im Kanon der großen Hollywood-Klassiker ist mir ein wenig schleierhaft.

8/10

Historie Mexiko Robert Rossen WWI Mexikanische Revolution Militaer


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SHOWGIRLS (Paul Verhoeven/USA, F 1995)


"Why aren't you erect?"

Showgirls ~ USA/F 1995
Directed By: Paul Verhoeven


Die blöde, aber wehrhafte Herumtreiberin Nomi Malone (Elizabeth Berkley) will ihr Glück im Spiel- und Showparadies Las Vegas versuchen, muss jedoch unmittelbar feststellen, dass hinter dem Antlitz der Glitzermetropole alles einem gigantischen Prostitutionskarussell entspricht. Dabei will die Arme doch partout keine Hure sein... Mittels rüpelhafter Methoden zum Star einer Topless-Show aufgestiegen, zieht Nomi noch gerade rechtzeitig die Reißleine vor dem endgültigen Abstieg in die Selbstkorruption.

Fegefeuer der Oberflächlichkeiten: Unter Befleißigung "normaler" Maßstäbe lässt sich diese grelle Posse kaum einordnen, geschweige denn überhaupt erfassen. Nachdem Verhoeven bereits mit "Basic Instinct" ein eher zu vernachlässigendes Eszterhas-Buch bebildert hatte, degradierte er sich mit "Showgirls" endgültig zum Gurkenkönig des internationalen Films, auf den man schon bereitwillig zu pfeifen bereit war, hätte er sich nicht bald darauf mit "Starship Troopers" wieder so spektakulär am eigenen Schopfe aus dem Dreck gezogen. Was war geschehen? "Showgirls", von vornherein konzipiert als scheinskandalöses NC-17-Vehikel für den gepflegten älteren Herrn mit Beule in der Hose, erwies sich im Endeffekt als stockkonservative Moralfabel um die ach-so-böse Welt des Showbiz, in der die Gutherzigen zwar ihren Platz haben, diesen aber mit ehrlicher, harter Arbeit verteidigen müssen. Je wohlhabender das Pack, desto korrupter, verruchter, niederträchtiger seine Aktivitäten. Das Ganze versandet schlussendlich dann irgendwo unterhalb des geistigen Niveaus der Protagonistin, deren Lehrgeld in Vegas im Prinzip darin kulminiert, dass ihr Kyle MacLachlan als geckenhafter Koksdandy steckt, man solle Versace doch bitte nicht wie 'Vörsejs' aussprechen. Dieses bemitleidenswerte, blonde Dummchen. Wieder mal reingefallen, wie so oft.
Die deutsche Synchronisation beutet die arme Berkley übrigens noch schärfer aus: Da wird aus ihrem Lieblingskommentar "It doesn't suck" kurzerhand "Tittengeil". Ungeheuer. Bleibt nur zu hoffen, der Paulemann kann mittlerweile ebenso über seinen Abstecher in die Niederungen des subdebilen Kinos lachen wie jeder Mensch, der halbwegs bei Trost ist. Ansonsten dürfte ihm die massiv verjubelte Kohle angesichts gewisser, bis dato unrealisierter Leibprojekte noch fünfzehn Jahre später ganz zu Recht arge Herzstiche versetzen.
Jessas, was für ein unverfroren dämlicher Film.

3/10

Las Vegas Trash Joe Eszterhas Paul Verhoeven Prostitution


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DAS WEISSE BAND - EINE DEUTSCHE KINDERGESCHICHTE (Michael Haneke/D, AT, F, I 2009)


"Die Drohungen blieben leer."

Das weisse Band - Eine deutsche Kindergeschichte ~ D/AT/F/I 2009
Directed By: Michael Haneke


Eichwald, ein im Norddeutschen gelegenes, spätfeudalistisches Dorf im Vorkriegsjahr 1913: Der junge Lehrer der örtlichen Schule (Christian Friedel) wird Zeuge einer Kette seltsamer Unfälle und Straftaten, deren Urheber sich nicht feststellen lassen und die in Eichwald für Unfrieden sorgen. Hinter einer undurchdringlichen, autoritären Mauer des ehernen Schweigens, für die vor allem die "führenden" gesellschaftlichen Köpfe wie der protestantische Pastor (Burghart Klaußner), der Dorfarzt (Rainer Bock) und der Baron (Ulrich Tukur) als Feudalherr Eichwalds stehen, schwelen neben gegenseitiges Misstrauen, falschen Verdächtigungen und Neid auch böse Sanktionsmittel, Missbrauch, Totschweigen.

Michael Haneke macht sich in "Das Weisse Band" daran, ein Exempel für die Auswüchse der im frühen letzten Jahrhundert noch akuten Schwarzen Pädagogik darzustellen und es darüberhinaus als eine mögliche Ursache für das unweigerliche Abdriften einer Gesellschaft in den Faschismus zu analysieren. Der aufgeschlossene, liberal positionierte Junglehrer steht gegen einen Wall des jahrhundertealten Filz geprägt von geglätteten Machtverhältnissen und verhärteten Fronten, von erzwungener Obrigkeitshörigkeit und einer omnipräsenten, latenten Feindseligkeit, hinter dem es schließlich zu brodeln beginnt. Hier heißt es nicht mit, sondern gegen, heruntergebrochen auf den jeweils denkbar kleinstmöglichen sozialen Mikrokosmos: Es geht Aristokratie gegen Bürgertum, Bildungsbürger gegen Arbeiter, Frau gegen Mann, alt gegen jung, nicht-behindert gegen behindert. Der Katechismus dient als pädagogisches Druckmittel und steht gleichberechtigt neben dem Ochsenziemer und dem titelgebenden Band, das der Pastor seine Kinder öffentlich als Schandmal tragen lässt.
Um eine Gesellschaft am Kriegsvorabend geht es hier, die angesichts ihrer unerträglichen internen Spannungen den Krieg als Erlösung begreifen dürfte. Für dieses von emotionaler Kälte geprägte Klima erscheint das klirrende, wenn auch ästhetisch ungeheuer reizvolle Schwarzweiß der Photographie höchst passend. Mich hat "Das Weisse Band" phasenweise stark an Kubricks "Barry Lyndon" erinnert, in dem eine ähnliche bildliche (wenn auch farbige) Klarheit vorherrscht in Koexistenz mit einer minimalisierten historischen Gesellschaftsstudie und einem in klassisches Literaturdeutsch gekleideten Off-Kommentar. Und da mir der eine gefällt, tut's eben auch der andere. Mit Haneke habe ich langsam meinen Frieden gemacht. Seine mir persönlich peinlichen, mediendidaktikischen Arbeiten kann ich ja weiterhin getrost ignorieren.

8/10

Feudalismus WWI period piece Historie Michael Haneke


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BASIC INSTINCT (Paul Verhoeven/USA 1992)


"Games are fun."

Basic Instinct ~ USA 1992
Directed By: Paul Verhoeven


Detective Nick Curran (Michael Douglas) soll den Fall eines während des Koitus mittels eines Eispickels ermordeten Rockstars (Bill Cable) untersuchen. Alles deutet auf Catherine Tramell (Sharon Stone), Kriminal-Romancieuse und Freundin des Toten, als Täterin hin. Wie sich noch zusätzlich herausstellt begleiten das Leben der eiskalten Blondine eine Kette seltsamer Analogien zwischen ihren Büchern und ihrer Biographie. Als Curran eine Affäre mit Catherine beginnt, begibt er sich auf dünnstes Eis...

Der wegen ein paar Nacktszenen damals als Semiporno gehandelte (und vornehmlich aus diesem Grunde unrechtmäßig erfolgreiche) "Basic Instinct" kann mit dem Abstand der Jahre nicht verleugnen, kaum mehr als heiße Luft zu produzieren. Besonders im Vergleich zu den beiden voreangegangenen Schätzchen "RoboCop" und "Total Recall" erweist sich dieser laue Erotikthriller, der immerhin filmhistorisch von vordergründigem Interesse ist als einer jener Filme, die als Auslöser eines ganzen Erdrutsches von Epigonen und Plagiaten dastehen, als herb enttäuschendes Durchschnittsfabrikat. Verglichen mit dem deutlich intelligenteren "De Vierde Man", der bereits Jahre zuvor eine ganz ähnliche Richtung einschlug und zum Thema Suspense deutlich mehr zu sagen wusste, verzichtet das Script des Trivialschreibers Eszterhas sogar noch auf das geringste Quentchen Irrealis - vermutlich, um sein Publikum nicht durch drohende Überforderung zu vergrätzen. Das einzige, was neben Michael Douglas' wie immer solider Leistung an diesem Versuch, an Hitchcocks Thron zu kratzen, auch rückblickend noch zur Gänze zu überzeugen vermag, ist die Musik von Jerry Goldsmith.
Als merkwürdig leeres Hochglanzprodukt der orientierungslosen Frühneunziger nach wie vor faszinierend, als Verhoeven-Film jedoch in dessen unterem Schaffenssegment.

6/10

Madness femme fatale neo noir Literatur Paul Verhoeven San Francisco Joe Eszterhas Amour fou Serienmord


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TOTAL RECALL (Paul Verhoeven/USA 1990)


"Open your mind."

Total Recall (Die totale Erinnerung) ~ USA 1990
Directed By: Paul Verhoeven


Im Jahre 2084 werden die Planeten nach ihrer Kolonisierung im großindustriellen Maßstab ausgebeutet. Auf dem Mars baut man wertvolles Turbiniumerz ab. Der raffgierige Politiker Cohaagen (Ronny Cox) verwaltet dieses Milliardengeschäft und "versorgt" die Arbeiter im Gegengzug mit wegen der lebensfeindlichen planetaren Atmosphäre existenznotwendigen Kuppeldächern, die allerdings von billigster Konstruktion sowie nicht strahlenresistent sind und daher für Mutationen bei den Kindern sorgen. Derweil träumt der Bauarbeiter Doug Quaid (Arnold Schwarzenegger) auf der Erde von einem Marsbesuch. Da ein solcher in der Realität allzu umständlich erscheint, entscheidet sich Quaid für einen Besuch bei der Erinnerungsimplantierungsfirma REKALL, um sich zumindest eine lebensechte, wenn auch gefälschte Erinnerung an den Mars zu erkaufen. Sein persönliches Kundenpaket sieht außerdem vor, dass Doug für die Dauer des Egotrips aus seinem Alltag als Arbeiter entkommen und seine Ferien als Geheimagent verbringen kann. Die Implantation scheint jedoch schiefzugehen und urplötzlich sieht sich Quaid mit zahlreichen waffenstarrenden Gegnern und einer falschen Identität konfrontiert. Seine Frau (Sharon Stone) will ihn töten und bald landet er tatsächlich auf dem Mars, wo er zum Revolutionshelden wird.

Mit "Total Recall" verbinde ich ganz besondere biographische Erinnerungen: Ich hatte das große Glück, den Film damals mit vierzehn Jahren auf der Leinwand sehen zu können, eine Kinoerfahrung, die mich so dermaßen übergebügelt hat wie nichts Vergleichbares zuvor. Überhaupt sind die Latenz- bzw. Pubertätsphasen ja für den möglichst unbefangenen Genuss von Eventmovies das beste Alter, man hat das Staunen noch nicht verlernt und ist perzeptiv betrachtet andererseits noch naiv genug, um auf mediale Affektevozierung halbwegs widerstandslos eingehen zu können. In dieser Phase also hatte Verhoeven mich mit seiner brillanten Reflexion um ein möglicherweise auch innerhalb der Filmrealität rein imaginäres Abenteuer erwischt, und zwar kalt. Diesem Erlebnis konnte danach wie erwähnt zunächst mal gar nichts das Wasser reichen, bis dann irgendwann Ridley Scotts Director's Cut von "Blade Runner" kam (sicher nicht ganz zufällig ebenfalls eine Dick-Verfilmung mit sich sukzessive auftürmenden Identitäts- und Realitätsfragen). Auf die sagenhafte technische Fertigung von "Total Recall", mit all seinen topographischen Konstruktionen und Szenarien, seiner kompromisslosen (jedoch rein visuellen) Brutalität und dem hypnotisierenden Goldsmith-Score einzugehen lohnt kaum, das ist ja sowieso alles hinlänglich bekannt. Was indes bis heute rückhaltlos fasziniert, ist die um die verschiedenen möglichen, dabei ungeklärten Realitätsebenen kreisende Metastruktur. Die Frage danach, ob sich all das, was er und wir mit ihm erleben, tatsächlich nur um Quaids Egotrip handelt, ob er einer "schizoiden Embolie" zu erliegen droht, wie man ihm zwischendurch weiszumachen versucht oder ob Quaid tatsächlich den Mars rettet, lässt sich, von Verhoeven ganz bewusst arrangiert, bis zum Schluss nicht eindeutig beantworten - wenngleich die ungewöhnliche Weißblende zum Abschluss schon stellvertretend für eine gewisse inszenatorische Tendenz betrachtet werden kann. Neben "The Terminator" dürfte "Total Recall" somit das intelligenteste Lichtspiel sein, in dem Schwarzenegger je das Glück hatte aufzutreten. Vor allem lebt dieser Film ausnahmsweise nicht von Arnolds Physis, sondern von der bloßen narrativen Substanz des Scripts. Es mag - wie öfter bei mir - reaktionär anmuten, aber für mich ist "Total Recall" ein Zeugnis aus besseren Kinotagen.

10/10

Splatter Mutant Zukunft Philip K. Dick Paul Verhoeven Mars Weltraum Identitaetskrise


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EARTHQUAKE (Mark Robson/USA 1974)


"What's forecasting worth when noone gets warned in the end?"

Earthquake (Erdbeben) ~ USA 1974
Directed By: Mark Robson


Nachdem am Morgen bereits zwei kleinere Erschütterungen das Stadtgebiet von Los Angeles heimgesucht haben, kommt es zu einem gewaltigen Erdbeben, das weite der Stadt zertrümmert und sie im Ausnahmezustand zurücklässt. Der in einer starken Ehekrise steckende Wolkenkratzerarchitekt Graff (Charlton Heston) fühlt sich für die Katastrophe mitverantwortlich und tut zusammen mit dem Ex-Polizisten Slade (George Kennedy) was er kann, um den Menschen zu helfen.

That's Armageddon & Akopalüze Nau - "Earthquake" bietet Katastrophenkino wie man es kennt und liebt. Strukturell erweist sich der Film als absolut linear zum Kanon dieser kleinen Kinogattung. Eine Handvoll Stars wird zu Beginn episodisch in ihren Filmrollen eingeführt, derweil ein, zwei tapfere Wisschenschaftler das Desaster bereits vorausahnen bzw. -sehen. Die Arroganz ihrer Chefs und die der zuständigen Politiker verhindert jedoch eine adäquate Prophylaxe und so kommt es wie es kommen muss: Alles geht kaputt und etliche Menschen drauf: Lupenreine Exploitation im Multimillionendollargewand.
In "Earthquake", der dem Lewton-Veteran Mark Robson ein spätes Comeback offerierte, nachdem er über die Jahre hier und da immer wieder mit kleinen Glanzlichtern punkten konnte, bekommen vor allem die Kulissenkreateure massig zu tun, wo arriviertes Starpersonal wie Ava Gardner und Lorne Greene (übrigens als Vater und Tochter zu sehen - völliger Quatsch) sich damit begnügen darf, physische Präsenz zu zeigen. Den besten Auftritt allerdings hat Walter Matthau als stockbesoffene Barfliege im besten Pimp-Outfit samt rotem Plüschhut, die von dem ganzen Tohuwabohu um sich herum nichts mitbekommt. Mit noch immer beeindruckenden Miniatureffekten und schicken matte paintings erschuf man tatsächlich die unerhört realistisch anmutende Illusion eines gigantischen Ground Zero, eines urbanen Schlachtfelds. Insgesamt ein sehr schickes, bombastisches Studio-Prestigestück inmitten des intimen New Hollywood.

7/10

Apokalypse Starbesetzung Mark Robson


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WAXWORK II: LOST IN TIME (Anthony Hickox/USA 1992)


"A kiss at the point of death is more pleasurable than the most intense orgasm imaginable..."

Waxwork II: Lost In Time (Spaceshift - Waxwork 2) ~ USA 1992
Directed By: Anthony Hickox


Mark (Zach Galligan) und Sarah (Monika Schnarre) haben den Kampf gegen Lincoln und seine Monster gewonnen, doch die Hand einer der Kreaturen verfolgt Sarah bis nach Hause und erwürgt ihren Stiefvater (George "Buck" Flower). Da Sarah die Hand im Müllzerkleiner zerhäckselt, fehlt ihr vor Gericht jeder Beweis, die Tat nicht selbst begangen zu haben. Mark kommt auf die Idee, erneut eine Reise in die Dimensionen anzutreten, um dort nach Beweisstücken für Sarahs Unschuld zu suchen. Zusammen geraten die beiden in das Paralleluniversum Cartagra, in dem sämtliche Gruselgeschichten zum Leben erwacht sind und der Kampf Gut gegen Böse ewig währt.

Ganze vier Jahre nach "Waxwork" stellte Hickox das Sequel her, das sich ganz unbedarft vornehmlich auf die jüngeren Genreklassiker stützt, wo der erste Teil noch mehr im Schwarzweißmilieu der alten Universal-Filme daheim war. "The Haunting", "Dawn Of The Dead" und "Alien" werden zitiert, die Kernepisode gegen Ende versucht dann jedoch durch Eigenständigkeit zu glänzen und entwirft ein frühmittelalterliches Szenario um den bösen Scarabis (Alexander Godunov), der niemand geringerem an den Kragen möchte als König Artus (John Ireland) persönlich.
Man möchte meinen, Hickox habe, besonders in Anbetracht der zeitlichen Distanz zwischen beiden Arbeiten, aus den Schwächen des Vorgängers gelernt, doch weit gefehlt. Abgesehen davon, dass das Produktionsdesign der Fortsetzung hier und da wirkungsvoller, weil sorgfältiger arrangiert ausfällt, suhlt sich auch dieses wieder in einer hoffnungslos unpassenden Langsamkeit, die sich wohl einzig dadurch erklären lässt, dass Hickox selbst das gemächliche Erzähltempo bevorzugt. Weiterhin sollte man, vorausgesetzt man gehört zu jener glücklichen Sorte Filmeschauer, die des Ausblendens mächtig sind, niemals bestimmte Logikfragen stellen, denn auch mit deren Beantwortung lässt Hickox uns ziemlich allein auf weiter Flur.
Da reißen die wiederum liebevollen Arrangements sowie der starke Auftritt von Bruce Campbell glücklicherweise vieles wieder raus.

5/10

Artussage Splatter Zombies Anthony Hickox Independent Sequel Monster


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WAXWORK (Anthony Hickox/USA 1988)


"Would you like... a closer look?"

Waxwork (Reise zurück in der Zeit) ~ USA 1988
Directed By: Anthony Hickox


Der sinistre Mr. Lincoln (David Warner) hat vor vielen Jahren einen Teufelspakt geschlossen und versucht diesen nun mithilfe seines Wachsfigurenkabinetts einzulösen. In diesem sind 18 wohlbekannte Horrorszenarien nachgestellt, bei denen allerdings teilweise noch die Opfer fehlen. Diese organisiert Lincoln, indem er unwissende Teenager in sein Haus einlädt und sie durch ein Dimensionstor in die jeweils nur scheinbar wächserne Szene stößt. Der verwöhnte Teensnob Mark (Zach Galligan und seine Freundin Sarah (Deborah Foreman) kommen Lincoln auf die Schliche und sagen ihm mithilfe von Marks Patenonkel Sir Wilfred (Patrick Macnee) den Kampf an.

Die Idee, den klassischen Monsterheroen durch ihre Wiedervereinigung eine besondere Reminiszenz zu erweisen ist fast so alt wie die ersten Laemmle-Produktionen für die Universal. Auch in den Achtzigern ließ Fred Dekker mit seiner "Monster Squad" ein entsprechendes Vehikel auf sein Publikum los; "Waxwork" gliederte sich in ebenjene Schiene monströser Klassenfilme ein. Nacheinander begegnen die teenage heroes bzw. victims dem Wolfsmenschen (John Rhys-Davies), dem Grafen Dracula (Miles O'Keefe), der Mumie (Paul Badger), den lebenden Toten sowie einem äußerst peitschfreudigen Marquis de Sade (J. Kenneth Campbell) und schlagen diese mal mehr, mal minder erfolgreich zurück.
"Waxwork" steckt einerseits voller witziger und guter Einfälle, deren Umsetzung andererseits jedoch an einem schlechten Gespür für timing krankt. Man erahnt angesichts der diversen Gags, dass Hickox neben einer recht blutrünstigen Bebilderung seiner Mär auch einen slapstickhaften Duktus im Sinn hatte, dem aber durch eine teils unpassend gemächliche und allzu gedehnte Narration sowie eine für diese Prämisse viel zu niedrige Schnittfrequenz eine adäquate Realisation verwehrt blieb. Schade, meint man doch permanent, das unausgeschöpfte Potenzial des Films förmlich zu riechen.

5/10

Vampire Mumie Werwolf Monster Marquis de Sade Independent Anthony Hickox Splatter





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