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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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TROPA DE ELITE (José Padilha/BR, NL, USA 2007)


Zitat entfällt.

Tropa De Elite ~ BR/NL/USA 2007
Directed By: José Padilha


Rio de Janeiro, 1997: Auf den als unbeirrbar gefürchteten BOPE-Offizier Nascimento (Wagner Moura) warten harte Zeiten. Neben seinem alltäglichen Geschäft, dem Kampf gegen die unzähligen großen und kleinen Drogendealer in den Favelas, kündigt sich ein Papstbesuch an und der Kirchenvater geruht ausgerechnet bei einem im Slum wohnhaften Bekannten zu nächtigen. Das entsprechende Areal muss also rechtzeitig gesichert werden. Hinzu kommen sich mehrende Panikattacken, die Nascimento innerlich unter Druck setzen sowie die unmittelbar bevorstehende Geburt seines kleinen Sohnes. Ein baldiger Nachfolger als Einheitsleiter muss her. Allein, wer soll es sein - der ultrabrutal vorgehende Neto (Caio Junqueira) oder der idealistische, zugleich nach einer Anwaltskarriere strebende Matias (André Ramiro)?

Knüppelharte Studie über den Einsatz der BOPE in den Favelas von Rio. Bei der BOPE handelt es sich um eine martialische, unter Militärherrschaft stehende Polizeieinheit, die sowohl dafür bekannt ist, absolut rücksichtslos vorzugehen, das heißt, auch unter regelmäßigem Einsatz von Folter und tödlicher Gewalt, als auch dafür, garantiert unbestechlich zu sein. Rodrigo Pimentel, einer der Autoren der Vorlage, war selbst jahrelang BOPE-Offizier und schildert seinen authentischen Arbeitsalltag in bürgerkriegsähnlichen Zuständen in beklemmender Art und Weise. Der Einsatz der BOPE wird dabei durchaus kritisch beäugt und keineswegs, wie manche kritische Stimmen dem Film vorwarfen, glorifiziert. Ganz zweifellos wird herausgestellt, in welch abartiger Weise die Polizisten als reaktionäre Terrorsäer instrumentalisiert werden und wie nutzlos auf der anderen Seite ihr mitunter tödlicher Einsatz ist. Die langjährige Erfahrung demonstriert nämlich hinlänglich, dass die Zahl der in Drogengeschäfte involvierten Personen in den Favelas keinesfalls geschrumpft ist und dass die Einschüchterungs- und Gewalttaktik der BOPE ergo weithin fruchtlos geblieben ist.
Padilha inszeniert sein kleines Epos in farbgefilterten, messerscharfen Bildern und mit Handicam, einer seltsamen, gleichwohl funktionalen Mischung aus Stilisierung und Naturalismus. Die Wahl dieser Mittel kommt dem Film und seinem Anliegen durchaus zugute und verschafft dem in globaler Hinsicht ja zwangsläufig unbedarften Publikum somit einen zwischen Hyperrealismus und Beklemmung pendelnden Eindruck dessen, was sich da zwischen von Zuckerhut und Copacabana tagtäglich abspielt.

9/10

Favelas Rio de Janeiro Slum José Padilha Brasilien


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THE GHOST AND THE DARKNESS (Stephen Hopkins/USA 1996)


"The devil has come to Tsavo..."

The Ghost And The Darkness (Der Geist und die Dunkelheit) ~ USA 1996
Directed By: Stephen Hopkins


1898 nimmt der irische Ingenieur John Henry Patterson (Val Kilmer) den Auftrag an, im ostafrikanischen Tsavo den Bau einer Eisenbahnbrücke für die Briten zu leiten. Die Arbeiten daran, an denen sowohl Einheimische als auch zahlreiche Inder beteiligt sind, werden jedoch alsbald empfindlich gestört: Zwei menschenfressende Löwen dezimieren die Reihen der Arbeiter, deren Angst vor den von ihnen als 'Dämonen' verklärten Bestien proportional zu den Toten wächst. Bald zieht man den erfahrenen Großwildjäger Remington (Michael Douglas) hinzu, doch mit einer solchen Beute hat selbst dieser alte Hase es noch nicht zu tun gehabt.

Hopkins' vorzüglich photographiertes, schönes Kolonial-Abenteuer weist eigentlich nur zwei - allerdings nicht unwesentliche - Schwachpunkte auf. Zum Ersten erscheinen mir persönlich eher würdevoll und anmutig wirkende Tiere wie Löwen im Gegensatz zu den unpersönlichen, üblicherweise im Genrefilm als Monsterviecher missbrauchten Schlangen und Krokodilen nicht sehr gut dazu geeignet, Angst und Schrecken zu transportieren. Selbstverständlich würde innerhalb eines realen Kontextes auch ich nicht gern Bekanntschaft mit einem Löwen schließen, aber hier geht es ja schließlich um bloßes Leinwandgeschehen. Da bringt auch das den majestätischen Großmiezen verschwenderisch um die Schnute gepinselte Kunstblut nicht viel. Zum Zweiten hat "The Ghost And The Darkness" ganz offensichtlich nicht genug Vertrauen in die eigenen Qualitäten. Diverse Ansätze zu einem Mehrwert notwendiger Epik sind vorhanden, diese jedoch werden regelmäßig und ruckzuck erstickt, als gelte es zwingend, eine vorgegebene Länge nicht zu überschreiten. Dabei gibt es gerade in dem stark an Spielbergs Orca-Szenen in "Jaws" angelehnten letzten Drittel einige sanfte, atmosphärisch durchaus geschlossene Momente, in denen die Beziehung der drei Jäger (neben Kilmer und Douglas ist das noch der Massai Samuel (John Kani)) zueinander vertieft wird, die die nächste Löwensequenz dann jedoch radikal unter- und abbricht.
Dies wäre also ein Film, dem ausnahmsweise mal fünfzehn, zwanzig Minuten mehr an Erzählzeit durchaus wohl getan hätten. Dennoch hat er mir auch beim zweiten Anschauen noch gut gefallen.

7/10

Afrika Eisenbahn Stephen Hopkins Kolonialismus Großkatzen Jäger Großwildjagd


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THE OUTLAW (Howard Hughes, Howard Hawks/USA 1943)


"The crazier a man is for a woman, the crazier he thinks and the crazier he acts."

The Outlaw (Geächtet) ~ USA 1943
Directed By: Howard Hughes/Howard Hawks


Pat Garrett (Thomas Mitchell), Sheriff in Lincoln County, ist zunächst guter Dinge, als sein alter Freund Doc Holliday (Walter Huston) in der Stadt auftaucht - trotz dessen schlechten Rufs. Die Wiedersehensfreude wird jedoch jäh getrübt, als Doc sich mit dem ebenfalls in Lincoln erscheinenden William Bonney (Jack Buetel) alias Billy The Kid verbrüdert. Zusammen flüchten die beiden Outlaws vor den Gesetzeshütern. Billy wird angeschossen und von Doc seiner Freundin Rio (Jane Russell) zur Pflege übergeben. Ein unglückliche Entscheidung, denn der wesentlich jüngere und attraktivere Billy löst Docs Gunst bei der feurigen Rio ab. Als Garrett die beiden Kriminellen schließlich nacheinander aufspürt, müssen sie zunächst noch zusammen gegen eine Horde Mescaleros bestehen, bevor es Zeit wird für ein paar klärende Worte - und Schüsse.

Ein obskurer, nichtsdestotrotz sehr sehenswerter Versuch des exzentrischen Howard Hughes, selbst einen Film zu inszenieren. Zwar holte sich Hughes Hilfe und Rat bei seinem Freund und Namensvetter Howard Hawks, dieser jedoch stellte sich lediglich für ein paar wenige Szenen zur Verfügung, ließ Hughes dadurch im Endeffekt nonchalant und gekonnt auf die Schnauze fallen und sich somit selbst nachhaltig seine Grenzen vor Augen führen. "The Outlaw", rein historisch betrachtet bereits kompletter Nonsens, strotzt nur so vor technischer Schlampereien und fast als klassisch zu bezeichnender Regiefehler. Diverse Einstellungen wurden in sichtlich billigen Ateliers vor Pappmachéfelsen gefilmt; für einen Western ein garantierter Atmosphärekiller. Der Schnitt ist abenteuerlich, die Musik scheint geradewegs einem Tex-Avery-Cartoon entlehnt. Die Dialoge, wie die gesamte Dramaturgie des Films auch, sind zumeist - wohlwollend gesprochen - 'umständlich'; böse Zungen dürften sie allerdings auch widerspruchslos als klebrig bezeichnen. Als relativ streng gehaltenes Vier-Personen-Stück bietet die Story eigentlich eine Menge dramtisches Potenzial, das jedoch komplett im Sande verläuft, da wirkliche Dynamik oder gar Spannung unter den Charakteren zu keiner Sekunde aufkommen wollen. Buetel gefiel sich offenbar als hoffnungslos-eitler Geck, Huston wirkt permanent, als durchlebe er gerade einen kalten Bourbon-Entzug und die Russell samt ihrer Brüste ist bloße Staffage. Dazu gleich mehr. Einzig Thomas Mitchell, der in vielen der großen Western dieser Zeit mitwirkte, begeistert ansatzweise in einem ausnahmsweise eher unsympathisch gehaltenen Part. Stichwort Russell: Für das damals knapp zweiundzwanzigjährige Busenwunder war "The Outlaw" den Kinoeinstand, und wahrhaft einen nach Maß: Nicht nur, dass sie in gleich mehrfacher Hinsicht zum mutmaßlich hilflosen Gegenstand einer extrem misogynen Mär wurde (Billy macht sich Rio, die sich ursprünglich an ihm für den Tod ihres Bruders rächen wollte, gleich bei ihrer ersten Begegnung per Vergewaltigung gefügig; gleich mehrfach wird herausgestellt, dass das Pferd, um das Holliday und Billy streiten, wesentlich mehr wert sei als ihre "gemeinsame Freundin" Rio, die mit fortlaufender Spielzeit immer weniger Text hat). Die Anekdoten sind Legion: Angeblich war Hughes ausschließlich daran interessiert, wie er das Dekolleté seines weiblichen Stars möglichst gewinnbringend - um nicht zu sagen offenherzig - ins Bildzentrum bringen konnte, ohne in übermäßigen Konflikt mit dem Hays Code zu geraten und wie nebenbei noch dafür Sorge zu tragen war, dass sich unter der Bluse ihre Brustwarzen abzeichneten. In letzter Instanz hatte Hughes zumindest mit diesen Bemühungen Erfolg - heute verbindet man "The Outlaw" fast ausschließlich mit dem Bild einer sich lasziv räkelnden Jane Russell, zumal nahezu jedes existente Plakat oder DVD-Cover von ihrem Antlitz bzw. ihrem Körper beherrscht wird. Insofern wurde "The Outlaw" zumindest in einer Hinsicht zur Begründung eines Mythos - wenn er auch ein von der rein formalen Warte aus besehen letztlich indiskutabler Film (und Western sowieso) geworden ist.

5/10

Howard Hughes Howard Hawks Billy The Kid


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THE PRINCESS AND THE FROG (Ron Clements, John Musker/USA 2009)


"Don't make me light my butt!"

The Princess And The Frog (Küss den Frosch) ~ USA 2009
Directed By: Ron Clements/John Musker


New Orleans in den zwanziger Jahren. Die ehrgeizige Kellnerin Tiana versagt sich jegliches Privatvergnügen, um den Traum ihres verstorbenen Vaters finanzieren zu können: Ein eigenes Restaurant. Als zum jährlichen Mardi Gras der schnöselige, mittellose Prinz Naveen in der Stadt auftaucht, um Tianas ebenfalls schnöselige, dafür aber umso reichere Freundin Charlotte zu heiraten, wird der sinistre Voodoopriester Dr. Facilier hellhörig. Flugs verwandelt er Naveen in einen Frosch und gibt Naveens missgünstigen Diener James die Gestalt des Prinzen, um diesen als willfährigen Mittelsmann zu missbrauchen. Nach einem folgenschweren Kuss von Frosch-Naveen verwandelt sich auch Tiana in einen grünen Hoppler. Gemeinsam landet man im Bayou, gewinnt ein paar neue Freunde und holt sich Rat bei der weisen Uralt-Zauberin Mama Odie: Wenn Naveen und Tiana noch vor Mitternacht von der mittlerweile geadelten Charlotte geküsst werden, erhalten sie ihre Menschengestalt zurück.

Disney macht nach einer bislang nie dagewesenen, fünfjährigen Pause doch tatsächlich wieder einen abendfüllenden 2D-Animationsfilm fürs Kino - der Welt ist ein Stück Ordnung zurückgegeben. Damit nicht genug, beschäftigen die Mickymäuse sogar ein eigens für die Abteilung Zeichentrick aus der Taufe gehobenes Sublabel (Walt Disney Animation Studios) - es scheint also, als könne man sich auf noch mehr freuen.
"The Princess And The Frog" ist seit dem wunderbaren "Treasure Planet" vom selben Team darüberhinaus der schönste Trickfilm des Studios. Temporeich, vor liebevollen Details und netten Songs trotzend sowie mit einer gewaltigen, an vergangene Großtaten erinnernden Reminiszenzbreite versehen, lässt der Film tatsächlich jenes alte, wohlige Gefühl aufkommen, dass manch einem von uns bereits seit frühesten Kindheitstagen vertraut sein dürfte. Eruptive Farb- und Formexplosionen während der surrealen Musiknummern (die es nebenbei locker mit denen in "Treasure Planet" aufnehmen können) nebst verrückter Einfälle wie dem Trompete spielenden, in der deutschen Fassung von Bill Ramsey gesprochenen Alligator Louis dürften darüberhinaus vor allem den rauschaffinen Disney-Gucker freudig stimmen, gemahnen sie doch an die großen LSD-Klassiker "Fantasia" und "Alice In Wonderland"
A sort of homecoming.

8/10

John Musker Ron Clements Musik Sumpf Jazz New Orleans Suedstaaten Maerchen Disney Kinder


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RED RIDING: 1974/1980/1983 (Julian Jarrold, James Marsh, Anan Tucker/UK 2009)


"To the North - where we can do what we like."

Red Riding: 1974/1980/1983 ~ UK 2009
Directed By: Julian Jarrold/James Marsh/Anan Tucker


West Yorkshire im Norden Englands. Hinter pittoresk-grauer Industriekulisse ereignet sich in einer über neunjährigen Zeitspanne Ungeheuerliches: Kinder werden ermordet, vergewaltigt und verstümmelt aufgefunden, die Polizei und das gesamte Rechtssystem sind durch und durch korrupt, unliebsame oder gar aufbegehrende Mitwisser und Schnüffler werden beseitigt und statt der wahren Täter hilflose Sündenböcke eingesperrt, ein böser Immobilienhai (Sean Bean) zieht im Hintergrund die Fäden, derweil noch ein Serienmörder (Joseph Mawle) Prostituierte abschlachtet und die Rechtschaffenen, wie der Journalist Dunford (Andrew Garfield), der von außerhalb herbestellte Ermittler Hunter (Paddy Considine) oder der kleine Anwalt Piggott (Mark Addy) rein gar nichts mehr zu bestellen haben.

Gleich drei Regisseure verfilmten mittels formal recht differenter Ansätze das eigentlich unbedingt kinotaugliche "Red Riding Quartet" des Autors David Peace für den britischen Channel 4, wobei "1977", der zweite Teil des Zyklus, zu Lasten des strengen Dreijahres-Rhythmus der Vorlage ausgespart wurde. Die Romane sind mir leider nicht bekannt, so dass ich nicht beurteilen kann, wie schmerzlich das fehlende Segment letzten Endes vermisst werden muss. Immerhin bleibt auch den nunmehr zur Trilogie geschrumpften Filmen dank des glücklicherweise immens pedantischen Scriptautors Tony Grisoni ihre Stimmigkeit ohne Einbußen erhalten.
"Red Riding" beginnt am Vorabend der langjährigen politischen Herrschaft der Tories unter Margaret Thatcher und weist sogleich den mentalen Weg der folgenden Dekade. Sean Bean gibt dafür stellvertretend gleich in "1974" einen wunderbar kompakten Abriss der Zeitzeichen, wobei West Yorkshire im Zuge einer wohldurchdachten Offerte seines durchtriebenen Bauunternehmers Dawson zum Opfer eines großkapitalistischen Albtraums wird, in dem niemand, der Ethik, Gerechtigkeit und Wahrheitsfindung als Lebensmaximen schätzt, mehr etwas verloren hat, so er nicht in Bälde sein Leben zu verlieren trachtet. Es scheint fast, als habe sich eine satanische Bruderschaft sämtlicher sozialer Schlüsselpositionen und Trägerposten bemächtigt und treibe nun ihre zwischen abartiger Perversion und Machthunger pendelnden Ränkespiele im beschaulichen Nordosten des Landes. Von 'Todesschwadronen' innerhalb der Polizei ist gleich zu Beginn die Rede, und was zunächst wie ein überzogenes Wortgeplänkel anmutet, erweist sich schon bald als grausame Realität, in der Einschüchterung, Folter und Mord gesetzlich legitimierte Werkzeuge geworden sind. Peace bzw. sein Adept Grisoni liefern dabei Stoff für ein insgesamt fünfstündiges Mammutwerk in drei Aufzügen und mit jeweils wechselnden Protagonisten und Beziehungsgeflechten. Dabei bleibt die Spannungsschraube permanent streng angezogen und zum Durchatmen so gut wie keine Zeit, zumal die fotschreitenden Enthüllungen und Eröffnungen immer neue (wenn auch mitunter bereits recht früh erahnbare) Unfassbarkeiten zutage fördern. Wenigstens gönnt man den Zuschauern zumindest ein kleines Fünkchen Gerechtigkeit am Ende dieser allumfassenden Mär der Finsternis. Zumindest in den USA scheint "Red Riding" mit ein paar Kopien im Kino gelaufen zu sein - ein wahres Verbrechen an der Kunst, dass dem hier nicht so ist.

9/10

James Marsh Journalismus Serienmord Anan Tucker Thatcherismus TV-Film Julian Jarrold England


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THE DEADLY COMPANIONS (Sam Peckinpah/USA 1961)


"You don't know me well enough to hate me that much."

The Deadly Companions (Gefährten des Todes) ~ USA 1961
Directed By: Sam Peckinpah

Ein Bürgerkriegsveteran (Brian Keith) aus dem Norden sucht erbittert nach einem alten Widersacher, der ihn einst während eines Gefechts zu skalpieren trachtete. Seine lange Jagd führt ihn mit den beiden Gaunern Billy (Steve Cochran) und Turk (Chill Wills) zusammen und schließlich in eine kleine Stadt, in der der Yankee im Zuge eines Feuergefechts versehentlich einen Jungen (Billy Vaughn) erschießt. Um seine Schuld zu tilgen, begleiten er und die zwei Halunken die zunächst alles andere als wohlgehaltene Mutter (Maureen O'Hara) des Kindes zu einer Geisterstadt inmitten des Apachengebiets, wo es neben seinem Vater begraben werden soll.

Peckinpahs erster Spielfilm steht im eher zweifelhaften Ruf, noch viele der späteren Qualitäten des Regisseurs vermissen zu lassen und das deutlich sichtbare Opfer einiger Fehlentscheidungen von Produzentenseite geworden zu sein. Ich pflichte dem alles andere als bei; die Komplexität des in "Deadly Companions" entworfenen Schuld-/Sühne-Geflechts in Kombination mit den seltsam verschlungenen, inszenatorischen Pfaden, auf denen der Film wandelt, erschienen mir überaus faszinierend und weisen Peckinpah bereits in dieser Frühphase als einen Mann fürs Ungewöhnliche aus. "Companions" trägt manchmal fast die Züge eines Meta-Westerns; bereits das Städtchen, in dem der namenlose Yankee die von den ansässigen, naserümpfenden Frauen gemiedene Bardame Kit und deren Sohn kennenlernt, ist ein Beispiel typischer Grenz-Bigotterie. Weil die Einwohner nicht mehr wissen, welcher Tag gerade ist, halten sie ihre Gottesdienste je nach Gutdünken im örtlichen Saloon ab.
Diese karge Poesie setzt der Film ungebrochen fort, etwa in der Inszenierung eines langwierigen Privatduells zwischen dem Yankee und einem einsamen Apachen (Buck Sharpe) oder in der sich anbahnenden, bald pervers anmutenden Liebesbeziehung zwischen Kit und dem unfreiwilligen Mörder ihres Kindes. Vielerorts wurde auch der mit einem Akkordeon garnierte, für einen Western ungewöhnliche Score von Marlin Skiles bemängelt. Gewöhnungsbedürftig sein mag selbiger bestimmt, aber dem von "Companions" hinterlassenen, so ungewöhnlichen wie begeisternden Gesamtbild ist er auch sehr zuträglich.
Die aktuell erschienene DVD, deren feine Edierung natürlich besonders der mit einem Audiokommentar, einem kenntnisreichen Booklet und einer fast halbstündigen Doku (die auf den Film selbst leider nur sehr spärlich eingeht, ansonsten aber wie üblich toll geworden ist) vertretene Peckinpah-Apologet Mike Siegel stark gepusht hat, gesellt sich schon jetzt zu meinen Lieblingsveröffentlichungen des Jahres.

8/10

Rache Sam Peckinpah Independent


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MAN-THING (Brett Leonard/USA, AU 2005)


"Good luck out there. It's the cover of Life Magazine, man."- "Life Magazine went out of business, you fucking idiot!"

Man-Thing ~ USA/AU 2005
Directed By: Brett Leonard


Seinen neuen Job im Süden hat sich der frischgebackene "Yankee-Sheriff" Williams (Matthew Le Nevez) deutlich anders und vor allem ruhiger vorgestellt: Gleich bei Dienstantritt wird er mit diversen Verschwundenen und merkwürdig verstümmelten Leichen konfrontiert, deren Mörder offenbar irgendwo in den Sümpfen haust. Die seltsamen Ereignisse scheinen etwas mit dem feisten Ölmagnaten Schist (Jack Thompson) zu tun zu haben, der mitten im Bayou eine riesige Raffinerie baut und sämtliche Anwohner, vor allem die Indianer, gegen sich aufbringt. Ein paar nächtliche Ausflüge ins Moor bringen Klarheit für Williams: Ein gewaltiger indianischer Rachegeist, der sich mit dem von Schist ermordeten Ted Sallis verbunden hat, knöpft sich jeden vor, der widerrechtlich in sein Gebiet eindringt.

Die Vorwürfe gegen den für eine aktuelle Marvel-Comic-Adaption ungewöhnlich niedrig budgetierten "Man-Thing" reichen von 'anachronistisch' über 'dämlich' bis hin zu 'inadäquat'. Auch wenn insbesondere letzteres wohl nicht von der Hand zu weisen ist - immerhin wurden diverse Elemente der origin stark verändert und vor allem Richtung hard horror eingenordet - so stellt sich mir doch rasch die vordringliche Frage, welche Vorstellungen respektive Erwartungen die Kritiker angesichts dieses kleinen, gar nicht mal verkehrten Films hegen. Ich finde es tatsächlich geradezu erfrischend, dass eine Genreproduktion ausnahmsweise mal nicht die jüngst so beliebte Selbstironie befleißigt, um die eigenen Schwächen zu kaschieren und sich damit beim Mainstream-Publikum anzubiedern. Vielmehr steht Leonards preisgünstige Sumpfmär freimütig zu ihren Trashwurzeln und versucht weder, sich unter übersättigten Horrorkids einen Namen zu machen, noch sonstwie zu trumpfen, wo es ohnehin von vornherein unsinnig wäre. Der übliche Stan-Lee-Cameo etwa bleibt aus, was wenig verwundert. Geradezu begeisternd dafür die überdeutlich artifiziellen, an ihrer Atelierherkunft erkennbaren 5x5-Meter-Sumpkulissen; weniger schick zugegebenermaßen das titelgebende CGI-Ungetüm, das von seiner eher sympathisch gelagerten Comic-Herkunft leider nicht mehr viel durchblicken lässt und dessen drei charakteristische Nasententakel nunmehr zu gewaltigen Krakenarmen mutiert sind. Um weiterhin ehrlich zu sein: Ausgesprochen toll ist "Man-Thing" in seiner Gesatmheit wohl nun nicht eben geraten, er scheint mir aber, im Kontrast zu deutlich Aufgeblasenerem wie dem zuletzt gesehen "District 9", auch gar nicht erst dazu gemacht, um irgendwen vom Hocker zu reißen. Mir hat's gefallen, was will ich mehr.

6/10

Comic Suedstaaten Marvel Splatter Brett Leonard Monster Sumpf


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GHOST STORY (John Irvin/USA 1981)


"Dance with me, you little toad."

Ghost Story (Zurück bleibt die Angst) ~ USA 1981
Directed By: John Irvin


Vier alte Herren (Fred Astaire, Melvyn Douglas, Douglas Fairbanks jr., John Houseman), die sich gern zum gepflegten Erzählen von Gruselgeschichten mitsamt Sherry und Zigarre vor dem winterlichen Kamin treffen und sich selbst stolz als "Chowder Society" bezeichnen, sehen sich plötzlich mit ihrer persönlichen, traumatischen Vergangenheit konfrontiert: Eine längst vergessen geglaubte, gemeinschaftlich begangene Sünde will nach fünfzig Jahren endlich gerächt werden.

Stephen King dürfte um 1980 der große Renner gewesen sein, insbesondere, da justament die Adaptionen seiner zwei Romane "Carrie" und "The Shining" als jeweils maßstäblicher Horrorfilm das Licht der Leinwand erblickt hatten. Die Suche nach einem ebenbürtigen Erfolgsgaranten führte die Studioscouts wohl zwangsläufig zu Peter Straub, der die Vorlage für diesen gepflegten gotischen Grusler von John Irvin lieferte.
"Ghost Story", der Film, gibt allerdings keinen großer Aufreger ab, alles spielt sich in gemächlichen, eher unspektakulären Bahnen ab, so dass sich irgendwann der unweigerliche Eindruck einstellt, die einzigen Zuschauer, denen der Film wirklich Angst einzujagen vermag, dürften sich in derselben Altersklasse bewegen wie seine Protagonisten. Obwohl ich zugeben muss, dass auch ich lange Jahre einen privaten Mythos um "Ghost Story" herum errichtet habe, nachdem ich ihn irgendwann als Kind unter dem Titel "Rache aus dem Reich der Toten" gesehen und jenes Erlebnis sich als ziemlich nachhaltig erwiesen hatte.
Die gestrige Begegnung, die zweite nach geschätzten 25 Jahren, erwies sich dann als das, was man gemeinhin so bitter anklagend als 'ernüchternd' zu bezeichnen pflegt und jetzt weiß ich auch, was ich seinerzeit so schlimm fand: Alice Kriges Zombie-Makeup. Insgesamt zu wenig für ein neuerliches Aus-der-Reserve-locken. Doch ich will nicht klagen - an kalten Winterabenden, wie wir sie ja letzthin zur Genüge hatten, mag "Ghost Story" sicher nochmal in adäquaterer Weise genossen werden.

6/10

Rache John Irvin Geister Peter Straub Jack Cardiff


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DISTRICT 9 (Neill Blomkamp/USA, NZ 2009)


"I can't believe I'm being paid to do this."

District 9 ~ USA/NZ 2009
Directed By: Neill Blomkamp


In einer alternierenden Realität sind bereits 1982 Aliens im Luftraum über Johannesburg gestrandet. Die an Bord befindlichen, von Seuchen und Hunger geplagten Insektenwesen, die wegen ihres Aussehens von den Erdbewohnern kurzerhand 'prawns' genannt werden, pfercht man in einem riesigen Township namens 'District 9' vor den Toren der Stadt zusammen. Als der von der entsprechenden Behörde beauftragte, etwas dämliche und naive Bürohengst Van De Merwe (Sharto Copley) eines Umsiedlungsaktion leiten soll, gerät er mit einem außerirdischen Fluidium in Berührung, das ihn sukzessive in einen der prawns verwandelt. Da er nicht als zerschnippeltes Wissenschaftsexperiment enden will, flieht Van De Merwe zum District 9 und hilft dem im Untergrund forschenden Alien Christopher dabei, ein provisorisches Shuttle in Betrieb zu setzen.

Als Apartheids-Allegorie, die "District 9" schon aufgrund der Schauplatzwahl ganz zweifelsohne darstellen soll, entpuppt sich Blomkamps Film als völliger Rohrkrepierer. Dafür fällt der Entwurf eines rassistisch-xenophoben Gesellschaftsbildes, das sich gegen in punkto Design stark von Cronenbergs "The Fly" beeinflusste Zweizwanzig-Aliens richtet, mir allzuweit hergeholt und gleichfalls deutlich zu plump aus. Zudem dürfte die entsprechende Prämisse, wenn auch etwas differenzierter als gewohnt ausgearbeitet, nicht nur mir sich bestimmt als uralter Hut offerieren. Man denke nur an "Enemy Mine" und "Alien Nation".
Hätte ich "District 9" im Alter von sechzehn oder siebzehn Jahren gesehen, wäre ich vermutlich immens beeindruckt gewesen von der relativen inszenatorischen Cleverness der zu Beginn als Dokumentation getarnten, mit ruckeligen Erzählbildern versetzten Story, in der zudem - geil ey - ein Mecha vorkommt und die Bösen mitunter von rail guns in Fetzen geschossen werden. Da erschließt sich dann sogar halbwegs das Zustandekommen mit "Wingnut Films presents" eingeleiteten Vorspanns. Dabei handelt es sich ja bekanntlich um Peter Jacksons Firma und fürderhin um ein Label, das vor vielen Jahren, eben als man noch jünger war, mal als Spaßgarant galt. Heute spuckt der einstmals beleibte Neuseeländer analog zu seinem Gewichtsverlust vornehmlich domestiziertes Mainstreamzeug aus und "District 9" bildet da keine Ausnahme. Das Resultat ist nicht etwa schlimm und im Gegenteil sogar recht amüsant, aber keinesfalls jener ach-so-revolutionäre Film, von dem mir soviel zu Ohren gekommen ist.

7/10

Aliens Apartheid Afrika Monster Neill Blomkamp Südafrika Militär


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CAR WASH (Michael Schultz/USA 1976)


"The best place for money is right here in my pocket."

Car Wash ~ USA 1976
Directed By: Michael Schultz


Ein Arbeitstag in einer komplett manuell betriebenen Waschstraße in Downtown L.A.. Obschon der Boss Mr. Barrow (Sully Boyar) ein feister Weißer ist, "gehört" der Betrieb im Prinzip seiner fast durchweg schwarzen Belegschaft. Zwar ist die Bezahlung nicht die beste, der anhaltende Spaß, den die Jungs bei der Arbeit haben, mit Moppen aber ohnehin nicht aufzuwiegen.

Den Beweis dafür, dass Lakonie und Herzlichkeit im Film durchaus Hand in Hand gehen können, hat besonders Robert Altman mit seinen Ensemblefilmen gleich mehrfach abgelegt. Ein wenig wie Altman, bloß ohne dessen diverse inszenatorische Signaturen wirkt auch "Car Wash", einer der elementaren Mosaiksteine des 70's black cinema (und dabei obskurerweise von Joel Schumacher gescriptet), der, einem Musical ähnlich, einen strunznormalen Tag in der titelgebenden Firma Revue passieren lässt. Der Sound kommt dabei allerdings aus einer permanent über Lautsprecher laufenden Radioshow.
Dabei haben alle, die bei "Mr. B." arbeiten, einen leichten bis mittelschweren Lattenschuss: Floyd (Darrow Igus) und Lloyd (De Wayne Jessie) halten sich für ausnehmend scharfe Discoprinzen, Lindy (Antonio Fargas), eine waschechte Tucke, ärgert gern und oft den dicken Hippo (James Spinks), der wiederum zwischendurch gern mal ein Toilettenschäferstündchen mit Bordsteinschwalbe hält, T.C.s (Franklyn Ajaye) Afro ist ebenso wie seine schmierigen Anmachtouren rekordverdächtig, Duane (Bill Duke) ist neuerdings militanter black muslim und nennt sich 'Abdullah', Chuco (Pepe Serna) und Geronimo (Ray Vitte) triezen sich den ganzen Tag über mit geschmacklosen Streichen. Nur Lonnie (Ivan Dixon), alternder Ex-Knacki, müht sich um der Versorgung seiner Familie Willen, den Laden ordentlich am Laufen zu halten.
Schultz und Schumacher benötigen nur ihr unaufgeregtes Eineinhalb-Stunden-Korsett, um ein ganzes Panoptikum lustiger Gestalten mitsamt wasserdichter Charakterisierung zu präsentieren. Über einen stringenten Inhalt braucht man sich dabei nicht den Kopf zu zerbrechen, zumal ein solcher ohnehin nicht existiert. Neben den flotten Gags, zu denen neben dem Cameo von Richard Pryor als Daddy Rich, einer großmäuligen Mixtur aus pimp und preacher, auch die turbulente Verwechslung einer Urinprobe mit einer Bombe zählt, dürfte vor allem der Funksoul-Score von Norman Whitfield mitsamt dem von Rose Royce eingesungenen Titelstück für den unkaputtbaren Klassikerstatus von "Car Wash" verantwortlich sein.

8/10

Michael Schultz Los Angeles Black Consciousness Musik Joel Schumacher





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