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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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UNFORGETTABLE (John Dahl/USA 1996)


"Ain't you proud a bit?"

Unforgettable ~ USA 1996
Directed By: John Dahl


Der Gerichtsmediziner Dr. Krane (Ray Liotta) ist besessen davon, den wahren Mörder seiner Frau (Stellina Rusich) zu finden, nachdem man ihn zunächst selbst des Mordes an ihr verdächtigt hat, er jedoch wegen Indizienmangels wieder freigelassen werden musste. Diesem Umstand kommt eine Entdeckung der Wissenschaftlerin Dr. Briggs (Linda Fiorentino) zugute: Diese hat herausgefunden, dass ein aus dem Gehirn einer Ratte extrahiertes Rückenmarksflüssigkeit CSF zugleich als Wahrnehmungsspeicher fungiert und in Kombination mit einer bestimmten Droge ganze Erinnerungswelten auf ein anderes Tier übetragen kann. Krane verschafft sich die Substanz, entnimmt einem Opfer des vermeintlich echten Mörders (Kim Coates) etwas CSF und begibt sich auf einen mentalen Trip in die Vergangenheit - nur der Auftakt zu einer Verkettung ungeheurer Ereignisse.

Filme nach Songs von Nat King Cole zu benennen, ist offenbar nicht die schlechteste Methode für die Auferlegung eines tendenziellen Qualitätsmerkmals - siehe Neil Jordans großartigen "Mona Lisa". Jedenfalls begab sich John Dahl nach seinen beiden neo noirs "Kill Me Again" und "Red Rock West" auf das für ihn eher ungewöhnliche Terrain des Thrillers mit phantastischem Einschlag. 'Medical Fiction' wäre wohl eine halbwegs zutreffende Kategorisierung. "Unforgettable" bemüht die literarischen Welten eines Phillip K. Dick und eines William Gibson, allerdings ohne die Tragweite oder gar die Konsequenzen der Übertragung von Gedanken und Identitäten aus einem Rezeptionsmilieu in ein anderes in Augenschein zu nehmen. Dafür bleibt der Film allzu oberflächlich und primär an konsumierbaren Schauwerten interessiert. Der einzige Nachteil, den die Verabreichung des Stimulanz hat, ist angeblich eine nachhaltige Herzschwäche; der Effekt auf das Probandengehirn wird nicht weiter verfolgt. Dabei hätte gerade dort das Potential gelegen, aus "Unforgettable" einen hochklassigen Diskursfilm zu machen - so bewegt er sich in den abgesicherten Thrillerbahnen. Durchaus spannend zwar, unterhaltsam und gut, aber eben doch bloß im Rahmen der Konevention. Hervorstechendstes Merkmal des Films sind weniger Regie und Buch denn die sympathischen Darsteller. Ray Liotta sehe ich ohnehin stets gern.

6/10

Medizin Seattle John Dahl


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CLASS OF 1999 (Mark L. Lester/USA 1990)


"Education at its finest."

Class Of 1999 (Die Klasse von 1999) ~ USA 1990
Directed By: Mark L. Lester


Im Jahre 1999 finden sich die amerikanischen Schulen nicht mehr in sozialen Brennpunkten, sie sind selbst zu sozialen Brennpunkten geworden. Das Militär hat eine Einheit speziell für Schulinterna abgestellt, was die Kids der Zukunft jedoch nicht davon abhält, sich innerhalb der pädagogischen Institutionen noch säuischer aufzuführen als in ihren Klubhäusern. Der soeben aus dem Knast entlassene Cody Culp (Bradley Gregg) sieht sich neben dieser unhaltbaren Situation noch mit einer ganz neuen Sorte Problem konfrontiert. An seiner High School werden drei rein äußerlich als solche unidentifizierbare Androiden (Patrick Kilpatrick, Pam Grier, John Ryan) als Lehrer eingesetzt, die sich bald munter durch die Schülerreihen metzeln und denen ihr Elektronengehirn bald die folgerichtige Lösung beschert: Wenn die Schüler zum Problem werden, müssen die Schüler weg...

Mark L. Lester, ein Mann fürs buchstäblich Grobe, legte mit "Class Of 1999" die inoffizielle Fortsetzung seines Terror-Klassikers "Class Of 1984" nach, in dem seinerzeit der kreuzbrave Pauker Perry King von seinen Schülern bis aufs Blut getriezt und aus der Reserve gelockt wurde. Ging Lester damals nur zwei Jahre in die Zukunft und lieferte eher einen konservativen, überreaktionären Kommentar zum status quo, entwirft er mit "Class Of 1999" einen an bekannzen SciFi-Modellen orientiertes, dystopisches Bild der Zukunftspädagogik, das sich ganz konträr zu seinem Vorgänger auf die Seite der renitenten Schüler schlägt und den didaktischen Zukunftsalbtraum auf Lehrerseite verortet. Sein Held ist demzufolge ein Schüler, die (veritablen) Gegner kommen gleich als Trio daher: Die B-Movie-Garde Kilpatrick, Grier und Ryan als Sprüche kloppende Killerlehrer sind so ziemlich das Heißeste, was sich im Actionjahr 1990 auf der Leinwand einfand. "1999" sollte nicht unbedingt mit "1984" verglichen werden, er ist vielmehr lupenreines Genrekino und blanke Satire, verzichtet auf den trüben Versuch, so etwas wie Besorgnis zu evozieren, muss sich daher aber gleichermaßen den Vorwurf gefallen lassen, den Stellenwert seines Vorgängers nicht ankratzen zu können. Ich vermute aber, dazu ist er auch gar nicht gedacht.

6/10

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DEATH HUNT (Peter Hunt/USA 1981)


"If it's you that represents our future, I'd rather not live to see it."

Death Hunt (Yukon) ~ USA 1981
Directed By: Peter Hunt


Das Yukonterritorium, 1931: Als der einsame Trapper Johnson (Charles Bronson) einen halbtoten Kampfhund aus den Fängen des fiesen Hazel (Ed Lauter) befreit, reagiert dieser überpikiert. Bei seinem folgenden Versuch, Johnson zu überfallen, kommt einer von Hazels Kompagnons zu Tode. Von nun an muss sich der widerwillige Mountie Millen (Lee Marvin) der Sache annehmen, der eigentlich nicht nur nichts gegen Johnson hat, sondern ihn sogar respektieren lernt. Johnson liefert seinen Verfolgern einen beinharten Kampf bis aufs Blut.

Dem genealogischen Bindeglied zwischen den beiden anderen Manhunt-Filmen "Chato's Land" und "First Blood" habe ich durch jahrzehntelange Ignoranz infolge einer ganz dummen Sache sträfliches Unrecht getan, wie ich justament zu etwa gleichen Teilen beschämt und erfreut feststellen musste. Der Grund dafür, dass ich "Death Hunt" so lange nicht mehr anschauen wollte, war mir stets unbewusst, bis er mir gestern wie Schuppen von den Augen fiel: Nichts weniger als Bronsons deutsche Synchronstimme Gernot Duda, itzo besser bekannt als 'Barney Gumble' aus den "Simpsons", war dran Schuld. Zwar gab es zu meiner damaligen Früh-Bronson-Fanzeit, die ich meinem seligen Papa verdanke und etwa auf die zweite Hälfte der achtziger Jahre datiere, zwar die "Simpsons" noch nicht, jemand anderes als Michael Chevalier, Arnold Marquis oder im Schmerzensfall Wolfgang Hess auf Bronson kam mir aber nicht ins Fach. Ich glaube, ich war seinerzeit stinkbeleidigt und habe, nachdem ich den ersten von Bronsons etwa zehn im Film gesprochenen Sätzen hörte, "Ein Mann wird zur Bestie", wie seine damalige Videotheken-Inkarnation so schön hieß, auf meine persönliche schwarze Liste gesetzt. Wenn man klein ist, ist man eben manchmal ein veritables Arschloch.
"Death Hunt" bietet jedoch nichts weniger als exzellentes Altherren-Actionkino vor prächtiger Kulisse, knüppelhart an exakt den richtigen Stellen und in einem ähnlichen mentalen Turnus befindlich wie all die schönen Peckinpah-Western, in denen die ewig gestrigen Helden mit den zahlreichen Unannehmlichkeiten des Heute konfrontiert werden und sich angewidert abwenden. Ein ehrenhaftes Männerduell, wie Millen es gern gehabt hätte, bleibt ihm versagt, weil gierige Geschäftsleute, ein Kneipier und ein Redakteur, eine hohe Belohnung auf Johnson aussetzen und dafür sorgen, dass in den in eisiger Stille daliegenden Rocky Mountains bald die Hölle losbricht. Ein jeder, der die atmosphärische Nomenklatur eines "First Blood" schätzt, sollte angesichts der aktuell erschienenen, qualitativ tadellosen DVD dieses Films unbedingt einen Blick riskieren.

8/10

Neowestern Great Depression Peter Hunt Kanada Schnee Rocky Mountains Hund


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PARANORMAL ACTIVITY (Oren Peli/USA 2007)


"It's getting worse."

Paranormal Activity ~ USA 2007
Directed By: Oren Peli


Um die Geister- oder Dämonenerscheinungen, die seine Freundin Katie (Katie Featherston) seit ihrer Kindheit in unregelmäßigen Abständen immer wieder heimsuchen, fassbarer zu machen, kauft Micah (Micah Sloat) eine Kamera und ein hochempfindliches Tonbandgerät. Diese platziert er, wenn er sie nicht gerade durchs Haus trägt, im Schlafzimmer und benutzt sie als eine Art Überwachungsanlage. Schon bald zeigen sich erste Reaktionen - das übersinnliche Wesen fühlt sich durch Micahs Initiative offenbar angestachelt. Immer erschreckender und bösartiger werden seine Attacken auf die Nervenkostüme von Katie und Micah.

Ein ähnlicher Eventfilm wie "The Blair Witch Project", in dem mittels geringer monetärer Mittel sowie eines ausgeklügelten Pseudodokumentarismus fürchterliche Ereignisse vorgegaukelt werden, deren Grad an wirksamer Affizierung sich durch die weitestmögliche Aufhebung der Mittelbarkeit zwischen Publikum und Medium ergibt. Die Rechnung geht halbwegs auf, so man bereit ist, sich zur Gänze auf die extrem forcierte Kreierung der gespenstischen Atmosphäre einzulassen und sich willentlich und am besten in adäquatem Ambiente (ich habe den Film gestern Abend im Dunkeln und allein geschaut, was ich im Nachhinein als sehr förderlich empfinde) dem wohligen Grusel auszuliefern. Was den Effektezauber angeht, ist "Paranormal Activity" nahezu tadellos; als ein wenig störend für den runden Gesamteindruck erweist sich indes der eine oder andere logische Schnitzer. Die Geschichte wirkt von Anfang an stark selbstzweckhaft und scheint kaum mehr als eine halbgare Alibi-Funktion übernehmen zu wollen (und zu können); diverse naheliegende Fragen stellen sich unterdessen, bleiben aber stoisch und beharrlich unbeantwortet. Da hätte mit etwas mehr Sorgfalt in eigener Sache respektive am eigenen Script sicher noch Manches optimiert bzw. wirkungsmaximiert werden können.
Alles in allem möchte ich jedoch nichts Wesentliches monieren; ich habe mich gegruselt wie lange nicht mehr, bin wieder ziemlich angefixt von übersinnlichem Spukhausstoff und habe mir daher gleich noch zwei japanische Geisterklopper hinterhergeordert, die ich noch nicht kenne und endlich mal nachholen möchte: "Ju-On: The Grudge" und "Noroi".

8/10

Oren Peli embedded filming Geister Pseudo-Dokumentation Daemon


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PRINCE VALIANT (Henry Hathaway/USA 1954)


"'Traitor' is a word that losers give to winners."

Prince Valiant (Prinz Eisenherz) ~ USA 1954
Directed By: Henry Hathaway


Der Wikingerprinz Valiant (zu deutsch 'Eisenherz', Robert Wagner), Sohn des exilierten Königs Aguar (Donald Crisp), soll nach Camelot gehen, um dort zum Ritter ausgebildet zu werden und an seines Vaters statt die unchristianisierten Barbaren des Nordens zurückzuschlagen. Am Hofe König Artus' (Brian Aherne) gewinnt Valiant neue Freunde (Sterling Hayden) und Feinde (James Mason).

Frühe Comicverfilmung eines frühen Comics. Die herrlich illustrierten, durch die ausschließliche Untertitelung der Bilder dem klassischen Comicbegriff nicht ganz zuzuordnenden King-Features-Abenteuer von Hal Foster bildeten neben Zeitgenössischem wie "Flash Gordon" und "Tarzan" ein schmuckes Gattungsbeispiel und erwiesen sich, von den wenigen originären Fantasy-Elementen wie Hexen und Monstern abgesehen, als treffliche Grundlage für die Fox, um einmal mehr die Kinoqualitäten ihres 1954 gerade sein Einjähriges feiernden CinemaScope zu demonstrieren. Routinier Hathaway verkaufte die Mär als klassischen Ritterfilm im Stile der damals noch jungen "Ivanhoe" und "Knights Of The Round Table", der natürlich ebenfalls die Artussage zum Sujet hatte. Das Script verzichtete auf besagte Mystikdreingaben und manche der komplizierten personellen Verflechtungen der Vorlage. Valiant ist hier zwar wie in der Bildergeschichte ein tolldreister Jungspund mit dem Herzen am rechten Fleck, erscheint aber gleich von Beginn an weitaus weniger urwüchsig als sein graphisches Vorbild und eignet sich die höfische Etikette Britanniens im Blitztempo an. Schließlich gilt es ja auch, nach neunzig Minuten den erlösenden Ritterschlag zu empfangen und dafür einiges an Abenteuerlichem auf sich zu nehmen. Mit herrlichen matte paintings und Miniaturbauten versehen und von einer luxuriösen Darstellergarde veredelt (Ford-Haudegen Victor McLaglen als Wikingerhäuptling Boltar ist eine echte Schau), gibt es an dem naiven Vergnügen für Freunde des klassischen Hollywood nur wenig zu mäkeln. Zu dem 'wenigen' zählt natürlich Wagners völlig bescheuerte Frisur, aber die gehört eben - das Reimen ist des Buckligen Lust - zur Sachnatur.
Werde in Bälde noch die aktualisierte Hickox-Version von 97 nachschieben.

7/10

Ritter Comic Artussage Mittelalter Wikinger Tafelrunde Henry Hathaway


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WHAT'S UP, DOC? (Peter Bogdanovich/USA 1971)


"I think I want to skip over this part, too."

What's Up, Doc? (Is' was, Doc?) ~ USA 1972
Directed By: Peter Bogdanovich


Der weltferne Musikologe Howard Bannister (Ryan O'Neal) kommt mitsamt seiner fürchterlichen Verlobten Eunice (Madeline Khan) nach San Francisco, um einen umfangreichen Forschungsbeitrag des Millionärs Larrabee (Austin Pendleton) zu ergattern. Als er der Lebenskünstlerin Judy (Barbra Streisand) ins Auge fällt, ist alles zu spät - die so bezaubernde wie forsche junge Dame ist gewohnt, zu kriegen was sie will und aktuell hat sie sich Dr. Bannister ausgesucht. Eine Verwechslungsgeschichte um vier Reisekoffer mit höchst unterschiedlichem Inhalt komplettiert das Chaos.

Bereits zweimal hatte das große Bogdanovich-Idol Howard Hawks die Geschichte um den linkischen, völlig unbeholfenen und ledig physiologisch als solchen zu betrachtenden 'Mannesprotz', der erst einen rotzfrechen weiblichen Gegenpart benötigt, um in den Hafen des Glücks einfahren zu können, verfilmt. "Bringing Up Baby" mit Cary Grant darf bis heute als Messlatte für diese Unterabteilung der 'screball comedy' gelten, "Man's Favorite Sport?" um Rock Hudson bildete das erste Quasi-Remake. Bogdanovich, dem nach seinem hochgeschätzten "Targets" so ziemlich alle Türen offen standen, entblödete sich nicht, eine weitere Variation dieses Themas zu fertigen, und dazu eine, die ihren großen Vorbilern in nichts nachsteht. Eine nicht enden wollende Kette brillanter Situationskomik, Running gags und In-Jokes quetscht er in seine neunzig vollkommen luftig wirkenden Minuten, darunter Szenen, die nicht nur Hawks, sondern auch seine großen Zeitgenossen von Preston Sturges bis George Cukor hätten neidisch dreinblicken lassen. Man denke etwa an das göttliche "Unterm-Tisch-Meeting", das zerstörte Hotelzimmer, die Verfolgungsjagd, die nebenbei jedem zeitgenössischen Actionfilm zur Ehre gereicht und ganz besonders die wunderbare Szene im Gerichtssaal, die bereits durch den cholerisch jammernden Liam Dunn eine Einleitung sondergleichen erhält. Ein wahrlich phantastischer, formvollendeter Film, der selbst nach dutzendfacher Beschau keinerlei Abnutzungserscheinungen vorweist.

10/10

San Francisco Hommage Screwball New Hollywood Peter Bogdanovich


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TARGETS (Peter Bogdanovich/USA 1968)


"All the good movies have been made."

Targets (Bewegliche Ziele) ~ USA 1968
Directed By: Peter Bogdanvich


Während der in einer Sinnkrise befindliche, alternde Horrorstar Byron Orlok (Boris Karloff) beschließt, seine Karriere ein für allemal an den Nagel zu hängen und nicht länger als fleischgewordener Dinosaurier durch irgendwelche mediokren B-Filme zu stapfen, verliert ein junger Mann namens Bobby Thompson (Tim O'Kelly) den letzten Faden zur Vernunft, tötet seine Familie und verschanzt sich mit seinen Schusswaffen zunächst neben dem Freeway und danach in einem Drive-In-Kino, von wo aus er jeweils diverse Menschen erschießt. Ausgerechnet jene Leinwand, die Thompson für seine Bluttaten missbraucht, zeigt Orloks letzten Film "The Terror", dessen Vorführung von einem persönlichen Auftritt des Schauspielers gekrönt werden soll...

"All the good movies have been made." Dieses bereits legendäre Zitat des vormaligen Kritikers und späteren New-Hollywood-Tonangebers Peter Bogdanovich darf von ihm persönlich in seinem eigentlichen Kinodebüt (sieht man von der vorsätzlichen Gurke "Voyage to the Planet of Prehistoric Women" ab) "Targets" gesprochen werden. Bogdanovich, der im Film einen nach eigenem Bekunden an seinen Mentor und Ideenlieferanten Sam Fuller angelehnten Regisseur spielt, legt sich jenen Satz ausgerechnet an einer Stelle in den Mund, die für einen kurzen Moment die Barriere zwischen Film und Realität aufhebt: Er melancholisiert im Vollrausch und in gesuchter Gegenwart Byron Orloks darüber, dass sein aktuelles Drehbuch eine letzte große Rolle für den Altstar bereithielte, die alle seine Monsterdarstellungen vergessen machen könne. Natürlich ist "Targets" neben vielem anderen auch genau das; eine Hommage an den großen Boris Karloff, der hier sich selbst spielen darf und eine so treffsichere wie weise Performance liefert, nach deren Verve sich jeder Schauspieler seines Alters die Finger lecken muss. Zwar gab es noch ein paar B-Filme nach "Targets", in denen Karloff auftrat, dieser hier darf aber mit Fug und Recht als Hollywoods großes Abschiedsgeschenk an eine seiner Legenden angesehen werden. Meisterlich auch die Szene, in der Karloff W. Somerset Maughams kleine Geschichte "Appointment in Samarra" zum Besten gibt und die Kamera ihm mittels eines langsamen Zooms einen eindringlichen Close-Up beschert. Die Sequenzen um den ausrastenden, dabei aber stets gepflegt und ruhig auftretenden Bobby Thompson wirken dagegen geradezu diametral gesetzt und halten der gefälligen, leichtkomödiatischen Orlok-Episode die kalte Realität eines Psychopathen auf der Jagd entgegen (Thompsons Figur war bekanntlich beeinflusst von dem texanischen Heckenschützen Charles Whitman) - eine treffendere Metapher für den tosenden Einbruch New Hollywoods in die Romantik des golden studio age gibt es wohl nicht. Auch wenn Bogdanovich seinem alten Helden am Ende noch einen finalen Sieg gönnt - die Zeichen der Zeit sind unignorierbar geworden.

10/10

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BORDERLAND (Zev Berman/USA, MEX 2007)


"Fuckin' gringos!"

Borderland ~ USA/MEX 2007
Directed By: Zev Berman


Die drei angehenden College-Absolventen Ed (Brian Presley), Phil (Rider Strong) und Henry (Jake Muxworthy) wollen es vor ihrer Immatrukaltion nochmal richtig krachen lassen und ein paar Tage jenseits der mexikanischen Grenze mit Nutten, Bier und halluzinogenen Pilzen verbringen. Im Rausch gerät Phil an eine Gruppe Sektierer des mit Santeria verwandten Palo-Mayombe-Kults. Deren Kopf, der Drogenschmuggler Santillan (Beto Cuevas), glaubt, durch menschliche Blutopfer seine Rauschgifttransporte über die Grenze segnen und unsichtbar machen zu können. Von der hiesigen Polizei im Stich gelassen treffen Ed und Henry auf den Ex-Cop Ulises (Damián Alcázar), der bereits selbst unangenehme Erfahrungen mit den Fanatikern gemacht hat.

Dieser recht spannende Indie-Schocker müsste wohl zu jener mit dem unseligen Kunstbegriff 'torture porn' zusammengefassten kleinen Filmschiene gerechnet werden, in deren Mittelpunkt jeweils eine Gruppe naseweiser US-Jugendlicher steht, die auf ihrem gutgläubigen Rucksacktrip in die - zumindest aus amerikanischer Perspektive - exotische(re)n Gefilde der Erde (Lateinamerika und Osteuropa wimmeln dieser etwas simplifizierten Einbahnstraßenlogik zufolge ja nur so vor menschlichem Gewürm und geistesgestörten Gewaltverbrechern) von irgendwelchen Psychopathen aufgegriffen und unter Höllenqualen zu Tode gequält werden. Aus den populäreren "Hostel" oder "Turistas" ist selbiges Schema ja bereits hinreichend bekannt. Dabei verfährt "Borderland" im Gegensatz zu seinen Vorbildern relativ moderat und müht sich trotz einiger sehr derber Szenen nach Kräften, sich den Ruch des spekulativen Machwerks nach Möglichkeit zumindest nicht allzu offenkundig angedeihen zu lassen. Eine ansonsten ganz flotte, gekonnt-professionelle Gestaltung, die auf der anderen Seite glücklicherweise nicht zu saubermännisch wirkt, unterstützt ihn dabei. Abgesehen von den weithin ins Leere laufenden Diskussionen um die Sinnkrise der Hauptfigur Ed, der sich nicht zwischen einer etablierten, angepassten Lebensweise und einer Aussteigerexistenz entscheiden kann, dann am Ende jedoch selbst zum blutrünstig-gnadenlosen Rächer avanciert, weiß "Borderland" als unbequemer kleiner Nischen- und Schmutzfinkenfilm zumindest in Ansätzen durchaus zu gefallen.

6/10

Independent Mexiko torture porn Zev Berman


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UNIVERSAL SOLDIER (Roland Emmerich/USA 1992)


"These shitheads, these yellow traitoring motherfuckers! They're everywhere! And I, Sergeant Andrew Scott of the US Army, I'm gonna teach 'em all!"

Universal Soldier ~ USA 1992
Directed By: Roland Emmerich


Die beiden G.I.s Deveraux (Jean-Claude Van Damme) und Scott (Dolph Lundgren), die sich während des Vietnamkriegs infolge eines Disputs gegenseitig abgeknallt haben, werden im Zuge eines geheimen Militärprojekts zu "Universal Soldiers" umfunktioniert. Dabei handelt es sich um eine Truppe für tot erklärter Soldaten, deren Gedächtnis vermeintlich komplett ausgelöscht ist und die jeglichen Befehl roboterhaft ausführen. Deveraux und Scott jedoch erinnern sich unplanmäßigerweise an ihre früheren Existenzen sowie ihren Todeskampf und setzen diesen in der Gegenwart fort.

Spaßiger, trotz seiner eher für Genre-Knappsereien berüchtigten darstellischeren Dublette großbudgetierter Actionfilm mit kalkuliertem Hang zur Selbstironie. Emmerich macht keinen Hehl aus seiner stoischen Negation jeglicher Subtilität oder gar Klugheit auf der Leinwand und lässt es wie eh und je gehörig krachen, bindet hier und dort einige schon recht stark an der Peinlichkeit kratzende Gags ein, erfreut sich verzückt an Van Dammes eingeöltem Knackarsch (der hier ausnahmsweise mal nicht zum Spagat gespreizt werden muss) und an der Option, ein bisschen was inmitten der kalifornischen Provinz kaputt machen zu dürfen. Die wahre Schau des Films ist allerdings Dolph Lundgren, der auf sehr witzige Art beweist, dass man ihn viel öfter als einen solch veritablen Bösewicht hätte einsetzen sollen.
Das altbekannte "Frankenstein"-Thema des in der Identitätskrise befindlichen Kunstmenschen bzw. Techno-Zombies, das in den Jahren zuvor etwa "RoboCop" und "Terminator II: Judgement Day" diskursiv bereichern konnten, verkommt bei Emmerich respektive seinem Stammautoren Dean Devlin erwartungsgemäß zu bloßer Staffage und zum Mittel zum Zweck. Ist man sich dessen zur Gänze bewusst, kann "Universal Soldier" (dessen Titel mit dem gleichnamigen Protestsong von Buffy Sainte-Marie in etwa so viel zu tun hat wie Da Vincis "Vitruvianischer Mensch" mit Strichmännekes) einem aber 'ne Menge Amüsement liefern.

5/10

Kunstmensch Roland Emmerich Vietnamkrieg Militaer


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WHERE THE WILD THINGS ARE (Spike Jonze/USA 2009)


"Happiness is not always the best way to be happy."

Where The Wild Things Are (Wo die Wilden Kerle wohnen) ~ USA 2009
Directed By: Spike Jonze


Nachdem der kleine Max (Max Records) mal wieder das Maß verloren und den Besuch eines Freundes (Mark Ruffalo) seiner alleinerziehenden Mutter (Catherine Keener) mit lauthalsem Protest und Geheule quittiert hat, rennt er davon, findet ein Segelboot und reist über die See zur Insel der Wilden Kerle, die Max als ihren König annehmen.

Maurice Sendaks wunderbares Bilderbuch, das eigentlich mehr für Erwachsene als für Kinder geschrieben wurde und ganz im Zeichen einer weichen Frühsechziger-Pädagogik steht, begleitet mich schon mein ganzes Leben. Im Kindergarten dürften die "Wilden Kerle" die ersten Monstergestalten gewesen sein, mit denen ich faszinierten Kontakt aufnehmen konnte, und nachdem ich selbst mir im Laufe der Jahre das Buch aus unterschiedlichen Gründen bereits dreimal neu gekauft habe, gehört es bei mir längst zum didaktischen Stamminventar. Umso erfreuter und gerührter nahm ich die ja im Vorfeld sehr lange bekannten und infolge von Studioquerelen regelmäßig unterbrochenen Verfilmungspläne des formidablen Spike Jonze wahr. Um die auf ihre wesentlichsten Elemente heruntergebrochene Geschichte von Sendak in einen abendfüllenden Spielfilm zu transferieren, bedarf es wohl zwangsläufig einer Freiheiten und Ausschmückungen. Über Max bzw. den Film-Max erfahren wir manches, das bisher im Verborgenen lag: Dass er eine Schwester (Pepita Emmerichs) hat zum Beispiel, dass er seinen Dad kaum kennt und nicht sehr viele Freunde hat. Und auch die ihren graphischen Vorbildern allesamt sorgfältigst nachempfundenen wilden Kerle erleben hübsche Individualisierungsprozesse. Sie bekommen so nette Namen verliehen wie Carol, Judith, Ira oder KW und ihre jeweils ganz eigenen Charakterzüge auf die pelzigen Leiber geschrieben. Außerdem freundet sich Max mit manchen von ihnen richtig dicke an, während andere lieber unter sich bleiben. Fürderhin ist hier nicht so recht klar, ob Maxens Reise zu den wilden Kerlen ein Traumelement bleibt oder ob er sie tatsächlich vollzieht, ihre filmische Einbindung jedenfalls lässt im Gegensatz zu der literarischen beide Interpretationen zu. Ist aber letzten Endes egal und für die Effektivität der Story überdies zweitrangig.
Dem Film tut die Entscheidung betreffs dieser unterschiedlichen Aus- und Umbauten jedenfalls sehr gut; sie verleihen ihm, mitsamt der tollen musikalischen Untermalung natürlich - Songs von Karen O von den Yeah Yeah Yeahs und einem Kinderchor - seine eigene, zuweilen nicht eben unentwegt fröhliche Form und emanzipieren ihn vom erzählzeitlichen Korsett der sowieso unbedingt einzigartigen Vorlage. Am Ende bleibt eines der schönsten der mir bislang bekannten Kinostücke des letzten Jahres - von Jonze hätte ich allerdings auch nichts Minderes erwartet! Nur eines bze einen habe ich vermisst: Den Wilden Seekerl aus Sendaks Buch gab's nirgends zu sehen. Schnüff.

9/10

Spike Jonze Kinder Traum Monster Insel





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Funxton

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