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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE GREAT RAID (John Dahl/USA, AU 2005)


"Got 'em all, sir."

The Great Raid ~ USA/AU 2005
Directed By: John Dahl


Bataan, 1945: Nach dem erfolgreichen Vorstoß General MacArthurs in Leyte sollen auch die US-Kriegsgefangenen in Cabantuan nach Jahren des Leidens unter japanischer Knechtschaft endlich befreit werden. Captain Prince (James Franco) leitet den später als "großer Überfall" in die Annalen der US-Militärgeschichte eingegangenen Überraschungsangriff.

Tragisch und ungerecht: Da bekommt Dahl erstmals ein hohes Budget, das er zudem absolut ökonomisch einsetzt, inszeniert seinen vielleicht besten, in jedem Falle aber ambitioniertesten Film außerdem sorgsam und passgenau und bekommt hernach die Quittung in Form gnadenloser Publikumsignoranz. Die Veröffentlichungsgeschichte von "The Great Raid" verläuft überhaupt sehr unglücklich: Nachdem klar ist, dass Miramax und Disney sich endgültig trennen und dass die Weinsteins aus der Firma aussteigen werden, schlummern einige mitunter groß angelegte Prestigeprojekte im Giftschrank der Brüder. Erst gute zwei Jahre nach seiner Fertigstellung gelangt "The Great Raid" in die Kinos und es ist fast, als wolle die Zuschauerschaft ihre Enttäuschung über die Weinstein-Machenschaften primär an diesem Film auslassen. Dabei liefert Dahl ein 'old fashioned war movie' im besten Gedenken an die fünfziger und sechziger Jahre, bestimmt ganz klare Feind- und Heldenbilder und, was das Beste ist, verzichtet bis auf den Einsatz von ein paar Sepiafiltern auf technischen Schnickschnack. Die authentifizierenden Wackelbilder von Spielberg und Eastwood finden hier keinen Platz, die diversen Explosionen während des titelgebenden Überfalls dürften indes die feuchten Träume eines jeden Pyrotechnikers sybolisieren. Den Vorwurf, dass "The Great Raid" träge sei, zu lang dauere und sich zu sehr mit der philippinischen Widerstandsbewegung befasse, kann und wird dem Film nur jemand machen, der schon Klassikern wie "The Purple Plain" oder "Never So Few" nichts abgewinnen kann. Alle anderen dürfen und sollten diesem prächtig gefertigten Kriegsfilm mit dem Herzen am rechten Fleck unbedingt eine Chance geben.

8/10

POW WWII Philippinen Pazifikkrieg John Dahl Widerstand


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JOY RIDE (John Dahl/USA 2001)


"Candy Cane? Are you there?"

Joy Ride ~ USA 2001
Directed By: John Dahl


Student Lewis (Paul Walker) besorgt sich ein Auto, um seinen Schwarm Venna (Leelee Sobieski) durch den Westen kutschieren zu können und ihr so näherkommen zu können. Dummerweise schaltet sich auch Lewis' ewig delinquenter, älterer Bruder Fuller (Steve Zahn) ein, der mal wieder eingesessen hat und nun abgeholt werden möchte. Jener ist es auch, der einen ganz dummen Scherz mit Folgen einstielt: Per CB-Funkgerät lässt er Lewis sich als Truckerschlampe 'Candy Cane' ausgeben und irgendeinen Fernfahrer namens 'Rusty Nail' mitsamt Champagnerflasche zu jenem Motel antreten, in dem die Brüder abgestiegen sind Imn deren Nebenraum wohnt nämlich ein mürrischer Typ, dem Fuller einen Denkzettel verpassen möchte. Als dieser Nachbar am nächsten Tag halbtot am Highway gefunden wird, bekommen es Lewis und Fuller mit der Angst. Zu Recht, denn 'Rusty Nail' hat überhaupt keinen Sinn für Humor...

In der Tradition von Spielbergs "Duell", Franklins "Roadgames" und Harmons "The Hitcher" steht Dahls nächster Film, ein überaus gemeiner, dabei rein auf seinen dramaturgischen Grundgedanken heruntergebrochener Thriller. Das Road Movie und speziell der amerikanische Westen mit seinen staubigen Highways haben es Dahl, wie man seit seinen ersten Filmen weiß, angetan, insofern dürfte die Rückkehr in ebendiese Gefilde ihm eine Menge Freude bereitet haben. Zudem ist wie in "Rounders" das Motiv des haltlosen Verlierers, der seinem vernünftigen, aber naiven 'Partner' durch sein unbesonnenes Verhalten den Ärger seines Lebens beschert, von maßgeblicher Gestalt. "Joy Ride" vertritt und lebt, ähnlich wie die genannten Beispiele, eine besondere Form des Reduktionismus: Nachdem der personifizierte Terror Macht über seine mehr oder weniger unwissenden Opfer gewonnen hat, ist es, als würden diese geradewegs in eine Art dämonischer Parallelwelt gezogen, in der althergebrachte Institutionen wie Staatsgewalt vollkommen außer Kraft gesetzt sind. Die Bemitleidenswerten werden zu Spielbällen einer teuflisch anmutenden, anonymen Macht, die sie buchstäblich bis aufs letzte Hemd auszieht und einen unvergesslichen Denzettel verabreicht. Eine feine Ironie und Eigenart des Road Thrillers, dass dies keine fröstelnde Dunkelheit benötigt - der bare Schrecken spielt sich bei gleißendem Sonnenlicht und in sengender Hitze ab.

7/10

Road Movie Trucker Madness John Dahl


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ROUNDERS (John Dahl/USA 1998)


"Want a cookie?"

Rounders ~ USA 1998
Directed By: John Dahl


Nachdem der Jura-Student und Pokerprofi Mike McDermott (Matt Damon) am Spieltisch eine gigantische Summe verloren hat, versucht er, dem Zocken abzuschwören - bis sein bester Kumpel Worm (Edward Norton) aus dem Knast entlassen wird. Dieser trägt seinen Spitznamen nicht zu Unrecht: Er ist genau der Typ Mensch, mit dem man besser nicht befreundet ist, weil er das dumme Talent hat, einen garantiert in die Jauchegrube zu reiten. Mike geht es nicht anders. Eine kurzerhand gewährte Bürgschaft hat zur Folge, dass Worm einen Riesenberg Schulden am Hacken hat, für den Mike aufkommen muss. Da bleibt nur die Rückkehr ins große Spiel...

Auch wenn "Rounders" sicher nicht so schön ist wie Jewisons großer Pokerklassiker "Cincinnati Kid", eine respektable Vorstellung über Wohl und Wehe des Karten- und Glückspiels bekommt man mit Dahls Film durchaus verabreicht. Nach seinen ersten Filmen wurden die Weinsteins auf den Regisseur aufmerksam und jener konnte so ein mit ordentlichem monetären Rückhalt gestaltetes sowie darüberhinaus bis in die Nebenbrollen edel besetztes Spielerdrama in guter Genretradition auf die Beine stellen. Jenes geriet den Kompetenzen und Fertigkeiten Dahls entsprechend sauber und flüssig. Mit Milchgesicht Damon in der Hauptrolle musste ich mich wie immer geflissentlich arrangieren und gönnte ihm fast sein blaues Auge, dass er durch Nortons einmal mehr unverantwortliches Verhalten kassiert. Umso erfreulicher, die Größen Malkovich (in einem leider auf spärliche screentime beschränkten, nichtsdestotrotz aber formidablen Part), Turturro und Landau bei bester Form anzutreffen.

7/10

John Dahl Poker Gluecksspiel Spieler Freundschaft New York


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CASTLE FREAK (Stuart Gordon/USA 1995)


"There's somebody else here..."

Castle Freak ~ USA 1995
Directed By: Stuart Gordon


Der US-Amerikaner John Reilly (Jeffrey Combs) erbt überraschend ein altes Kastell in Umbrien. Zusammen mit seiner Frau Susan (Barbara Crampton) und seiner Tochter Rebecca (Jessica Dollarhide) reist er nach Italien, um das Gebäude zu besichtigen und bis zu dessen Verkauf dort zu wohnen. Nicht nur ein schwelender Familienkonflikt [John ist trockener Alkoholiker und hat durch einen selbstverschuleten Unfall des Leben seines kleinen Sohnes JJ (Alessandro Sebastian Satta) sowie das Augenlicht Rebeccas auf dem Gewissen] kommt bald zum Ausbruch, sondern auch ein unheimliches, schwer missgestaltetes Kellerkind, das seit Jahrzehnten in einem Kellergewölbe des Schlosses angekettet war und sich die lange vermissten Zärtlichkeiten nun mit Gewalt zurückholt...

Einer von mehreren Filmen, die Stuart Gordon aus Kostengründen in Südeuropa fertigte. Sein Kollege Brian Yuzna zog dann kurz darauf nach und reanmierte recht erfolgreich die eingeschlafene spanische Verleihfirma filmax. "Castle Freak", der wie "Re-Animator" und "From Beyond" lose auf Lovecraft-Motiven basiert, entstand allerdings für die B-Schmiede Full Moon und verzeichnete zugleich deren erste Produktion im Selbstvertrieb. Der Film zeigt Gordons Bemühen, nach seinen eher im Bereich des Funsplatter zu verortenden frühen Horrorfilmen, ernsthaftere Klänge anzuschlagen und mit sowohl melodramatisch angehauchten innerfamiliären Konflikten als auch keineswegs mehr komisch konnotierten Ekelszenen sein Publikum zu affizieren. Da Gordon ein sehr versierter Regisseur ist und sein Co-Autor Dennis Paoli genau diese Art inszenatorischer Bemühungen zu füttern versteht, darf das Experiment als gelungen betrachtet werden. Natürlich ist "Castle Freak" mit seinem grotesk pervertierten "Kaspar-Hauser"-Motiv des unerwünschten, verhassten Bastardkindes mitsamt armselig-verkümmertem Mannesgeschlecht, das sein Leben gebeugt und in Ketten fristen muss, beileibe kein großer Zuschauerfänger und kann tatsächlich mit Bildern aufwarten, bei deren Betrachtung selbst Hartgesottene ein gewisser Widerwillen befallen dürfte - gerade das jedoch hebt ihn auf ein durchaus interessantes Level. Für Combs und Crampton bieten ihre Rollen als tief entzweites Ehepaar zudem eine offensichtlich sehr willkommene Plattform für ungewohnt nuanciertes Spiel - ein weiterer Nebenhinweis auf die immer wieder zu beobachtende Entwicklung Gordons hin zum auch jenseits von irgendwelchen Genrekonventionen anerkennenswerten Filmemacher.

7/10

Stuart Gordon H.P. Lovecraft Splatter Monster Umbrien Italien Full Moon Schloss


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THE BAD SEED (Mervyn LeRoy/USA 1956)


"You won't go to Heaven when you die!"

The Bad Seed (Böse Saat) ~ USA 1956
Directed By: Mervyn LeRoy


Eines bösen Tages sieht die seit eh und je mit ihrer Herkunft hadernde Offiziersgattin Christine Penmark (Nancy Kelly) sich einen lang gehegten, latenten Verdacht gegenüber ihrer achtjährigen Tochter Rhoda (Patty McCormack) bestätigen. Das engelsgesichtige, besonders bei älteren Damen beliebte Mädchen entpuppt sich als eiskalte Mörderin bar jeglichen Sinnes für Gerechtigkeit, einzig auf ihren persönlichen Vorteil bedacht, habsüchtig und grenzenlos brutal. Christine kommt ins Grübeln: Könnte das damit zusammenhängen, dass Rhoda das Wesen von Christines echter Mutter, einer gesuchten Verbrecherin, "ererbt" hat?

Der auf einem Roman und einem Thaterstück basierende, ebenso packende wie unerhörte "The Bad Seed" lieferte der in der Entwicklungspsychologie verwurzeltenen Anlage-Umwelt-Debatte, die die Kernformulierung des Wissenschaftlerstreits darum bildet, ob das menschliche Wesen zu Teilen oder sogar ausschließlich auf genotypischer Determination oder eben auf extrinsischen Sozialisationsprozessen basiert, neues Futter. Der Film nimmt dabei eine immerhin leicht gemäßigte Perspektive ein und argumentiert (im Sinne Dawkins'), dass es hier und da durchaus Fälle gebe, in denen die genetische Erblast dominiere und Kinder damit bereits im niedrigen Alter unbeeinflussbar und unabhängig von ihrem erzieherischen Umfeld zu Schwerkriminellen würden. "The Bad Seed" verwandelt das in vortreffliche, bisweilen kitschige Exploitation von größter Sogkraft. Die Krone wird dem Ganzen dann durch das hofnungslos puritanische, mit "göttlicher Gerechtigkeit" garnierte Ende aufgesetzt. Sei's drum, LeRoys absolut geschlossener Inszenierung schadet selbst das nichts. Exzellente, eindeutig dem Thater bzw. der frühen method-acting-Schule entstammende Schauspieler (neben einer der besten mir bekannten Kinderdarstellungen durch die McCormack wäre da vor allem die brillante Eileen Heckart zu nennen), bestimmen das fast ausschließlich auf das Haus der Familie Penmark beschränkte Kammerspiel und machen es zu einer aus psychologischer Warte betrachtet zwar hemdsärmeligen, nichtsdestotrotz aber saumäßig spannenden Angelegenheit.

9/10

Mutter Kinder Psychologie Mervyn LeRoy Serienmord based on play


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RIVELAZIONI DI UN MANIACO SESSUALE AL CAPO DELLA SQUADRA MOBILE (Roberto Bianchi Montero/I 1972)


Zitat entfällt.

Rivelazioni Di Un Maniaco Sessuale Al Capo Della Squadra Mobile (Schön, nackt und liebestoll) ~ I 1972
Directed By: Roberto Bianchi Montero


Commissario Capuana (Farley Granger) von der römischen Polizei sieht sich einem Serienmörder gegenüber, der es ausschließlich auf Damen aus der höheren Gesellschaft abgesehen hat, welche ihren Ehemännern zudem allesamt Hörner aufsetzen. Nach einem Schäferstündchen mit ihrem jeweiligen Liebhaber stellt der Schlitzer sie und schickt sie auf blutige Weise per Rasierklinge ins Jenseits, stets eine Fotografie hinterlassend. Zunächst verdächtigt Capuana den gestörten Leichenpräparator Gastone (Luciano Rossi), doch entpuppt sich dieser, abgesehen von ein paar lockeren Schräubchen, als ganz harmlos...

Giallo von mittlerer Qualität, an dem vor allem die flockige (Hamburger?) Synchronisation zu erfreuen weiß. Der Film fährt ziemlich schwere reaktionäre Geschütze auf; denunziert großflächig Homosexuelle als tuntige Paradiesvögel und geht hart mit dem sexuellen Libertinismus seiner Zeit, den er vor allem bei der wohlsituierten, dekatenten Bourgeoisie verortet, ins Gericht. Besonders das sich als ziemlicher Stimmungsdrücker präsentierende Finale trägt dieser Haltung Rechnung. Wirklich spannend oder gar sonderlich stilistisch aufregend ist "Rivelazioni" eigentlich nie. Was gefällt, sind die schicken siebziger Interieurs, die dem geneigten Hobby-Innenarchitekten mit Retro-Ambitionen diverse schicke Anregungen liefern.
Bezüglich seines Titels, der ins Deutsche übersetzt wohl soviel wie "Enthüllungen eines Sexgestörten gegenüber einem Chef der Kriminalpolizei" heißt und der sich auf eine einzige, zudem recht unbedeutende Szene im Film bezieht, dürfte Monteros Film allerdings ein Rekordhalter sein. Der deutsche Name verspricht eher einen lustigen Softporno und macht sich damit, trotz ein wenig (moderater) Fleischbeschau, geradezu gemeingefährlicher Publikumsirreführung zuständig. Wie ich höre, gab es auch eine für den US-Markt erweiterte HC-Fassung unter dem zweideutigen Namen "Penetration", gegen die Hitchcock-Veteran Farley Granger wohl erfolgreich prozessiert hat. Anyway, einmal anschauen reicht mir fürs Erste vollkommen aus.

6/10

Italien Rom Roberto Bianchi Montero Serienmord Softsex Europloitation Giallo


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THE OUTSIDERS (Francis Ford Coppola/USA 1983)


"Boys will be boys."

The Outsiders ~ USA 1983
Directed By: Francis Ford Coppola


Tulsa, Oklahoma in den sechziger Jahren: Die höchst unterschiedlichen sozialen Verhältnissen entstammenden Jugendgangs 'Greasers' und 'Socs' stehen sich feindselig gegenüber und verteidigen ihre Fronten mit Vehemenz. Die aus dem schwach situierten Norden der Stadt stammenden Greasers haben es dabei besonders schwer, mit den gut gekleideten Socs aus dem Süden, die die schickeren Autos und die schöneren Mädchen haben, auch nur annährend gleichzuziehen. Der junge Greaser Ponyboy Curtis (C. Thomas Howell), der unter dem Tod seiner Eltern zu leiden hat, begegnet der steten Konfliktsituation mit hilfloser Feinfühligkeit. Er zitiert Frost, liest Mitchell (vor), bewundert den Sonnenaufgang und wird mit dem allseitigen, ihn umgebendem Hass kaum fertig.

Auf die Petition einer Highschool-Klasse hin adaptierte Coppola mit seinem Studio Zoetrope den gleichnamigen Hinton-Roman, nunmehr seit Generationen eine klassische Schullektüre für pubertierende peer groups. Da mir der Film in letzter Zeit in mehrfacher, ganz unterschiedlicher Weise über den Weg gelaufen ist, zuletzt in Oliver Nödings unbedingt lesenswertem Blog-Eintrag , hatte ich das dringende Bedürfnis, ihn nach vielen Jahren wieder aufzufrischen. Weder konnte ich mich sonderlich gut an den inhaltlichen Ablauf des Romans erinnern, noch war mir der ursprünglichen Kinoschnitt noch außerordentlich präsent - lediglich besonders prägnante Szenen, wie die zwei die Dämmerung bewundernden Howell und Ralph Macchio blieben unauslöschlich abrufbar.
Mein nivellierter Eindruck bescherte mir heuer ein reichhaltiges, poetisch-kunstvolles und ergreifendes Teenage-angst-Drama, das sich wohl nicht zuletzt in Anbetracht seines Regisseurs als reif genug erweist, im Gegensatz zu vielen Artgenossen auf eine spekulative Perspektive zu verzichten und sich so eine zwingende Zeitlosigkeit anzueignen. Ein Plädoyer dafür, sich das sprichwörtliche "Gold" der Jugend stets im Herzen zu bewahren; offen, ehrlich und authentisch zu bleiben - komme, was da wolle.
Demnächst dann nochmal "Rumble Fish".

9/10

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WILD GEESE II (Peter Hunt/UK, AU 1985)


"But... I deserve being imprisoned!"

Wild Geese II (Wildgänse 2) ~ UK/AU 1985
Directed By: Peter Hunt


Alex Faulkner (Edward Fox), Bruder des verstorbenen Söldners Allen Faulkner und ebenfalls vom Fach, bekommt von einer britischen Mediengesellschaft das Angebot, für eine stattliche Summe den über neunzig Jahre alten Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß (Laurence Olivier) aus seinem Gefängnis in Spandau zu befreien - die anschließende Sensation, so versichert man ihm, wäre ohnegleichen und Hess könne diverse brüskierende Geheimnisse über die Supermächte preisgeben. Faulkner lehnt das irrsinnige Unterfangen zunächst ab, empfiehlt aber seinen Kollegen Haddad (Scott Glenn), der den Auftrag dann auch tatsächlich annimmt. Nachdem Haddad auch Faulkner überredet hat, einzusteigen, bekommt er es in Berlin mit einem ominösen Terror-Netzwerk und den Sowjets zu tun, noch ehe er die Planung zu Heß' Befreiung auch nur konkretisieren kann.

Nachdem nicht weniger als sechs Söldner- und Kriegsfilme, davon mindestens einer lange vor McLaglens "The Wild Geese" entstanden waren, häufig solche aus der Produktions- oder Verleihschmiede des Schweizers Erwin C. Dietrich (unter zumeist italienischer Beteiligung), und das erfolgreiche "Wildgänse"-Trademark verwurstet hatten, beendete dieses einzige reguläre Sequel das entsprechende title dropping ziemlich unversehens. Für "Wild Geese II" krallte sich der Produzent Euan Lloyd den Vorlagenautor des ersten Teils, Daniel Carney, der extra für den zweiten Film einen Roman anfertigte, den Original-Scriptautor Reginald Rose und den Kompositeur Roy Budd. Zunächst sollte auch Richard Burton noch einmal als Allen Faulkner antreten, doch seine extrem unstete Lebensweise brachte ihn ganz kurz vor der Umsetzung dieser Pläne leider ins frühe Grab. Die Originalplakate zeugen noch von Burtons geplanter Mitwirkung; eine Pre-Title-Sequenz, die einige Szenen des Vorgängers zusammenfasst, versichert uns schließlich den hochoffiziellen Status des vorliegenden Films. Da Lloyd keinen einfachen Ersatz für Burton wünschte, wurde das Script kurzerhand zugunsten Edward Fox' Bruderrolle umgedichtet und mehr Gewicht auf Scott Glenns Part gelegt. Zudem gab es im Vergleich zum Vorgänger ein weiteres Novum: Besetzt von Barbara Carrera, die in den frühen und mittleren Achtzigern häufig im Actionfilm anzutreffen war, kam eine relativ gewichtige Frauenrolle hinzu. Einige Stars aus der zweiten Reihe, darunter Ingrid Pitt, John Terry und Robert Webber, gaben sich ein Stelldichein in Gastauftritten. Für Laurence Olivier, der, seine zwischen wacklig und rührend pendelnden Auftritte zeugen davon, ebenfalls bereits mit einem Bein in der Kiste zu stehen scheint und der in den späten Karriejahren ja so oder so häufig mit dem Nazifach in Verbindung trat (s. "Marathon Man" und "The Boys From Brazil"), war dies eine der letzten appearances - eine ganz schöne, wohlgemerkt.
Als eigenständiger Söldnerfilm geht "Wild Geese II" in Ordnung. Zwar fehlt das exotische Ambiente des Erstlings und der Dietrichs, die Mauerstadt mitten im Kalten Krieg und ein paar gelungener filmischer Verweise auf ihren damaligen Enklavenstatus (in einer Szene steht Scott Glenn auf einer Empore und blickt ungläubig in den Ostteil der Stadt herüber) aber wirken sich sogar recht seriös aus. Ziemlich daneben geht es, wenn der Film notgedrungen versucht, den Charme des Originals zu repetieren, etwa in der Person des Schleifers (Paul Antrim). Das landet völlig in der Hose und wäre eher zu vermeiden gewesen. Wie stets in seinen stoischen Eighties-Performances - ich denke da besonders gern an "Man Of Fire" - ist Scott Glenn ein erfreulich wortkarger Held und Roy Budds Musik immerhin fast so gut wie die fürs Original. Insgesamt gibt's wohl geringfügig mehr auf der Habenseite; für "The Wild Geese", den ich zu meinen Lieblingsfilmen zähle, bedeutete Hunts Fortsetzung jedoch niemals auch nur den Hauch einer Gefahr.

6/10

Nationalsozialismus Berlin Kalter Krieg Soeldner Peter Hunt Daniel Carney


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SHINE A LIGHT (Martin Scorsese/USA, UK 2008)


"It's good to see you all. It's good to see anybody."

Shine A Light ~ USA/UK 2008
Directed By: Martin Scorsese


2006 geben die Rolling Stones an zwei Tagen hintereinander Konzerte im New Yorker Beacon Theatre vor einem für ihre Verhältnisse relativ kleinen Auditorium. Martin Scorsese filmt und lässt es sich nicht nehmen, neben dem mit dokumentarischem Material der Bandgeschichte kompilierten Zusammenschnitt auch ein selbstironisches Porträt seiner persönlichen Arbeitsweise zu liefern.

Vortrefflicher Konzertfilm, von gegenseitiger Liebe und dem Respekt zweier betagter Repräsentanten unterschiedlicher Kunstrichtungen geprägt. Ich nehme "Shine A Light" (ganz traditionell nach einem der großen Bandklassiker benannt) in erster Linie als protestgeschwängerten Aufschrei wahr: "Unterschätzt uns nicht, bloß weil wir über sechzig sind!" Dass die faltigen, alten Herren noch ordentlich Pfeffer in den faltigen, dürren Ärschen haben, ist jedem, der sich etwas mehr als beiläufig mit ihnen beschäftigt, kein Geheimnis. Scorsese nutzt die Gelegenheit, neben einer ungeheuer beeindruckenden Dokumentation dieses Faktums gleich auch noch zu demonstrieren, dass für ihn und sein Fach dasselbe gilt. Generationsverbindend holt sich Mick Jagger Gäste wie Jack White und Christina Aguilera auf die Bühne, die neben seiner Präsenz und seiner ungebrochenen Stimmgewalt rührend grün wirken, verzichtet mit seiner Band auf eine allzu klischierte Setlist und scheut weder "kleinere" Bluesnummern (Muddy Waters' "Champagne And Reefer") noch Soul-Covers ("Just My Imagination Running Away With Me"). Die eingefügten Interview-Schnipsel, die teils vierzig Jahre altes Material enthalten und eine fast schon albern juvenil wirkende, ihre Exzentrik zelebrierende Rockband zeigen, die irgendwas davon faselt, "wohl noch ein Jahr weitermachen zu wollen", geben "Shine A Light" ein besonderes Finish.
Ganz stark.

9/10

New York Martin Scorsese Konzert Rolling Stones Musik


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NIGHTBREED (Clive Barker/USA 1990)


"It's Shangri-La on dope. We love it."

Nightbreed (Cabal - Die Brut der Nacht) ~ USA 1990
Directed By: Clive Barker


Der junge Aaron Boone (Craig Sheffer) wird von Visionen der angeblich unter einem Provinzfriedhof liegenden Stadt Midian heimgesucht, in der Dämonen hausen sollen. Boone kann nicht ahnen, dass sein Therapeut Dr. Decker (David Cronenberg) zugleich ein gesuchter Serienkiller ist, der ganze Familien abschlachtet und davon besessen ist, dem Menschen seine strukturelle Reinheit wiederzugeben. Nachdem Boone Midian tatsächlich ausfindig gemacht hat, sorgt Decker dafür, dass sein Patient von Polizeikugeln durchsiebt wird. Doch Boone erwacht zu neuem Leben und wird nun von den Bewohnern Midians, einer illustren Mutantenschar mit teils unheimlichen Fähigkeiten, akzeptiert. Doch Decker und eine ganz Polizeikohorte sind Boone und seiner neuen Familie bereits auf den Fersen.

In bester Tradition von Tod Brownings' "Freaks" und dem Marvel-Comic "X-Men", allerdings versetzt mit dem überbordenden Visualismus seines Autors, steht der ziemlich wunderbare "Nightbreed". Craig Sheffer alias Aaron Boone wird hier nach seinem Initiationsritus, der freilich auch seinen gewaltsamen Tod beinhaltet, zu 'Cabal', einem auserwählten Messias, Anwalt und Rebellenführer der Unterwelt, der den Negierten und Ausgestoßenen, die allerdings nicht nur stolz genug sind, ihre Isolation zu akzeptieren, sondern sie auch zu wählen und zu leben, ein Stück vergessener Freiheit wiederverschafft. Die finstere, mit manchmal eher unschönen Bildern kokettierende Monsterromantik Barkers, die dem, was landläufig wohl als "unästhetisch" bezeichnet würde, recht nahe kommt, ist wohl tatsächlich nicht für jedermann gemacht, dürfte aber allen wahren Anhängern Barkers viel Freude bereiten. In seinen immer auch geflissentlich bis stark erotisch konnotierten Phantasien verarbeitete der Brite seine eigene Homophilie und feierte ein unerkanntes, frühes Coming out.
Die Sympathie für seine physiologischen Outsider, unter denen sich auch ein sehr ungleich aussehendes homosexuelles Pärchen befindet, ist geprägt von leidenschaftlicher Abgestoßenheit und einer gleichermaßen großen Faszination, das von Barker entworfene Filmuniversum, in dem ausgerechnet David Cronenberg als sorgsam gekleideter Psychologe die ganze Dämonie des etablierten Humanbürgers repräsentiert, von ungeheurer Sogkraft.
Gehört großflächig wiederentdeckt.

8/10

David Cronenberg Serienmord Mutant Monster





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Funxton

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