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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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JOHNNY HANDSOME (Walter Hill/USA 1989)


"We both know what and who you are, Johnny Handsome."

Johnny Handsome ~ USA 1989
Directed by: Walter Hill


Der durch einen Geburtsdeffekt gesichtsentstellte John Sedley (Mickey Rourke), den seine Bekannten aus der Unterwelt von New Orleans nur spöttisch 'Johnny Handsome' nennen, nimmt an einem Überfall auf einen Juwelier teil, der helfen soll, Johnnys einzigen, väterlichen Freund Mickey (Scott Wilson) zu sanieren. Das Verbrecherpärchen Rafe (Lance Henriksen) und Sunny (Ellen Barkin), die ebenfalls dabei sind, hauen die anderen übers Ohr, erschießen alle bis auf Johnny und setzen sich danach ab. Johnny kommt ins Gefängnis, wird dort jedoch zum Opfer eines von Rafe befehligten Mordanschlags. Sein behandelnder Arzt (Forest Whitaker) bietet Johnny an, an einem Resozialisierungsprogramm teilzunehmen, das Johnnys Gesicht glätten und ihm eine neue Identität verschaffen soll. Johnny willigt ein, mit nur einem Gedanken im Kopf: Rache.

Zwischen den recht lauten und schussintensiven "Extreme Prejudice" und "Another 48 Hrs." kam von Walter Hill dieses kleine Gangsterkammerspiel, eine so seltsame wie faszinierende Melange unterschiedlichster Elemente. Seine Keimzelle findet "Johnny Handsome" zweifelsohne im film noir. Die Charaktere erscheinen eher grob skizziert und stark archetypenbeeinflusst, Figuren, wir wie sie bereits hundertmal gesehen zu haben glauben. Die Konstellation Gangster - Bulle, zwischen gegenseitiger Feindschaft und innerer Sympathie, ist ganz ähnlich wie im elf Jahre älteren "The Driver" angelegt; wirklich neu indes ist das "Elephant Man" - Mosaikstück - ein physisch gezeichnetes, an sich sanftmütiges Individuum, das den grausamen Zynismus seiner sensibilitätsentledigten Umwelt zu ertragen hat. Dass es dann unerkannt, mit anderem Gesicht zurückkehrt, um die Karten neu zu mischen, hat wiederum etwas von Delmer Daves' wunderbarem "Dark Passage". Da schließt sich dann auch der Kreis der Einflüsse.

8/10

New Orleans film noir Walter Hill Rache neo noir


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CROSSROADS (Walter Hill/USA 1986)


"I'm the bluesman, he's from Long Island."

Crossroads ~ USA 1986
Directed By: Walter Hill


Als Eugene Martone (Ralph Macchio), siebzehn Jahre junger Student klassischer Musik, in der Zeitung liest, dass die Blueslegende Willie "Blind Dog" Brown in einem Gefängnis für Geriatriepatienten einsitzt, ist er sofort Feuer und Flamme. Als Gitarrenspieler gehört Eugeneswahre Leidenschaft nämlich dem Blues und er ist sich sicher, dass Willie Brown noch einen uninterpretierten, von Robert Johnson (Tim Russ) geschriebenen Song in der Hinterhand hat. Nachdem Blind Dog sich zu erkennen gegeben hat, fordert er Eugene dazu auf, ihn aus dem Knast zu holen und mit ihm nach Mississippi zu reisen. Dort hat Blind Dog einst einen verhängnisvollen Vertrag unterschrieben, den er gern rückgängig machen würde...

Man könnte "Crossroads" auch als Ehrerbietung oder Geschenk an Hills langjährigen Komponisten Ry Cooder auffassen, jener immerhin einer der weltbesten Bluesgitarristen. Selbstverständlich hatte Cooder auch die wunderbaren Musiksequenzen in "Crossroads" zu vertonen. Der Film müht sich erfolgreich, ohne inflationären Einsatz von Schießprügeln und neonglänzender urbaner Oberfläche, dicht an Hills Lieblingsmotiven zu bleiben: Die zögerlich entstehende Freundschaft zweier ungleicher, dabei seelenverwandter Individuen zueinander, Tramps auf der Reise (die - es lässt sich erahnen - zugleich in ihr Inneres führt), der Staub der Straße. Flotte Einfälle wie der Einsatz des Saitengottes Steve Vai als Teufelsklampfer, den Eugene am Ende in einem Gitarrenduell besiegen muss, gestalten sich da als höchst erfreuliche bonmots. Jami Gertz als Macchios love interest indes ist zwar hübsch anzuschauen, in ihrer Rolle als Straßenmädchen allerdings offensichtlich fehlbesetzt. Macht aber nichts, "Crossroads" mitsamt seiner eigentümlich-sympathischen Stimmung findet sich dadurch keineswegs gefährdet.

8/10

Suedstaaten Blues Satan Mississippi Hommage New York Musik Coming of Age Walter Hill Road Movie


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BREWSTER'S MILLIONS (Walter Hill/USA 1985)


"None of the above!"

Brewster's Millions (Zum Teufel mit den Kohlen) ~ USA 1985
Directed By: Walter Hill


Der erfolglose Baseball-Pitcher Montgomery Brewster (Richard Pryor) erbt überraschend ein riesiges Vermögen. Sein ihm bis dato unbekannter, verstorbener Großonkel (Hume Cronyn) verzichtet aber nicht auf eine recht fiese Auflage: Will Brewster den kompletten Erbteil von 300 Mio. Dollar einsacken, muss er es zunächst bewerkstelligen, innerhalb von dreißig Tagen ein Zehntel der Gesamtsumme zu verprassen und am Ende der Frist trotzdem mit leeren Taschen dazustehen. Diese Aufgabe erweist sich als zermürbender als gedacht.

Viele für eher schwerere Stoffe bekannte Filmemacher aus dem New-Hollywood-Dunstkreis mühten sich in den Achtzigern urplötzlich damit ab, sich selbst einen Anstrich von Vielseitigkeit zu verleihen, vielleicht auch damit, nicht länger als humorlos gelten zu müssen und ergo zumindest einen Schlenker in Richtung Comedy und/oder Satire innerhalb ihres Oeuvres verbuchen zu können. William Friedkin etwa versuchte sich an "Deal Of The Century", Brian De Palma an "Wise Guys". Es darf sich im Nachhinein wohl recht eindeutig feststellen lassen, dass die jeweilgen Resultate interessant ausfielen, in keinem Fall jedoch an die Hauptwerke der Regisseure heranzureichen pflegten. "Brewster's Millions" bildet da keine Ausnahme. Eine Komödie im klassischen Capra-Stil muss Hill vorgeschwebt haben, als er dieses Auftragsprojekt, in dem Hauptdarsteller Pryor das SNL-Ass John Candy zur Seite steht (auch Buddys waren jeweils gefragt), in Angriff nahm. "48 Hrs." pflegte zwar bereits humorige Ansätze, war mit seinen zuweilen unwirschen Gewaltausbrüchen aber am Ende doch ein lupenreiner Actionthriller. Das die alte Weise, dass Geld allein nicht glücklich mache, verfolgende, ökomomiekritische Element in "Brewster's Millions" ist zwar aller Ehren wert, schlussendlich aber doch kaum mehr als kokette Staffage. Dass das Finale dann darin kulminiert, dass der Held gar keine echte Lektion hat lernen müssen, sondern die gesamte ihm zustehende Penunze auch einstreichen darf, ist dann so wenig wenig sozialromantisch und capraesk wie nur was und erscheint mir darüberhinaus reichlich inkonsequent. Wie überhaupt dem Film, nach der recht witzigen Wahlepisode gegen Ende mehr und mehr die Luft rausgeht, als habe Hill einfach keinen Bock mehr gehabt, dieses ihm fremde Terrain noch weiter zu beackern. Durchaus zum Schmunzeln, für Nicht-Komplettisten aber eigentlich vernachlässigbar.

5/10

Walter Hill Geld Satire New York Groteske Farce


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THE WARRIORS (Walter Hill/USA 1979)


"Fuckin' A."

The Warriors ~ USA 1979
Directed By: Walter Hill


Nachdem sie einem riesigen Bandentreffen auf der anderen Seite der Stadt beigewohnt haben, dessen Organisator Cyrus (Roger Hill) der üble Luther (David Patrick Kelly) aus reiner Boshaftigkeit erschießt, werden die neun Abgeordneten der Coney-Island-Gang 'Warriors' unschuldigerweise von allem und jedem gejagt. Quer durch das nächtliche New York müssen sie fliehen, werden auseinandergerissen und finden an den wichtigen Verkehrsknotenpunkten wieder zusammen, bis sie, am Ziel ihrer Heimreise angelangt, endlich die ihnen zustehende Gerechtigkeit erfahren.

"The Warriors" ist neben dem etwas jüngeren "48 Hrs." mein Lieblingsfilm von Walter Hill. Was mir, ganz abgesehen davon, dass der Regisseur ein in jeder Hinsicht prachtvolles Genrestück kreiert hat, in der Hauptsache am Film gefällt, ist sein genuin schwarzseherischer Zeitgeist. Analog zu vielen anderen aus dieser Ära stammenden Hollywood-Filmen werden Amerika und insbesondere seine großen Metropolen als großer Schmelztiegel der Gangs und der Gesetzlosigkeit gezeichnet. Auf höchst reaktionäre und sozialpessimistische Art formulieren die meisten jener Werke, so sie keinen nostalgischen Ansatz pflegen wie etwa Kaufmans "The Wanderers", eine bärbeißige Untergangsstimmung; die junge, nachfolgende Generation hält als Sammelstelle verbrecherischer Sündenbock-Brigaden her. Zwar repräsentierte das Figureninventar der 'juvenile delinquents' stets gewisse einseitige pädagogische Weckrufe, so kompromisslos wie in den Siebzigern und Achtzigern schoss man jedoch nie zuvor und auch kaum mehr danach. "The Warriors" bietet da einen verhältnismäßig unorthodoxen Ansatz: Die titelgebende Gang bekommt Persönlichkeit, einen klar umrissenen Ehrenkodex sowie einen sich nach und nach herausschälenden Helden- und Sympathieträgerstatus auferlegt. Spätestens die wunderbare Szene, in der zwei geschniegelte Discopärchen aus Uptown mit den Warriors in einem Bahnwaggon sitzen und dem abgekämpften 'Kriegsführer' Swan (Michael Beck) und seiner neuen Freundin Mercy (Deborah Van Valkenburgh) mit einer Mischung aus Angst und arrogantem Naserümpfen begegnen, erreicht Hills Film einen Differenzierungsgrad, den andere Filme ähnlicher Kuleur erst gar nicht anzustreben wagen. Geschickt verwobene Elemente der griechischen Mythologie, darunter die Spartanerschlachten und natürlich Homers "Odyssee" verleihen "The Warriors" darüberhinaus einen literarisch relevanten Status. Score und Songs sind perfekte Atmosphäenspender. Dass Hill außerdem einer der denkwürdigsten Filme zu den ewigen Motivkreisen "Nacht" und "New York" geglückt ist, wird da fast zur schönen Nebensache.

10/10

Gangs Odyssee Teenager Nacht Slum Walter Hill New York


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HACHIKO: A DOG'S STORY (Lasse Hallström/USA, UK 2009)


"Life cannot be captured. Human heart cannot be captured. The moment of creation itself is fleeting."

Hachiko: A Dog's Story (Hachiko - Eine wunderbare Freundschaft) ~ USA/UK 2009
Directed By: Lasse Hallström


Eines Abends entdeckt der Musikprofessor Parker Wilson (Richard Gere) einen Akita-Welpen am Bahnhof und nimmt sich seiner an. Von seinem Kollegen Ken (Cary-Hiroyuki Tagawa), der ein Zeichen am Halsband des Kleinen entziffert, erfährt Parker, dass der Hund Hachiko heißt, nach dem japanischen Wort für die Zahl Acht. Trotz anfänglichen Widerspruchs seiner Frau Cate (Joan Allen) behalten die Wilsons Hachi. Zwischen Hund und Herrn scheint eine tiefe Seelenverwandtschaft zu entstehen. Jeden Morgen bringt Hachi sein Herrchen zum Bahnhof und jeden Nachmittag holt er ihn dort wieder ab. Als Parker während eines Seminars einen tödlichen Herzinfarkt erleidet, hält das Hachi nicht davon ab, bis an sein eigenes Lebensende weiterhin jeden Nachmittag an derselben Stelle auf die Rückkehr seines Herrn zu warten.

Hallströms Film hat mir das Herz gebrochen. Rotz und Wasser habe ich geheult, und wenn ich jetzt an ihn denke, kommen mir gleich wieder die Tränen. Aber jeder wahre Hundeliebhaber muss wohl auf die tiefe, fast spirituelle Emotionalität von "Hachiko" anspringen. Ich habe auch noch nie zuvor einen Film gesehen, der die Beziehung zwischen einem Menschen und seinem Hund zugleich so erwachsen, rührend und unverkitscht darzustellen vermag und unerschütterlich lobpreist, was es auszeichnet, die Gegenwart eines Hundes als Lebensbegleiter zu genießen. Wahre Freundschaft, kompromisslose Treue über alle Grenzen hinweg. "Nicht du hast Hachi gefunden, Hachi hat dich gefunden" sagt Tagawa einmal und wie ich es sehe, dürfte das eine universell gültige Weisheit sein. Und damit nicht genug, "Hachiko" bildet zugleich eine unglaublich starke Reflexion über die Möglichkeit (bzw. Unmöglichkeit), mit persönlichen Verlust umzugehen. Natürlich wird Hachi am Ende, nach vielen Tagen und Jahren des Wartens, als er selbst zum letzten Mal die Augen schließt, doch noch für seine Beharrlichkeit belohnt: Sein Herrchen kommt nämlich, diesmal allerdings, um seinen Hachi abzuholen...
Verdammt. Sie kullern schon wieder.

10/10

Hund Lasse Hallström Biopic Freundschaft


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THE BLOB (Chuck Russell/USA 1988)


"What about the civilians?" - "They're expendable."

The Blob ~ USA 1988
Directed By: Chuck Russell


Ein scheinbar außerirdisches Artefakt in Form eines Meteoriten landet in einem kleinen Wäldchen in Louisiana. Ein Landstreicher (Billy Beck), der in Berührung mit dessen Innerem, einer pinkfarbenen, gallertartigen Masse, kommt, wird bald darauf buchstäblich verschlungen. In Kürze gerät die ganze benachbarte Kleinstadt in Aufruhr, da das Wesen alles an Organischem absorbiert, was ihm in die Quere kommt. Das sich in Windeseile einschaltende Militär erweist sich als alles andere als hilfreich. Nun schlägt die große Stunde des stadtbekannten Delinquenten Brian Flagg (Kevin Dillon).

Russells Remake des gleichnamigen Monsterklassikers von 58 zollt dem Original Respekt, findet dabei jedoch noch genug eigene Ansätze, um als modernisierte Variation bestehen zu können. Kleinere Änderungen, die auf zwischenzeitlich Entstandenes wie Romeros "The Crazies" Bezug nehmen und harsche Militärkritik üben (es wird sogar unterstellt, der Blob sei ein fehlgeschlagenes Regierungsexperiment), dürfen als durchaus sinnvoll erachtet werden. Wirklich begeisternd aber sind die gekonnten, wunderbar schleimigen F/X, die es ordentlich krachen lassen und immer dann besonders hoch punkten, wenn die Opfer des Blobs in dessen Innerem dabei gezeigt werden, wie sie gerade lebendig verdaut werden. Ekel deluxe.

7/10

Splatter Kleinstadt Chuck Russell Monster Remake Teenager


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THE DRIVER (Walter Hill/USA 1978)


"I really like chasing you." - "Sounds like you got a problem."

The Driver ~ USA 1978
Directed By: Walter Hill


Der Driver (Ryan O'Neal), ein in völliger Anonymität arbeitender Fluchtwagenfahrer, gilt als Bester seines Metiers. Dem Detective (Bruce Dern) ist er jedoch ein gewaltiger Dorn im Auge. Als der Driver von einer Spielerin (Isabelle Adjani) identifiziert wird, besticht er sie, damit sie den Mund hält. Gemeinsam versucht man, an die Beute eines von Kunden des Driver vermasselten Raubzugs zu kommen, den Detective stets dicht auf den Fersen.

Für "The Driver" reduziert Walter Hill die Genrevorgaben auf das absolut notwendigste Minimum. Seine Figuren benötigen nicht einmal mehr Namen, weil diese bereits als Kokettiererei missverstanden werden könnten. Obgleich - schon der Titel suggeriert es - Hills Film mit Begriffen wie Verfolgung, Jagd und Bewegung operiert, erscheint er auf angenehme, weil vollkommen lässige Weise statisch. Hill bewegt sich in atmosphärischer Hinsicht eher im Dunstkreis seines französischen Kollegen Melville (den er darüberhinaus ausgiebig zitiert) denn in jenem der eigentlich doch naheliegenderen Vorbilder aus dem eigenen Lande. Bildliche Kinetik und Rasanz strebt der Film dann auch ausschließlich in den (durchaus als Motor des Films inszenierten) Szenen an, in denen der Driver seine 'Kunst' ausstellt - einmal, als er in einer Tiefgarage zweien vom Detective angestifteten Räubern (Joseph Walsh, Rudy Ramos) absichtlich den Mercedes zerlegt, demonstriert er eindringlich, warum er es sich leisten kann, Schusswaffen abzulehnen. Sein stets kühl agierender Verstand und seine Kaltschnäuzigkeit, die allerdings kaum vieler Worte bedarf, sind ihm Waffe genug. Ryan O'Neal, der, wie es einem veritablen Einzelgänger geziemt, stets auch ein wenig Traurigkeit und Wehmut im Blick hat, ist perfekt in seiner Rolle. Im Nachhinein verwundert es, dass er nicht mehr solche Vorstellungen gegeben hat.
"The Driver" ist auch ein ultimativer Großstadtfilm. Seine plastische Urbanität zeichnet er primär in Nachtszenen, wenn der Stadtkern, abgesehen von den zahlreichen, hell erleuchteten Hochhausfenstern, wie tot wirkt und das vertikal-horizontale Straßennetz zum persönlichen Aktionsfeld des Driver wird. Unter anderem darum ist Hill einer der wichtigsten und beleumundetsten Fachmänner - er hat die Strukturen, derer er sich bedient bzw. die er umgestaltet, nicht nur gänzlich durchschaut, sondern sie auch bis zur letzten Konsequenz internalisiert.

9/10

Duell car chase Walter Hill


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HEAVEN'S GATE (Michael Cimino/USA 1980)


"It's getting dangerous to be poor in this country."

Heaven's Gate ~ USA 1980
Directed By: Michael Cimino


Wyoming, 1890: Die wohlhabenden Großrancher von Johnson County beschließen, nachdrücklich gegen den Strom der sich in der Gegend niederlassenden, osteuropäischen Einwanderer vorzugehen, die, mittelos wie sie sind, versuchen, sich dort eine kärgliche Neuexistenz aufzubauen. Als Marshal Averill (Kris Kristofferson), dessen früherer Harvard-Kommilitone Irvine (John Hurt) mit den Ranchern paktiert, von der Sache Wind bekommt, warnt er die slawischstämmigen Bewohner des Städtchens Sweetwater, in dem auch Averills Geliebte, die Hure Ella Watson (Isabelle Huppert), lebt, eindringlich vor den Plänen der Rancher. Jene haben sich nicht nur eine gesetzliche Legitimation ihrer Aktion durch den Präsidenten besorgt, sondern mittlerweile auch eine umfassende Todesliste erstellt und eine fünfzigköpfige Gruppe von Auftragskillern engagiert. Doch die Migranten sind aller Ängste zum Trotz des Flüchtens müde und stellen sich gegen die Rancher und ihre Killerbrigade.

Der "Heaven's Gate" zueigene, filmhistorische Status als eines der größten Kassendebakel überhaupt ist ja legendär. Die Verschwendungssucht und besessene Detailgenauigkeit, mit der Cimino sein Projekt versah, wuchs seinerzeit ins Astronomische, das veranschlagte Budget von sieben Millionen Dollar schnellte im Laufe der Zeit um das sechsfache in die Höhe. Die US-Kritik geleitete die Premiere dann mit Rufmord und -totschlag, was zu einem prompten kommerziellen Absturz führte, der United Artists auf lange Sicht in den Ruin trieb. Selbst später aufgeführte, von Cimino selbst gekürzte Versionen schafften keine Abhilfe. Erst das europäische Feuilleton bescherte "Heaven's Gate" eine kleine Amnestie. Hier erkannte man, dass das selbstgefällige, inszenatorische Gewichse des Regisseurs tatsächlich pure filmische Poesie in der Tradition der Kinoelegien von Lean, Leone, Visconti oder Coppola ist und war auch durchaus nicht gekränkt von der antipatriotischen und zudem von einer stark antikapitalistischen Mentalität geprägten Nestbeschmutzung, die der Film in kompromissloser Weise praktiziert.
Natürlich hatten die Europäer - wie meistens - völlig Recht. Hätte Visconti seinen "Il Gattopardo" auf amerikanischem Boden gemacht, wären ihm wahrscheinlich ganz ähnliche Vorwürfe zuteil worden, wie sie Cimino zu erdulden hatte. Barbarisches Banausentum, Arroganz, Ignoranz, Pack! Gut, dass "Heaven's Gate" kein großflächiger Erfolg werden konnte, hätte den executives von UA eben etwas früher auffallen sollen. Weder betreibt der Film auch nur die geringste Publikumsanbiederung, noch dürfte ihn ein Gros der unbedarfteren Rezipientenschaft überhaupt als zuschauerfreundlich, geschweige denn unterhaltsam empfinden. Cimino und sein dp Vilmos Zsigmond filmen in engelsgeduldig langen Einstellungen Landschaften bei ausschließlich besonderem Tageslicht, lassen gleich zwei große Tanzszenen (davon eine auf Rollschuhen) sich ihren Platz verschaffen und choreographieren waghalsige Massenszenen, die tatsächlich so wirken, als seien sie dokumentarischen Ursprungs. Für "Heaven's Gate" muss man sich freilich Muße und Zeit nehmen, wer aber Kino in seiner pursten Form genießen und nicht bloß zwischenzeitlich ordinärem Eskapismus frönen will, der wird sich von diesem großen Meisterwerk reichhaltig belohnt finden.

10/10

Ethnics Historie period piece Michael Cimino Wyoming Megaflop Cattle War


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RUMBLE FISH (Francis Ford Coppola/USA 1983)


"Even the most primitive of societies have an innate respect for the insane."

Rumble Fish ~ USA 1983
Directed By: Francis Ford Coppola


Der junge Schläger Rusty James (Matt Dillon) steht im ewigen Schatten seines lokal legendären Bruders, des Motorcycle Boy (Mickey Rourke). Dieser, ein ebenso körperlich schlagkräftiger, wie intellektuell befähigter Mann Mitte zwanzig hat einst sämtliche Gangs von Tulsa vereint und so die Bandenkriege gestoppt. Doch gehören jene Zeiten mittlerweile der Vergangenheit an. Alles geht wieder seinen alten Gang, seit der Motorcycle Boy vor längerer Zeit verschwunden ist. Als er eines Tages zurückkehrt, nach eigener Aussage aus Kalifornien, wo er seine und Rusty James' Mutter besucht habe, scheint er verändert. In sich gekehrt, wehmütig und still interessiert er sich in erster Linie für die im Fenster der Tierhandlung ausgestellten Kampffische, die er wegen seiner Farbenblindheit äußerlich nicht unterscheiden kann.

In direkter Folge zu den "Outsiders" inszenierte Coppola vor Ort in Oklahoma noch einen weiteren Jugendroman von Susan E. Hinton, diesmal nach deren eigenem Script. "Rumble Fish", der das kaum zu erwartende Kunststück bewältigt, mit seinen betont artifiziell gehaltenen Schwarzweißbildern seinen "Vorgänger" nicht nur ästhetisch, sondern auch an Symbolkraft zu überragen, erweist sich als eine der experimentellsten, intensivsten und zugleich intimsten Arbeiten Coppolas.
Man darf allerdings vermuten, dass ohne den allseitigen, großartigen Support kein solches Meisterwerk hätte entstehen können. Stephen Burum als dp, der mit der Kamera eine Vielzahl beeindruckender Kunststücke vollzieht, Stewart Copeland als Composer und die durchweg phantastische Besetzung, allen voran Mickey Rourke in einer der allerschönsten Rollen seiner gesamten Laufbahn, veredeln diesen wunderbar poetischen Film auch bis aufs letzte i-Tüpfelchen. Vollkommene Brillanz. Zum Quadrat!

10/10

Coming of Age Teenager Francis Ford Coppola Gangs Subkultur


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SURROGATES (Jonathan Mostow/USA 2009)


"It appears, at least for now, that we are on our own."

Surrogates ~ USA 2009
Directed By: Jonathan Mostow


Im Jahre 2056 pflegen fast sämtliche Menschen ihre Wohnungen nicht mehr zu verlassen und ihren Alltag stattdessen mittels ihres jeweiligen "Surrogate" zu bewältigen. Bei diesem handelt es sich um einen geistig und sensitiv komplett von zu Hause aus gelenkten Roboter, der als Avatar fungiert. Für die Menschen selbst besteht somit keinerlei Gefahr mehr durch äußere Einflüsse oder Faktoren und da sie nur noch als ihre künstliche Version auftreten, sehen sie permanent aus wie aus dem Ei gepellt. Auch der seit dem Tode seines kleinen Sohnes depressive Cop Tom Greer (Bruce Willis) hat einen 'Surrey', wie die Stellvertreter-Androiden liebevoll bezeichnet werden. Als er den Mord an Unternehmersohn Canter jr., der via seinen Surrey (James Francis Ginty) getötet wurde, aufklären muss, gerät er an die Anti-Surrogate-Bewegung der "Dreads" und ihren prophetischen Führer (Ving Rhames).

Was inhaltlich zunächst wie eine Story von Dick oder Asimov anmutet, basiert tatsächlich auf einer kleinen, noch jungen Comicserie, die die oberflächlich verlockende Idee, sich nurmehr in Form eines robusten, wunderhübschen Ersatzkörpers durch die Welt bewegen zu können, kultiviert. Die Schattenseiten einer solchen "Realität der versteckten Leiber" werden selbstverständlich ganz schnell offenbar. Die daheim in ihren abgedunkelten Räumen verschanzten, echten Menschen verlieren vollkommen den Bezug zur Außenwelt und werden zu kränklichen Schatten ihrer selbst. Als Tom Greer erstmals nach langer Zeit persönlich ans Tageslicht treten muss, weil sein Surrey zerstört wurde, wird er umgehend das Opfer böser Angstzustände. Dass er sich im Nachhinein zu einem gemäßigteren, unvorhergesehenen Agenten bzw. Handlanger des Oberbösewichts machen lässt und die komplette Menschheit zum cold turkey nötigt, wirkt angesichts seiner vorgelaufenen Charakterzeichnung zwar etwas abenteuerlich, steht dem in eine ähnliche Kerbe wie Proyas' "I Robot" schlagenden "Surrogates" jedoch summa summarum ganz gut zu Gesicht. Das größte Problem von Mostows Film dürfte sein, dass er viel zu kurz geraten ist. Die inhaltliche Prämisse hätte durchaus das Potenzial zu mehr Komplexität gehabt, die mutmaßlich zugunsten von Straffungsgründen fallen gelassen wird. Ansonsten bleibt der Film bis auf die sehr brauchbare Vorstellung Willis' eigenartig aseptisch. Der seltsam dumpfe Farbfilter wirkt leicht befremdlich, möchte aber nicht ausschließen, dass er bei späterer Betrachtung noch seine Geltung entfalten wird.

6/10

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Funxton

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