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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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OVERLORD (Stuart Cooper/UK 1975)


"He's dead. Fuck."

Overlord (Kennwort: Overlord) ~ UK 1975
Directed By: Stuart Cooper


England, 1944: Kurz vor der Invasion in der Normandie und dem anschließenden Vorstoß ins Landesinnere, die die Alliierten als "Operation Overlord" bezeichnen, wird der junge Tom Beddows (Brian Stirner) eingezogen. Bei der Armee erlebt er eine zermürbende Spezialausbildung, die ihn bis in die Selbstentfremdung treibt. Familie, Liebe, Persönlichkeit - nichts zählt mehr etwas. Am D-Day berühren seine Füße schließlich nicht einmal mehr den Sand der französischen Küste - noch im Landungsboot wird er abgeschossen.

Angelegt als Komposition aus authentischem Bildarchivmaterial und Spielfilmhandlung führt "Overlord" sein Regiment als formal atypischer Kriegsfilm. Die Demonstration der Erlebnisse eines jungen Soldaten, der sukzessive entpersonialisiert und zu einem anonymen Molekül globalen Kriegsgeschehens wird, sind indes nicht neu. "Overlord" folgt in groben Zügen den Vorbildern "All Quiet On The Western Front" und "Johnny Got His Gun", wobei diese sich allerdings noch mit dem Ersten Weltkrieg als großem Todbringer befassen. Besonders eindrucksvoll setzt Cooper in seinem Film derweil die Entwicklung des Krieges von zermürbenden Belagerungssituationen hin zu technisierten Attacken. Wenn bereits bei den unzähligen Manövern, an denen Tom teil hat, die Stacheldrahträumer ungelenk kullernden Monstren gleich über die Strände rollen, dann wird spätestens eindeutig, dass dieser Krieg nurmehr ein auf globaler operierendes, industrielles Werk ist und seine Beteiligte Fließbandarbeiter ohne Gefahrenzulage. Beeindruckend schön die hochgelobte Kameraarbeit von John Alcott, der ja bekannt dafür war, seinen Bildern ein authentisches Antlitz zu verleihen. Für "Overlord" beschaffte er sich unbelichtete Zeiss-Linsen aus den zwanziger Jahren und bewerkstelligte somit bildqualitativ fast nahtlose Übergänge zwischen den archivarischen Bombardierungsszenen und den kammerspielartigen Sequenzen um Tom und seine sukzessive Depersonalisation.

9/10

D-Day WWII Stuart Cooper


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TRIANGLE (Christopher Smith/UK, AU 2009)


"You're schizo!"

Triangle ~ UK/AU 2009
Directed By: Christopher Smith


Jess (Melissa George), überforderte Mutter eines kleinen autistischen Sohnes (Joshua McIvor), lässt sich von einem Bekannten (Michael Dorman) zu einem Segeltörn auf seiner Yacht 'Triangle' einladen, bei dem noch vier weitere Teilnehmer dabei sind. Während der anfangs sonnigen Fahrt gibt es eine urplötzliche Flaute, ein gewaltiges Unwetter zieht auf und die Triangle kentert. Eine der Mitfahrerinnen (Emma Lung) wird unbrettbar über Bord gespült. Nach einiger Zeit wird in der Ferne ein großer Oceanliner sichtbar, von dem man sich Rettung verspricht. Als die fünf Schiffbrüchigen diesen betreten, scheint er, mit Ausnahme einer im Hintergrund umherhuschenden Person menschenleer. Bloß warum hat Jess das untrügliche Gefühl, das alles schonmal erlebt zu haben?

Ein ganz nettes Verwirrspiel, das durchaus manche positive Aspekte in sich vereint, in mancherlei, vor allem logischer Hinsicht, aber auch sehr inkonsequent verfährt. Letzten Endes geht es darum, dass die bedauernswerte Jess in einer Zeitschleife gefangen ist, wie man sie aus "Groundhog Day" und "12:01" kennt. Allerdings ist unsere Protagonistin nur begrenzt, respektive zeitweilig in der Lage, ihre Situation zu durchschauen und aktiv zu beeinflussen, kann daher keinen Ausweg finden und bleibt somit hoffnungslose Gefangene ihres Zeittraumas. Möglicherweise ist sie auch selbst Autistin oder irgendwie andeweitig in psychische Mitleidenschaft gezogen und erlebt dieselben Ereignisse immer wieder bloß in ihrem Geiste. Entsprechende Hinweise darauf könnten aus dem narrativen Schema heraus gedeutet werden.
Dann allerdings werfen sich rasch ein paar evidente Fragen auf: Da Jess ein Opfer der Unendlichkeit geworden ist, dürften nicht mehr die physischen Relikte von vorherigen Ereignissen sichtbar sein (ein ausgesprochen dummer Fehler, den der Film auch noch mehrfach begeht); zudem sind die, zweifelsohne ausschließlich aus Gründen der Publikums-Irreführung eingeflochtenen Unregelmäßigkeiten in Jess' Verhalten, innerhalb des Realitätsgefüges des Films als kaum mehr denn blanker Blödsinn zu erachten. Smith verrennt sich selbst in seinem Bemühen, gleich mehrere verschiedene Jesses zur selben Zeit in Aktion treten zu zu lassen (was physikalisch betrachtet ohnehin als no go gilt) und lässt seinen ansonsten durchaus interessanten inhaltlichen Ansatz damit frontal vor die Wand rennen. Dass "Triangle" trotzdem recht spannend sowie von erlesener Form ist und seine mysteriöse Storyprämisse bis zu einem gewissen Gradmaß auch ordentlich ausfüllt, möchte ich allerdings nicht unerwähnt wissen. Sicherlich sehenswert für Freunde guter Unterhaltung, für ambitionierte Logiker oder Relativitätstheoretiker indes vermutlich eine veritable Tortur.

7/10

Zeitschleife Ozean Christopher Smith Seenot


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TATORT - GRENZGÄNGER (Ilse Hoffmann/BRD 1981)


"Gerade oder ungerade?"

Tatort - Grenzgänger ~ BRD 1981
Directed By: Ilse Hoffmann


Inspektor Hollai (Günther Maria Halmer), ein Kollege und Kumpel Schimanskis (Götz George), der drei Jahre lang als V-Mann im "Milieu" tätig war, kehrt, nachdem seine Tarnung aufgeflogen ist, in den aktiven Polizeidienst zurück. Dort scheint er sich, nach einem durchaus privilegierten Leben als Schein-Gangster jedoch nicht mehr recht einfinden zu wollen. Während Schimanski ihm aufgrund alter Sympathien dennoch traut, wittert Thanner (Eberhard Feik) bereits Lunte. Handelt es sich bei einem von Hollai entdeckten Plan für einen Geldtransporter-Überfall, den der unkoschere Spielwarenhändler Kessenich (Charles Brauer) durchzuführen gedenkt, bloß um ein geschicktes Ablenkungsmanöver?

Im zweiten "Schimmi"-Tatort wird neben einer Menge Schabau auch einiges an König Pilsener getrunken, was den Film schonmal grundsympathisch macht. Dazu kommt, dass man einiger pittoresker, um nicht zu sagen dreckig-stinkender Ecken von Duisburg ansichtig wird, die damals das Stadtbild prägten, darunter die noch unfusionierten Thyssen-Werke, die Rheinwiesen und ein paar richtig schöne Oppa-Kneipen. Wie könnte mir das missfallen, da ich daran doch teilweise jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit vorbeikomme. Darüberhinaus hat "Grenzgänger" mit Günther Maria Halmer einen überaus sympathischen Antagonisten für Schimmi zu bieten, der am Ende sogar kurz die Trümpfe in der Hand hält. Der Schluss bleibt dann zwar offen, ich denke jedoch, man kann in diesem Fall ausnahmsweise zugunsten des Angeklagten interpretieren. Ansonsten ist die angesichts heutiger Sehgewohnheiten schon akute Schnittarmut geradezu erfrischend. Und der mittlerweile ja weniger wohl gelittene Willi Thomczyk als kleiner Schmierloddel und Polizeispitzel ist auch noch dabei. Dass der mal so jung war, möchte man gar nicht glauben, aber spätestens sein unverwechselbarer Pott-Akzent verrät ihn. Innerhalb der einzelnen Aufzüge gibt es, zumindest, sofern sie Dialoge beinhalten, wenn überhaupt nur ganz wenige Close-Ups und Umschnitte, was das Können der Darsteller zwingend unterstreicht. Wie immer nur das Beste aus Ruhort - da sehe ich, großmütig wie ich so bin, sogar über den Westernhagen-Soundtrack hinweg.

8/10

TV-Film Schimanski Tatort Ruhrpott Ilse Hofmann


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SCHTONK! (Helmut Dietl/Deutschland 1993)


"Das ist aber dann jetzt wohl... ein Knüller."

Schtonk! ~ Deutschland 1993
Directed By: Helmut Dietl


Schon früh erkennt der Gauner und Hochstapler Fritz Knobel (Uwe Ochsenknecht), dass mit gefälschten Nazi-Memorabilia ein gutes Geschäft zu machen ist - so die Kundschaft sich bloß willfährig und dumm genug zeigt, auf die Pseudo-Authentizität der entsprechenden Objekte hereinzufallen. Zum 90. Geburtstag des "Führers", den einer von Knobels Klienten (Rolf Hoppe) aus der Altnazi-Kurve mit großem Pomp feiert, ergibt sich eine schicksalhafte Begegnung mit dem schmierigen, abgebrannten Journalisten Hermann Willié (Götz George). Jener hat gerade Görings schrottreife Yacht gekauft, sich mit der Nichte (Christiane Hörbiger) des Reichmarschalls verbendelt und wird trotzdem bloß verspottet. Als Knobel ihm die halbseidene Fälschung eines Hitler-Tagebuchs als authentisches Stück verkauft, beißen Willié und sogar sein Chef (Ulrich Mühe) an. Knobel verdient Millionen mit seinem großangelegten Betrug und ganz Deutschland ist plötzlich im Führer-Fieber...

So grandiose wie böse Satire von Dietl, dessen arroganten Kaffeehaus-Chauvinismus ich ansonsten eher gering schätze. Mit dieser absolut treffsicheren Komödie (und eigentlich auch mit deren ebenfalls todwitzigem Nachfolger "Rossini") hat er sich jedoch auf Lebenszeit das Renommee eines Könners erarbeitet. Als in den frühen Neunzigern die Anschläge in Hoyerswerda, Hünxe und Solingen wie ein aufgewärmtes Schreckgespenst durch die Medien geisterten, machte Dietl Nägel mit Köpfen, knöpfte sich den zehn Jahre zuvor grassierenden Skandal um den vom "Stern" großkotzig anmoderierten Erwerb der Hitler-Tagebücher vor und setzte diesen in herrlich detaillierter Form für "Schtonk!" in Szene. Fast sämtliche im Film vorkommenden Fakten, darunter die liderlich verwendeten Tagebuch-Initialen "F.H.", die die HH-Presse (deren fiktives Logo dem des "Stern" nachempfunden ist) kurzerhand und höchst sinnstiftend als Abkürzung für "Führer Hauptquartier" interpretiert, kommen hier vor. Damit nicht genug, verballhornt Dietl die deutsche Gesellschaft gnadenlos als ein Kollektiv armseliger Tröpfe, die nach schimmlig Obsoletem wie eben den Führer-Tagebüchern lechzen und unmittelbar in eine dumpfe Form der Nazi-Nostalgie verfallen - als wären ausgerechnet die Tagebücher dieses Mannes etwas derart Sensationelles. Für den Film (nicht jedoch für die bis heute unverändert hundsmiserable DVD) indes gilt genau dieses Attribut. Eine leuchtende Perle des deutschen Kinos.

10/10

Historie Groteske Satire Nationalsozialismus Helmut Dietl Journalismus


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THE LAST OUTLAW (Geoff Murphy/USA 1993)


"You can be first, you can be last. Your choice."

The Last Outlaw ~ USA 1993
Directed By: Geoff Murphy


Der ehemalige Konföderiertenoffizier Graff (Mickey Rourke) marodiert mit seinen Kameraden im Westen herum und hält sich durch gewalttätige Banküberfälle über Wasser. Als er auf der Flucht ein Mitglied (Daniel Quinn) seiner Bande wegen einer Schussverletzung zurücklassen und ihm den Gnadenschuss verabreichen will, meutert Graffs rechte Hand Eustis (Dermot Mulroney), erschießt seinerseits Graff und reitet mit den übrigen Gesellen (Steve Buscemi, Keith David, John C. McGinley, Ted Levine) weiter. Graff jedoch hat den Anschlag ohne größere Blessuren überlebt. Rachsüchtig schließt er sich seinen vormaligen Häschern an, übernimmt die Führung derselben und tötet einen der Verräter nach dem anderen, bis ihm nur noch Eustis gegenübersteht.

Passabler, von HBO produzierter TV-Western, der sich zwar stark an Peckinpahs "The Wild Bunch" orientiert, trotzdem aber immer noch gut genug für einen Kinoeinsatz gewesen wäre. Murphy bemüht einen Naturalismus, wie man ihn im Genre seit Medfords "The Hunting Party" nicht mehr gesehen hat - auch hier spielt ein Präzisionsgewehr eine ausschlaggebende Rolle, und Graffs kurzläufige Schrotflinte respektive deren Effektivität sind auch nicht zu verachten. Kurz gesagt: "The Last Outlaw" klotzt in punkto blutiger shoot-outs mehr als ordentlich, was letztlich und streitbarerweise wohl gleichfalls sein hervorstechendstes Merkmal darstellt. Die gute Besetzung rechtfertigt das innovationsferne Szenario kaum und Mickey Rourke, der um diese Zeit gerade anfing, sich kläglich von seinem Eighties-Image als neuer Brando zu verabschieden, wirkt in der Hauptrolle mit lächerlich gestutztem Bärtchen und gezupften Augenbrauen doch arg geckenhaft. Dennoch - Genrefreunde dürften sich in der Mehrzahl an "The Last Outlaw" erfreuen, zumal die Gattungsbeiträge ja bekanntermaßen in den letzten zwei Jahrzehnten verhältnismäßig rar gesät sind.

6/10

TV-Film Rache Geoff Murphy Eric Red


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BULLITT (Peter Yates/USA 1968)


"Frank, we must all compromise." - "Bullshit."

Bullitt ~ USA 1968
Directed By: Peter Yates


Lt. Frank Bullitt (Steve McQueen) vom San Francisco Police Department erhält von dem profilierungssüchtigen Senator Chalmers (Robert Vaughn) persönlich den Auftrag, einen immens wichtigen Kronzeugen namens Johnny Ross (Pat Renella) zu beschützen, der in Kürze in einem publicityträchtigen Prozess gegen die Mafia aussagen soll. Ross wird ermordet, Bullitts Partner (Carl Reindel) schwer verletzt. Das Seltsame ist nur, dass Ross seinen Mördern offenbar selbst die Hotelzimmertür geöffnet hat. Während Chalmers vor Wut schäumt, findet Bullitt heraus, dass der echte Ross mitnichten tot ist und stattdessen einen allzu vertrauensseligen Strohmann (Felice Orlandi) geopfert hat.

Archetypisch komponierter Polizeifilm, ohne den so ziemlich alles, was sich bis heute im Genre tummelt, undenkbar wäre. Von der Charakterisierung der Titelfigur, eines höchst ehrgeizigen, wortkargen und verbissenen Berufsfanatikers, dessen Berufsethos sich jedoch zumindest noch vor der Wohnungstür abstellen lässt - ein Persönlichkeitszug nebenbei, den selbst direkte Epigonen wie Popeye Doyle und Harry Calahan schon nicht mehr auzfweisen können -, über die Demonstration eines repressiven, leistungsorientierten Obrigkeitssystems bis hin zu den hier noch vergleichsweise spartanisch eingesetzten Actionsequenzen (auf ganze drei entsprechende Szenen bringt es der Film, wobei deren Herzstück, die kunstvoll gefilmte Verfolgungsjagd, pursten Kinoklassizismus darstellt) sollten beinahe sämtliche Elemente aus "Bullitt" in den künftigen Jahren immer wieder auftauchen. Eine solche Entwicklung markiert ja stets ein Zeichen für einen ikonografischen Film und damit zugleich meist ein sich niemals abnutzendes Sahnestück der Leinwandistorie. Und ein solches ist "Bullitt", ganz ohne Zweifel.

10/10

Peter Yates car chase San Francisco


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THE 13TH WARRIOR (John McTiernan, Michael Crichton/USA 1999)


"I cannot lift this."

The 13th Warrior (Der 13te Krieger) ~ USA 1999
Directed By: John McTiernan/Michael Crichton


Im 10. Jahrhundert stößt der inoffiziell verbannte arabische Gelehrte Ahmed (Antonio Banderas) im nördlichen eurasischen Grenzgebiet auf eine Gruppe Wikinger. Zusammen mit zwölf weiteren, von den rauen Nordmännern gestellten Kriegern muss Ahmed daraufhin nach Nordwesten ziehen, um ein Dorf von einer kaum fassbaren Bedrohung zu befreien - angeblich werden die dort lebenden Menschen allenthalben von Dämonen heimgesucht. Dort angekommen und mittlerweile der Sprache der Wikinger mächtig, stellt Ahmed fest, dass es sich bei den Gegnern mitnichten um übersinnliche Kreaturen handelt, dafür aber um eine atavistisch vor sich hin troglodytierende Gruppe Kannibalen. Zusammen mit seinen neuen Gefährten nimmt er den Kampf gegen die fiesen Unholde auf.

Wie der kürzlich von mir gesehene "Supernova" repräsentiert auch "The 13th Warrior" eines der maßgeblichen Beispiele für die unselige Praxis, Filme nach ein paar test screenings grundlegend zu modifizieren und die eigentliche Vision des Regisseurs so mit Füßen zu treten. John McTiernans Version wurde von Michael Crichton, dem Autor der Romanvorlage, um gute 25 Minuten erleichtert, umgeschnitten und von den Studioverantwortlichen mit einem neuen (immerhin als sehr gelungen zu bezeichnenden) Score von Jerry Goldsmith ausgestattet, der sozusagen den Erstarrangeur Graeme Revell ablöste.
In der heute sichtbaren Fassung ist "The 13th Warrior" nurmehr ein Film, der merklich seines ursprünglichen Rhythmus' entledigt wurde, notdürftig zusammengestoppelt und uneben, an vielen Stellen tatsächlich allzu verkürzt und abgehackt wirkt und letzten Endes kaum mehr den aus seinen stattlichen Bildern ersichtlichen Aufwand rechtfertigt. Ein kaum mehr einzuordnendes, geschweige denn wertbares Trauerspiel, wo offensichtlich ein majestätisches stehen könnte. Dass McTiernan sich heute weitgehend vom Regiegeschäft zurückgezogen hat, ist angesichts solch hinterhältiger Vergewaltigungstaktiken kein Wunder. Bleibt wie stets in solchen Fällen zu hoffen, dass die Rechteinhaber eines Tages ein Einsehen haben und die Originalfassung zumindest für die Pantoffelkinos freigeben.

5/10

Wikinger Michael Crichton John McTiernan Kannibalismus Historie Mittelalter


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HELL IN THE PACIFIC (John Boorman/USA 1968)


"My log!"

Hell In The Pacific (Die Hölle sind wir) ~ USA 1968
Directed By: John Boorman


In den späteren Tagen des Zweiten Weltkriegs rettet sich ein abgeschossener USAF-Pilot (Lee Marvin) mit Mühe und Not auf ein kleines Pazifikeiland. Dieses wurde jedoch bereits von einem ebenfalls dort gestrandeten japanischen Offizier (Toshiro Mifune) in Beschlag genommen. Anfangs kommt es zu erbitterten Grabenkämpfen und gegenseitigen Erniedrigungen, doch je mehr die beiden situativ bedingten Todfeinde sich von der Zivilisiertheit entfernen, desto mehr vergessen sie ihre Rivalität. Als es ihnen schließlich gelingt, von der Insel zu entkommen und nach harter Kreuzfahrt auf eine größere, bevölkerte Insel zu gelangen, erweist sich ihre vorhergehende Annäherung als befristet.

"Merry Christmas Mr. Lawrence", in dem es ebenfalls (wenn auch um einiges differenzierter aufgearbeitet) um den unfassbaren Widerspruch zwischen der Mentalitätsspanne auf der einen und der Sympathieoption zwischen den Kriegsgegnern Japan und Abendland auf der anderen Seite geht, erinnerte mich an dieses knackige, eine finstere Situationskomik nicht scheuende Zwei-Personen-Kammerspiel von Boorman. Von Toshiro Mifune ist mir leider noch nicht ganz so viel bekannt, aber da ich mir sicher bin, Lee Marvin selten in einer besseren Performance gesehen zu haben, fühle ich mich geneigt, das Spiel des ebenfalls großartigen Mifune ganz in der Nähe einzuordnen. Unabhängig von dem brillanten Spiel der beiden bedaure ich, zusätzlich mit "Point Blank" im Hinterkopf, dass vom Duo Boorman/Marvin nicht mehr kam. Es scheint, als spornten sich beide gegenseitig zu intensivsten Leistungen an. Boorman entdeckt Natur und Grün für sich und erklärt die einsame Insel zum eigentlichen Gegner, angesichts dessen wesentlicher Feindseligkeit der politische Konflikt der beiden Antagonisten lächerlich unbedeutend scheint. Ein brillanter Vorgriff auf die Motivlage von "Deliverance".

9/10

Parabel WWII Pazifikkrieg John Boorman Groteske


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CHATO'S LAND (Michael Winner/USA 1972)


"Hell, it was a good war."

Chato's Land ~ USA 1972
Directed By: Michael Winner


Der Mestize Chato (Charles Bronson) erschießt in Notwehr einen großmäuligen Kleinstadtsheriff (Rudy Ugland) in New Mexico. Für die aufgebrachten Bürger der Stadt, allen voran den vor sich hin vegetierenden Kriegsveteranen Whitmore (Jack Palance), eine willkommene Gelegenheit für eine zutiefst rassistisch motivierte Menschenjagd. Zwar ist Chato der schlussendlich dreizehn Männer umfassenden Gruppe im offenen Gelände haushoch überlegen, doch die Häscher entdecken die Hütte des Halbbluts, vergewaltigen seine Frau (Sonia Ragan) und lynchen einen Stammesbruder (Luis Amarilla). Chato übt grausame Rache an seinen Verfolgern.

Die unglaubliche Ökonomie und Kargheit, mit der Winner seinen unerbittlichen Rachewestern inszeniert, ringt mir jedes Mal, da ich ihn wiedersehe, aufs Neue ein offenmündiges Staunen ab. Noch mehr als im ganz ähnlich motivierten, zwei Jahre später entstandenen Vigilantendrama "Death Wish" untersucht "Chato's Land" die Abgründe menschlicher Charakterzüge im Angesicht extremer Situationen und legt eine Figurenpalette vor, die fast ausschließlich hassens- oder bemitleidenswerte Männer umfasst. Bis auf zwei Jäger, die das große Glück haben, gleich zu Beginn wegen ihrer Unfähigkeit wieder nach Hause gehen zu können, werden sämtliche von Chatos selbst ernannten, anfänglich vor Arroganz und Überheblichkeit nur so strotzenden Jägern entweder von ihrem beinahe mystifiziert gezeichneten Antagonisten erledigt oder bringen sich gegenseitig um. Eigentlich geht es dabei weniger um den wie oben bereits angemerkt metahuman dargestellten Chato, sondern um den von einem großartigen Jack Palance gespielten, traurigen und ausgehöhlten Bürgerkriegsveteranen Captain Quincey. Erwartet man zunächst, dass er der Kapitän Ahab der Gruppe ist, wendet sich das Blatt bald - die historische Zeit für noch fanatischere Aktionisten bricht an. Besonders faszinierend erscheint mir in diesem Zusammenhang der Einsatz von Richard Basehart, der in John Hustons bravouröser "Moby Dick" - Adaption den Ich-Erzähler Ishmael spielte. Sein Part als treuer, letztlich harmloser Beobachter Nye Buell versteht sich praktisch als eine Analogie zu Melvilles Ich-Erzähler, wie die gesamte Fabel um "Chato's Land" mehr als viel von Melville besitzt - ein Film, einem dämonisch-bedrohlichen Donnergrollen gleich.

9/10

Michael Winner Rache Menschenjagd


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MERRY CHRISTMAS MR. LAWRENCE (Nagisa Ôshima/UK, J 1983)


"Today, I am Father Christmas."

Merry Christmas Mr. Lawrence ~ UK/J 1983
Directed By: Nagisa Ôshima


Java, 1942. Captain Yunoi (Ryûichi Sakamoto), ein pathologisch-gradliniger Perfektionist, befehligt ein japanisches Lager für aliierte Gefangene. Yunoi und sein oberster Sergeant Hara (Takeshi Kitano) halten die weißen Gefangenen für Schwächlinge, weil sie, anstatt rituellen Selbstmord zu begehen, ihre Gefangenschaft erdulden. Seine Mentalitäts- und Kraftduelle mit dem japanophilen britischen Offizier Lawrence (Tom Conti) gehen zumeist glimpflich aus, weil Lawrence in beiden Geisteswelten, der europäischen und der ostasiatischen, heimisch ist und Yunois Wesen somit zu nehmen weiß. Als dann jedoch der verurteilte Partisanenausbilder Cellier (David Bowie) ins Lager kommt, ist Yunoi mit seiner Weisheit am Ende. Cellier ist ein Musterbeispiel an Aufsässigkeit, Sturheit und Willenskraft, aber ebenso auch an Vernunft und Integrität - dass er dabei gleichfalls "nur" ein barbarischer Abendländer und Feind ist, kann Yunoi nicht verkraften.

Weniger ein Kriegsfilm denn eine Parabel über den gewaltsamen Aufprall zweier sich grundlegend unterscheidender Geisteshaltungen. Für die sittlich extrem gestrafften japanischen Soldaten sind Beugsamkeit und Gefangennahme schlimmer als Tod und Verdammnis, die vornehmlich britischen Soldaten interessiert vielmehr ein voller Magen und die verbleibende Zeitspanne bis zu ihrer Befreiung. Was die eine Front als völlig irrational empfindet, ist für die andere existenziell - durch die situationsgegebene Feindschaft vergrößern sich die Kommunikationsstörungen indes noch. Ausgerechnet der ohnehin stets seltsam ätherisch wirkende Bowie (dessen Rolleninitialen als Jack Cellier nicht von ungefähr die Christi sind) tritt schließlich als opferungswilliger Heiland auf, der eine Massenhinrichtung in letzter Sekunde verhindert, indem er die unfassbarste, aber einzig probate Reaktion gegenüber Yunois homoerotisch gefärbter Hassfaszination ihm gegenüber demonstriert. Ein wunderbarer Moment, einer der stärksten im Kino der achtziger Jahre. Was übrigens für den gesamten Film gilt. "Merry Christmas Mr. Lawrence" zeigt sich als meditative Abhandlung über die wesentliche Unmöglichkeit, würdevoll gegeneinander kämpfen zu können, wenn man noch nichtmal die Beweggründe seines Rivalen zu begreifen in der Lage ist. Ein sehr differenter, nichtsdestotrotz überaus kluger Ansatz für einen Film dieses Sujets.

9/10

WWII Nagisa Ôshima POW Pazifikkrieg





Filmtagebuch von...

Funxton

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