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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE AGE OF INNOCENCE (Martin Scorsese/USA 1993)


"I gave up arguing with young people 50 years ago."

The Age Of Innocence (Die Zeit der Unschuld) ~ USA 1993
Directed by: Martin Scorsese


New York, 1870: Newland Archer (Daniel Day-Lewis), aufstrebender Jungjurist und Mitglied von Manhattans feiner Gesellschaft, soll in Bälde die ebenso reizende wie oberflächliche May Welland (Winona Ryder) ehelichen. Als Mays Cousine Ellen Olenska (Michelle Pfeiffer), die in Europa einen polnischen Adligen geheiratet hat, frustriert von ihrer einem Kerker gleichenden Ehe in die Staaten zurückkehrt, verliebt sich Newland Hals über Kopf in sie. Die Emanzipiertheit und sittliche Reife Ellens ziehen ihn unweigerlich in ihren Bann. Um ihr und sich jedoch einen untragbaren Skandal zu ersparen, begeht er sein weiteres Leben planungsgemäß.

Den ungewöhnlichen Beweis dafür, dass kineastische Sittengemälde respektive Kostümfilme nicht ausschließlich auf europäischem Boden gedeihen müssen, trat Scorsese mit dieser Wharton-Adaption an, die ihm wohl vor allem deshalb sehr zupass kam, weil sie eben ausnahmsweise einmal nicht in einer englischen Grafschaft oder in der Provinz um Paris angesiedelt ist. Mit dem Schauplatz New York verbindet man diese Art Rührstück unwillkürlich wohl kaum, zumindest mir geht es so. Dass die vordergründig unkonventionelle Mixtur am Ende dennoch ihren großzügigen Geschmack entfalten kann, verdankt sie mehreren entscheidenden Faktoren. Da wären zunächst die an Pracht und Authentizität nicht zu überbietenden Interieurs und Originalrequisiten zu nennen, die jede einzelne von Michael Ballhaus' breiten Einstellungen zu einer veritablen Augenweide gedeihen lassen, die wahrhaft anbetungswürdigen Darsteller, welche dem kritisch beäugten Sozialabriss zusätzliche Plastizität abringen und unter denen sich neben den Genannten noch bravouröse Zunftvertreter wie Michael Gough, Miriam Margolyes oder Jonathan Pryce einfinden, sowie ganz besonders die mittels ihres lyrischen, warmen Tonfalls gefangennehmenden Voice-Over-Erzählstimme von Joanne Woodward.
Zusammengefasst erhält man das, was es eigentlich gar nicht gibt - einen Anti-Scorsese, der zwar gescheiterte Lebensentwürfe und Enttäuschungen von biographischer Tragweite thematisiert, jedoch bestenfalls im stillen Kämmerlein schockiert und jedem Stolperstein grellen Naturalismus' großzügig ausweicht.
Film als edel verziertes, bequemes Brokatkissen.

8/10

Martin Scorsese period piece New York Fin de Siècle Sittengemaelde Historie


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CAPE FEAR (Martin Scorsese/USA 1991)


"You'll learn about loss."

Cape Fear (Kap der Angst) ~ USA 1991
Directed By: Martin Scorsese


Der mit Frau Leigh (Jessica Lange) und Tochter Danielle (Juliette Lewis) im beschaulichen Städtchen New Essex, Georgia lebende Anwalt Sam Bowden (Nick Nolte) findet sich auf buchstäblich schmerzhafte Weise mit den Sünden seiner Vergangenheit konfrontiert, als sein früherer Mandant Max Cady (Robert De Niro) nach vierzehnjähriger Haft aus dem Gefängnis entlassen wird. Bowden hatte seinerzeit wesentliche, die Glaubwürdigkeit von Cadys Opfer schmälernde Indizien unterschlagen, die den wegen Vergewaltigung Angeklagten hätten retten können. Cady weiß um Bowdens eigenmächtige Praxis und schwört grausame Rache an ihm und seiner Familie. Anfängliche, die Funktionalität der Familie unterminierende psychologische Attacken werden mehr und mehr zu blutiger Gewalt.

Als großer Kinofan und Cineast schätzt Scorsese J. Lee Thompsons großartigen "Cape Fear" und hatte daher auch weniger ein Remake als eine Reminiszenz im Sinn. Unter Verwendung der Originalpartituren von Bernard Herrmanns Musik und dem Einsatz alteingesessener versierter Profis wie etwa dem dp Freddie Francis, mit dem zusammen Scorsese das anamorphotische Breitbildformat (welches ihn bei der Arbeit am Spielfilm seither nicht mehr losgelassen hat) für sich entdeckt und eine absolut unvergessliche Bildsprache mitsamt einiger göttlicher Einstellungen kreiert, oder den drei Hauptdarstellern des Urfilms in Gastauftritten, geht diese Absicht wunderbar auf. Zwar differerieren manche der inhaltlichen Ansätze durchaus grundlegend - Bowdens Rolle etwa wird in der Neuverfilmung nachhaltig herabgewürdigt und entheroisiert, während Cady, der in der Gestalt Robert Mitchums noch süffisant und kühlen Kopfes zu Werke ging, hier eher zu einer Art höllischem Rachedämon stilisiert wird. Der Film traut sich sogar ein gehöriges Maß Brisanz zu, die besonders in jenen Szenen, in denen sich Cady heimlich die fünfzehnjährige, pubertierende Danielle gefügig macht, zur Geltung kommt. Leider werden diese Ansätze zugunsten des überaus konventionellen Finales allesamt wiederaufgegeben. Etwas mehr Konsequenz wäre hier das Tüpfelchen auf dem I gewesen.

9/10

Freddie Francis Suedstaaten Remake Martin Scorsese


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THE LAST TEMPTATION OF CHRIST (Martin Scorsese/USA 1988)


"It is accomplished!"

The Last Temptation Of Christ (Die letzte Versuchung Christi) ~ USA 1988
Directed By: Martin Scorsese


Jesus von Nazareth (Willem Dafoe) weiß tief in seinem Inneren längst, dass er Gottes Botschafter auf Erden ist, er zweifelt jedoch und wehrt sich mit aller Macht gegen seinen himmlischen Auftrag. Als er schließlich doch seinen Weg gemacht hat und von Pilatus gekreuzigt auf den Tod wartet, sucht Satan ihn ein letztes Mal zu verführen, indem er ihm die Erfüllung seines sehnlichsten Wunschtraums verheißt: Eine Existenz als einfacher Zimmermann mit Familie.

Scorsese und Paul Schrader, von dem abermals das Script zu diesem von langer Hand geplanten und bereits verloren geglaubten Wunschprojekt des Regisseurs stammt, gelten beide stets als hochmotiviert, wenn es um katechistische Diskurse und Fragen geht - umso naheliegender ihr Engagement bezüglich der Adaption von Kazantzakis' Roman. Der hier vorgestellte Christus ist weit entfernt von seinen bislang im Film geführten, bald ätherischen Interpretationen durch Hunter oder von Sydow; ein großer Zweifler ist er, durch und durch menschlich, voller Fehler und Ängste. Die Dualität zwischen dem Botschafter von Gottes Gnaden und dabei nach wie vor irdischen Wesen interessiere ihn, verkündete Kazantzakis. Sein Jesus droht sich in der höchst irdischen Liebe zu einer Frau (Barbara Hershey) zu verlieren, baut Holzkreuze für die römischen Besatzer, um Gott gegen sich aufzubringen, schreit seinen inneren und äußeren Schmerz ungeniert hinaus in die Welt und ist auch sonst höchst gefährdet, in seiner Mission zu scheitern. Dass er am Ende doch noch über all diese seine Schwächen triumphiert, macht ihn selbstverständlich umso göttlicher und achtenswerter. Entsprechend kurzsichtig, blamabel und überflüssig die zahlreichen Proteste diverser Erzkleriker, die einen Kinoeinsatz des Films seinerzeit zu verhindern suchten.
Der Stein des Anstoßes ist erwartungsgemäß sehenswert und neben Rays ganz schönem "King Of Kings" wohl immer noch der einzige mir geläufige, respektable Versuch einer filmischen Christus-Biographie. Wohltuend gewürzt mit ein wenig mutigem Eklektizismus (der Score etwa stammt von Peter Gabriel und ist zeitweise starg popbeeinflusst) und natürlich getragen von phantastischen Schauspielern ist mir dieser Ansatz jedenfalls hundertmal lieber als ein solch grausig-zermürbender wie im Falle "The Greatest Story Ever Told".

8/10

period piece Biopic Jesus Christus Paul Schrader Historie Bibel Martin Scorsese Skandalfilm


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AFTER HOURS (Martin Scorsese/USA 1985)


"I don't know what came over me." - "Lack of discipline." - "Possibly."

After Hours ~ USA 1985
Directed By: Martin Scorsese


Der mit seinem Leben unzufriedene New Yorker Programmierer Paul Hacket (Griffin Dunne) lernt nach einem gewöhnlichen Arbeitstag in einem Diner die attraktive Marcy (Rosanna Arquette) kennen, erhält von ihr die Nummer ihres WG-Apartements in Uptown Manhattan (das sie mit ihrer Künstlerfreundin Kiki (Linda Fiorentino) bewohnt) und ruft nur kurze Zeit später bei ihr an, um möglichst noch in derselben Stunde ein Rendezvous zu bekommen. Eine folgenschwere Entscheidung, denn Soho erweist sich als bizarrer Hort verrückt gewordener Nachteulen, die keinen Spaß verstehen.

Best to be seen by double mit dem im selben Jahr erschienen "Into The Night", einem meiner Lieblingsfilme nebenbei. Zwei in ihrer ganz individuellen Weise recht eigenwillige Insomnie-Komödien, wobei der sich für "After Hours" erstmals bei Michael Ballhaus' Brillanz als dp bedienende Scorsese sich noch weniger als sein Kollege John Landis um Oberflächen und Narrativik schert und stattdessen ein reines Panoptikum des Irrsinns aufbietet, das bei aller Absurdität und grotesken Komik tieftraurig ist und nicht zuletzt Scorseses eigene Seelenlage widerspiegelt, nachdem sein erster Versuch, die Kazantzakis-Verfilmung "The Last Temptation Of Christ" zu stemmen, brutal gescheitert war. Griffin Dunne, der das Projekt mehr oder weniger eingestielt hatte, gibt an, sich zwischenzeitlich auch um Tim Burton als Regisseur bemüht zu haben, was vermutlich ebenfalls nicht die schlechteste Wahl gewesen wäre, zumindest in Relation zu dem abgründigen Humor des Stücks. Das, was Paul Hacket hier des Nachts in den Bohème-Kreisen Manhattans passiert, wirkt im Gegensatz zu Ed Okins L.A.-Erlebnissen zumindest halbwegs geerdet; erscheint deswegen aber auch um einiges weniger märchenhaft. Eine gerüttelt Maß Kafka steckt hierin; der von anonymen Antagonisten verfolgte Unschuldige, der in die unaufhaltsamen Zahnräder der Verfolgung gerät. Dabei träumt Paul durchaus von der Freiheit, immerhin liest er Henry Miller - für einen EDV-Experten sicherlich keine eben typische Lektüre. Doch schon das Öffnen und Schließen der Pforten seiner Firma weist wesentlich mehr Elemente von Orwell und Bradbury auf. Paul ist nur ein Atom innerhalb des allumfassenden, repressiven Gefüges, umso verlorener sein Strampeln.
Einer der interessantesten, wenn auch sperrigsten und weniger zugänglichen Filme des Regisseurs.

9/10

Bohème Insomnie Martin Scorsese Subkultur Nacht New York


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THE KING OF COMEDY (Martin Scorsese/USA 1982)


"I figure it this way: Better to be king for a night than schmuck for a lifetime."

The King Of Comedy ~ USA 1982
Directed By: Martin Scorsese


Der kleine New Yorker Laufbursche Rupert Pupkin (Robert De Niro) träumt von einer Fernseh-Karriere als Stand-Up-Comedien und glaubt, in der Late-Night-Show des erfolgreichen Talkers Jerry Langford (Jerry Lewis) ein ideales Sprungbrett für seine Zwecke gefunden zu haben. Das Problem liegt bloß darin, dass sich Langford nicht die Bohne für Pupkin interessiert und jeden seiner Annäherungsversuche zunehmend schroff zurückweist. Mithilfe der Stalkerin Masha (Sandra Bernhard) kidnappt Pupkin schließlich Jerry Langford und erpresst damit einen Auftritt in dessen Sendung.

In Rupert Pupkin findet sich ein naher Verwandter von Travis Bickle mit ganz ähnlichen biographischen Zügen: Eine tickende Zeitbombe, unter desolater Einsamkeit leidend, die ihr zunächst unscharf umrissenes Ziel mit allem erforderlichen, bisweilen beängstigendem Nachdruck verfolgen wird. Dabei gibt sich der Film keinesfalls damit zufrieden, Pupkin als den Schizo von vorderster Front zu denunzieren: Seine für ihn unmöglich zu überbrückende Chancenlosigkeit und die damit gekoppelte Gewissheit, als optionaler Kneipenkomödiant zu einem Leben am Boden verurteilt zu sein, verleihen seinen Anstrengungen erst die erforderliche Chuzpe. Das älteste amerikanische Pioniersideal unbarmherziger Willenskraft - wie bereits in "Taxi Driver" in einen pathologisch gefärbten Gegenentwurf pervertiert. Dass Pupkins Idol Jerry Langford bei aller berechtigten Furcht vor der Aufdringlichkeit der Massen jede Bodenhaftung verloren hat, präsentiert Scorsese als streitbare Diskussionsgrundlage. Steht einem Karrieristen, so er nur lang genug dafür schuftet, nicht auch das Grundrecht zu, sich arrogant zu geben? Ganz unabhängig von Langfords Bemühungen, die Stacheln der Unnahbarkeit zu präsentieren, wird Rupert Pupkin wie weiland Travis Bickle erst zum bizarren Helden der Massen, nachdem er den Sprung ins kalte Wasser der Gesetzlosigkeit gewagt hat. Bei Scorsese heißt es: crime pays - zumindest, solange es nicht organisiert ist.

9/10

Fernsehen New York Martin Scorsese Satire


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RAGING BULL (Martin Scorsese/USA 1980)


"You didn't get me down, Ray."

Raging Bull (Wie ein wilder Stier) ~ USA 1980
Directed By: Martin Scorsese


Aufstieg und Fall des aus der Bronx stammenden Mittelgewichtsboxers Jake La Motta (Robert De Niro), seine Heirat mit der wesentlich jüngeren Vickie (Cathy Moriarty), seine krankhaft-paranoide Eifersucht, die irgendwann zum Bruch mit seinem Bruder Joey (Joe Pesci) führt, schließlich die zweite Karriere als Entertainer in Nachtclubs.

Scorseses Porträt eines pathologisch gewalttätigen Menschen bezieht seine ungeheure Intensität aus dem Gespür des Regisseurs für explosive Situationen. Kaum eine Dialogsequenz, die nicht mit Streit, Hieben oder Tränen endet, kaum ein Konflikt, der ein zufriedenstellendes Ende fände. "Raging Bull" als Boxfilm zu bezeichnen, käme indes einer Majestätsbeleidigung gleich; in dieses Sparte wird er zuweilen höchstens gedrängt, weil die Hauptfigur rein zufällig eben Boxer ist. Tatsächlich geht es wie bereits in früheren Filmen Scorseses um die Unfähigkeit des italienischstämmigen Amerikaners in zweiter oder dritter Generation, sein rückständiges Rollenverständnis aufgeben zu können und zugleich die ewuge Unsitte, selbst eine hoffnungslos tradierte Machismo-Oberfläche zu pflegen. Diese Charakterzüge repräsentiert keineswegs nur Jake, auch sein jüngerer Bruder Joey, mehr aus Gründen der Blutverwandtschaft Jakes Berater und Manager, vertritt ein derartiges Image. Scorsese, der sich hier vielleicht auf dem Höhepunkt seiner inszenatorischen Innovation befindet, kultiviert darüberhinaus diverse der aus seinen späteren Gangsterfilmen bekannten Elemente: Urplötzliche Gewalteruptionen nach sich langsam hochschaukelnden Stresssituationen etwa oder ganz schlicht ein cholerischer Joe Pesci, dem es im Moment der blinden Rage gleichgültig ist, ob er sein Gegenüber (der wie auch später stets unselige Frank Vincent) zu Tode prügelt.
Exquisit und einmalig derweil Michael Chapmans schwarzweiße Kamera, die die mit edelste (stil-)bewusste Farbentledigung beinhaltet, die mir im Film bekannt ist.

10/10

Mafia Martin Scorsese Miami Paul Schrader New York Ethnics Biopic Boxen


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PICASSO TRIGGER (Andy Sidaris/USA 1988)


"Give 'em a lei - blow 'em away."

Picasso Trigger (Hawaii Connection) ~ USA 1988
Directed By: Andy Sidaris


Nur kurz nachdem der Supergangster Alejandro Salazar (John Aprea), genannt 'Picasso Trigger', in Paris von einem unbekannten Attentäter ermordet wurde, beginnt sein früherer Konkurrent Ortiz (Rodrigo Obregón) einen zuvor angekündigten Rachefeldzug gegen alle, die am Tode von Ortiz' Bruder Schuld haben, darunter vornehmlich Regierungsangestellte. Darauf wird bald der schmucke Superagent Travis Abilene (Steve Bond) aufmerksam, der daraufhin seine vornehmlich aus drallen Playmates bestehende Elitetruppe zusammentrommelt und sich Ortiz und seine Baggage vorknöpft. Dabei hat Abilene die ganze Zeit eine dunkle Ahnung: Ist Picasso Trigger wirklich tot?

Sidaris mochte es groß: Die Handfeuerwaffen seiner muskulösen Darsteller mussten ebenso volumninös sein wie die Brustumfänge der jeweils im Gros eingesetzten Protagonistinnen. Sidaris' locations waren ausnahmslos exotische Sonnenareale, in denen - wenn überhaupt - Hawaii-Hemden getragen wurden, seine sonstigen Utensilien schicke Sportwagen und schnelle Boote, große Explosionen und gewaltsame Morde, verübt von hämisch grinsenden Attentätern, die auch noch zumeist als Zuschauersympathisanten fungierten. Der Mann kultivierte seinen betont maskulinen, etwas hölzern anmutenden Geschmack regelmäßig mit diebischer Freude, was dazu führt, dass seine Filme sich allesamt frappierend ähneln und fast wie Episoden einer TV-Serie mit wechselnden Hauptdarstellern und Figuren wirken. Dabei legte Sidaris offenkundig großen Wert darauf, dass seine Arbeiten eben nicht nach Fernsehen, sondern stets nach professionellem Kino aussahen; er drehte nach eigenem, stolzen Bekunden nur auf 35mm, setzte wenn möglich keine Miniaturen oder ähnliche Effektkunst ein und ließ seine fraglos vorhandene technische Versiertheit stets an vorderster Front walten, so dass man sein Werk aller Beschränktheit zum Trotze durchweg als eye candy bezeichnen darf.
"Picasso Trigger" veranschaulicht so eindrucksvoll wie nachdrücklich, wie unwesentlich Narration für einen Sidaris ist. Sofern man überhaupt von einer Geschichte sprechen möchte - er variiert als Quasi-Remake von "Seven" nur unwesentlich den Plot dieses leider nicht in der von Sidaris selbst zu Lebzeiten aggressiv beworbenen DVD-Collection enthaltenen Klassikers: ein Spitzenagent mobilisiert eine Truppe von mord- und bumslustigen Übermenschen, die sich jeweils eines von mehreren Zielen auf der anderen Seite zu kümmern - sprich, diese zu liquidieren - haben und zwischendurch gemeinsam duschen, im Whirlpool sitzen oder in die Kiste hopsen. Und DAS sind nur die Guten!
Als Katerfilm an heißen Sommermorgen ist das ausgesprochen exquisites Premiumprogramm!

5/10

Las Vegas Independent Hawaii Andy Sidaris Exploitation Trash


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THE LAST WALTZ (Martin Scorsese/USA 1978)


"Thanks for letting me do this."

The Last Waltz ~ USA 1978
Directed By: Martin Scorsese


Für die Dokumentierung des gloriosen Abschiedskonzerts seiner Combo holte sich "The Band" - Kopf Robbie Robertson Scorsese, der den finalen Gig der kanadischen Truppe am 25. November 1976 im Friscoer Winterland Ballroom einen der allerschönsten Konzertfilme umarbeitete, die die Kinoleinwände je die Ehre hatten zu spielen. Robertson, Rick Danko, Levon Helm, Garth Hudson und besonders Richard Manuel, allesamt Großmeister an ihren Instrumenten, kokettierten zu "Lebzeiten" gern mit staubig-romantischer Südstaatennostalgie und verquickten diese mit dem Freigeist der 68er. Heraus kam ein großartiger Sound zwischen Blues und Rock'n Roll, der der Band sehr viel Bewunderung und Eherbietung eintrug. Umso illustrer die Gästeliste für das Set: Von Neil Diamond über Eric Clapton, Muddy Waters, Joni Mitchell, Bob Dylan bis hin zu Ronnie Wood, Ringo Starr und Neil Young reicht das sich ein wenig wie ein who's who des Rockodeons lesende Aufgebot. Die Songs, allen voran das orgiastische "The Night They Drove Old Dixie Down", werden so wunderbar und leidenschaftlich gespielt, dass sie einem die Tränen in die Augen treiben, was selbstverständlich nicht zuletzt Scorseses sorgfältiger "Inszenierung" der Performance zu verdanken ist. Diese wird immer wieder von inserts unterbrochen, in denen der Regisseur die Bandmitglieder um ihre Philosophie und die Bedeutung von Musik für ihr Leben befragt und darauf Antworten erhält, die ihrem Wesen nach nur schwer nachvollziehbar zu beschreiben sind und sich zwischen Brillanz und unerschütterlichem Selbstverständnis bewegen.
Ein Gipfeltreffen der Genies.

10/10

Konzert Martin Scorsese Musik San Francisco


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IL FIUME DEL GRANDE CAIMANO (Sergio Martino/I 1979)


Zitat entfällt.

Il Fiume Del Grande Caimano (Der Fluss der Mörderkrokodile) ~ I 1979
Directed By: Sergio Martino


Der Unternehmer Joshua (Mel Ferrer) baut mitten im Srilankinischen Urwald ein großspurig "Paradise House" genanntes Hotel für abenteuerlustige Touris. Als der Fotograf Daniel Nessel (Claudio Cassinelli) dort erscheint, um ein Model (Lory Del Santo) in exotischen Posen abzulichten, hat dieser sogleich kein gutes Gefühl bei Joshuas kapitalistischen Ausbeutungstaktiken. Der ebenfalls im Dschungel beheimatete Stamm der Kumas gibt sich nämlich nur zum Schein als friedliebend aus. Tatsächlich wird eine fürchterliche Ahnung der Eingeborenen bald zur Gewissheit: Ein gigantisches Monsterkrokodil erwacht aus seinem Gerechtenschlaf und attackiert alles Menschliche, dessen es habhaft wird, derweil auch die Kumas zum Speer greifen...

Liebenswerter Krokodiltrash von Sergio Martino, der wie diverse andere Italofilme dieser Jahre auch ein offensichtliches Alibi für Cast und Crew darstellte, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden - ergo, in sonnigen Gefilden einen Urlaub machen zu können und sich bei Sprit und guter Laune flott mal einen abzudrehen. Dafür sprangen dann regelmäßig auch klangvolle Namen wie Barbara Bach, Richard Johnson und besagter Mel Ferrer in die Popularitätsbresche; wie man vielleicht weiß, während dieser Jahre allesamt keine seltenen Gäste bei den Italienern (Bach, Cassinelli und Johnson zum Bleistift waren ebenfalls anno 79 in Martinos unter fast identischen Konditionen gemachten "Screamers" zu sehen, in dem es um einen lustigen Trupp von Fischmenschen mitsamt beklopptem Ichthyologen geht). Co-gescriptet wurden dazu die zumindest in der schönen deutschen Synchro reizend belanglosen Dialoge von niemand geringerem als dem "Man Eater" himself, George Eastman; der feine Score stammt von Stelvio Cipriani. Für den Italo-Verehrer sind das große Namen, die entsprechend Großes bewerkstelligten. Der Exotenbonus kommt eh immer gut, zumal in so schönem Ansischtskarten-Scope gefilmt wie hier; das Einzige, was man vielleicht etwas schade finden könnte, ist die weitgehende Jugendfreiheit des Ganzen. Da die Kroko-Atrappe aber ohnehin ein ziemlicher Witz ist, sei auch das nachgesehen. Spaß ist in jedem Falle garantiert.

6/10

Europloitation Tierhorror Sergio Martino Krokodil Monster


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NEW YORK, NEW YORK (Martin Scorsese/USA 1977)


"I made a lot of mistakes. So I'll make another one. This one's on me."

New York, New York ~ USA 1977
Directed By: Martin Scorsese


New York in den Vierzigern: Der Kriegsheimkehrer und brillante Saxophonist Jimmy Doyle (Robert De Niro) verliebt sich Hals über Kopf in die Jazzsängerin Francine Evans (Liza Minnelli). Ihre bald eingeläutete Ehe bringt jedoch mehr Schwierigkeiten denn Erfüllungspotenzial mit sich, bis beide schließlich erkennen müssen, dass sie ihre jeweiligen Lebensträume nur ohne den anderen verwirklichen können.

Mit seinen betont artifiziellen Kulissen und szenischen Arrangements wäre "New York, New York" eigentlich ein großartiges Musical, tatsächlich aber ist er im strengen Gattungssinne gar keines. Die Musik ist hier kein narrativer Bestandteil, der Film konstruiert sich um die Musik herum sowie um die existenzielle Liebe zu ihr. Die jazzigen Nummern finden hier ausschließlich auf der Bühne statt und nicht im Eiscafé oder im Bad; hinzu kommt die dicht gestaltete Präsentation einer seltenen Wahrheit, nämlich der, dass es selbst innerhalb einer Musikrichtung ganz und gar unterschiedliche Ausrichtungen gibt, so unterschiedlich, dass sie gar getrennte Lebenswege erfordern. Jimmy Doyle lebt den Jazz der verrauchten Kneipe, bläst sein Horn bis zum Umfallen und in teils wenig eingängigen Tönen, kokst mit seinen Bandkollegen auf dem Barklosett und ist auch sonst Musiker durch und durch. Francine Evans indes ist ein Publikumsmensch, je größer das Publikum, desto mehr blüht sie auf, sie singt ihre Stücke weniger für sich denn für die Massen da draußen. Eine wesentliche Inkompatibilität, der das ansonsten einander durchaus zugetane Paar nicht standhalten kann.
Scorsese sagt oft, er bedaure, dass "New York, New York" innerhalb seines Oeuvre häufig vorschnell global als "peripher", "unwesentlich" und "exotisch" bezeichnet werde - ich kann mir denken, derartige Einschätzungen entstammen vornehmlich jenen Experten bzw. Kritikern, die glauben, mit der Kenntnis von "Goodfellas" und "Casino" im Hinterkopf seien sie Scorsese-Intimi. Denkter.

8/10

New York Musik Martin Scorsese Veteran Jazz





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