Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

ILSA, HAREM KEEPER OF THE OIL SHEIKS (USA, CAN 1976)


"I serve you to death, my master."

Ilsa, Harem Keeper Of The Oil Sheiks (Ilsa - Haremswächterin des Ölscheichs) ~ USA/CAN 1976
Directed By: Don Edmonds


Ilsa (Dyanne Thorne) ist jetzt Haremswächterin eines Ölscheichs (Jerry Delony). Ihre Tätigkeit steht der vorigen als Lager-Kommandeuse in nichts nach, auch im Nahen Osten darf sie reuelos foltern und morden, was das Zeug hält. Jegliches Aufbegehren wird im Keim erstickt, und wer doch mal den bedauernswerten Mund zu weit aufreißt, wird flugs zum Eunuchen gemacht. Erst ein amerikanischer Agent (Max Thayer) kann das Terrorregime des Scheichs brechen und Ilsa Schachmatt setzen - freilich erst, nachdem er sie auch auf dem Chaiselongue zugeritten hat.

Ein kleiner Kassenschlager wie "Ilsa: She Wolf Of The SS" bedarf - es liegt in der Natur der Sache - freilich einer Fortsetzung. Wie diese Ilsa es allerdings anstellt, von den Toten aufzuerstehen, nachdem ihr im Vorgängerfilm der Kopf weggeblasen wurde und um keinen Tag gealtert gute dreißig Jahre später bei den Auswirkungen Energiekrise mitzumischen, das bleibt eines ihrer vielen Geheimnisse. Sei's drum, Gelegenheit zu monumentaler Obsessivität bietet sich auch hier genug: Starlets aus allen Teilen der Welt werden entführt, in Keuschheitsgürtel gesteckt und dem Scheich gefügig gemacht - ohne groß aufzumucken übrigens. Ilsa hat zwei dunkelhäutige lesbische Leibwächterinnen, die permanent eingeölt sind und sie erfindet einen Kontaktsprengstoff, der ausschließlich für exzessiven Koitus gedacht ist. Wahnsinnszeug also wieder. Dass hier wiederum ein schick uniformierter US-Offizier die Kohlen aus dem Feuer holt und dafür sorgt, dass jeder Chevy auch im Folgejahr noch genug Sprit verheizen kann, ist Ehrensache - und ziemlich dummdreist-komisch.

6/10

Independent Ilsa-Reihe Don Edmonds Sequel torture porn Exploitation


Foto

ILSA: SHE WOLF OF THE SS (Don Edmonds/USA, BRD 1974)


"Highly interesting experiments. The Führer needs innovation like that."

Ilsa: She Wolf Of The SS ~ USA/BRD 1974
Directed By: Don Edmonds


SS-Offizierin Ilsa (Dyanne Thorne) kommandiert während der späten Tage des Zweiten Weltkriegs ein der medizinischen Forschung dienendes Gefangenenlager. Während Ilsa sich allenthalben standfeste Männer aus ihrem Kerker holt, die sie sexuell zu befriedigen haben, führt sie grauenhafte Belastbarkeitsexperimente mit Krankheitskeimen und Schmerztoleranz durch, die beweisen sollen, dass die Leidensfähigkeit von Frauen höher ist als die von Männern. Die in einer wilden Orgie endende Lagerinspizierung eines Generals (Wolfgang Roehm) nimmt ein wackerer amerikanischer Insasse (Gregory Knoph) schließlich zum Anlass für eine Gefangenenrevolte.

Sie kommt viel herum in der Welt, besitzt einen formidablen Busen und keinen Nachnamen: Ilsa, der Inbegriff weiblichen Sadismus' und ungezügelter Abartigkeiten. Obgleich sie sich hüten würde, einmal nicht wie aus dem Ei gepellt anzutreten, ist ihr Inneres geprägt von den denkbar schmutzigsten Phantasien, die sie in drei (wenn man Francos "Wicked Warden" hinzuzählt, sogar vier) Inkarnationen an globalen Schauplätzen, die Menschenteufel wie ihrer bedürfen, antreten ließ.
Einen gewissen Legendenstatus kann man dem Initialschuss "Ilsa: She Wolf Of The SS" wohl nicht absprechen. Ich hörte zum ersten Mal in den frühen Neunzigern mit vierzehn, fünfzehn Jahren davon, als der Nachbar eines Freundes, übrigens ein ansonsten übler Patron, damit prahlte, er besäße diesen Film auf Video und würde ihn nie freiwillig ausleihen, das gute Stück wäre nämlich verboten und er habe nun Angst vor Entdeckung. Als ich dann alt genug war und sich eigene Quellen auftaten, wurde nebst vielem anderen auch eine holländische Cassette des ersten "Ilsa"-Films aufgetan und alle Mythen schienen sich zu bewahrheiten: Das war widerlichster, zudem politisch fragwürdiger Pervesenfang! Im Laufe der Jahre entdeckte ich dann bei den Folgesichtungen das komödiantische Potenzial der Mär und fand den Film zunehmend komisch - erfrischend, wie sture Protesthaltungen sich mit der Zeit relativieren. Das einzig Prekäre an "She Wolf" ist natürlich seine zeitliche und lokale Ansiedlung, ansonsten ist er ein Exploiter, wie er im Buche steht, bemüht um blood'n tits, was er jeweils in Hülle und Fülle einreicht und versehen mit ein paar ziemlich kranken Einfällen, die gemessen an der Realität aber wohl ohnehin verblassen, zumal angesichts ihrer teils putzigen Visualisierung. In seiner Kompromisslosigkeit ist "She Wolf" nach wie vor beeindruckend und ringt seinen Erstbetrachtern immer noch einen unübersehbaren Widerwillen ab (ich beobachte das mit schöner Regelmäßigkeit); doch möchte ich ihm gar nicht absprechen zu sein, was er eben geworden ist: Ein ruchloser Klassiker.

6/10

WWII Ilsa-Reihe Independent torture porn Don Edmonds Transgression Exploitation Skandalfilm Naziploitation POW


Foto

MAX MANUS (Joachim Rønning, Espen Sandberg/NO, DK, D 2008)


Zitat entfällt.

Max Manus ~ NO/DK/D 2008
Directed By: Joachim Rønning/Espen Sandberg


Norwegen, 1940: Nachdem der Soldat Max Manus (Aksel Hennie) im finnischen Winterkrieg gegen Stalins Truppen gekämpft hat, stellt er, zurück in der Heimat, mit Entsetzen fest, dass die Deutschen dabei sind, das Land zu anektieren. Manbus entwickelt sich rasch zu einem glühenden Widerständler, der nach der Herausgabe eines Untergrundblatts und einer Ausbildung zum Guerillakämpfer in Schottland auch beginnt, aktiv gegen die Besatzer vorzugehen; mittels der Produktion und Verteilung von Waffen und schweren Sabotageakten gegen deutsche Kriegsschiffe. Es gelingt den Widersachern nie, Manus zu fassen, dafür müssen fast alle seine Freunde das Zeitliche segnen, was Manus in die Verzweiflung treibt.

Widerstandsgeschichten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs halte ich für grundsätzlich sehenswert, nicht nur ihrer zeitlichen Einbindung und politischen Substanz wegen, sondern auch, weil sie im Regelfall den Vorteil mitbringen, spannendes Entertainment zu liefern. Der skandinavische Widerstand wurde erst vor kurzem für das Kino entdeckt und brachte neben dem hervorragenden "Flammen & Citronen", der sich mit zwei dänischen Rebellen befasste, auch "Max Manus" hervor, den man für seine DVD-Veröffentlichung um den grellen und etwas beliebigen Übertitel "Man Of War" ergänzt hat. "Max Manus", der wie "Flammen & Citronen" von deutschen Investoren kofinanziert wurde, müht sich nicht nur um Authentizität, sondern zudem um eine formal zeitgenössische Aufbereitung, die seine Geschichte von drögem Geschichtsunterricht emanzipieren und für junge Zuschauer sehenswert machen soll - dazu gehören übliche Mittel wie eine hohe Schnittfrequenz und der hauptsächliche Einsatz von Handicams in Verbindung mit bonbonfarbenen Bildern. Dass der stressgeplagte Alltag Manus', der in ständiger Angst vor Entdeckung stand und dem teils übermächtig scheinende Fügungen das eine ums andere Mal das Leben retteten, genau diese Formalia impliziert, ist wohl das Glück der Tüchtigen.

8/10

Norwegen Nationalsozialismus Espen Sandberg Joachim Roenning WWII Widerstand


Foto

THE LONG SHIPS (Jack Cardiff/UK, YU 1964)


"It really is a shame: When I'm lying, everyone believes me, when I try telling the truth, noone takes it."

The Long Ships (Raubzug der Wikinger) ~ UK/YU 1964
Directed By: Jack Cardiff


Seit der Wikinger Rolf (Richard Widmark) die Mär von der legendären "Mutter der Stimmen", einer gigantischen aus Gold gegossenen Glocke, gehört hat, für die angeblich die Hälfte aller Goldreserven der bekannten Welt verarbeitet wurden, hat ihn die Abenteuerlust gepackt. In Nordafrika wähnt er sich dem Schatz nahe, als sein Schiff kentert. Kurz darauf gerät er sich mit dem Maurenkönig Mansuh (Sidney Poitier) in die Haare, der ebenfalls nach der Glocke sucht. Rolf kann ihm entkommen, zurück in den Norden gelangen und mit neuer Mannschaft zurückkehren. Ein weiterer Konflikt mit Mansuh ist zwar unausweichlich, doch die Glocke wartet noch immer auf ihren Entdecker.

Erfrischend belangloser, lustiger Abenteuerquatsch und zugleich eine der verhältnismäßig wenigen Regiearbeiten des legendären Kameramanns Cardiff. Seinen vornehmlichen Reiz bezieht der Film erwartungsgemäß aus dem eher ungewöhnlichen culture clash der Nordmänner und Morgenlandsleute, die jeweils nicht in der Lage sind, füreinander Verständnis aufzubringen. Dem Film rassistische Implikationen vorzuwerfen, wäre freilich viel zu hoch gegriffen, aber es lässt sich dennoch nicht von der Hand weisen, dass Exotik und Fremdheit hier gleichgesetzt wird mit Fanatismus und Dämonie. Während sich die barbarischen Wikinger erneut als im Grunde herzensgute Raubeine porträtiert sehen, muss Poitier den schurkischen, religiös verblendeten Ali mimen, dem noch eine blonde Frau im Harem fehlt und der im Namen Allahs auch schonmal treue Gefolgsleute über die buchstäbliche Klinge springen lässt. Aber wie erwähnt: Das Ganze ernstzunehmen oder gar politisch zu instrumentalisieren, wäre allzu albern.
Es gilt vielmehr, sich an der frischen Komik und den schönen, aufwändig gestalteten Bildern zu erfreuen. Tröstlich außerdem: Flaches Entertainment gibt es nicht erst seit ein paar Jahren.

6/10

Mauren Mittelalter Jack Cardiff Historie Wikinger


Foto

EYES OF A STRANGER (Ken Wiederhorn/USA 1981)


"Do you hear this? It's OUR song..."

Eyes Of A Stranger (Die Augen eines Fremden) ~ USA 1981
Directed By: Ken Wiederhorn


Weil sie sich mitschuldig fühlt an einer bereits Jahre zurück liegenden Vergewaltigung ihrer jüngeren Schwester Tracy (Jennifer Jason Leigh), die allerdings immense psychosomatische Traumata hinterlassen hat, engagiert sich die in Miami Beach tätige TV-Journalistin Jane Harris (Lauren Tewes) vordringlich im Kampf gegen Sexualverbrechen. Als in der Stadt ein Serienmörder (John DiSanti) aktiv wird, der seine weiblichen Opfer zu missbrauchen pflegt, bevor er sie tötet, sieht Jane ihre große Stunde gekommen. Bald stellt sie fest, dass der Psychopath im gleichen Wohnungskomplex lebt wie sie und ihre Schwester...

Ken Wiederhorn zählt zu jenen bedauernswerten Genre-Regisseuren, um deren Karriere es nie sonderlich glücklich bestellt war, obschon bei einigen Filmen durchaus brauchbare Ansätze zu verzeichnen sind, sei es, weil Wiederhorn eine ordentliche Besetzung ("Shock Waves") zur Verfügung stand oder das betreffende Werk sich zumindest als interessant genug erwies, um zumindest in Fankreisen Bestand vorschützen zu können. Hinzu kommt ein recht unikaler Sinn für bizarren Humor, der sich vor allem in Titeln wie "King Frat" oder den beiden Sequels "Meatballs Part II" und "Return Of The Living Dead Part II" (man achte auf die charakteristische Vokabel "Part" vor der römischen Zwo) exponierte.
Selbstzitate galten unter den B-Regisseuren der frühen Achtziger - man denke nur an Frank Hennenlotter oder James Glickenhaus - als chices Zeichen für gesteigertes Selbstvertrauen, und so läuft "Shock Waves" auf dem Fernseher des ersten Filmopfers aus "Eyes Of A Stranger", der sich präsentiert als eine Art Hybrid aus "Rear Window", den Behindertenthrillern "Wait Until Dark", "See No Evil" und zeitgenössischen Serienkillermotiven. Die wenigen Mordszenen wurden von Tom Savini gewohnt drastisch gestaltet und frönen einem gewissen, unter Splatterfreunden durchaus standesgemäßem Sadismus - zudem darf die ethologische Komponente sich einer ungewöhnlich starken Gewichtung rühmen. Eine relative Rarität darüberhinaus die innerhalb der Erzählzeit früh angesetzte Entlarvung des Killers - wobei aufwendige Identitätsverschleierungen hier andererseits auch sinnlos gewesen wären. Über die mangelhafte Vertiefung der Killerpsychologie braucht man sich nicht zu beklagen, da so die für die Funktionalität von "Eyes Of A Stranger" unbedingt notwendige Bedrohlichkeit und Spannung aufrecht erhalten wird.

7/10

Splatter Ken Wiederhorn Serienmord Hochhaus


Foto

THE VIKINGS (Richard Fleischer/USA 1958)


"Odin!"

The Vikings (Die Wikinger) ~ USA 1958
Directed By: Richard Fleischer

England im 9. Jahrhundert: Die Küstenregionen der Insel werden ständig von den wilden Wikingerstämmen aus dem Norden überfallen, die weder mit Zivilisationsformeln noch mit der Christianisierung etwas am Hut haben. Sie rauben, morden, brandschatzen und vergewaltigen einfach lustig drauf los und haben noch ihren buchstäblichen Heidenspaß dabei. Zwei von ihnen sind der alte Häuptling Ragnar (Ernest Borgnine) und sein Sohn Einar (Kirk Douglas), die es auf Morgana, die Verlobte des englischen Königs Aella II (Frank Thring) abgesehen haben - Ragnar freilich wegen eines guten Lösegelds, während Einar eher die Schönheit der Prinzessin bewundert. Der Sklave Eric (Tony Curtis), ohne dies zu ahnen, legitimer Thronerbe von England und zugleich Einars Halbbruder, macht den Nordmännern jedoch einen dicken Strich durch die Rechnung.

Nachdem Tinseltown bereits diverse historische Epochen und Völker für sich entdeckt und ausgeschlachtet hatte, sollten mit Fleischers "The Vikings" endlich auch die Wikinger zu ihrem Recht kommen. Leider haben sich diese trotz mancher Errungenschaften zu ihrer Zeit nicht eben mit Ruhm bekleckert oder sind wegen ihres ausgereiften Feingeists aufgefallen; im Gegenteil. Umso schwieriger der Versuch einer adäquaten Darstellung jener raubeinigen Gesellen in den Zeiten des Hays Code. Doch ebenso erfolgreich, wie uns der Film verkauft, dass Kirk Douglas der Sohn des tatsächlich rund zwei Monate jüngeren Ernest Borgnine sein soll, glauben wir ihm auch vieles andere, darunter, dass jedermann (und natürlich jedefrau) gute, gebleichte Zähne besaß, romantische Avancen zum Guten Ton eines Präludiums einer jeden Jungfrauenvergewaltigung gehörten und mit Streitäxten zugefügte Wunden unsichtbar bleiben.
Hier haben wir: schickes B-Kino in A-Gewandung, ein gewitztes Star- und Spaßprodukt, für seine Zeit obendrein verhältnismäßig gewalttätig und - im semantisch originären Wortsinne - blutvoll.
Ich bin übrigens für die rasche Anfertigung eines Sequels, solange das betagte Hauptdarstellertrio noch komplett unter den Lebenden weilt. Eine inhaltliche Rechtfertigung für Ragnars und Einars Wiederaufsterhungen ließe sich bestimmt schnell finden. Und einen feschen Titel hätte ich auch schon: "The Vikings II: Exchanging Einar's Nappys"

7/10

England Mittelalter Wikinger Richard Fleischer Historie Jack Cardiff


Foto

THE AVIATOR (Martin Scorsese/USA 2004)


"The way of the future."

The Aviator ~ USA 2004
Directed By: Martin Scorsese


Runde zwanzig Jahre im Leben des exzentrischen Großkapitalisten, Flugpioniers, Filmproduzenten, Frauenhelden und Zwangsneurotikers Howard Hughes (Leonardo DiCaprio), von der besessenen Arbeit an seinem im Nachhinein respektierten Kriegsfilm "Hell's Angels" über seine Affären mit u.a. Katharine Hepburn (Cate Blanchett), Faith Domergue (Kelli Garner) und Ava Gardner (Kate Beckinsale) und den Bau des Luftschiffs 'Hercules' bis hin zum erfolgreichen Widerstand gegen das Transatlantik-Luftmonopol der PanAm.

Wer Biopics über ambivalente Charaktere zwischen Heldenverehrung und Denunziantentum liebt, kommt an "The Aviator" nicht vorbei; diesem wie lässig aus dem Ärmel geschüttelt wirkenden, schmerzhaft perfekt inszenierten Film über die schillernde Gestalt dieses einmaligen Egozentrikers. Unterstützt von bonbonfarbenen Bildern, die das alte Vierziger- und Fünfziger-Technicolor nachzuahmen probieren, einer wie stets bei Scorsese exquisiten, detailversessenen Ausstattung und brillantem cast support bewerkstelligt DiCaprio es endgültig, sich von seinem schelmhaften Lausbuben-Image zu lösen und sich als Schauspieler von Weltformat zu emanzipieren. Zwar ruft das alles aus jeder Pore nach Oscar, dies aber durchaus berechtigterweise - die Mühe und Qualität einer solch vollkommenen Arbeit hätte sogar durchaus noch reichhaltiger belohnt werden dürfen.
Für Scorseses Oeuvre indes ist "The Aviator" sicher von hohem Bedeutungsrang, keinesfalls jedoch ein weiterer Quantensprung. Doch gilt das eigentlich für all seine Filme nach "Goodfellas". Die Frage ist, ob er es überhaupt noch nötig hat, sich und der Welt noch etwas zu beweisen angesichts von regelmäßig fertiggestellten Arbeiten, die andere schon ob ihrer schieren formalen Hochklassigkeit zu Staube kriechen lassen. Mögen davon noch einige folgen, ich halte mich bereit. Demnächst dann in diesem Theater: "Shutter Island" (und ein paar weitere Nachzockler...).

9/10

Martin Scorsese Biopic Howard Hughes Hollywood Los Angeles Fliegerei Madness Historie period piece


Foto

GANGS OF NEW YORK (Martin Scorsese/USA, I 2002)


"Civilization is crumbling."

Gangs Of New York ~ USA/I 2003
Directed By: Martin Scorsese


New York, 1863: Sechzehn Jahre, nachdem sein Vater Priest (Liam Neeson) von dem verfeindeten Bandenchef Bill "The Butcher" Cutting (Daniel Day-Lewis) getötet wurde, kehrt Amsterdam Vallon (Leonardo Di Caprio) in sein altes Viertel Five Points zurück. Während Amsterdam durch den unbändigen Gedanken an Blutrache angetrieben wird und plant, mittelfristig einen Mordanschlag auf Bill zu verüben, wütet im Süden der Sezessionskrieg und es erreicht ein Strom irischer Emigranten die Stadt.

Für sein ganz in der Tradition klassischer intraamerikanischer Historienepen von "The Big Trail" bis "Heaven's Gate" stehendes Herzenswerk versicherte sich Scorsese, natürlich im besten Bewusstsein um die traditionelle Ungnade kritischer Geschichtsbetrachtungen, der Unterstützung der Weinsteinschen Miramax, die sich dann allerdings in den Endschnitt einmischte und dafür sorgte, dass die Ursprungsfassung des Regisseurs um eine Stunde heruntergekürzt werden musste. Zwar wirkt das Resultat noch immer homogen und rund, dennoch stirbt, wie immer in solchen Fällen, die Hoffnung auf einen irgendwann doch noch erscheinenden director's cut zuletzt.
"Gangs Of New York" ist ein Film, der es versteht, analog zur Anzahl seiner Betrachtungen zu wachsen. Als ich ihn erstmalig im Kino gesehen habe, erschien mir die partiell ausgesprochen detaillierte Narration eher ermüdend und ich hätte mir gewünscht, dass Scorsese mehr Mut zu monumentaler Schlachtenepik hat, wie man ihrer noch in den ersten Szenen des Films ansichtig wird. Nachdem ich "Gangs" nun mittlerweile zum dritten oder vierten Mal gesehen habe, erscheint mir vieles klarer, strukturierter, flüssiger. Das nachgebaute Set um die Five Points wirkte heuer auf mich wie eine begehbare, ehrfurchtgebietend-gigantische Theaterkulisse, mit einem wahrhaft monströsen Day-Lewis als ihrem obersten König. Selbst Di Caprio, dessen bitter schmeckender ""Titanic"-Anti-Bonus" als milchgesichtiger Romantikheld nunmehr endlich aufgebraucht scheint, kam mir lang nicht mehr so unappetitlich vor wie früher. Scorsese ist sogar Manns genug, sich als Inszenator des Spektakels im Gegensatz zu sonst stark im Hintergrund zu halten und sich ganz auf den emotionalen Einschlag seiner spannenden Geschichtsstunde zu verlassen. Die finale Montage des sich androhenden Konflikts zwischen den 'Natives' und den 'Dead Rabbits', die parallel gesetzt ist zum brutal niedergeschlagenen Bürgeraufstand gegen die neuen Wehrpflichtgesetze, gehört schließlich zum Besten, was das ganze letzte Jahrzehnt an großen Filmmomenten vorzuweisen hat.
Ich bin noch immer ein bisschen des Atems beraubt.

9/10

Historie period piece Sezessionskrieg Martin Scorsese Gangs New York


Foto

BRINGING OUT THE DEAD (Martin Scorsese/USA 1999)


"No one asked you to suffer. That was your idea."

Bringing Out The Dead ~ USA 1999
Directed By: Martin Scorsese


Seit der New Yorker Notsanitäter Frank Pierce (Nicolas Cage) den Tod eines jungen Mädchens (Cynthia Roman) nicht verhindern konnte, leidet er unter einem schweren emotionalen Trauma. Nahezu jeder Einsatz scheint seither schief zu laufen. Erschwerend hinzu kommen seine ebenfalls mehr oder weniger nachhaltig gestörten, wechselnden Partner (John Goodman, Ving Rhames, Tom Sizemore). Eine außerplanmäßige Dreifach-Nachtschicht, in deren Mittelpunkt die junge Ex-Fixerin Mary Burke (Patricia Arquette) steht, bringt Frank endgültig an seine psychischen und körperlichen Grenzen.

Scriptautor Paul Schrader bezeichnet "Bringing Out The Dead" nach "Taxi Driver" und "Light Sleeper" als letzten Teil einer Trilogie um einsame Gestalten auf Erlösungssuche inmitten des Manhattaner Nachtlebens. Tatsächlich macht diese Kategorisierung durchaus Sinn, schon in Anbetracht der engen stilistischen und thematischen Verwandtschaft aller drei Werke. In "Bringing Out The Dead" wird man erneut jener entfesselten Metropole kurz vor dem Kollaps ansichtig. Der Film enthält wie seine vielen großen "Parallelwerke", zu denen ich ohne Umschweife auch die von Abel Ferrara zählen möchte, keine einzige Figur ohne seelische Narben, geschweige denn, dass sie auch nur gegenwärtig als psychisch gesund einzustufen sei. Unter seinen verrückten Mitarbeitern, man könnte sie auch ganz kryptisch als "Mitreisende" bezeichnen (deren individuelle Obsessionen von sturer Gleichgültigkeit über patholoische Hybris bis hin zu echter Schizophrenie reichen), erweist sich Frank Pierce als Verlorener, dessen hehres Retterideal einen tiefen Riss bekommen hat, den es nunmehr zu kitten gilt, soll Frank nicht selbst zur Gänze vor die Hunde gehen. Scorsese inszeniert seine nachtschwarzen Höllenfahrten als Panoptikum des urbanen Irrsinns, dessen vier Himmelsrichtungen sich als Egozentrik, Drogensucht, Depression und Einsamkeit präsentieren. Durchzogen wird die Geschichte wiederum von zahlreichen christlichen Motiven, darunter einem sich selbst zum Heilsbringer stilisierenden Dealer mit "Dorn" in der Seite oder einer angeblich unbefleckten Jungfrau, die Zwillinge gebärt. Allerdings gibt es auch klare liberale Statements, etwa pro Sterbehilfe.
Formal haut Scorsese hier nach dem stillen "Kundun" wieder alles raus, was seine Kreativität hergibt: Er experimentiert mit Farbfiltern, halsbrecherischen Perspektiven, Zeitraffern und bedient sich einer ganzen Palette großartiger Songs, die "Bringing Out The Dead" den finalen Schliff verleihen. Großartiger Film!

9/10

Groteske Martin Scorsese Insomnie New York Drogen Nacht Paul Schrader Rettungsdienst


Foto

KUNDUN (Martin Scorsese/USA 1997)


"They have taken away our silence."

Kundun ~ USA 1997
Directed by. Martin Scorsese


Tibet, 1937: Ein Gesandter (Tenzin Lodoe) findet in Tenzin Gyatsho (Tenzin Yeshi Paichang), dem jüngsten Sohn einer Bauernfamilie, die 14. Inkanation des Dalai Lama. Die Präsentation einiger Besitztümer seines Vorgängers, die der Kleine als die eigenen erkennt, beweist: Dies ist der wiedergeborene Kundun. Der Junge geht nach Lhasa, wo er in den Lehren Buddhas unterwiesen wird. Als Erwachsener (Tenzin Thuthob Tsarong) muss sich der Dalai Lama mit Mao (Robert Lin) herumschlagen, der Tibet kurzerhand mit Gewalt annektiert und ihn zur Landesflucht zwingt.

Wer mich kennt, weiß nur zu gut, dass ich mit jedweder Form von religiöser Spiritualität meine liebe Not habe und es mir schwer fällt, mich auf entsprechende Diskurse einzulassen. Nicht anders geht es mir mit "Kundun", den ich, neben der Tatsache, dass er eben unerlässlicher Bestandteil einer Scorsese-Werkschau ist, dennoch aus zwei Gründen als sehenswert erachte: Zum einen erinnert er mich in diversen strukturellen Aspekten an Bertoluccis wunderbaren "The Last Emperor", zum anderen umreißt er eindrucksvoll die nach wie vor existente, ungeheure politische Problematik des unfreien Tibet. Mit der Unterstützung von Philip Glass' hypnotischem Score bemüht sich Scorsese um eine spirituell gründende Transzendenz, in die ich jedoch nicht einzutauchen vermag. Was ich hingegen gern und als profitabel aus "Kundun" mitnehme, sind seine kunstvolle, anschmiegsame Photographie sowie die Option zu zwei Stunden besinnlichem, entspannenden Kino.
Ansonsten gehen mir Heilsbringergeschichten, besonders, wenn sie sich als so ernst, seriös und ambitioniert versteht wie die vorliegende und perspektivische Schlenker wie "The Last Temptation" aussparen, nach wie vor gelinde gesagt am Arsch vorbei.

6/10

Historie Tibet China Dalai Lama Biopic Martin Scorsese





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare