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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THINGS TO COME (William Cameron Menzies/UK 1936)


"All the universe? Or nothingness? Which shall it be?"

Things To Come (Was kommen wird) ~ UK 1936
Directed By: William Cameron Menzies


Die englische Stadt Everytown wird im Jahre 1940 in den Strudel eines zweiten großen Krieges gezogen, der mehrere Jahrzehnte andauert. Danach bemächtigt sich ein machthungriger Hasardeur, der 'Boss' (Ralph Richardson), der in mittelalterliche Verhältnisse zurückgebombten Stadt. Die Ankunft John Cabals (Raymond Massey), eines ehemaligen, gealterten Bürgers der Stadt, der sich unterdessen im Nahen Osten der technisierten, friedliebenden Gruppe der 'Flieger' angeschlossen hat und 1970 mit futuristisch anmutendem Fluggerät in Everytown landet, verheißt jedoch eine Änderung: Nachdem der Boss gestürzt werden kann, erblüht die Stadt zu einem Paradies des technologischen Fortschritts, das 2036 als leuchtendes Beispiel für den wissenschaftlichen Eifer der Menschheit steht. Als zu guter Letzt auch der Weltraum erobert werden soll, bildet sich eine neue Widerstandsbewegung unter dem Systemkritiker Theotocopulos (Cedric Hardwicke), dem die allgegenwärtige Technokratie längst ein Dorn im Auge ist.

H.G. Wells' bereits legendäre Zukunftsvisionen, die häufig einen Mittelweg aus Utopie und Dystopie einschlugen und bei allen Annehmlichkeiten, die die der Menschheit ureigene, unaufhörliche forscherische Progression zu offerieren vermag, auch deren Schattenseiten für ihre weitere Existenz herausstellten, beflügelten die Phantasie seiner umfassenden Leserschaft. Wie es so ist mit den meisten futuristischen Hypothesen: Die Realität lässt sich weder voraussehen, noch -planen und so wirkt "Things To Come" in Anbetracht seiner mutigen Prognosen nunmehr recht naiv. Unterdessen wurden Geschichte und Film überdies noch etliche weitere, gewichtigere Kritikpunkte vorgeworfen: Der faschistoide Charakter des zukünftigen Everytown etwa, das darüberhinaus kaum mehr Platz für Grün zu haben und in dem nurmehr alles aus Funktionalität und kantenloser, weicher Architektur zu bestehen scheint. Wells und sein Illustrator Menzies erachten diese Zustände jedoch keinesfalls als nachteilig, sondern empfinden sie als unerlässlich, um nicht zu sagen notwendig für den Fortbestand des Menschengeschlechts.
Was "Things To Come" auch nach so vielen Jahren noch als wirklich beeindruckend dastehen lässt, sind seine brillant gefertigten Bauten und Effekte, die mit Langs "Metropolis" gleichzuziehen suchenden Massenszenen sowie sein überbordender, in seiner geradezu kindlichen Begeisterung noch immer ungebrochen scheinender Visualismus.

7/10

Zukunft William Cameron Menzies H.G. Wells


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THE STONE KILLER (Michael Winner/USA, I 1973)


"What hit him?" - "A complete state of death."

The Stone Killer (Ein Mann geht über Leichen) ~ USA/I 1973
Directed By: Michael Winner


Nachdem er wegen seiner rüden Methoden von New York nach L.A. strafversetzt wurde, kommt Lieutenant Torrey (Charles Bronson) einer großangelegten Mafiaaktion auf die Spur: Der aus Sizilien stammende Pate Don Vescari plant, mithilfe eines eigens für diesen Auftrag trainierten, ausschließlich aus Vietnam-Veteranen bestehenden Killer-Kommandos sämtliche seiner Konkurrenten aus dem Weg zu räumen und damit eine seit über vierzig Jahren schwelende Vendetta endlich in die Tat umzusetzen.

Nicht das erste und nicht das beste Werk der langjährigen Kollaboration Winner/Bronson, dennoch aber ein sehr passabler Genrebeitrag, der sich mit flottem Score (Roy Budd), einigen Derbheiten und emsigen Schnitzereien an der Ikonisierung von Bronsons hell illuminierter Rächerfigur ziemlich nahtlos in den zeitgenössischen Action- und Polizeifilm einreiht. Mit Martin Balsam als großem, wörtlich unfassbaren Antagonisten steht Bronson ein Gegner von Format gegenüber; leider jedoch kommt es zu keinem direkten Duell zwischen den beiden. Ferner dürfte dies einer der wenigen, wenn nicht der einzige Bronson-Film sein, in dem Charley am Ende vor dem Geschick und der Übermacht des organisierten Verbrechens kapitulieren muss und nur zweiter Gewinner bleibt. Das ist angesichts der späteren Karriere des Bestrafers von beinahe schon göttlichen Gnaden ein wenig unbefriedigend, angesichts des ansonsten unterhaltsamen Resultats inklusive flotter Verfolgungsjagd jedoch verschmerzbar.

6/10

Mafia Los Angeles New York Michael Winner


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GIVE 'EM HELL, MALONE (Russell Mulcahy/USA 2009)


"Suck my Sinatra!"

Give 'Em Hell, Malone ~ USA 2009
Directed By: Russell Mulcahy


Der beinharte Privatdetektiv Malone (Thomas Jane) gelangt in den Besitz eines Köfferchens, das die Gemüter der hiesigen Unterwelt erhitzt - allen voran das des Zuhälters Whitmore (Gregory Harrison), der ein Trio teils vollkommen verrückter Killer (Ving Rhames, Doug Hutchison, Chris Yen) hinter Malone herschickt, um selbst an den Koffer und seinen rätselhaften Inhalt zu gelangen. Und dann ist da noh die schöne, aber verlogene Evelyn (Elsa Pataky)...

So ganz ins Reine gekommen bin ich mit Mulcahys neuem Film nicht. "Give 'Em Hell, Malone" biedert sich unverhohlen an beim Zuschauer und scheint förmlich aus jeder Pore danach zu lechzen: "Find mich cool! Find mich cool!" Eine solche Art der Evokation ist mir in der Regel kreuzunsympathisch - wenn sich dazu noch ein ganz gezielt abgekupfertes "Sin City"-Flair gesellt, zugleich unverhohlen zu "Last Man Standing" herübergeschielt wird und die diversen Dreißiger-Jahre-Anklänge innerhalb eines ansonsten gegenwärtigen settings, die man nichtmal als Spleen der Hauptfigur abtun kann, weil sie gleich mehrere Personen im Film pflegen, letztlich völlig sinnfrei bleiben und ganz offensichtlich nur einem schicken hardboiled-Flair geschuldet sind, dann wandelt sich meine besagte Antipathie zumeist in somatische Übelkeitsanfälle. Der Witz jedoch ist: "Give 'Em Hell, Malone" kriegt irgendwie noch ganz haarscharf seine Kurve, meistert die scheinbare Unmöglichkeit, in seiner nervensägenden Attitüde doch noch ganz witzig zu sein und seine absolut durchgekauten Mechanismen noch halbwegs genusstauglich an den Mann zu bringen.
Speziell den Kritikern meines sturköpfig praktizierten Punktesystems sei hiermit versichert: Die Kardinalfrage, ob ein Film zu was auch immer tauglich ist, stellt sich mir persönlich weniger in der abschließenden numerischen Einordnung, sondern darin, ob ich nach vollzogener Beschau das Gefühl habe, mir ihn irgendwann nochmal ansehen zu können. Das war hier der Fall. Auch wenn das Diskussionsobjekt mitsamt all seiner Digitalfilter und shutter pics eigentlich gar nicht sooo doll ist.

6/10

neo noir Russell Mulcahy femme fatale


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WEREWOLF OF LONDON (Stuart Walker/USA 1935)


Werewolf Of London (Der Werwolf von London) ~ USA 1935
Directed By: Stuart Walker


Der Botaniker Dr. Glendon (Henry Hull) schlepptn, von Forschungsstudien im Himalaya zurückkehrend, eine heimtückische Seuche in Europa ein: Die der "Lycanthrophobie" (aha!) Bei jedem Vollmond wird er nächtens zum Werwolf und muss erst einen Menschen töten, bevor er sich wieder zurückverwandeln kann. Der sinister scheinende Dr. Yogami (Warner Oland) kennt Glendons Geheimnis und weiß um die einzige Heilmethode: Eine besondere Wolfsblume, die ausschließlich in Tibet wächst und von der Glendon eine Probe mitgebracht hat.

Die ersten Laemmle-Monsterfilme waren längst abgefrühstückt, da entdeckte man bei der Universal noch den folkloristischen Mythos des Werwolfs, der im Gegensatz zu den bisher adaptierten Schreckgestalten allerdings keinen veritablen literarischen Schauerklassiker zum Vorbild hatte, sondern zunächst einmal leinwandklar gesetzt werden musste. Eine etwas seltsame Melange aus der Yeti-Sage und der "Jekyll/Hyde"-Parabel war das Resultat. Versetzt mit ein paar Laemmle-typischen, komödiantischen Elementen (alte, zerzauste Damen im Suff etwa waren dort ja immer für ein, zwei Lacher gut) kam dabei dieser charmante kleine Grusler heraus, der jedoch längst nicht den großen Klassikerstatus des ein paar Jahre jüngeren "Wolf Man" erlangen konnte. Der Grund dafür erscheint mir recht eindeutig - es fehlt schlicht und ergreifend am ikonographischen Charakter eines "Frankenstein" oder "Dracula". Da wären zum einen die genannten Vorbilder und zum anderen die mangelhafte Monstrosität des Titel-Ungeheuers. Dieser Werwolf platzt längst noch nicht aus allen Nähten; sein Fell wächst kurzerhand unterm Anzug samt sorgsam gebundener Krawatte und zur besseren Tarnung im Londoner Gaslicht zieht sich unser Pilger gleich noch eine schicke Schiebermütze tief ins Gesicht. Eines seiner Opfer muss sogar gleich zweimal hinbschauen, bevor sie weiß, was sie gleich anfallen wird und herzhaft loskreischen kann. Nun ja. Amüsant, unterhaltsam und in Anbetracht seiner Entstehungszeit sogar erfreulich darf sich "Werewolf Of London" jedenfalls auch heute noch nennen.

7/10

Stuart Walker Werwolf Monster London


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AVATAR (James Cameron/USA, UK 2009)


"It seems diplomacy has failed."

Avatar ~ USA/UK 2009
Directed By: James Cameron


Der verkrüppelte Ex-Marine Jake Sully (Sam Worthington) kommt auf den Planeten Pandora, um dort mithilfe eines Avatars, eines von Wissenschaftlern gezüchteten Körpers, der dem einheimischen Volk physiologisch gleicht, aber mit einem menschlichen Geist "gefüllt" werden muss, den Wirtschaftsbossen den Weg zu wertvollen Bodenressourcen zu ebnen, den die 'Na'vi' genannten Planetenbewohner nicht ohne Weiteres hergeben würden. Scully erschleicht sich in mühevoller Arbeit das Vetrauen der Na'vi und insbesondere das der Prinzessin Neytiri (Zoe Saldana), ist jedoch bald selbst so unerschütterlich von deren streng ökologischer und spiritueller Lebensweise fasziniert, dass er die Seiten wechselt, nach einigem Hin und Her auch mental einer von ihnen wird und zusammen mit ihnen den Kampf gegen seine früheren Verbündeten aufnimmt.

Ich musste leider auf das Vergnügen verzichten, "Avatar" mit 3D-Brille ausgerüstet auf der großen Leinwand zu sehen - kurzum, weil er mich für einen Kinobesuch nicht hinreichend gereizt hatte. Immerhin blieb so der - wenn auch möglicherweise anzuzweifelnde - "Vorteil" des auf klassische Qualitätsmaßstäbe und -merkmale reduzierten Filmerlebnisses. Ohne das mir ohnehin fadenscheinig anmutende evokative Brimborium des 3D-Effekts bleibt ein urtypisches Cameron-Werk, das einerseits zwar keinesfalls wesentlich schlechter ausfällt als frühere Arbeiten wie etwa "The Abyss" oder auch "Aliens" (zu dem ohnehin etliche formale und inhaltliche Parallelen bestehen), das auf der anderen Seite aber auch mit geradezu exaltierter Offensivität die Limitierungen seines Regisseurs aufzeigt.
Was "Avatar" im Kern liefert, ist ein durch und durch amerikanisches, aus diversen kulturellen Bezugsquellen gespeistes Öko-Märchen, das trotz seiner überwältigend schönen Bilder nie Gefahr läuft, ein recht niedriges Substanzlevel zu überschreiten oder gar ernsthafte diskursive Sphären auch nur anzukratzen. Im Prinzip ist der Film eine Art "Star Wars" für die gegenwärtig junge Generation, enthält einiges an Fortsetzungspotential und könnte vielleicht eines zukünftigen Tages einen ähnlichen Status genießen, wie ihn Lucas' Film jetzt für die heute Erwachsenen zwischen etwa dreißig und fünfundvierzig Jahren erfüllt. "Avatar" als ein solcher zu sehen, wohlgemerkt unter Aussparung der "vollen Effektbandbreite", bereitet zwar durchaus bisweilen kindliche Freude und geizt keineswegs mit nicht zu unterschätzenden Entertainment-Werten, spielt aber längst nicht in der Liga dessen, was noch den immer rarer werdenden Aha-Effekt auszulösen vermag. Ich hatte meinen Spaß, ganz bestimmt. Viel mehr war aber nicht drin.

7/10

Militaer James Cameron Aliens Monster 3-D


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ALL THE KING'S MEN (Robert Rossen/USA 1949)


"I'm gonna soak the fat boys and spread it out thin!"

All The King's Men (Der Mann, der herrschen wollte) ~ USA 1949
Directed By: Robert Rossen


Eines Tages gegen Ende der zwanziger Jahre wird der mit seiner eigenen Herkunft hadernde Journalist Jack Burden (John Ireland) auf den Politschreihals Willie Stark (Broderick Crawford) angesetzt, der in seiner kleinen kalifornischen Heimatstadt Bürgermeister werden möchte, der jedoch mittels seiner Taktik, lauthals soziale Wahrheiten zu verkünden, von seinen bierbäuchigen Oppositionellen höhnisch belächelt wird. Burden ist von Stark fasziniert und stärkt dessen Traum, sich mittels eines Juristendiploms mehr politische Achtung zu verschaffen, den Rücken. Als der Zufall Stark eines Tages auf sehr zynische Weise zur Hilfe kommt, schlägt seine große Stunde. Nach einigen Jahren hat er es zum Gouverneur gebracht, ist jedoch von seinen Machträuschen furchtbar korrumpiert worden und nimmt mehr und mehr die Gestalt eines faschistischen Demagogen an.

"All The King's Men" zählt zu den großen filmischen Politlehrstücken des amerikanischen Kinos. Er berichtet in kargen Bildern von der wachsenden Gefahr der Korruption angesichts analog wachsender Macht im Staat und davon, wie Menschlichkeit und humanitäre Ideale schleichend gegen Gier und Opportunismus substituiert werden können, wenn das entsprechende Fleisch nur schwach genug ist. Für die Erzählung wird als Medium geschickterweise ein so intelligenter wie naiver Journalist eingesetzt, der als perfekte Identifikationsfigur für alle möglichen Zuschauerschichten steht. Dass dessen Rolle von dem ansonsten fast nur aus Nebenparts bekannten John Ireland gespielt wird, füttert nur ihre Unverbindlichkeit. Rossen wandte sich als einer der ersten Studiofilmer von der bloßen Atelieraufnahme ab, ging nach draußen und filmte auf offenen Straßen und öffentlichen Plätzen, ging zu echten Herarings und Wahlkampfveranstaltungen und htte sogar den Mut, verzweifelte Wähler im Angesicht der Wirtschaftsdepression auf seinen Bildern festzuhalten. Eine bis dahin im Hollywood-Kino selten gesehene Authentizität ist die Folge. Großartiger Stoff und legitimes, wenn auch leider sehr vernachlässigtes Bindeglied zwischen "Citizen Kane", "Sunset Boulevard" und "On The Waterfront".

9/10

Robert Rossen Politik Biopic Kalifornien Journalismus


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RED ROCK WEST (John Dahl/USA 1993)


"You're a lucky guy, ain't ya?"

Red Rock West ~ USA 1993
Directed By: John Dahl


Der Texaner und Ex-Marine Michael (Nicolas Cage) kommt auf der Suche nach Arbeit nach Wyoming, wo aus seiner geplanten Anstellung als Ölfeld-Arbeiter wegen seines kaputten Knies nichts wird. Seine Weiterfahrt endet fürs Erste in Red Rock, in dem ihn der örtliche Sheriff Brown (J.T. Walsh) mit dem Auftragskiller Lyle (Dennis Hopper) verwechselt, der, zufällig ebenfalls aus Texas stammend, sich für dieselbe Zeit angekündigt hat. Lyle soll Browns gierige und frivole Ehefrau Suzanne (Lara Flynn Boyle) aus dem Weg räumen. Als der das Verwechslungsspiel mitspielende Michael bei Suzanne auftaucht und ihr von den Plänen ihes Mannes berichtet, will diese Michael wiederum engagieren, um Brown zu töten. Als der echte Lyle in Red Rock auftaucht, ist das Chaos perfekt.

Mit "Red Rock West" brachte John Dahl vier Jahre nach "Kill Me Again" seinen zweiten neo noir auf den Weg, ein wiederum staubiges Verliererdrama, in dem sich, abgesehen von der Ergänzung um den gehörnten Ehemann, dieselbe Personenkonstellation tummelt wie im Erstling: Der moralisch halbwegs gefestigte, aber völlig abgebrannte Losertyp, der einer ebenso schönen wie geldgeilen Opportunistin verfällt sowie der grenzwahnsinnige Killer, der ebenfalls hinter der versteckten Penunze her jagt, sind gute alte Bekannte.
Dass drei bzw. vier solcher Charaktere nebst einem gottverlassen erscheinenden Schauplatz im wasserarmen Mittelwesten ausreichen, um eine recht böszungige Krimistory einzustielen, bewiesen neben Dahl noch eine Menge weiterer aus der unabhängigen Szene emorsteigende Filmemacher in den insbesondere frühen und mittleren neunziger Jahren. Allerdings darf man diesem Regisseur und Autor wohl zugestehen, eine gewisse Perfektion in seinem selbst auferlegten Metier erreicht zu haben. Schöner, sehenswerter Film - immer noch.

8/10

film noir neo noir Profikiller John Dahl femme fatale Amour fou


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L'INCORRIGIBLE (Philippe de Broca/F 1975)


Zitat entfällt.

L'Incorrigible (Der Unverbesserliche) ~ F 1975
Directed By: Philippe de Broca


Kaum dass der Filou, Hochstapler und Trickbetrüger Victor Vauthier (Jean-Paul Belmondo) aus dem Gefängnis entlassen ist, beginnt er gleich von vorn, sich seine krummen Geschäfte aus dem Hemd zu leiern; auf dem Papier verscherbelt er etwa die luxuriöse Stadtvilla seiner Ex-Geliebten (Capucine) und einige Bomber an einen afrikanischen Diktator. Derweil beginnt Victor sich vornehmlich für seine reizende Bewährungshelferin Marie-Charlotte (Geneviève Bujold) zu interessieren, zumal deren Papa (Albert Simono), ein Museumswärter, einen unschätzbar wertvollen El Greco zu bewachen hat...

Ein typischer Belmondo-Spaß des damals "neuen Schlags", in dem der knautschgesichtige Publikumsliebling durch permanente Faxenmachereien glänzt. Die Inszenierung weist ein recht hohes Tempo auf, in dessen Zuge man den diversen Eulenspiegeleien Victor Vauthiers manchmal kaum mehr zu folgen vermag. Wunder vor allem Julien Guiomar als Victors väterlicher Freund und Ex-Knacki Camille, der seinem Mündel zwar große Reden über die Ehrlich- und Sesshaftwerdung hält, dabei aber selbst das denkbar schlechteste Beispiel für derlei Lebensplanung abgibt. In ihren gemeinsamen Szenen bleibt tatsächlich ein Plätzchen für so etwas wie filmische Lyrik, die in den späteren Belmondo-Filmen von Lautner oder Deray kaum mehr gefragt war.
"Der Unverbesserliche" dürfte zudem, wenn mich nicht alles täuscht, die erste in einer langen Ahnenreihe von Rainer-Brandt-Vertonungen sein, in denen Bebel auch die Stimme der Berliner Synchronlegende verehrt bekam. Die Dialoge sind dazu analog von feinster Webart: Die beliebte Brandt-Beleidigung "das Aas" kommt gleich mehrfach zum Zuge, ganz abgesehen von den diversen, in fast unglaublich passender Weise auf das schelmische Grinsen des Hauptdarstellers abgestimmten Verbalkanonaden.

7/10

Heist Jean-Paul Belmondo Philippe de Broca


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SURVIVAL OF THE DEAD (George A. Romero/USA, CA 2009)


"Pictures of my ancestors - dead of course. A way to keep them in mind."

Survival Of The Dead ~ USA/CA 2009
Directed By: George A. Romero


Die Ostküste der USA nach der Zombie-Apokalypse. Sergeant Crocket (Alan Van Spang) und seine Leute werden durch eine Videomessage auf die kleine Insel Plum vor der Küste von Delaware aufmerksam: Angeblich sei die Plage hier unter Kontrolle und jeder Asylsuchende willkommen. Tatsächlich ist dem mitnichten so. Die zwei verfeindeten, irischstämmigen Patriarchen Patrick O'Flynn (Kenneth Welsh) und Seamus Muldoon (Richard Fitzpatrick) führen einen Kleinkrieg, der seinen Ausgangspunkt in der Frage nach dem korrekten Verhalten angesichts der Ausnahmesituation hat. Während O'Flynn glaubt, die Ausbreitung der Seuche allein mittels rücksichtsloser Ausrottung der Infizierten eindämmen zu können, lässt Muldoon die bereits zombifizierten Opfer in der Hoffnung auf ein irgendwann zu findendes Heilmittel anketten und einsperren.

Nach dem formal eher experimentell geratenen "Diary Of The Dead" kehrt Romero zurück zu sauberem Scope und klassisch-epischem storytelling. Dennoch gibt es ein Novum: Erstmals nimmt er innerhalb der Filme des Dead-Zyklus faktischen Rückbezug auf einen Vorgänger - die als Protagonisten eingeführten Soldaten sind noch als rücksichtslose Plünderer aus "Diary" in eher unangenehmer Erinnerung. Was die aktuelle Rahmengeschichte anbelangt, so greift Romero auf das ja sehr traditionsbehaftete Sujet zweier verfeindeter Familien zurück, deren Fehde letzten Endes jedoch einzig auf den Konflikt der dickköpfigen Väter rekurriert. Ein Hauch von Shakespeare scheint durch die mit leiser Faszination erstellten, herbstlichen Bilder zu wehen und macht ganz unmissverständlich klar, dass Romero nicht nur der Erfinder dieses in den letzten Jahren ja wieder reichhaltig gefütterten Subgenres ist, sondern auch ganz klar der geistige Kopf. Einmal mehr degradiert er die Untoten zu Randfiguren seines selbst entworfenen Szenarios und stellt die interpersonellen Dynamiken der Lebenden ins Zentrum. Das dürfte nach wie vor eine Rarität sein im Zombiefilm. Unter solch glücklichen Umständen bleibt mir nur zu hoffen: Möge Romero, was er ja vermutlich ganz unabhängig von meinem Wunsch ohnehin praktizieren wird, noch so lange weiter Zombiefilme drehen, bis ihn selbst die (vorübergehende...?) rigor mortis ereilt!

8/10

Independent Splatter Apokalypse Dead-Zyklus Zombies George A. Romero


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KILL ME AGAIN (John Dahl/USA 1989)


"You don't look like a loser to me, Mr. Andrews."

Kill Me Again ~ USA 1989
Directed By: John Dahl


Privatdetektiv Jack Andrews (Val Kilmer) erhält einen seltsamen Auftrag: Er soll die attraktive Fay Forrester (Joanne Whalley) zum Schein umbringen und ihr eine neue Identität verschaffen. Natürlich würde er selbst bei geschickter Inszenierung des "Verbrechens" als "Täter" nicht in Frage kommen. Der Plan scheint anfänglich zu funktionieren, doch die Dame hat sich abgeseilt, ohne Andrews die zweite Hälfte seiner Gage zukommen zu lassen. Außerdem wird die Polizei doch auf ihn aufmerksam. Bald erfährt Andrews auch die Wahrheit über Fay: Diese hatte zuvor mit ihrem Brutalofreund Vince (Michael Madsen) einen Mafiaboss überfallen und um eine riesige Geldsumme erleichtert. Fay hatte es jedoch vorgezogen, das Geld für sich zu behalten und Vince mit Beule am Hinterkopf in der Wüste zurückgelassen. Als Andrew Fay in Vegas wiederfindet, sieht es brenzlig für die beiden aus: Vince, die Polizei und die Mafia sind ihnen auf den Fersen.

Dahls Regieeinstand gibt gleich die typische Richtung des Regisseurs vor: Staubige Neo-Noir-Dramen nebst übervorteilender Dame und der ewigen großen Überschrift 'Crime doesn't pay!' Seine nächsten Arbeiten werden sich ganz ähnlich gestalten und sind insbesondere für Genrefreunde allesamt ganz vergnüglich anzuschauen.
"Kill Me Again" allerdings fehlt es, obschon er sicher ein gelungener Debütfilm ist, noch etwas an der Souveränität eines erfahrenen Regisseurs. Alles wirkt zuweilen etwas zwanghaft und doppelt und dreifach abgesichert, gerade so, als ob Dahl penibel versucht habe, jeden Stolperstein zu vermeiden und gerade deshalb dann doch manches Mal ins Wanken gerät. Einige Fügungen innerhalb der Story können kaum verhehlen, ziemlich unglücklich arrangiert worden zu sein - darunter der dramaturgische Einsatz von Andrews' Kumpel Alan, der von Anfang an als große Schwachstelle des Detektivs installiert wird und diese Position dann auch bis zu seinem eigenen bösen Ende in gut absehbarer Weise bekleidet.
Anno 89, als es noch nicht Usus war, den klassischen film noir wie er sich in den Vierzigern und Fünfzigern gerierte, zu reanimieren, war "Kill Me Again" sicher noch etwas Besonderes; heute, nach über zwei Jahrzehnten angesetzter Patina, geht er als immer noch brauchbarer, aber kaum revolutionärer Film seiner Wege.

6/10

Reno film noir neo noir Las Vegas Amour fou John Dahl femme fatale





Filmtagebuch von...

Funxton

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