Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

REDACTED (Brian De Palma/USA, CA 2007)


"Well, I have an appointment with him - in Samarra."

Redacted ~ USA/CA 2007
Directed By: Brian De Palma

Aufgeputscht von Alkohol, Drogen, sexueller Frustration und vor allem Rachegedanken bezüglich des gewaltsamen Todes ihres Sergeants (Ty Jones) machen sich zwei in Samarra stationierte, junge US-Soldaten (Reno Flake, Daniel Stewart Sherman) auf, ein einheimisches fünfzehnjähriges Mädchen (Zahra Zubaidi) zu vergewaltigen. Dabei werden das Mädchen selbst und seine Familie kurzerhand hingemordet. Ein Zeuge (Rob Devaney) des Verbrechens hält den seelischen Druck schließlich nicht länger aus und vertraut sich der Kommandatur an.

Diverse Kritiker fragten sich und auch ihn selbst, warum De Palma ausgerechnet ein "Remake" seines wenig erhebenden Film "Casualties Of War" vor Golfkriegskulisse machen musste. Eine lächerliche und obsolete Unterstellung. Wie "Casualties" basiert nämlich auch "Redacted" auf einem authentischen Verbrechen, dass sich nur ein paar Jahre zuvor auf irakischem Boden ereignete. Selbst De Palmas Kulturdidaktik konnte der Bestie Mensch langfristig keine Vernunft einbläuen. "Redacted" liefert eine hochkomplexe Meditation über das Wesen nicht nur der Massenmedien, sondern auch über das des Filmemachens, die Godards vielzitiertes Paradigma, demzufolge Film 24-mal pro Sekunde Wahrheit sei, wütend ad absurdum führt. Der Film zeigt, dass es niemals die eine Wahrheit geben kann, schon gar nicht bei entsprechender Nachbereitung des Materials. De Palma entlarvt sich demzufolge freimütig selbst als einen der größten Lügner von allen. Sein Metier lässt, soviel lässt sich ferner noch feststellen, allerdings auch keine andere Verfahrensweise zu. Die chronologisch abgespulten Ereignisse des Films lassen sich auf mehrere Quellen zurückführen: Auf die Amateuraufzeichnungen eines jungen Private (Izzy Diaz), auf eine "kunstbeflissene" Dokumentation eines französischen Filmteams (deren Bilder unbentwegt von Händels Sarabande unterlegt sind) den Internetstream eines arabischen Terrornetzwerks, Bilder von Überwachungskameras und Youtube-Clips. De Palma jedoch montiert, er bastelt daraus erst die dramturgische Kohärenz, er ist der "Redakteur", wenngleich die geschwärzten und von ihm wieder erfahrbar gemachten "Textstellen" einen authentischen Ursprung haben. Am Ende ist jedoch auch dieser Film nur eine Varianz der Wahrheit. Er selbst aber weiß dies am Besten und macht auch keinen Hehl daraus, was ihn sogar noch wertvoller macht als er es ohnehin schon ist.

9/10

Brian De Palma Golfkriege Naher Osten Militär embedded filming Vergewaltigung


Foto

FEMME FATALE (Brian De Palma/F 2002)


"Isn't sugar better than vinegar?"

Femme Fatale ~ F 2002
Directed By: Brian De Palma

Nach einem aus dem Ruder gelaufenen Juwelendiebstahl bei den Filmfestspielen von Cannes verschwindet die durchtriebene Laure (Rebecca Romijn) mit der Beute. Unter ständiger Angst, von einem ihrer beiden Partner (Eriq Ebouaney, Thierry Frémont) gefunden und entdeckt zu werden, gelingt ihr schließlich über eine Kette unglaublichster Zufälle die Flucht in die Staaten. Sieben Jahre später kommt Laure, die sich jetzt Lily nennt, zusammen mit ihrem Gatten, dem US-Botschafter Watts (Peter Coyote) zurück nach Paris. Dort schießt der windige Paparazzo Bardo (Antonio Banderas) ein Foto von ihr, das in Windeseile die Titelblätter der Klatschjournaille belegt. Für die nunmehr enttarnte, jedoch nach wie vor durchtriebene Laure gilt es nun, in Windeseile einen Plan für die Flucht nach vorn auszutüfteln...

Nach "Mission To Mars" pendelt De Palma mit "Femme Fatale" nochmal lustvoll zwischen Absurdität und Kunst, diesmal jedoch auf deutlich vertrautrem, um nicht zu sagen 'irdischem' Terrain. Er lässt seine Geschichte die obskursten Haken schlagen und inszeniert dabei wieder so lustvoll wie vor zwanzig Jahren, als er seine Thriller-Hochphase mit "Dressed To Kill" und "Body Double" durchlebte. Allein die in Cannes spielende Anfangssequenz, die einen denkwürdigen Bogen zur Realität schlägt, indem eine echte Filmpremiere mit einem echten Film ("Est-Ouest") als Hintergrund für den Diebstahl des Trios dient, unterlegt mit einer musikalischen "Bolero"-Abwandlung, ist von höchsten künstlerischen Weihen. De Palma scheint wieder in alte Formalia hineinzufinden; möglicherweise erinnert ihn die europäische Location an "Obession" und lässt schlummernde artistische Sensoren wieder erwachen. Über den theatralischen Fortlauf der Geschichte, die dem Zuschauer gegen Ende ein paar Wendungen um den Latz haut, dass dieser schon eine Menge goodwill aufbringen muss, so er nicht gerade weiß, mit welchem Filmemacher man es hier zu tun hat, lohnt es kaum zu diskutieren. Dieser passt sich vielmehr einer Art Traumlogik des Kinos an, innerhalb deren wabernden Grenzen sowieso alles möglich ist und die zu Anfang des Films noch so vehement behauptete Realität bloß eine von vielen Wahrnehmungskonstanten. Ein kleines Meisterwerk, vielleicht nicht ganz so monumental wie frühere Ausläufer De-Palma'schen Schaffens, aber immer noch brillanter als 95 Prozent von allem Anderen.

9/10

Brian De Palma Paris Heist Traum Femme Fatale neo noir Cannes


Foto

MISSION TO MARS (Brian De Palma/USA 2000)


"They're us. We're them."

Mission To Mars ~ USA 2000
Directed By: Brian De Palma

Im Jahr 2020 steht die erste bemannte Marsexpedition der NASA an. Nachdem Flug, Landung und Campaufbau reibungslos von Statten gegangen sind, stoßen die Astronauten auf ein seltsames Artefakt, dass sich gegen die neugierigen Erdlinge zur Wehr setzt. Für die vier Freunde Jim McConnell (Gary Sinise), Woody Blake (Tim Robbins), Terri Fisher (Connie Nielsen) und Phil Ohlmyer (Jerry O'Connell) Anlass zu einer sofortigen Rettungsmission, zumal ihr alter Kumpel Luke Graham (Don Cheadle) sich noch auf dem Mars befindet. Auf dem Roten Planeten angelangt stößt man auf die Spuren einer außerirdischen Zivilisation.

Auch nach mehrfacher Betrachtung fällt es mir sehr schwer, ein auch nur halbwegs stabiles Urteil über "Mission To Mars" zu fällen. Zuallererst einmal ist es ein höchst sonderbarer Film, getragen von einer sehr eigenen Atmosphäre. Unschwer erkennbar setzt er die Tradition jener stets "flächig" umgesetzten SciFi-Motivik fort, die uns Terraner nicht nur mit einer außerirdischen Kultur konfrontiert, sondern uns darüber hinaus noch Aufschluss über unsere Evolutionsgeschichte und unseren künftigen Werdegang gibt. Als herausragende Beispiele dafür fallen einem sogleich "2001: A Space Odyssey" und "Close Encounters Of The Third Kind" in den Schoß. Deren Pfad gen Erkenntnis verfolgt auch "Mission To Mars", der darüber hinaus auch eine Meditation über Freundschaft, Liebe, Opferbereitschaft und Verlust darstellt. Wenngleich die porträtierte Gesellschaft nur zwei Jahrzehnte in der Zukunft stattfindet, hat man doch das Gefühl, sie sei gleich deutlich zivilisierter als die unsrige. Schimpfwörter kommen ebensowenig vor wie aufbrausendes Verhalten; stattdessen scheinen die Leute von einer entspannten Gleichmut beseelt, die sie auch in Extremsituationen nicht loslässt. Diese Mentalität überträgt sich auf den gesamten Film, der sich einem warmen Marihuanarausch gleich über den Zuschauer ergießt. Dabei balanciert er stets erstaunlich nah an der Preisgabe zur Lächerlichkeit entlang. Tim Robbins' Opferszene ist von unendlichem Pathos, das finale Erscheinen des Alienpiloten, der ein CGI-Tränchen vergießt, ist schließlich gefährlich nahe an einer möglichen Selbstdenunziation. Getragen wird all das von Ennio Morricones aufreibenden Tönen, die in einem Science-Fictioner im Grunde vollkommen eklektizistisch anmuten. Dennoch ist "Mission To Mars" das, was man leichtfertig als einen "schönen Film" bezeichnen möchte. Vorausgesetzt, man ist in der richtigen Stimmung für ihn und hat dazu passende Mitschauer. Ansonsten könnte die ganze Chose auch unschwer in einer eineinhalbstündigen Zwerchfellbelastung kulminieren.

7/10

Brian De Palma Zukunft Raumfahrt Mars Freundschaft Aliens


Foto

CARLITO'S WAY (Brian De Palma/USA 1993)


"A favor's gonna kill you faster than a bullet."

Carlito's Way ~ USA 1993
Directed By: Brian De Palma

1975 kommt die puertoricanische Gangsterlegende Carlito Brigante (Al Pacino) wegen unlauterer Verfahrensmethoden frühzeitig aus dem Gefängnis. Dabei ist seine etwas weitschweifig anmutende Ansage an den Richter (Paul Mazursky) sogar ernst gemeint: Carlito will raus aus dem Milieu, mit Drogen nichts mehr zu tun haben und zusammen mit seiner großen Liebe Gail (Penelope Ann Miller) eine Autovermietung auf den Bahamas eröffnen. Das Startkapital dafür will Carlito sich als Geschäftsführer eines maroden Clubs in der Bronx zusammenklauben. Kaum jedoch ist der Mann zurück in Spanish Harlem sitzt er schon wieder mittendrin in der Gewaltspirale, der Überhand nehmende Kokainkonsum seines Anwalts und Freundes Dave Kleinfeld (Sean Penn) und Verrat allerorten machen ihm einen dicken Strich durch die Rechnung.

Das bislang letzte von De Palmas großen Gangsterepen nach "Scarface" und "The Untouchables", wobei natürlich insbesondere die Verwandtschaft zu ersterem unübersehbar ist. Beide Filme wurden von Marty Bregman produziert und mit Al Pacino in der Hauptrolle besetzt; beide Filme drehen sich um den Werdegang eines Latino-Gangsters. Soweit die offenkundigen Parallelen, die ein direkter Vergleich jedoch rasch Lügen straft. "Carlito's Way" ist ein deutlich gelassener Film als "Scarface", ebenso wie der Charakter Carlito Brigantes ganz immens zu dem Tony Montanas differiert. Hier geht es nicht um Auf-, sondern um Ausstieg, um das verzweifelte Anstrampeln gegen die unweigerliche Spirale abwärts. Mit einer konsequenteren Abkehr wider den Moloch hätte Carlito noch eine Option gehabt, hier in uptown New York jedoch gibt es großkotzige Emporkömmlinge wie den aufbrausenden Benny Blanco (John Leguizamo), geldgierige Schmeißfliegen wie Carlitos Anhängsel Pachanga (Luis Guzmán) oder eben Carlitos koksbenebelten Advokaten und vermeintlichen "Bruder" Dave Kleinfeld (Sean Penn), der die Italiener um eine Million Dollar erleichtert und glaubt, damit durchzukommen. Einmal drin im Morast, gibt es kein Entkommen mehr und trotz der Prophezeiungen der wohlmeinenden Gail endet Carlito genauso wie von ihr vorhergesagt. No escape to Paradise.
Nach eigenem Bekunden wollte De Palma zunächst keinen weiteren Film über Chicano-Bandidos mehr machen, ließ sich jedoch von der Qualität von David Koepps Script umstimmen. Ein weiser Schachzug, wie die Rezeptionsgeschichte des Films zeigt, gilt "Carlito's Way" doch, den Vorwurf inszenatorischer Risikoarmut einmal beiseite lassend, gemeinhin als einer der "gelungeneren" späteren Arbeiten des Regisseurs. Diese Einstufung ist paradoxerweise ebenso kurzsichtig wie zutreffend. In einem filmischen Metier, dem De Palma bereits wesentliche Eckpunkte beschert hatte, konnte er sich nämlich zugleich auf sicherer Seite bewegen wie er ihm einen weiteres Glanzlicht hinzuzusetzen vermochte.

9/10

Brian De Palma Edwin Torres Freundschaft New York Ethnics period piece Kokain


Foto

THE BONFIRE OF THE VANITIES (Brian De Palma/USA 1990)


"Trust me. Nothing is going to come of this little newspaper article. Absolutely nothing."

The Bonfire Of The Vanities (Fegefeuer der Eitelkeiten) ~ USA 1990
Directed By: Brian De Palma

Der millionenschwere Wall-Street-Broker Sherman McCoy (Tom Hanks) verirrt sich eines Nachts mit seiner Geliebten Maria Rushkin (Melanie Griffith) im Wagen in die South Bronx. Als zwei farbige Wegelagerer sie ausrauben wollen, setzt Maria den Wagen zurück und fährt dabei einen der Männer an. Trotz Bedenken seitens Sherman meldet man den Vorfall nicht der Polizei. Ein Fehler, denn das Unfallopfer fällt zwei Tage später ins Koma und der ständig besoffene Klatschjournalist Peter Fallow (Bruce Willis) bauscht die Geschichte soweit auf, dass sie zu einem stadtweiten Politikum wird. Sherman wird nunmehr wegen Fahrerflucht gesucht und alsbald verhaftet. Für den geldgierigen schwarzen Prediger Reverend Bacon (John Hancock) bildet der Fall eine ebenso willkommene Profilierungsrampe wie für den jüdischen Staatsanwalt Abe Weiss (F. Murray Abraham) und seinen Untergebenen Kramer (Saul Rubinek). Die Hexenjagd auf Sherman ist eröffnet, er verliert Job, Heim und Familie, derweil Maria von nichts eine Ahnung haben will...

Die Adaption des binnen weniger Jahre zu einem Kultroman aufgestiegenen Wolfe-Buches war bereits hollywoodintern beschlossene Sache, als das Ding noch als Fortsetzungsgeschichte im Rolling Stone erschien. Wolfe, dessen erster Roman "The Bonfire Of The Vanities" ist, wurde als Journalist-/Autor zu diesem Zeitpunkt bereits in einer Ahnenreihe mit Truman Capote und Norman Mailer gewähnt. Dass ausgerechnet Brian De Palma die Verfilmung des von einer überaus ätzenden Gesellschaftskritik geprägten Romans übernehmen sollte, war möglicherweise nicht eben selbstverständlich; passt er doch auf den ersten Blick überhaupt nicht in De Palmas motivischen Wirkungskreis. Das zu befürchtende Echo schallte dann auch kurz nach der Premiere des Films durch den abgeklärten amerikanischen Blätterwald (hierzuland hatte es der Film wesentlich leichter). Der Film trete die Komplexität des Buches mit Füßen hieß es da, dass gewichtige Rollen wie die des Staatsanwaltsstellvertreters Kramer auf Statistenniveau heruntergeschält würden und dass die Leistungen Darsteller ein Witz seien. An De Palmas Stelle hätte ich vor lauter Erbostheit angesichts solch nicht nur unfairer, sondern vor allem haltloser und eitler Zerreißerei vermutlich nie wieder einen Film gemacht. "The Bonfire Of The Vanities" gehört tatsächich zu den Sternstunden seines Regisseurs und ist ein wunderbares Beispiel für die Übersetzung des geschriebenen Wortes in eine ihm angemessene Filmsprache. Als eine der beißendsten und auch bösesten Sozialsatiren ihrer Zeit kennt der Film keine Helden. Das hier porträtierte Manhattan besteht aus einem widerwärtigen Egomanenpool, den ebensogut auch eine Atombombe hinwegfegen könnte, ohne der fortgesetzten Kulturgeschichte der Menschheit ernsthaften Schaden zuzufügen. Eine ganz wunderbare, beinahe albtraumhaft dargebotene Szene zeigt den kurz vor seiner Verhaftung stehenden McCoy bei einer "Dob-Giovanni"-Premierengala, die von der gesamten Insel-Schickeria besucht zu werden scheint. Unter anderem gibt es da einen an AIDS erkrankten Literaten (Andre Gregory), der sich permanent an sich selbst und seinem chicen Status berauscht und rezitiert, derweil ihn in seinem Dunstkreis ohnehin niemand versteht und nur lacht, wenn der Meister himself zu lachen geruht. Am Ende von "Bonfire" fallen alle tief. Selbst Peter Fallow, dessen fünfzehn Minuten Ruhm ihn der unausweichlichen Leberzirrhose auch nur ein paar Schritte näherbringen.

9/10

Brian De Palma Tom Wolfe New York Satire Hochfinanz Journalismus Courtroom


Foto

WISE GUYS (Brian De Palma/USA 1986)


"Thank you Mr. Acavano!"

Wise Guys (Zwei Superpflaumen in der Unterwelt) ~ USA 1986
Directed By: Brian De Palma

Harry Valentini (Danny DeVito), Italoamerikaner und Moe Dickstein (Joe Piscopo), Jude, sind Nachbarn, beste Freunde und als Mädchen für alles beim örtlichen Gangsterboss Anthony Castelo (Dan Hedaya) beschäftigt. Dummerweise würde keiner von ihnen jemals eine Feuerwaffe betätigen, also haben sie, als kleines Amüsement für den Rest der Gang, nette, tägliche Aufgaben zu erledigen wie das Testen kugelsicherer Jackets, das Starten der höchstwahrscheinlich mal wieder verbombten Limousine des Chefs, die Abholung von Aquarienfischen beim örtlichen Tierhändler oder das Platzieren von Pferderennwetten. Als genau dies gründlich schiefläuft, schulden Harry und Moe Costelo urplötzlich eine Viertel Million Dollar. Weil keiner von ihnen seinen besten Freund reinreiten will, bekommen sie unabhängig voneinander den Auftrag, den jeweils anderen umzulegen. Eine prekäre Situation, durch die Harry und Moe sich nur durch die Flucht nach vorn und die Hilfe von Bobby D. (Harvey Keitel), seines Zeichens Pate von Atlantic City, retten können.

Dass De Palmas Œuvre sich in ganz unterschiedliche Subkategorien zergliedern lässt, ist seinen in der Filmografie des Meisters halbwegs bewanderten Freunden altbekannt. "Wise Guys" wäre demzufolge eine Art "Versuchsfilm", aus künstlerischer Perspektive möglicherweise entstanden mit dem erklärten Ziel, in anderen Bereichen als dem der hitchcockschen Hommage Fuß zu fassen. Gescriptet ist er als eine köstlich-altmodische Komödie, die ebensogut ein oder zwei Jahrzehnt(e) zuvor von I.A.L. Diamond geschrieben und von Billy Wilder mit Jack Lemmon und Walter Matthau hätte inszeniert werden können. Möglicherweise wären seine Meriten dann auch deutlich vorteilhafter ausgefallen, was nicht eben für eine rückblickend gerechte Behandlung von "Wise Guys" spricht.
Der Film bildet eine herzliche Plattform für sein Hauptdarstellerduo, hat mit Hedaya und Keitel, standards wie Frank Vincent und Julie Bovasso sowie vor allem dem Ex-Wrestler Lou Albano (der ein bisschen aussieht wie ein dicker Joe Spinnell auf coke) eine tolle Nebenbesetzung und macht infolge diverser launiger Gags sowie der ironischen Zeichnung des Ostküsten-Kleingangstermilieus einfach viel Freude. De Palmas Regie ist für eine Komödie vielleicht ein klein wenig zu experimentell mit einem 360°-Shot hier und einer kleinen Plansequenz dort. Aber das sind eben unverzichtbare Markenzeichen des Regisseurs. Man wird sich dereinst vermutlich nicht unbedingt an den kleinen "Wise Guys" erinnern, wenn man De Palmas Kino-Errungenschaften Revue passieren lässt - dies spricht aber keinesfalls gegen den Film, sondern allerhöchstens für De Palmas umfassendes Werk.

8/10

Brian De Palma New Jersey Atlantic City Mafia Ethnics Freundschaft


Foto

THE BIG EDEN (Peter Dörfler/D 2011)


"Was'n an 'Ständer' obszön? Is doch was ganz Natürliches."

The Big Eden ~ D 2011
Directed By: Peter Dörfler

Leider sind mir die ersten beiden Teile von Peter Dörflers Doku-Trilogie über "selbstdarstellerische Männerfiguren" nicht bekannt und überhaupt bin ich nur wegen seines schillernden "Untersuchungsobjekts" auf diesen Film gestoßen. Der ist aber ganz famos, so dass ich "Der Panzerknacker" und "Achterbahn" jetzt auch saugern sehen würde. Dörfler pflegt nicht den ganz üblichen Ansatz für einen Personendoku. Seine Interviewpartner lässt er, jeweils bildausfüllend und frontal direkt ins Objektiv und somit im Prinzip mit dem Zuschauer parlieren, was schonmal recht ungewöhnlich anmutet. Dazu gibt es als wundervoll arrangierte Unterstützung private und öffentlich zugängliche Fotografien Edens, die als eine Art tableaux vivants miteinander verwoben werden und wie eine ineinander fließende Diaschau gestaltet sind. Shimon "Rolf" Eden selbst wird zumeist vor schneeweißem Hintergrund von Freunden oder Familienmitgliedern befragt. Der Mann selbst bleibt aber auch nach diesem Filmgenuss genau das humane Enigma, das er schon seit vielen Jahrzehnten repräsentiert. 1930 geboren, mit drei Jahren und Familie nach Palästina emigriert, später früh (und erstmals) verheiratet, aktiv im israelischen Befreiungskrieg, danach Rückkehr nach Europa und über Paris nach Berlin, wo er diverse legendäre Clubs und Discos besaß, die besonders in den Siebzigern und Achtzigern zu Brennpunkten des Berliner Nachtlebens avancierten. Wer in und in Berlin war, musste in einem von Edens Schuppen verkehren. Heute ist der Mann ein nach wie vor eitler, misogyner Geck von 82 Jahren, der freien Liebe zugetan, lässt sich unregelmäßig liften, hat eine Ehefrau namens Brigitte um die 30 und sieben Kinder im Alter zwischen 14 und 63 Jahren von sieben verschiedenen Frauen. Er gilt als 'peinlichster Einwohner Berlins', ist gern als politisch unkorrekter Gast in Talkshows oder Boulevardzeitungen zugegen, wo er über Themen wie "Sex im Alter" schwadroniert, die Prostitution als einen erstrebenswerten weiblichen Berufsstand bezeichnet oder auch ganz einfach Wahrheiten absondert wie die, dass Geld geil mache. Den Beweis dafür hat er seit Dekaden angetreten. Eden ist kein besonders schöner Mann, er ist schmalschultrig mit dünnen Gliedmaßen, hat Glubschaugen und einen altersbedingten Schmerbauch. Es ist sein Narzissmus, der die Damen anlockt, und sein Portemonnaie. Dörfler ist, anders als den Talkmastern, die Eden einzuladen pflegen, nicht an der Denunziation oder einer Nabelschau des Lustgreises gelegen. Stattdessen hinterfragt er den Menschen und flechtet immer wieder Momente ein, die Eden als das zeigen, was er tatsächlich und eigentlich ist: Als einen alten Herrn von beneidenswerter Lebenserfahrung, der im Laufe seiner stolzen Linie irrsinnige biographische Purzelbäume vollzogen hat. Wenn er in Haifa mit Menahem Golan und zwei weiteren Männern seines Alters im Café sitzt und alte Anekdoten hervorkramt, dann wird sein Blick wehmütig. Er passt sich dann ganz den Gesprächspartnern an, verzichtet auf schmierigen Glamour, Arroganz und ordinäre Gesten und wirkt authentisch. Seine junge Frau ist nicht bei ihm und die dokumentarische Kamera scheint vergessen. In diesen Augenblicken gelingt es Dörfler, zum Kern vorzudringen und ungestelzte Ehrlichkeit hervorzukitzeln. Egal, in der nächsten Einstellung ist der "alte" Eden wieder da. Beim Frisör, beim Treffen mit seiner geliebten Uschi Buchfellner, der er mehr zugetan scheint als allen anderen Frauen seines Lebens, in deren Gegenwart er aber immer noch nicht auf seine schmierige Eden-Art verzichten kann. Vielleicht ist dieser vorgeblich so sehr vom Glück verfolgte, gern seine gelben Zähne bleckende Mensch in Wahrheit ein gefangener, tragisch verbrämter. Seine alten, gelifteten Augen lassen da durchaus den einen oder anderen Rückschluss zu.

9/10

Peter Dörfler Rolf Eden Berlin Paris Israel


Foto

THE SUM OF ALL FEARS (Phil Alden Robinson/USA, D 2002)


"This can't be happening."

The Sum Of All Fears (Der Anschlag) ~ USA/D 2002
Directed By: Phil Alden Robinson

Eine im Jom-Kippur-Krieg verlustig gegangene Atombombe wird von ein paar syrischen Bauern ausgegraben und für einen Minimalbetrag an den Waffenhändler Olson (Colm Feore) verschebelt. Dieser verkauft sie an ein wohlhabendes Netzwerk von Neonazis unter der Führung des fanatischen Dressler (Alan Bates) weiter, der damit einen verspäteten Weltkrieg zwischen Russland und den USA auslösen will. Tatsächlich scheint Dresslers Plan aufzugehen: Die Bombe wird, getarnt als Zigarettenautomat, unter dem Football-Stadion von Baltimore getarnt und während eines Spiels gezündet. Der dort anwesende US-Präsident Fowler (James Cromwell) kann durch die Intervention des jungen CIA-Analysten Jack Ryan (Ben Affleck) in letzter Sekunde vor dem Anschlag in Sicherheit gebracht werden, doch halb Baltimore liegt in Schutt und Asche. Da der neue russische Präsident Nemerov (Ciarán Hinds) wegen eines just angeordneten Militärschlags gegen Tschetschenien ohnehin unter höchster kritischer Begutachtung durch die USA steht, lastet man ihm den Anschlag an. Ein von einem von Dresslers Partnern durchgeführter Angriff auf einen Flugzeugträger der Navy scheint letzte Zweifel zu beseitigen: Auf beiden Seriten werden die Bomben scharf gemacht. Nur Ryan durchschaut die Hintergründe. Kann er den Dritten Weltkrieg rechtzeitig verhindern?

Ein unzweideutiges Bekenntnis zur political fiction sowie zum suggestiven 007-Charakter moderner Agententhriller und somit der bis dato beste Jack-Ryan-Film, ganz unabhängig davon, dass der charismatische Harrison Ford keine Lust mehr auf die Rolle hatte und Ryans Rolle in dem ganzen Spektakel stark zurückgestutzt und auf den jungen Ben Affleck zugeschnitten werden musste. Ryan ist hier urplötzlich wieder in seinen Anfangstagen bei der CIA, lernt gerade erst seine zukünftige Frau Cathy (Bridget Moynahan) kennen und hat noch einen anderen Boss namens Cabot (Morgan Freeman als nicht ganz ebenbürtiges James-Earl-Jones-Substitut). Darüberhinaus gibt es ein Wiedersehen mit John Clark, der diesmal nicht von Willem Dafoe, sondern von Liev Schreiber gegeben wird. Ansonsten stark von der Story des kurz nach dem Kalten Krieg veröffentlichten Romans abweichend wird hier kurzerhand ein neu aufflammendes Misstrauen zwischen den Weltmächten heraufbeschworen; der Russe ist und bleibt eben undurchsichtig und das Nuklearwaffenpotenzial reicht nach wie vor locker aus, um sich gegenseitig auf den Mond zu schießen. Im Roman sind islamische Terroristen für die Verschwörung zuständig, was im Falle einer Einszueins-Übertragung so kurz nach 2001 natürlich eine recht "geschmacklose" Filmdramaturgie bedingt hätte. So haben wird es jetzt mit wahnsinnigen Neonazis zu tun, ein universelles und angedenk einer international erfolgreichen Rezeption vor allem dankbares Feindbild. Der Film ist anders als die ursprünglichen drei Ryan-Filme also ohne eine betonte Realitätsanbindung zu verstehen und bringt sich damit vor allem um den Ballast des tierischen Ernstes. Eine Atompilz über Maryland, das ist schon ein starkes Stück. Hier aber haben wir ihn, live und in graugelber Farbe. Daraus erwächst zum Finale hin der spannendste Film des letzten Jahrzehnts, ein ungeheurer Nägelkauer, und das bei ohnehin völlig gewissem Ausgang. Als Regiearbeit Phil Alden Robinsons ist "The Sum Of All Fears" in dramaturgischer Hinsicht ein kleines Meisterk, makellos und fesselnd. Mag sein, dass die Geschichte mich persönlich anspricht, weil die Befürchtung, aktiv Zeuge eines Nuklearkriegs zu werden, eine meiner frühkindlichen Urängste widerspiegelt. Doch auch sonst fällt mir aus den letzten zehn Jahren kein anderer Film ein, der die Schweißtreiberei beim Publikum mit solch akribischer Perfektion verfolgt.

9/10

Phil Alden Robinson Tom Clancy Jack Ryan Atombombe Kalter Krieg Präsident CIA Terrorismus Maryland Russland Moskau


Foto

CLEAR AND PRESENT DANGER (Phillip Noyce/USA 1994)


"The world is gray, Jack!"

Clear And Present Dangerous (Das Kartell) ~ USA 1994
Directed By: Phillip Noyce

Als sich herausstellt, dass der auf seiner Yacht mitsamt seiner Familie erschossen aufgefundene Freund des US-Präsidenten Bennett (Donald Moffatt) nicht nur unheilige Verbindungen zu dem kolumbianischen Drogenkönig Escobedo (Miguel Sandoval) hatte, sondern auch von diesem hingerichtet wurde, gibt der höchste Mann im Staate rachsüchtigerweise den inoffiziellen Befehl zu einer militärischen, gegen die Drogenkartelle in Kolumbien geführten Operation namens 'Reciprocity'. Der kurzerhand zum stellvertretenden CIA-Chef ernannte Jack Ryan (Harrison Ford) bekommt davon zunächst nichts mit. Dafür wird der altgediente Profikiller John Clark (Willem Dafoe) angeheuert, der ein paar Marines mit ins Feld nimmt. Als Escobedos schurkische rechte Hand Cortez (Joaquim de Almeida), der sich seit Längerem mit einer Übernahme des Unternehmens seines Chefs trägt, mit Bennetts Berater Cutter (Harris Yulin) eine Art "Regulierungsplan" aushandelt, werden die im Feld befindlichen Söldner kurzerhand im Stich gelassen. Als Ryan davon Wind bekommt, hilft er Clark bei der Befreiung seiner Männer und bei einem Schlag gegen Cortez. Zurück in Amerika stellt er den Präsidenten zur Rede.

Flaggenpathos, America, the Beautiful, der Präsident, ein windiges Arschloch. Dass selbst höchstgestellte Staatsmänner niemals Dreck am Stecken haben, konnte man 1994 längst keinem mehr weismachen und so hatte der bis hierher unerschütterlich systemgläubige Jack Ryan diesmal gegen seinen härtesten Gegner, den US-Präsidenten in Person nämlich, anzutreten. Zwar ist sich Bennett gewisser staatsmännischer Kniffe bewusst, zeigt sich jedoch als nicht weitsichtig genug, die Konsequenzen für vorschnelle, emotionale Eintscheidungen abzusehen und sägt somit munter an dem moralisch ohnehin schwer vorbelasteten Amtsast, auf dem er hockt. Gegen den windigen Bennett sind sogar die Drogengangster aus Kolumbien im Prinzip Waisenknaben, denn die stehen wenigstens zu dem, was sie tun. So hat Ryan diesmal eine ganze Latte unliebsamer Personen mit legalen und illegalen Mitteln zu bekämpfen. Erstmals tritt hier der in Clancys Romanuniversum stets präsente Killer John Clark auf, einer, der schmutzige Jobs nicht deshalb erledigt, weil er sie gern tut, sondern weil er es gut kann. So wird er als heimlicher Held und sympathischer Charakter angelegt, der Ryan mehr als einmal den Hintern rettet. Von allen bisherigen Ryan-Filmen sieht "Clear And Present Danger" am Besten aus. Seine knackigen, bunten Bilder vom sonnendurchfluteten Kolumbien sind eine Augenweide und es gibt grandios inszenierte feuergefechte und Explosionen. Auch sonst gewinnt der Film gegenüber seinen Vorgängern deutlich an Profil. Ryans nach wie vor naives Weltbild wird abgelöst durch einen wesentlich komplexeren Blick auf die Dinge, Helden und Schurken lassen sich nunmehr nicht immer klar voneinander trennen.
Als Actionthriller für die Neunziger ist "Clear And Present Danger" großartig.

8/10

Phillip Noyce Tom Clancy Jack Ryan Drogen CIA Kolumbien Präsident Söldner Profikiller Rache Verschwörung Washington D.C.


Foto

PATRIOT GAMES (Phillip Noyce/USA 1992)


"I want back in!"

Patriot Games (Die Stunde der Patrioten) ~ USA 1992
Directed By: Phillip Noyce

Jack Ryan (Harrison Ford) hat sich mittlerweile aus der CIA verabschiedet und hält nun Vorträge und Seminare in der Militärausbildung ab. Bei einer Reise nach London wird er zufällig Zeuge, wie der IRA-Terrorist Sean Miller (Sean Bean) auf offener Straße ein Familienmitglied (James Fox) der Windsors kidnappen will. Ryan verhindert den Anschlag und tötet dabei Millers ihn begleitenden, jüngeren Bruder (Karl Hayden). Miller schwört Rache, setzt sich mit einigen Kameraden (u.a. Patrick Bertgin, Polly Walker) vom gemäßigten Teil der IRA ab und startet, nachdem er bei einem Gefangenentransport fliehen kann, einen Privatfeldzug gegen Ryan und seine Familie (Anne Archer, Thora Birch). Der einzige Weg, um den zunehmend irrsinnig handelnden Miller aufzuhalten, führt für Ryan geradewegs zurück zur CIA...

In einer deutlich erdiger angelegten, wenngleich wiederum eindimensional abgespulten Action-Politthriller-Melange überführt der Australier Phillip Noyce Jack Ryan in seine nächste Film-Inkarnation - rund zwanzig Jahre älter aber mit einem nur geflissentlich älteren Töchterchen als im "Vorgängerfilm" beginnt Ryan hier noch nichtmal mehr als etwas unbeholfener Agent, sondern als steifer Bücherwurm, der in Ohnmacht fällt, wenn er im Nahkampf angeschossen wird und dicke Krokodilstränen am Krankenbett seiner Kleinen vergiest. Mann, ist der Mann männmenschlich! Dennoch: Als Miller seinen Liebsten an den Kragen will, greift Ryan zu entschlossener Kompromisslosigkeit. Er hetzt eine ganze Abteilung von CIA-Mitarbeitern gegen Miller und seine terroristische, längst von allen Idealen abgewichene Splittergruppe und wird schließlich via Satellitenübertragung Zeuge, wie die SAS ein libysches Terroristencamp, in dem Ryan seine Gegner vermutet, ausradiert. Hier erreicht "Patriot Games" ein nicht nur bei Ryan Gänsehaut erzeugendes, dem Film ansonsten eigentlich gar nicht zukommendes, kritisches Reflexionsniveau über moderne Kriegsführung und Militärmanagement. "Patriot Games" ist anders als "Red October", aber zumindest auch geflissentlich aufregender: Er versteht es, den Zuschauer emotional deutlich zwingender zu involvieren, macht Ryans persönliche Sache zugleich zu der des Publikums und hält Selbiges damit gut bei der Stange. Der recht brutale Showdown sorgt dann endgültig für eine deutliche Emanzipation dieses Films gegenüber McTiernans: Jack Ryan schlägt zu!

7/10

Phillip Noyce Tom Clancy Jack Ryan Nordirland-Konflikt IRA London Maryland Libyen Terrorismus Rache Duell





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare