Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

THE HUNT FOR RED OCTOBER (John McTiernan/USA 1990)


"Wars have begun that way, Mr. Ambassador!"

The Hunt For Red October (Jagd auf Roter Oktober) ~ USA 1990
Directed By: John McTiernan

Im Jahre 1984 wird der junge CIA-Analyst John 'Jack' Ryan (Alec Baldwin) Hals über Kopf zu einer Krisensitzung nach D.C. beordert, als eines seiner "Studienobjekte", der sowjetische Kapitän Ramius (Sean Connery) sich mit dem von ihm kommandierten U-Boot "Roter Oktober" von der Flotte absetzt und sich durch den Nordatlantik Richtung Amerika vorarbeitet. Während die ihn bereits mit großen Flottenteilen verfolgenden Russen verlauten lassen, der noch nicht lange verwitwete Ramius habe einen Nervenzusammenbruch erlitten, sei nun völlig außer Kontrolle und habe dem Kreml in einem Brief mitgeteilt, dass er die Ostküste der USA bombardieren wolle, hält Ryan all das für ein Ablenkugsmanöver. Er ist überzeugt, dass Ramius mitsamt seinem Führungsstab und der Roter Oktober überlaufen will. Ryan riskiert Kopf und Kragen, um seine Theorie zu beweisen und Ramius vor der Paranoia seiner Landsleute zu retten.

Im ansonsten nicht sonderlich informativen, retrospektiven Making-Of der DVD sagt Alec Baldwin einen interessanten Satz: "Wenn man um 90 in der Business Class reiste", so Baldwin, "konnte man beobachten, dass acht von zehn der mitfliegenden Anzugträger einen Clancy-Roman in der Hand hatten". Pointierter kann man die Leserschaft des Gottvaters des trivialen Techno-Thrillers wohl kaum subsumieren. Männlich, betucht, gepflegt, konservativ. Vermutlich weiß dazu und, im Zweifelsfall, Republikaner.
"The Hunt For Red October" erschien 1984 und führte den CIA-Sesselpuper Jack Ryan als Heldenfigur ein, die mittlerweile durch rund dreizehn Romane Clancys spukt, es in deren Parallelrealität bereits zum amerikanischen Präsidenten gebracht hat und dessen Sohnemann ihn protagonistisch mittlerweile als deutlich kreglerer Jungspund abgelöst hat. Im Gegensatz zur reibungslosen Chronolgie der Bücher hatte es Ryan bezüglich der hollywoodschen Kontinuität der Drehbuch-Dinge nicht eben leicht und wurde binnen vier Kinoabenteuern einmal deutlich älter gemacht und später dann wiederum ordentlich verjüngt. In McTiernans Film, einer starbesetzten Kalter-Kriegs-Fabel, die mit ihrer globalpolitischen Schilderung trotz entsprechender Hinweise auf eine sich zurückdatierenden Erzählzeit etwas spät dran war, spielt Alec Baldwin als Jack Ryan eher die zweite Geige. Der von einem weißgraumelierten Sean Connery gespielte, litauische Seewolf Marko Ramius steht als genialischer Gefechtsstratege und Experte in Sachen maritime Schlachten deutlich im Vordergrund und hat denn auch diverse Gelegenheit, seine wohlüberlegten, Schachzügen ähnelnden tricks und Finten auszuspielen. Amerikaner und Russen werden genarrt, es geht schließlich um den Ritt geradewegs durch die Barrieren des Eisernen Vorhangs. Zwar kommt es dabei zu einigen Kollateralschäden, die entsprechenden Opfer sind aber garantiert allesamt selbst dran schuld. Im Gegensatz zu der physischen Action seiner beiden vorzüglichen Genreklassiker "Predator" und "Die Hard" war McTiernan hier auf die mittelbare Darstellung von Zweikampf und Duell angewiesen, was der Zugkraft seines Films nicht immer bekommt. Irgendwie scheinen sich die Emotionen hinter dicken Stahlwänden und Millionen Tonnen Wasser leichter abkühlen zu können, der klaustrophobischen, submarinen Enge der paradoxerweise trotzend. Möglicherweise liegt es auch schlicht an der zwangsläufigen Statik der Figuren, die eben nicht viel mehr tun können als schwitzen und Befehle bellen. Insgesamt ein recht spannend vorgetragener Film, wenngleich auch ein recht biederer.

7/10

John McTiernan Jack Ryan Tom Clancy U-Boot Kalter Krieg period piece CIA Atombombe


Foto

CASUALTIES OF WAR (Brian De Palma/USA 1989)


"This ain't the army, Sarge."

Casualties Of War (Die Verdammten des Krieges) ~ USA 1989
Directed By: Brian De Palma

Tay Nguyen, November 1966. Der erst vor wenigen Wochen in Vietnam eingetroffene Private Eriksson (Michael J. Fox) wird Zeuge, wie sein Sergeant Meserve (Sean Penn) und drei seiner Untergebenen (Don Harvey, John C. Reilly, John Leguizamo) ganz gezielt das Bauernmädchen Oanh (Thuy Thu Lee) entführen und vergewaltigen. Als sie im Zuge eines Gefechts zu strategischem Ballast wird, lässt Meserve sie ermorden. Als noch bedrückender denn das eigentliche Verbrechen empfindet Eriksson seine mangelnde Zivilcourage. Anstatt dem Mädchen zu helfen und sich aktiv einzumischen, konnte er nur hilflos danebenstehen. Um wenigstens die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen, macht Eriksson schließlich Meldung bei der Kommandatur.

Basierend auf dem authentischen "Hill-192-Zwischenfall", der 1969 für internationale Furore sorgte, nachdem der Journalist Daniel Lang eine Story darüber im 'New Yorker' veröffentlicht hatte, inszenierte De Palma diesen aufwühlenden, teilweise nur schwer zu ertragenden Kriegsfilm. Dabei bildet "Casualties Of War" bereits die zweite Spielfilmabhandlung zum Thema, die erste ist Michael Verhoevens "o.k." von 1970, die sich die zugrundeliegenden Ereignisse in einer Mischung aus journalistischer Akkuratesse und künstlerischer Verfremdung im bayrischen Wald zutragen ließ und im selben Jahr für einen Skandal bei der Berlinale und schließlich deren vorzeitigen Abbruch sorgte. De Palmas Version fällt im Vergleich dazu natürlich wesentlich glatter und konsumierbarer aus, bleibt als Beispiel gleichsam geschickter wie hemmungsloser inszenatorischer Gefühlsmanipulation jedoch umso stärker im Gedächtnis des Zuschauers haften. Die Szenen, die Oanhs Leidensweg beschreiben, sind von bis heute kaum mehr erreichter Intensität, was wahrwscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass sich das Ungeheuerliche hier ausnahmsweise nicht wie gewohnt in einem unabhängig produzierten oder sleazigen Undergroundfilm zuträgt, sondern in einem starbesetzten Hochglanz-Studiofilm, mit dem jungen Michael J. Fox als prononciert universellem Rezeptionsagenten. Hinzu kommt Ennio Morricones tragischer Score, der von der Panflöte bis hin zu Himmelschorälen alle Register pathetischer Filmmusik auf das Grandioseste zieht.
Anders als die aus derselben umfangreichen Kriegsfilmgeneration stammenden "Platoon" oder "Full Metal Jacket", die, womöglich zurückzuführen auf den hohen Wiedererkennungswert einzelner Szenen oder auch auf formal Triviales wie ihre treibende Songauswahl, eine gewisse allgemeine "kultische" Betrachtungsebene erreicht haben, ist "Casualties Of War" nach wie vor ein Film, den man sich phasenweise höchst ungern anschaut. Weil er zugleich unendlich traurig ist und sein Publikum darüberhinaus ohnmächtig und sprachlos zurücklässt. Desweiteren zeigt er die losgelöste Entmenschlichung junger amerikanischer Männer auf scheinbar realitätsfremdem Terrain auf eine so eingängige Weise wie kaum ein anderer Genrtefilm. Allein darin liegt, bei aller berechtigten Kritik an seinen Establishment-Wurzeln und seiner politischen Undifferenziertheit, sein hohes Verdienst.

9/10

Brian De Palma Vietnamkrieg Vergewaltigung Daniel Lang Transgression Kidnapping


Foto

BIANCO APACHE (Bruno Mattei, Claudio Fragasso/I, E 1987)


Zitat entfällt.

Bianco Apache (Der weiße Apache - Die Rache des Halbbluts) ~ I/E 1987
Directed By: Bruno Mattei/Claudio Fragasso

Aufgewachsen bei den Chiricahua-Apachen gerät der blonde Krieger Shining Sky (Sebastian Harrison) in die Bredouille, als er sich in dasselbe Mädchen (Lola Forner) verguckt wie sein Stiefbruder. Bei einem Duell verwundet sich dieser in rasender Wut durch einen Unfall selbst tödlich. Shining Sky soll in der Folge die Welt der Weißen erkunden, der er schließlich entstammt. In der sogenannten Zivilisation schlagen ihm jedoch nur Rassismus und Gier entgegen. Als der eiskalte Mörder Ryder (Charly Bravo) Shining Skys Stamm mit einer Wagenladung Feuerwasser gefügig machen will, ist der junge Mann endgültig nicht mehr zu halten und schlägt die bösen Bleichgesichter in die Flucht. Ryder schwört tödliche Rache und Shining Sky und seiner mittlerweile schwangeren Frau bleibt nurmehr die Flucht in die Berge, wo es zum finalen Duell kommt.

Eines der unzähligen, charmanten Regieverbrechen, die der unermüdliche Exploitation-Dynamo Bruno Mattei zusammen mit seinem fortwährenden Kompagnon Claudio Fragasso in den späteren Achtzigern aus dem Hut zauberte. "Bianco Apache" bildet zusammen mit dem von fast identischem Personal und zeitgleich entstandenen "Scalps" einen der letzten Aufbäumungsversuche des Spaghetti-Western und führt geradezu plastisch nachvollziehbar vor Augen, warum die Zeit für diese Art Film abgelaufen war. Mit dem unglaublich hölzern agierenden Richard-Filius Sebastian Harrison vorneweg scheint bereits die Besetzung aufgeschmissen; dennoch erblickt man immerhin die altvertrauten Gesichter Luciano Pigozzis und Charles Borromels. Ferner erfreut die hübsche Lola Forner des statthaften Mannes Herz. Man kann auch kaum behaupten, dass das staubige Terrain Almerías schlecht in Szene gesetzt wurde, wenngleich die Herren Regisseure es mit dem Rosafilter für einen möglichst bonbonfarbenen Firmamentslook hier und da vielleicht etwas zu gut meinen. All das stört aber nicht. Was wirklich miesepetrig hängenbleibt, ist der völlig einfallslose und dummdreist erzählte Plot, der versucht, seine Widerhaken in die Substanz veritabler Genreklassiker wie "Little Big Man", "Soldier Blue" und "A Man Called Horse" zu schlagen, dabei jedoch zu keiner Sekunde mehr als unrührige Bilder mit jeder Menge unfreiwilligem Humor hervorzubringen vermag. Man kennt das, wenngleich man meinen sollte, dass die Italiener im Zuge von zweieinhalb Dekaden gerade jener eigenen Gattungsgeschichte ein bisschen was gelernt haben; doch weit gefehlt: Jeder "Winnetou"-Film vereint weniger Klischees in sich. Immerhin, so gibt es wenigstens gut was zu lachen. Und die aktuelle DVD-Veröffentlichung in sehr guter Qualität ist sowieso ein löblicher Schritt nach vorn. Vielleicht erwärmt sich nun langsam endlich mal ein Label für schmerzlich vermisste Kracher wie "Strike Commando" und "Double Target".

4/10

Bruno Mattei Claudio Fragasso Indianer Europloitation Italowestern Franco Prosperi


Foto

ANGEL TOWN (Eric Karson/USA 1990)


"They may have taken your legs, but they couldn't take your heart!"

Angel Town ~ USA 1990
Directed By: Eric Karson

Der aus schwierigen Verhältnissen stammende, mehrfache Kickbox-Weltmeister Jacques (Olivier Gruner) kommt nach L.A., um dort Maschinenbau zu studieren. Da das Semester bereits begonnen hat, bekommt er nurmehr ein Zimmer in East L.A., im Haus einer Chicano-Familie, die allenthalben von der örtlichen Gang drangsaliert wird. Da Jacques ordentlich austeilen kann, wird er bald zum Beschützer der Familie, wobei sein alter Freund Henry (Peter Kwong) ihm zur Hilfe kommt. Der Gangboss Chuwey (James Carrera) versteht jedoch keinen Spaß und greift zu immer blutigeren Methoden, um seine Vormachtsstellung im Viertel zu untermauern.

"Angel Town" bildete den Versuch, mit Olivier Gruner einen zweiten Van Damme im amerikanischen Actionfilm-Biz unterzubringen. Der aus Paris stammende Gruner, dem Vernehmen nach auch im wahren Leben ein mit allen Wassern gewaschener Tausendsassa, der scheinbar alles einmal ausprobieren muss, hatte im Prinzip nur sich selbst zu spielen und konnte somit gleich die Hauptrolle ausfüllen. Als sichtlich limitiertem Darsteller ist ihm die Erleichterung förmlich anzumerken, wenn in einer Einstellung kein differenziertes Mienen- sondern Muskelspiel gefragt ist und es einmal mehr ordentlich Keile gibt. Die Story ist, man merkt es schon, denkbar simpel zusammengezimmert. "Angel Town" bildet eine weitere "Shane"-Abwandlung des semimystisch verklärten Fremden, der kommt, sieht, siegt und danach zu neuen Heldentaten aufbrechen kann. Ungewöhnlich ist bestenfalls der Handlungsort East L.A., der nach Hoppers "Colors" mit einer gewissen Brisanz genossen wurde und hier als vollkommen undifferenziert dargestellter Schauplatz für eine tradierte Heldengeschichte herzuhalten hat. Karson kann sich derweil, wie eigentlich immer in seinen Filmen, nicht zum eindeutigen Bekenntnis zur kompromisslosen visuellen Gewalt durchringen. Jacques bricht zwar Beine, aber keine Genicke. Umso befremdlicher der Showdown, in dem der permanent von der Gang bedrohte Martin (Frank Aragon) quasi seine Unabhängigkeit zugestanden bekommt, indem er den Leader Chuwey totschlägt. "Das Gesetz der Gosse; nur gut, dass unsereiner damit nichts weiter zu tun hat als einen Film hier und da," scheint es als unsichtbare Schrifttafel die end credits einzuleiten. Um ehrlich zu sein, ist es wenig verwunderlich, dass man von Gruner nurmehr wenig hört.

4/10

Eric Karson Martial Arts Los Angeles East L.A. Slum Shane-Variation Independent Ethnics Belagerung


Foto

THE LONGEST DAY (Ken Annakin, Andrew Marton, Bernhard Wicki/USA 1962)


"Wounds my heart with a monotonous languor."

The Longest Day (Der längste Tag) ~ USA 1962
Directed By: Ken Annakin/Andrew Marton/Bernhard Wicki

Ungeachtet der miesen Wetterlage starten die Alliierten am 6. Juni 1944 die Invasion in der Normandie und überrumpeln den Generalstab der Wehrmacht, der aufgrund seines Hochmut und seiner schlechten Organisation den Angreifern nur wenig entgegenzusetzen hat.

Ganz Darryl F. Zanucks Baby, sorgte dieses ehrgeizige, monumentale Projekt nicht nur für eine künstlerische Rehabilitierung des einstigen Tycoons, sondern beförderte ihn zudem zurück auf den Chefsessel bei Fox. "The Longest Day" zeichnet sich vor allem durch seinen unbedingten Willen zur Akkuratesse aus. Dieser sorgt zwar manches Mal dafür, dass "The Longest Day" einen semidokumentarischen Anstrich erhält, der ihn weg vom pathetischen Hollywood-Spektakel und hin zur authentizitätsbesessenen Geschichtsstunde rückt, dem ansonsten stets fesselnden Film tut dies jedoch keinen Abbruch. Ein weiteres großes Verdienst besteht noch in der beispiellosen Art seiner Kopilierung. Drei internationale (dabei jedoch recht unbedarfte, Zanuck und seinen Kommandos unterstehende) Regisseure waren für die nahezu gleichberechtigt nebeneinander stehenden Handlungsstränge verantwortlich und inszenierten mit jeweils landesentsprechender Besetzung und in der hauseigenen Sprache. Überhaupt war "The Longest Day" um 61/62 'the film to be in', was dazu führte, dass nicht nur die meisten hauseigenen Stars der Fox im Film zu sehen sind - darunter auch die vom "Cleopatra"-Set freigestellten Richard Burton und Roddy MacDowall -, sondern auch eine stattliche Anzahl deutscher, britischer und französischer Prominenz. Kaum eine Einstellung, in der nicht irgendein bekanntes Gesicht zu erhaschen wäre - was eine wirklich glaubhafte Realitätsanbindung letzten Endes natürlich völlig unmöglich macht. Dennoch ist und bleibt "The Longest Day" zumindest aus der historischen Perspektive der wichtigste Spielfilm über die alliierte Invasion.

9/10

Ken Annaki Andrew Marton Bernhard Wicki Historie period piece WWII Frankreich D-Day Militär Nationalsozialismus Rommel Cornelius Ryan


Foto

JACOB'S LADDER (Adrian Lyne/USA 1990)


"According to this, you're already dead."

Jacob's Ladder ~ USA 1990
Directed By: Adrian Lyne

Der Vietnamveteran und Postangestellte Jacob Singer (Tim Robbins) wird urplötzlich Zeuge mysteriöser Vorgänge und Visionen. Dämonische Gestalten scheinen ihn zu verfolgen und auch Personen aus seinem alltäglichen Umfeld wie seine Freundin Jessy (Elizabeth Peña) in ihr höllisches Spiel zu integrieren. Damit nicht genug, durchleben auch andere Männer aus Jacobs ehemaligem Platoon ähnliche Halluzinationen. Der Plan einer Sammelklage misslingt jedoch, da man offensichtlich von höchster Regierungsstelle den gesamten Kriegseinsatz der Männer zu verschleiern sucht. Zudem scheinen missliebige Zeugen kurzerhand ausgeschaltet zu werden. Was steckt wirklich hinter alldem?

Film als Agonie und Todestraum: Am Ende fügt sich alles, und ob Jacob und seine Kameraden an diesem diesigen, blutig endenden Tag in Da Nang wirklich nur miesen Shit geraucht haben oder doch zu unfreiwilligen Versuchskaninchen für aggressionsschürendes LSD geworden sind, wie es Jacobs herbeiphantasierter Botschafter Michael (Matt Craven) berichtet, behält der Film zu guter Letzt für sich. Es spielt auch überhaupt keine Rolle. Hier geht es um einen unter dem bereits herabsausenden Fallbeil ausgetragenen, finalen inneren Konflikt; Blitzlichter, letzte erotische Wunschträume, stream of consciousness. Das Ganze dargeboten mithilfe eines klar umrissenen, bildlichen Bibelkontexts um den Erzvater Jakob und die Himmelsleiter. Letzten Endes dreht sich "Jacob's Ladder" als ergreifender Antikriegsfilm mit gehobenem Verstörungspotenzial in der Tradition von "Johnny Got His Gun" ums Loslassen, um den überfälligen Übergang ins Jenseits, der nach den bösen Erfahrungen der letzten Tage erst wieder in Urvertauen umschlagen und bewerkstelligt werden muss. Eindeutige logische Scriptpatzer wie der, dass der 1971 versterbende Jacob im Zuge seiner Todesvision eine Party besucht, auf der erst drei Jahre später veröffentlichte Songs gespielt werden, muss man da wohl oder übel großzügig nachsehen. Auch wenn sie die Sinnsuche dieses ansonsten brillanten Films unnötig erschweren.

9/10

Adrian Lyne Vietnamkrieg period piece Drogen Militär New York Veteran Verschwörung


Foto

GEORGE HARRISON: LIVING IN THE MATERIAL WORLD (Martin Scorsese/USA 2011)


"It didn't need any light. He himself lit the room."

George Harrison: Living In The Material World ~ USA 2011
Directed By: Martin Scorsese

In stattlicher, aber dennoch wie im lug vergehender Laufzeit interviewt der Film diverse Freunde, Kollegen und Familienmitglieder des großen Rockgitarristen George Harrison und präsentiert zugleich ein stattliches Reservoir an Acrivaufnahmen mit dem Künstler. Ihm als dem "Stillsten" der Beatles widmen Film und Scorsese insbesondere eine Vielzahl Einblicke in Harrisons Reise in die Spiritualität, seine Trips nach Indien, seine Beziehungen zu dem Maharishi Yogi und dem Sitarmusiker Ravi Shankar. Diese "Bewusstwerdung" Harrisons, die, später wesentlich unbewachteter von der Öffentlichkeit, der er lernte, den Rücken zuzukehren, eine nach wie vor wesentliche Position in seinem Leben und Sterben einnahm, nimmt das zentrale Moment des Films ein. Ansonsten gibt es natürlich keinen Harrison ohne Beatles; einen Großteil seines Filmes widmet Scorsese auch einem historischen Abriss über die Fab Four; glücklicherweise kommen jedoch auch spätere Weggefährten wie Phil Spector, der Harrisons erstes Soloalbum mitproduzierte, oder Eric Idle und Terry Gilliam zu Wort, deren Monty-Python-Truppe Harrison mit seiner just gegründeten Firma Handmade Films ihr Hauptwerk "The Life Of Brian" rettete. Tom Petty berichtet über die leider nur kurzlebige Phase der Travelling Wilburys und Harrisons zweite Frau Olivia mit rührender Gefasstheit über ihre turbulenten letzten Jahre mit der ersten Krebsdiagnose, dem Überfall eines Irren auf Harrisons Villa Friar Park und einem letzten, Ruhe spendenen Rückzug in die Einsamkeit der Fidschis. Alles, wenngleich manch einem sicherlich zumindest in groben Zügen längst geläufig, hochinteressant vorgertragen und wunderhübsch komponiert; ein weiterer Triumph unter Scorseses Musiker-Bios im Speziellen und der Musikdokumentation allgemein.

9/10

Biopic Martin Scorsese George Harrison The Beatles Musik period piece Indien England


Foto

ALATRISTE (Augustín Díaz Yanes/E 2006)


Zitat entfällt.

Alatriste ~ E 2006
Directed By: Augustín Díaz Yanes

Der spanische Recke Alatriste (Viggo Mortensen) verdingt sich zwischen seinen Kriegseinsätzen für Phillip IV (Simon Cohen) in Flandern und anderswo als Söldner, der zuweilen auch für "inoffizielle" Missionen seitens des Königshauses missbraucht werden soll, meist jedoch die ihn umgebenden Ränke durchschaut. Ansobnsten scheint ihm ein Schutzengel hold zu sein, er überlebt diverse Intrigen, Verrat und Mordversuche, eine scheiternde Liebe und bewahrt seinen Ziehsohn Íñigo (Unax Ugalde) vor allerlei Unbill.

Basierend auf einer fünfbändigen Romanreihe um einen fiktiven Kriegshelden im 17. Jahrhundert präsentiert sich "Alatriste" als ebenso kostspieliges wie ambitioniertes Werk, das zugleich jedoch eindrucksvoll aufzeigt, dass und warum Hollywood von historisch gefärbten Abenteuern bereits traditionell deutlich mehr versteht. Formal gibt sich Yanes' Film weithin tadellos. Die Kostüme, Requisiten und set pieces sind von erlesener Authentizität, die Anbindung an reale geschichtliche Ereignisse offenbar geschickt verflochten. Hinzu kommen diverse Verweise an die zeitgenössische Malerei- und Kunstgeschichte; die Schlachten und Degenduelle werden alten Stichen gleich inszeniert. Leider zerfällt der recht lange "Alatriste" jedoch allzu häufig ins Episodenhafte. In abgehackter Windeseile prescht er durch einundzwanzig Jahre erzählter Zeit, versucht, neben dem Titelhelden noch diverse Nebencharaktere profund zu machen und scheitert letztlich an seinem unerfüllbaren Selbstanspruch. Bei aller Ästhetik und all seinen schönen Momenten wirkt der Film am Ende inkohärent und inkonsistent, als allzu desinteressiert an seinem Figureninventar und seinen vorgestellten Ereignissen. Gelegentlich aufkeimendes Pathos wirkt aufgesetzt und fehl am Platze und Mortensen, der offensichtlich engagiert wurde, um eine gewisses internationales Interesse zu evozieren, zuweilen unterfordert und gelangweilt. So gereicht es dem vor vorschüssigem Potenzial überschäumenden "Alatriste" leider nur zu einem durchschnittlichen Filmerlebnis.

6/10

Augustín Díaz Yanes period piece Spanien Achtzigjähriger Krieg Belgien Barock


Foto

SPOORLOOS (George Sluizer/NL, F 1988)


Zitat entfällt.

Spoorloos (Spurlos verschwunden) ~ NL/F 1988
Directed By: George Sluizer

Eine Reise nach Frankreich endet für das junge Amsterdamer Paar Rex (Gene Bervoets) und Saskia (Johanna ter Steege) abrupt und verfrüht an einer Autobahntankstelle bei Nimes. Saskia, die kurz Getränke holen will, verschwindet und ist hernach wie vom Erdboden verschluckt. Drei Jahre später ist die Fahndung nach ihrem Verbleib für Rex zu einer existenzbestimmenden Obsession geworden. Da wird Saskias damaliger Entführer, der nach außen hin gefasste Familienvater und Chemielehrer, tatsächlich jedoch von gewaltigen psychischen Untiefen geprägte Raymond (Bernard-Pierre Donnadeu) auf Rex aufmerksam. Bald fasst er einen Plan, um Rex' aufdringliche Schnüffelei zu unterbinden: Er will sich ihm vorstellen und ihn auffordern, dasselbe Schicksal wie Saskia zu durchleben. Danach wären sämtliche Fragen geklärt...

Sluizers böser kleiner Kidnapping-Film, der mit der Erfüllung einer archaischen menschlichen Urangst schließt, lohnt immer wieder das Anschauen. Die teils achronologische Erzählweise, die den jeweils zur Besessenheit gewordenen Alltag zweier von unerreichbaren Zielen träumender Männer konterkariert, gerät zum Bestandteil eines der vermutlich ausgefeiltesten und cleversten Thrillerscripts seiner Zeit. Wenngleich Sluizers recht bieder gestaltete, manchmal fernsehfilmartig wirkende Inszenierung einer solchen Parallele auf den ersten Blick widerspricht: Motivik und Geschichte hätten Hitchcock ganz bestimmt in höchste Wallungen gesetzt und unter seiner Ägide einen auch formal makellosen Film zu Tage gefördert. So lebt "Spoorloos" vornehmlich von seiner ausgebufften Montage, die in einem verstörenden Finale gipfelt und mit einem letzten Close-Up auf Donnadeus üblicherweise zwischen verschlagen und freundlich oszillierendem, in dieser Situation jedoch nachdenklichem Gesicht zumindest den Hauch einer Gewissheit hinterlässt, dass dieser Mann mit seiner Schuld nicht lange wird leben können. Ein leidlich schwacher Trost angesichts seiner ungeheuerlichen Verbrechen.

8/10

George Sluizer Niederlande Frankreich Kidnapping Madness Duell


Foto

MIRACLE AT ST. ANNA (Spike Lee/USA, I 2008)


"Defend yourself."

Miracle At St. Anna (Buffalo Soldiers '44 - Das Wunder von St. Anna) ~ USA/I 2008
Directed By: Spike Lee

New York, 1983: Urplötzlich zieht der Postangestellte Hector Negron (Laz Alonso) eine Luger und erschießt einen vor seinem Schalter stehenden Kunden (Sergio Albelli). Danach verstummt er zur Gänze. In Negrons Wohnung findet sich derweil der verschollen geglaubte Kopf einer florentinischen Statue an. Ein wackerer junger Reporter (Joseph Gordon-Levitt) entlockt dem mittlerweile einsitzenden Mörder schließlich die Wahrheit über seine Tat und das Kunstrelikt: Rückblende Toscana, Italien 1944: Vier versprengte G.I.s (Alonso, Derek Luke, Michael Ealy, Omar Benson Miller) der 92. Infanteriedivision finden sich nach einem Gefecht gegen die Wehrmacht abgeschnitten von ihren Vorgesetzten und versprengt in der Provinz wieder. Der körperlich hünenhafte, aber geistig etwas einfache Private Train nimmt aus einer zerstörten Kirche den kleinen, desorientierten Angelo (Matteo Sciabordi) und den Statuenkopf mit. In einem Gebirgsdorf finden die Männer und der Junge schließlich vorübergehenden Unterschlupf, derweil sich einheimische Partisanen und Deutsche heftige Gefechte liefern. Als schließlich die G.I.s auf die Partisanen treffen, wird die Situation brenzlig, denn einer von ihnen ist ein Verräter...

Coppola hat's getan, Kubrick hat's getan, De Palma hat's getan, Spielberg hat's getan, Mallick hat's getan, Eastwood hat's getan, bei Scorsese steht's noch aus - früher oder später muss wohl jeder in den letzten drei bis vier Jahrzehnten aktive, große amerikanische Filmregisseur seinen persönlichen Kriegsfilm vorlegen. Spike Lee fand das passende Sujet für jenes Epos in James McBrides Roman "Miracle At St. Anna", der um die Erlebnisse einiger Männer der 92. Infanteriedivision kreist, einem ausschließlich aus Afro-Amerikanern bestehenden, im Ersten und Zweiten Weltkrieg eingesetzten Regiment. Im Gedenken an die originären 'Buffalo Soldiers' des 19. Jahrhunderts trugen die Männer als Emblem einen Büffelaufnäher auf der Jackenschulter. Buch und Film entspinnen nun ein äußerst komplexes Handlungsgeflecht, das sich allzu wüster Stereotypisierung enthält, wenn auch nicht ganz ohne sie auskommt. Sämtliche der vorkommenden Personengruppen werden nochmals mehr oder weniger behutsam intradifferenziert: Bei den US-Soldaten gibt es den unfähigen weißen Offizier (D.B. Sweeney) sowie Konfliktpotential bezüglich der Umwerbung der einheimischen Schönen Renata (Valentina Cervi); die Provinzitaliener bestehen gleichsam aus Partisanen, Faschisten und apolitischen Dorfbewohnern, die Deutschen verfügen über die böse SS und die gutherzigen Landser, die anno 44 längst keinen Bock mehr auf den Waffendienst hatten. Über allem steht jedoch der kleine Angelo, ein als Zeuge eines Massenmordes durch die SS schwer traumatisiertes, zugleich jedoch spirituell angehauchtes Kind, das seinen Retter Train, dem "Schokladenriesen", ersteinmal prüfend über die Wange leckt. Dass die Aufopferung der vier Männer für den Jungen von schicksalhafter Vorzeichnung geprägt ist, wird Hector rund vierzig Jahre später erfahren, als es an ihm ist, gerettet zu werden. "Miracle At St. Anna" steht in der Tradition klassischer Kriegsdramen wie "The Seventh Cross", "The Search" oder "The Mortal Storm" und erweist sich bei aller berechtigten Kritik an seinem nicht immer klischeefreien Ablauf (speziell das beinahe grenzsurrealistische Ende mitsamt Abspann ist sicherlich nicht unproblematisch) als insgesamt noch ebenso aufwühlend und fesselnd wie seine großen Vorbilder. Dass die allgemeine Rezeption Lees ehrgeizigem Film mit solchem Zaudern begegnet, kann ich nicht recht begreifen.

8/10

Spike Lee James McBride WWII Italien Freundschaft Kinder Nationalsozialismus Historie period piece Rassismus Toskana





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare