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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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SUNSHINE (Danny Boyle/UK, USA 2007)


"I volunteer."

Sunshine ~ UK/USA 2007
Directed By: Danny Boyle


In nicht allzu ferner Zukunft droht die Sonne zu verglühen und damit alles irdische Leben auszulöschen. Um dem vorzubeugen, schickt man das Schiff Icarus II als letzte Hoffnung der Menschheit gen Galaxiezentrum. Eine gigantische, an Bord befindliche Bombe soll den Sonnenkern neu entzünden und den Himmelskörper somit wieder zum Strahlen bringen. Die bereits sieben Jahre zuvor entsandte Icarus I, deren Besatzung denselben Auftrag hatte, ist auf ihrer Mission verschwunden. Als die Icarus II sich auf der Höhe des Merkur befindet, empfängt sie eine Notrufschleife von dem Vorgängerschiff. Zwar soll die Mission keinesfalls gefährdet werden, doch die Möglichkeit, eine weitere Bombe zünden und damit einen eventuellen Fehlversuch wieder wettmachen zu können, scheint zu verlockend. Also entschließt man sich, an Bord der Icarus I zu gehen - ein in mehrerlei verhängnisvoller Fehler.

Da ich Boyle und seine Filme gern mag und ihm die unfreundliche Bezeichnung 'Plagiator' nicht unbedingt zukommen lassen möchte, nenne ich ihn von nun ab einfach "idea refresher". Warum? Nun ja - die filmische Identität von "Sunshine" gründet sich ausschließlich auf Boyles visuellem Gespür und seinem Geschick, im Umgang mit relativ beengten monetären Mitteln, respektive dafür, die richtigen Leute engagieren zu nkönnen, um seine Visionen umsetzen zu können. In diesem Falle gesellte sich wiederum Alex Garland als Drehbuchautor dazu (wiederum unter keinem geringeren Topos als dem des Weluntergangs), dem man wohl eigentlich die unwirsche Wilderei im großen Garten der Genrehistorien vorwerfen müsste, so man denn diesem Film böswillig begnenen wollte. Aber das will ich gar nicht, mir hat "Sunshine" nämlich allem "refreshing" zum Trotze gut gefallen. Es gelingt ihm nämlich, ähnlich wie es bereits im Falle "28 Days Later", seinem genreinternen Revisionismus ein starkes humanes Element angedeihen zu lassen. Weniger als um bestimmte Handlungswendungen verhandelt die Geschichte ethische Diskurse, etwa um das Zurückstellen des eigenen Wohls im massiven Gegengewicht zu dem einer ganzen Spezies, sowie metaphysische Besessenheitsformen - sich der Sonne zu nähern, Zentrum und Spender allen Lebens, vermag durchaus auch irrsinnig zu machen. Diese wahrhaft übersinnliche Erfahrung trifft gleich zwei Figuren des "Sunshine"-Personals, wobei die Psychose der einen, nämlich des überlebten, leicht verbrutzelten Captains (Mark Strong) der Icarus I sich besonders tödlich auf die verbleibenden auswirkt. Es gibt also doch noch Neues und Spannendes aus dem Genrelager zu vermelden. Glücklicherweise und auch wenn ich angesichts der zuvor so schönen, klaren Bildgestaltung nicht ganz verstanden habe, was die verwischte Kamera im aktionsbetonten Finale soll. Prätention? Inszenatorische Exzentrik? Möglicherweise auch inszenatorischer Sauerstoffmangel... Egal.

7/10

Danny Boyle Sonne Apokalypse Mission Raumschiff Zukunft Alex Garland


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MILLIONS (Danny Boyle/UK 2004)


"It's not suspicious, it's unusual."

Millions ~ UK 2004
Directed By: Danny Boyle

Kaum mitsamt seinem verwitwetem Vater Ronnie (James Nesbitt) und dem älterem Bruder Anthony (Lewis McGibbon) in das neue Reihenhäuschen im Grünen eingezogen, fällt dem siebenjährigen Damian (Alex Etel) eine Sporttasche mit über zweihunderttausend Pfund Cash darin in die Hände. Der aufgeweckte und zugleich etwas verschrobene Junge, der das für ein Zeichen Gottes hält, erzählt seinem wesentlich praktikabler veranlagten Bruder davon. Beide zerbrechen sich den Kopf darüber, was man mit einer solch hohen Geldsumme anstellen kann. Während Anthony schon in gewinnträchtigen Dimensionen zu denken beginnt, erscheint Damian der heilige Franziskus (Enzo Cilenti) und rät ihm, das Geld an die Armen zu verteilen, was der Kleine dann zu Anthonys Kopfzerbrechen auch eifrig praktiziert. In jedem Falle gilt es, das Geld rechtzeitig loszuwerden, denn der "E-Day", der Tag der Währungsreform zugunsten des Euro steht vor der Tür. Zudem dauert es nicht lange, da kreuzt der eigentliche "Besitzer" der Moneten, ein finsterer Räuber (Christopher Fulford) auf und auch Ronnie erfährt von dem Geld.

Eine charmante kleine, an Capra angelehnte Moralfabel über den Wert der Menschlichkeit gegenüber dem des blanken Materialismus mit Kindern als Protagonisten inszenierte Danny Boyle nach "28 Days Later" und spendierte dem Publikum damit sozusagen den denkbar diametralstmöglichen Film. "Millions" präsentiert eine Reflexion über die Scheinheiligkeit des Geldes, wie es Menschen korrumpiert und dass es erst der naiven Unschuld eines kleinen Kindes bedarf, um die richtigen Wege zu finden, sich nicht vom Mammon verderben zu lassen. Sein bekanntes Faible für überbordernden, ins Surreale abgleitende Bilder im Verbund mit sphärischer Musik hält Boyle hier weitestgehend im Zaum und konzentriert sich ganz auf das ausgezeichnete Spiel seiner Kinderdarsteller. Ein für seine Verhältnisse ungewöhnlich humanistischer Film ist die Folge, in dem die Emotionalität den zwanghaften Formalismus des Regisseurs erstmals klar in den Schatten stellt. Angesichts des philanthropischen Resultats ein guter Weg, der später mit "Slumdog Millionär" perfektioniert werden wird.

7/10

Kinder Heist Geld Parabel Danny Boyle England


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THE BEACH (Danny Boyle/UK, USA 2000)


"No offence at all - but you're fucked in the head, right?"

The Beach ~ UK/USA 2000
Directed By: Danny Boyle


Der amerikanische Rucksacktourist Richard (Leonardo DiCaprio) sucht die 'wahre Exotik', abseits von den großflächig frequentierten Tourizentren und dem, was all die anderen so im Urlaub tun. In Bangkok trifft er auf den seltsamen Daffy (Robert Carlyle), der Richard eine Karte anvertraut, die den Weg zum angeblich schönsten Strand der Welt auf einer kleinen Insel im Golf von Thailand weisen soll. Zusammen mit dem französischen Paar Françoise (Virginie Ledoyen) und Étienne (Guillaume Canet) reist Richard zu besagtem Strand und findet dort neben schwerbewaffneten einheimischen Marihuanabauern eine hermetische New-Age-Kommune vor, die sämtlichen problematischen Lebensfragen abgeschworen hat.

Ein von seiner verführerischen Oberfläche abgesehen eigenartig leerer Film, der sich pausenlos mit Fragen und Diskursen abgibt, die mich einfach nicht interessieren und mich deshalb mutmaßlich auch nicht erreichen konnten. Reduziert formuliert geht es wie bereits in Alex Garlands Romanvorlage wohl um die Unvereinbarkeit von abendländischer Zivilisation und unberührten Naturarealen. Das selbstgeschaffene, vermeintliche Paradies wird nach und nach zum lebensfeindlichen Abgrund, den im Falle "The Beach" ausgerechnet der "Held" initiiert wie den Ausbruch eines hochinfektiösen Virus. Unbedacht reicht er vor seiner eigenen Ankunft eine Kopie der geheimen Karte weiter und beschwört damit vier Morde sowie mittelfristig das Zerbrechen der Inselkommune herauf, fordert durch die Tötung eines Babyhais den Zorn der Natur heraus und sorgt für beziehungsfeindlichen Lug und Trug. Boyle erweist sich als formvollendeter Ästhet, der in diesem Falle aber ebensogut einen Urlaubskatalog hätte illustrieren können - seine mikrokosmische Apokalypse jedenfalls juckt letzten Endes keinen, weil die von ihr Betroffenen irgendwie sowieso allesamt Arschlöcher sind.
Man fühlt sich an mitunter wesentlich Besseres im Kino erinnert; an "Hell In The Pacific" etwa, an "Apocalypse Now", "Long Weekend" oder den erst kurz zuvor entstandenen "The Thin Red Line", die allesamt ebenfalls den Pazifikraum zur infernalen Zone deklarierten, nur, dass sie den Schneid hatten, ihre topografische Metaphysik mit echten Figuren zu exerzieren und nicht bloß mit deren schönen Abziehbildern.

5/10

Tourismus Parabel Danny Boyle Thailand Marihuana Drogen Haiangriff Bangkok Alex Garland Subkultur


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NIAGARA (Henry Hathaway/USA 1953)


"Too bad they can't play it for you now, Rose."

Niagara ~ USA 1953
Directed By: Henry Hathaway

Die frisch verheirateten Polly (Jean Peters) und Ray Cutler (Max Showalter) lernen in ihren Flitterwochen bei den Niagara-Fällen das eher dysfunktionale Paar Rose (Marilyn Monroe) und George Loomis (Joseph Cotten) kennen. Während die lebenslustig scheinende Rose es liebt, die Blicke der Männer auf sich zu ziehen und bald von Polly bei einem Tête-à-tête mit einem Fremden (Richard Allan) entdeckt wird, leidet ihr sich misanthropisch gebender Mann scheinbar unter einen Nervenschwäche und einem (dabei kurioserweise vollkommen berechtigten) pathologischen Eifersuchtssyndrom. Als Rose und ihr Liebhaber versuchen, George aus dem Weg zu räumen, schlägt dieser gnadenlos zurück - und bringt dabei auch Polly in tödliche Gefahr.

Marilyn Monroe macht Männer madig! Das ist speziell in der Rückschau nichts Neues; dass sie ihre Gespielen jedoch zu mörderischer Gegenwehr veranlasst, das gab's nur selten. Zu Zeiten von "Niagara" war man bei Fox gerade erst dabei das spätere, legendäre Image der blonden Sexbombe zu kreieren und hatte die romantisch-komödiantische Seite der Darstellerin, die unlängst in einer gewaltigen Welle bunter Scope-Produktionen über die Welt hereinbrechen sollte, noch nicht ausdefiniert. "Niagara" ist dennoch ein cineastischer Sonderfall: Ein klassischer film noir in Technicolor nämlich. Und wie wichtig die Farbe ist für diesen melodramatischen Krimi, zeigt sich ohne Umschweife - man denke nur an die kirschroten Lippen der Monroe oder an die dazu analoge Szene, in der Loomis, kurz nachdem er Rose erwürgt hat, ihren glitzernden Lippenstift findet. Überhaupt, diese Mordsequenz mit den stillstehenden Glocken, die zuvor noch Roses verräterisches Liebeslied zu spielen pflegten - welch eine wunderbar morbide Ästhetik ihr zugrunde liegt... Wie "Niagara" generell ein ganz wunderbarer Film ist.

9/10

Madness Henry Hathaway film noir Ehe


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CORALINE (Henry Selick/USA 2009)


"How dare you disobey your mother!"

Coraline ~ USA 2009
Directed By: Henry Selick


Hinter einer übertapezierten Tür ihres neuen Hauses entdeckt die kleine Coraline den Eingang in eine Art Parallelwelt. Dort waren ihre "anderen Eltern" auf sie, welche im Gegensatz zu ihrer realen Mum und ihrem realen Dad, die für das Mädchen von Berufswegen nur wenig Zeit haben, überaus fürsorglich sind - nur dass sie Knöpfe anstelle von Augen haben. Coraline bekommt hier köstliches Essen serviert, hat ein traumhaftes Kinderzimmer und wird in der Nachbarschaft zu prächtigen Shows und Revueen eingeladen. Irgendwann jedoch muss sie feststellen, dass all das nur Fassade ist und ihre "andere Mutter" eine bösartige Hexe, die es nur darauf abgesehen hat, Coraline, wie schon andere Kinder zuvor, für immer an ihre Welt zu binden.

Nicht ganz so atmosphärisch dicht daherkommend wie Neil Gaimans an Lewis Carroll orientierte, zauberhafte Vorlage, bewahrt Selicks per prachtvoller Stop-Motion animierte Adaption dennoch den Geist des Romans. Es geht um erste pubertäre Widerborstigkeitsphasen,jenes seltsam unentschlossene Gefühl zwischen dem Eindruck eines sich peu à peu einschleichenden Aufmerksamkeitsmangels von "oben" und dem Drang zur persönlichen Mündigkeit sowie der schließlich unweigerlichen Gewissheit, eines gewissen Unzufriedenheitspotenzials zum Trotze am Ende doch stets das sichere eigene statt eines alternativen Zuhauses zu wählen. Wie Myriaden anderer Kinder an der Schwelle zum Erwachsenwerden muss auch Coraline (nicht etwa Caroline) Jones diese notwendige Erfahrung machen - auf beschwerliche, wenn auch umso phantastischere Art und Weise. Möglicherweise ist auch alles bloß ein Produkt ihrer überbordernden Phantasie - aber wen interessiert das letzten Endes?

8/10

3-D Henry Selick Kinder Neil Gaiman Hexen


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AUS EINEM DEUTSCHEN LEBEN (Theodor Kotulla/BRD 1977)


"Befehl ist Befehl."

Aus einem deutschen Leben ~ BRD 1977
Directed By: Theodor Kotulla


Die Karriere des Franz Lang (Götz George): 1900 zur Zeit des Kaiserreichs geboren, versucht er als Jugendlicher mit allen Mitteln, im Ersten Weltkrieg als Infanterist an die Front zu kommen, was er durch die Fürsprache eines von seinem preußischen Enthusiasmus begeisterten Offiziers (Siegurd Fitzek) auch bewerkstelligt. Während der Weimarer Republik wird er dann zunächst Freikorpsler, um später dann in die NSDAP und bald darauf auch in die SS einzutreten. Himmler (Hans Korte) persönlich rekrutiert ihn nach einer kurzen Gefängnisstrafe wegen Mordes an einem KPD-Mitglied schließlich als Direktor von Auschwitz und Organisator der industriellen Massenvernichtung. Nach dem Krieg bezüglich seiner Greueltaten und nach seinem Gewissen befragt, antwortet Franz voller Selbstsicherheit, er sei sich keiner Schuld bewusst, er habe "bloß Befehle befolgt".

Anhand der Biographie des Naziverbrechers Rudolf Höß, der in Kotullas Film wie in Merles Vorlage "La Mort Est Mon Métier" seinen Fluchtnamen Franz Lang trägt, unternimmt "Aus einem deutschen Leben" den Versuch, nachzuzeichnen, unter welchen Umständen ein Mensch zum vollkommen gewissenlosen Exekutionswerkzeug einer Diktatur werden kann. Höß ist bereits von Haus aus ein zwischen maßlosem Patriotismus und rückhaltloser Untertänigkeit pendelnder Mensch, der stets auf der Suche ist nach konsequenten Vorgesetzten und Machthabern, die seinen beinahe pathologischen Pflichterfüllungsdrang füttern und ihm Staatsplanung und selbstständiges Denken abnehmen. Obgleich Götz George dem Menschenmonster ein durchaus charakteristisches Antlitz verleiht, ist das Beispiel Höß doch bloß eines von vielen - wenn auch ein extremes. Für den Posten des Todesplaners hätte Himmler auch einen anderen gefunden; die jeweiligen KZ-Direktoren scheinen sogar so etwas wie Bewunderung füreinander zu hegen ob der Effizienz, mit der von ihnen tagtäglich eine wechselnd große Anzahl "Einheiten" beseitigt werden.
Kotulla verzichtet auf vordergründige Dramaturgie und lässt seinen akribisch recherchierten und absolut präzis gestalteten Film erscheinen wie nüchternes Schulfernsehen. Dass gerade diese Form gewählt wurde, um über das eigentlich Unbeschreibare zu berichten, erweist sich als adäquate Wahl. "Aus einem deutschen Leben" schleicht sich sozusagen subkutan an, um dann fast unmerklich zuzustechen und erst zu schmerzen zu beginnen, nachdem die Nadel längst wieder entfernt wurde. Dem trägt besonders das grausige Ende Rechnung, in dem, unterlegt von ein paar gegenwärtigen, herbstlich-grauen Auschwitz-Bildern einige von Höß selbstverfasste Fakten mittels Georges eindringlicher Stimme vorgetragen werden. Danach kann man dann erstmal gar nichts mehr sagen.

9/10

Konzentrationslager WWI Nationalsozialismus Theodor Kotulla WWII Historie Weimarer Republik


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THEY CAME TO CORDURA (Robert Rossen/USA 1959)


"I became two men. One can't stand living in the same skin with the other."

They Came To Cordura (Sie kamen nach Cordura) ~ USA 1959
Directed By: Robert Rossen


Mexiko, 1916: Nachdem Pancho Villa die Grenze übertreten und das Kavallerie-Camp Furlong bei Columbus, New Mexico überfallen hat, geht die Armee der Vereinigten Staaten mit unerbittlicher Härte gegen ihn vor. Nach einer Attacke gegen einen Villaristen-Unterschlupf schlägt der Offizier Thorn (Gary Cooper) vier Soldaten vor, die wegen ihres selbstlosen Einsatzes die Tapferkeitsmedaille in Cordura erhalten sollen. Außerdem bekommen die Kavalleristen den Auftrag, die als Verräterin wegen Paktierung mit dem Feind eingestufte Adelaide Geary (Rita Hayworth) nach Cordura zu eskortieren. Auf dem beschwerlichen Weg durch die Wüste zeigt sich, dass sich beileibe nicht jeder Charakter durch eine einzelne markante Tat definiert.

Rossens spannender, psychologisch hervorragend austarierter Western vor dem historischen Hintergrund der Mexikanischen Revolution bietet dankbare Spätkrarriererollen für die beiden Altstars Cooper und Hayworth, die beide nochmal die Gelegenheit zu jeweils ausgesprochen nuancierten Darstellungen haben und diese auch wohlfeil nutzen. Selbiges gilt für die erstklassigen, als Wölfe im Schafspelz zu überzeugen wissenden Nebendarsteller Van Heflin und Richard Conte. Einen geflissentlich unangenehmen Beigeschmack erhält der Film allerdings durch seine Reduktion der Schuld/Sühne-Thematik auf die singuläre Diskursplattform militärischen Pflichtbewusstseins und selbstlosen Kampfeseinsatzes sowie die entsprechenden Leistungen. Andererseits ist genau das eben der Topos des Films und somit in der Retrospektion kaum vollwertig kritisierbar. Als intelligentes Ensemblestück mit durchweg großzügiger Interpretationsbasis hat "Cordura" vielen der weitaus oberflächlicheren Werke dieser Tage eine Menge voraus. Warum er nicht wesentlich wohlgelittener ist im Kanon der großen Hollywood-Klassiker ist mir ein wenig schleierhaft.

8/10

Historie Mexiko Robert Rossen WWI Mexikanische Revolution Militaer


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SHOWGIRLS (Paul Verhoeven/USA, F 1995)


"Why aren't you erect?"

Showgirls ~ USA/F 1995
Directed By: Paul Verhoeven


Die blöde, aber wehrhafte Herumtreiberin Nomi Malone (Elizabeth Berkley) will ihr Glück im Spiel- und Showparadies Las Vegas versuchen, muss jedoch unmittelbar feststellen, dass hinter dem Antlitz der Glitzermetropole alles einem gigantischen Prostitutionskarussell entspricht. Dabei will die Arme doch partout keine Hure sein... Mittels rüpelhafter Methoden zum Star einer Topless-Show aufgestiegen, zieht Nomi noch gerade rechtzeitig die Reißleine vor dem endgültigen Abstieg in die Selbstkorruption.

Fegefeuer der Oberflächlichkeiten: Unter Befleißigung "normaler" Maßstäbe lässt sich diese grelle Posse kaum einordnen, geschweige denn überhaupt erfassen. Nachdem Verhoeven bereits mit "Basic Instinct" ein eher zu vernachlässigendes Eszterhas-Buch bebildert hatte, degradierte er sich mit "Showgirls" endgültig zum Gurkenkönig des internationalen Films, auf den man schon bereitwillig zu pfeifen bereit war, hätte er sich nicht bald darauf mit "Starship Troopers" wieder so spektakulär am eigenen Schopfe aus dem Dreck gezogen. Was war geschehen? "Showgirls", von vornherein konzipiert als scheinskandalöses NC-17-Vehikel für den gepflegten älteren Herrn mit Beule in der Hose, erwies sich im Endeffekt als stockkonservative Moralfabel um die ach-so-böse Welt des Showbiz, in der die Gutherzigen zwar ihren Platz haben, diesen aber mit ehrlicher, harter Arbeit verteidigen müssen. Je wohlhabender das Pack, desto korrupter, verruchter, niederträchtiger seine Aktivitäten. Das Ganze versandet schlussendlich dann irgendwo unterhalb des geistigen Niveaus der Protagonistin, deren Lehrgeld in Vegas im Prinzip darin kulminiert, dass ihr Kyle MacLachlan als geckenhafter Koksdandy steckt, man solle Versace doch bitte nicht wie 'Vörsejs' aussprechen. Dieses bemitleidenswerte, blonde Dummchen. Wieder mal reingefallen, wie so oft.
Die deutsche Synchronisation beutet die arme Berkley übrigens noch schärfer aus: Da wird aus ihrem Lieblingskommentar "It doesn't suck" kurzerhand "Tittengeil". Ungeheuer. Bleibt nur zu hoffen, der Paulemann kann mittlerweile ebenso über seinen Abstecher in die Niederungen des subdebilen Kinos lachen wie jeder Mensch, der halbwegs bei Trost ist. Ansonsten dürfte ihm die massiv verjubelte Kohle angesichts gewisser, bis dato unrealisierter Leibprojekte noch fünfzehn Jahre später ganz zu Recht arge Herzstiche versetzen.
Jessas, was für ein unverfroren dämlicher Film.

3/10

Las Vegas Trash Joe Eszterhas Paul Verhoeven Prostitution


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DAS WEISSE BAND - EINE DEUTSCHE KINDERGESCHICHTE (Michael Haneke/D, AT, F, I 2009)


"Die Drohungen blieben leer."

Das weisse Band - Eine deutsche Kindergeschichte ~ D/AT/F/I 2009
Directed By: Michael Haneke


Eichwald, ein im Norddeutschen gelegenes, spätfeudalistisches Dorf im Vorkriegsjahr 1913: Der junge Lehrer der örtlichen Schule (Christian Friedel) wird Zeuge einer Kette seltsamer Unfälle und Straftaten, deren Urheber sich nicht feststellen lassen und die in Eichwald für Unfrieden sorgen. Hinter einer undurchdringlichen, autoritären Mauer des ehernen Schweigens, für die vor allem die "führenden" gesellschaftlichen Köpfe wie der protestantische Pastor (Burghart Klaußner), der Dorfarzt (Rainer Bock) und der Baron (Ulrich Tukur) als Feudalherr Eichwalds stehen, schwelen neben gegenseitiges Misstrauen, falschen Verdächtigungen und Neid auch böse Sanktionsmittel, Missbrauch, Totschweigen.

Michael Haneke macht sich in "Das Weisse Band" daran, ein Exempel für die Auswüchse der im frühen letzten Jahrhundert noch akuten Schwarzen Pädagogik darzustellen und es darüberhinaus als eine mögliche Ursache für das unweigerliche Abdriften einer Gesellschaft in den Faschismus zu analysieren. Der aufgeschlossene, liberal positionierte Junglehrer steht gegen einen Wall des jahrhundertealten Filz geprägt von geglätteten Machtverhältnissen und verhärteten Fronten, von erzwungener Obrigkeitshörigkeit und einer omnipräsenten, latenten Feindseligkeit, hinter dem es schließlich zu brodeln beginnt. Hier heißt es nicht mit, sondern gegen, heruntergebrochen auf den jeweils denkbar kleinstmöglichen sozialen Mikrokosmos: Es geht Aristokratie gegen Bürgertum, Bildungsbürger gegen Arbeiter, Frau gegen Mann, alt gegen jung, nicht-behindert gegen behindert. Der Katechismus dient als pädagogisches Druckmittel und steht gleichberechtigt neben dem Ochsenziemer und dem titelgebenden Band, das der Pastor seine Kinder öffentlich als Schandmal tragen lässt.
Um eine Gesellschaft am Kriegsvorabend geht es hier, die angesichts ihrer unerträglichen internen Spannungen den Krieg als Erlösung begreifen dürfte. Für dieses von emotionaler Kälte geprägte Klima erscheint das klirrende, wenn auch ästhetisch ungeheuer reizvolle Schwarzweiß der Photographie höchst passend. Mich hat "Das Weisse Band" phasenweise stark an Kubricks "Barry Lyndon" erinnert, in dem eine ähnliche bildliche (wenn auch farbige) Klarheit vorherrscht in Koexistenz mit einer minimalisierten historischen Gesellschaftsstudie und einem in klassisches Literaturdeutsch gekleideten Off-Kommentar. Und da mir der eine gefällt, tut's eben auch der andere. Mit Haneke habe ich langsam meinen Frieden gemacht. Seine mir persönlich peinlichen, mediendidaktikischen Arbeiten kann ich ja weiterhin getrost ignorieren.

8/10

Feudalismus WWI period piece Historie Michael Haneke


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BASIC INSTINCT (Paul Verhoeven/USA 1992)


"Games are fun."

Basic Instinct ~ USA 1992
Directed By: Paul Verhoeven


Detective Nick Curran (Michael Douglas) soll den Fall eines während des Koitus mittels eines Eispickels ermordeten Rockstars (Bill Cable) untersuchen. Alles deutet auf Catherine Tramell (Sharon Stone), Kriminal-Romancieuse und Freundin des Toten, als Täterin hin. Wie sich noch zusätzlich herausstellt begleiten das Leben der eiskalten Blondine eine Kette seltsamer Analogien zwischen ihren Büchern und ihrer Biographie. Als Curran eine Affäre mit Catherine beginnt, begibt er sich auf dünnstes Eis...

Der wegen ein paar Nacktszenen damals als Semiporno gehandelte (und vornehmlich aus diesem Grunde unrechtmäßig erfolgreiche) "Basic Instinct" kann mit dem Abstand der Jahre nicht verleugnen, kaum mehr als heiße Luft zu produzieren. Besonders im Vergleich zu den beiden voreangegangenen Schätzchen "RoboCop" und "Total Recall" erweist sich dieser laue Erotikthriller, der immerhin filmhistorisch von vordergründigem Interesse ist als einer jener Filme, die als Auslöser eines ganzen Erdrutsches von Epigonen und Plagiaten dastehen, als herb enttäuschendes Durchschnittsfabrikat. Verglichen mit dem deutlich intelligenteren "De Vierde Man", der bereits Jahre zuvor eine ganz ähnliche Richtung einschlug und zum Thema Suspense deutlich mehr zu sagen wusste, verzichtet das Script des Trivialschreibers Eszterhas sogar noch auf das geringste Quentchen Irrealis - vermutlich, um sein Publikum nicht durch drohende Überforderung zu vergrätzen. Das einzige, was neben Michael Douglas' wie immer solider Leistung an diesem Versuch, an Hitchcocks Thron zu kratzen, auch rückblickend noch zur Gänze zu überzeugen vermag, ist die Musik von Jerry Goldsmith.
Als merkwürdig leeres Hochglanzprodukt der orientierungslosen Frühneunziger nach wie vor faszinierend, als Verhoeven-Film jedoch in dessen unterem Schaffenssegment.

6/10

Madness femme fatale neo noir Literatur Paul Verhoeven San Francisco Joe Eszterhas Amour fou Serienmord





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Funxton

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