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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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CASTLE FREAK (Stuart Gordon/USA 1995)


"There's somebody else here..."

Castle Freak ~ USA 1995
Directed By: Stuart Gordon


Der US-Amerikaner John Reilly (Jeffrey Combs) erbt überraschend ein altes Kastell in Umbrien. Zusammen mit seiner Frau Susan (Barbara Crampton) und seiner Tochter Rebecca (Jessica Dollarhide) reist er nach Italien, um das Gebäude zu besichtigen und bis zu dessen Verkauf dort zu wohnen. Nicht nur ein schwelender Familienkonflikt [John ist trockener Alkoholiker und hat durch einen selbstverschuleten Unfall des Leben seines kleinen Sohnes JJ (Alessandro Sebastian Satta) sowie das Augenlicht Rebeccas auf dem Gewissen] kommt bald zum Ausbruch, sondern auch ein unheimliches, schwer missgestaltetes Kellerkind, das seit Jahrzehnten in einem Kellergewölbe des Schlosses angekettet war und sich die lange vermissten Zärtlichkeiten nun mit Gewalt zurückholt...

Einer von mehreren Filmen, die Stuart Gordon aus Kostengründen in Südeuropa fertigte. Sein Kollege Brian Yuzna zog dann kurz darauf nach und reanmierte recht erfolgreich die eingeschlafene spanische Verleihfirma filmax. "Castle Freak", der wie "Re-Animator" und "From Beyond" lose auf Lovecraft-Motiven basiert, entstand allerdings für die B-Schmiede Full Moon und verzeichnete zugleich deren erste Produktion im Selbstvertrieb. Der Film zeigt Gordons Bemühen, nach seinen eher im Bereich des Funsplatter zu verortenden frühen Horrorfilmen, ernsthaftere Klänge anzuschlagen und mit sowohl melodramatisch angehauchten innerfamiliären Konflikten als auch keineswegs mehr komisch konnotierten Ekelszenen sein Publikum zu affizieren. Da Gordon ein sehr versierter Regisseur ist und sein Co-Autor Dennis Paoli genau diese Art inszenatorischer Bemühungen zu füttern versteht, darf das Experiment als gelungen betrachtet werden. Natürlich ist "Castle Freak" mit seinem grotesk pervertierten "Kaspar-Hauser"-Motiv des unerwünschten, verhassten Bastardkindes mitsamt armselig-verkümmertem Mannesgeschlecht, das sein Leben gebeugt und in Ketten fristen muss, beileibe kein großer Zuschauerfänger und kann tatsächlich mit Bildern aufwarten, bei deren Betrachtung selbst Hartgesottene ein gewisser Widerwillen befallen dürfte - gerade das jedoch hebt ihn auf ein durchaus interessantes Level. Für Combs und Crampton bieten ihre Rollen als tief entzweites Ehepaar zudem eine offensichtlich sehr willkommene Plattform für ungewohnt nuanciertes Spiel - ein weiterer Nebenhinweis auf die immer wieder zu beobachtende Entwicklung Gordons hin zum auch jenseits von irgendwelchen Genrekonventionen anerkennenswerten Filmemacher.

7/10

Stuart Gordon H.P. Lovecraft Splatter Monster Umbrien Italien Full Moon Schloss


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THE OUTSIDERS (Francis Ford Coppola/USA 1983)


"Boys will be boys."

The Outsiders ~ USA 1983
Directed By: Francis Ford Coppola


Tulsa, Oklahoma in den sechziger Jahren: Die höchst unterschiedlichen sozialen Verhältnissen entstammenden Jugendgangs 'Greasers' und 'Socs' stehen sich feindselig gegenüber und verteidigen ihre Fronten mit Vehemenz. Die aus dem schwach situierten Norden der Stadt stammenden Greasers haben es dabei besonders schwer, mit den gut gekleideten Socs aus dem Süden, die die schickeren Autos und die schöneren Mädchen haben, auch nur annährend gleichzuziehen. Der junge Greaser Ponyboy Curtis (C. Thomas Howell), der unter dem Tod seiner Eltern zu leiden hat, begegnet der steten Konfliktsituation mit hilfloser Feinfühligkeit. Er zitiert Frost, liest Mitchell (vor), bewundert den Sonnenaufgang und wird mit dem allseitigen, ihn umgebendem Hass kaum fertig.

Auf die Petition einer Highschool-Klasse hin adaptierte Coppola mit seinem Studio Zoetrope den gleichnamigen Hinton-Roman, nunmehr seit Generationen eine klassische Schullektüre für pubertierende peer groups. Da mir der Film in letzter Zeit in mehrfacher, ganz unterschiedlicher Weise über den Weg gelaufen ist, zuletzt in Oliver Nödings unbedingt lesenswertem Blog-Eintrag , hatte ich das dringende Bedürfnis, ihn nach vielen Jahren wieder aufzufrischen. Weder konnte ich mich sonderlich gut an den inhaltlichen Ablauf des Romans erinnern, noch war mir der ursprünglichen Kinoschnitt noch außerordentlich präsent - lediglich besonders prägnante Szenen, wie die zwei die Dämmerung bewundernden Howell und Ralph Macchio blieben unauslöschlich abrufbar.
Mein nivellierter Eindruck bescherte mir heuer ein reichhaltiges, poetisch-kunstvolles und ergreifendes Teenage-angst-Drama, das sich wohl nicht zuletzt in Anbetracht seines Regisseurs als reif genug erweist, im Gegensatz zu vielen Artgenossen auf eine spekulative Perspektive zu verzichten und sich so eine zwingende Zeitlosigkeit anzueignen. Ein Plädoyer dafür, sich das sprichwörtliche "Gold" der Jugend stets im Herzen zu bewahren; offen, ehrlich und authentisch zu bleiben - komme, was da wolle.
Demnächst dann nochmal "Rumble Fish".

9/10

period piece Oklahoma Teenager Brat Pack Subkultur Gangs Francis Ford Coppola Coming of Age


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ALL THE KING'S MEN (Robert Rossen/USA 1949)


"I'm gonna soak the fat boys and spread it out thin!"

All The King's Men (Der Mann, der herrschen wollte) ~ USA 1949
Directed By: Robert Rossen


Eines Tages gegen Ende der zwanziger Jahre wird der mit seiner eigenen Herkunft hadernde Journalist Jack Burden (John Ireland) auf den Politschreihals Willie Stark (Broderick Crawford) angesetzt, der in seiner kleinen kalifornischen Heimatstadt Bürgermeister werden möchte, der jedoch mittels seiner Taktik, lauthals soziale Wahrheiten zu verkünden, von seinen bierbäuchigen Oppositionellen höhnisch belächelt wird. Burden ist von Stark fasziniert und stärkt dessen Traum, sich mittels eines Juristendiploms mehr politische Achtung zu verschaffen, den Rücken. Als der Zufall Stark eines Tages auf sehr zynische Weise zur Hilfe kommt, schlägt seine große Stunde. Nach einigen Jahren hat er es zum Gouverneur gebracht, ist jedoch von seinen Machträuschen furchtbar korrumpiert worden und nimmt mehr und mehr die Gestalt eines faschistischen Demagogen an.

"All The King's Men" zählt zu den großen filmischen Politlehrstücken des amerikanischen Kinos. Er berichtet in kargen Bildern von der wachsenden Gefahr der Korruption angesichts analog wachsender Macht im Staat und davon, wie Menschlichkeit und humanitäre Ideale schleichend gegen Gier und Opportunismus substituiert werden können, wenn das entsprechende Fleisch nur schwach genug ist. Für die Erzählung wird als Medium geschickterweise ein so intelligenter wie naiver Journalist eingesetzt, der als perfekte Identifikationsfigur für alle möglichen Zuschauerschichten steht. Dass dessen Rolle von dem ansonsten fast nur aus Nebenparts bekannten John Ireland gespielt wird, füttert nur ihre Unverbindlichkeit. Rossen wandte sich als einer der ersten Studiofilmer von der bloßen Atelieraufnahme ab, ging nach draußen und filmte auf offenen Straßen und öffentlichen Plätzen, ging zu echten Herarings und Wahlkampfveranstaltungen und htte sogar den Mut, verzweifelte Wähler im Angesicht der Wirtschaftsdepression auf seinen Bildern festzuhalten. Eine bis dahin im Hollywood-Kino selten gesehene Authentizität ist die Folge. Großartiger Stoff und legitimes, wenn auch leider sehr vernachlässigtes Bindeglied zwischen "Citizen Kane", "Sunset Boulevard" und "On The Waterfront".

9/10

Robert Rossen Politik Biopic Kalifornien Journalismus


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RED ROCK WEST (John Dahl/USA 1993)


"You're a lucky guy, ain't ya?"

Red Rock West ~ USA 1993
Directed By: John Dahl


Der Texaner und Ex-Marine Michael (Nicolas Cage) kommt auf der Suche nach Arbeit nach Wyoming, wo aus seiner geplanten Anstellung als Ölfeld-Arbeiter wegen seines kaputten Knies nichts wird. Seine Weiterfahrt endet fürs Erste in Red Rock, in dem ihn der örtliche Sheriff Brown (J.T. Walsh) mit dem Auftragskiller Lyle (Dennis Hopper) verwechselt, der, zufällig ebenfalls aus Texas stammend, sich für dieselbe Zeit angekündigt hat. Lyle soll Browns gierige und frivole Ehefrau Suzanne (Lara Flynn Boyle) aus dem Weg räumen. Als der das Verwechslungsspiel mitspielende Michael bei Suzanne auftaucht und ihr von den Plänen ihes Mannes berichtet, will diese Michael wiederum engagieren, um Brown zu töten. Als der echte Lyle in Red Rock auftaucht, ist das Chaos perfekt.

Mit "Red Rock West" brachte John Dahl vier Jahre nach "Kill Me Again" seinen zweiten neo noir auf den Weg, ein wiederum staubiges Verliererdrama, in dem sich, abgesehen von der Ergänzung um den gehörnten Ehemann, dieselbe Personenkonstellation tummelt wie im Erstling: Der moralisch halbwegs gefestigte, aber völlig abgebrannte Losertyp, der einer ebenso schönen wie geldgeilen Opportunistin verfällt sowie der grenzwahnsinnige Killer, der ebenfalls hinter der versteckten Penunze her jagt, sind gute alte Bekannte.
Dass drei bzw. vier solcher Charaktere nebst einem gottverlassen erscheinenden Schauplatz im wasserarmen Mittelwesten ausreichen, um eine recht böszungige Krimistory einzustielen, bewiesen neben Dahl noch eine Menge weiterer aus der unabhängigen Szene emorsteigende Filmemacher in den insbesondere frühen und mittleren neunziger Jahren. Allerdings darf man diesem Regisseur und Autor wohl zugestehen, eine gewisse Perfektion in seinem selbst auferlegten Metier erreicht zu haben. Schöner, sehenswerter Film - immer noch.

8/10

film noir neo noir Profikiller John Dahl femme fatale Amour fou


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TROPA DE ELITE (José Padilha/BR, NL, USA 2007)


Zitat entfällt.

Tropa De Elite ~ BR/NL/USA 2007
Directed By: José Padilha


Rio de Janeiro, 1997: Auf den als unbeirrbar gefürchteten BOPE-Offizier Nascimento (Wagner Moura) warten harte Zeiten. Neben seinem alltäglichen Geschäft, dem Kampf gegen die unzähligen großen und kleinen Drogendealer in den Favelas, kündigt sich ein Papstbesuch an und der Kirchenvater geruht ausgerechnet bei einem im Slum wohnhaften Bekannten zu nächtigen. Das entsprechende Areal muss also rechtzeitig gesichert werden. Hinzu kommen sich mehrende Panikattacken, die Nascimento innerlich unter Druck setzen sowie die unmittelbar bevorstehende Geburt seines kleinen Sohnes. Ein baldiger Nachfolger als Einheitsleiter muss her. Allein, wer soll es sein - der ultrabrutal vorgehende Neto (Caio Junqueira) oder der idealistische, zugleich nach einer Anwaltskarriere strebende Matias (André Ramiro)?

Knüppelharte Studie über den Einsatz der BOPE in den Favelas von Rio. Bei der BOPE handelt es sich um eine martialische, unter Militärherrschaft stehende Polizeieinheit, die sowohl dafür bekannt ist, absolut rücksichtslos vorzugehen, das heißt, auch unter regelmäßigem Einsatz von Folter und tödlicher Gewalt, als auch dafür, garantiert unbestechlich zu sein. Rodrigo Pimentel, einer der Autoren der Vorlage, war selbst jahrelang BOPE-Offizier und schildert seinen authentischen Arbeitsalltag in bürgerkriegsähnlichen Zuständen in beklemmender Art und Weise. Der Einsatz der BOPE wird dabei durchaus kritisch beäugt und keineswegs, wie manche kritische Stimmen dem Film vorwarfen, glorifiziert. Ganz zweifellos wird herausgestellt, in welch abartiger Weise die Polizisten als reaktionäre Terrorsäer instrumentalisiert werden und wie nutzlos auf der anderen Seite ihr mitunter tödlicher Einsatz ist. Die langjährige Erfahrung demonstriert nämlich hinlänglich, dass die Zahl der in Drogengeschäfte involvierten Personen in den Favelas keinesfalls geschrumpft ist und dass die Einschüchterungs- und Gewalttaktik der BOPE ergo weithin fruchtlos geblieben ist.
Padilha inszeniert sein kleines Epos in farbgefilterten, messerscharfen Bildern und mit Handicam, einer seltsamen, gleichwohl funktionalen Mischung aus Stilisierung und Naturalismus. Die Wahl dieser Mittel kommt dem Film und seinem Anliegen durchaus zugute und verschafft dem in globaler Hinsicht ja zwangsläufig unbedarften Publikum somit einen zwischen Hyperrealismus und Beklemmung pendelnden Eindruck dessen, was sich da zwischen von Zuckerhut und Copacabana tagtäglich abspielt.

9/10

Favelas Rio de Janeiro Slum José Padilha Brasilien


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ALI (Michael Mann/USA 2001)


"Ain't no Vietcong ever called me 'nigger'."

Ali ~ USA 2001
Directed By: Michael Mann


Die zehn maßgeblichen Jahre in der Karriere des legendären Schwergewichtsboxers Cassius Clay (Will Smith), der sich infolge seiner Konvertierung zum Islam den Namen Muhammad Ali gibt. Von seinem ersten Titelkampf 1964 gegen Sonny Liston (Michael Bentt) über seine erfolgreiche Kriegsdienstverweigerung, zwei Ehen, seine Freundschaften mit prominenten Zeit- und Gesinnungsgenossen wie Malcolm X (Mario von Peebles) und dem Sportreporter Howard Cosell (Jon Voight) bis hin zu dem legendären, von Don King (Mykelti Williamson) medienwirksam als "Rumble in the Jungle" organisierten Fight gegen George Forman (Charles Shufford) in Kinshasa, bei dem Ali sich nach einer staatlich verordneten Zwangspause den Weltmeistertitel zurückerobert.

Heldenverehrung vermittels allerhöchster filmischer Brillanz. Michael Mann muss Muhammad Ali lieben, mitsamt dessen wesenhaft großer Klappe und seinem ungebrochen großem Selbstbewusstsein - dafür bürgt schon die biographische Periode, in der "Ali" seinen Platz einnimmt. Aus der Phase zwischen 64 und 74 gibt es wohl tatsächlich nur Glorioses von diesem Charakter zu berichten, einem Mann, der den Mythos des amerikanischen Traums mit einem geradezu fanatischen Siegeswillen in seine Realität transferiert, der den Mumm hat, als eine der prominentesten Landespersönlichkeiten dem Vietnamkrieg eine öffentliche Absage zu erteilen, der seine ethnischen Wurzeln wiederentdeckt und sie in sein Kräftekonzept integriert, der sich selbst zum unwiderstehlichen Womanizer und Superhelden stilisiert. Diese extreme Respektshaltung atmet "Ali" aus jeder Pore und schafft damit glücklicherweise einen eigenen Rhythmus, der, und damit komme ich erneut zu einer Einschätzung, die ich bereits einige Filme zuvor mit Mann in Verbindung brachte, den allermeisten anderen Filmemachern entglitten oder gar nicht erst gelungen wäre. Denn so großmäulig die Person Ali sein mag, der Film ist es zu keinem Zeitpunkt.
Ausgehend vom formalen Standpunkt gehört "Ali" zum Höchsten, was Michael Mann bis dato bewerkstelligt hat; dass er dabei eine - augenscheinlich vor allem ihm selbst wichtige - Geschichte erzählt, darf man als akzeptable Begleiterscheinung in Kauf nehmen.

7/10

Boxen Michael Mann period piece Biopic Black Consciousness


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THE INSIDER (Michael Mann/USA 1999)


"Fame has a fifteen minute half-life. Infamy lasts a little longer."

The Insider ~ USA 1999
Directed By: Michael Mann


Kaum dass Dr. Jeffrey Wigand (Russell Crowe) aus seinem Posten als Laborant für den Zigarettenfabrikanten 'Brown & Williamson' herausgekündigt wurde, beginnt die Firmenleitung umgehend, ihn unsanft an seine vertraglich fixierte Verschwiegenheitsklausel zu erinnern. Als Lowell Bergman (Al Pacino), Chefredakteur der renommierten CBS-Polittalkshow "60 Minutes", wegen einer beiläufigen Recherchefrage an Wigand herantritt, ahnt er sofort, dass sein Gesprächspartner das deutliche Bedürfnis hat, noch viel mehr preiszugeben. Tatsächlich hat Wigand den wissenschaftlichen Nachweis dafür erbracht, dass Nikotin süchtig macht - ein Faktum, dass die Tabakindustrie wegen nachhatiger Rufschädigung geheimhalten will. Nachdem Wigand die Verschwiegenheitsklausel durch eine Gerichtsaussage juristisch unbrauchbar gemacht und das prekäre Interview geführt hat, bricht aufgrund des pausenlosen Drucks durch seinen früheren Arbeitgeber seine Familie auseinander und noch schlimmer: Die CBS weigert sich nach Androhung einer kostspieligen Klage durch Brown & Williamson, die Sendung auszustrahlen. Bergman geht in die Offensive.

Nach dem relativ aktionsbetonten "Heat" nahm sich Mann eines eher subtilen, menschlichen, nichtsdestotrotz sehr spannenden Dramas auf den Spuren der großen investigativen Journalismus-Thriller aus den Siebzigern an. Das auf Tatsachen basierende Script präsentiert eine Kette von Ungeheuerlichkeiten, die besonders in Zusamenhang mit einem sich selbst als freiheitlich preisenden Land empfindliche strukturelle Einbußen zeigt. Die Macht der Multis, ganz gleich, um welche es sich handelt, ist die größte im Staate. Unter ihnen beugt sich nicht nur die persönliche, sondern sogar die Pressefreiheit und die der freien Meinungsäußerung, wenn nur der ausgeübte Druck von einer ausreichenden monetären Kraft bestimmt wird. Mann liefert im Zuge einer erneut meisterlichen Inszenierung seine gewohnt präzise und scharfe Bildsprache dazu, macht hier bereits wesentlich häufiger als bislang üblich Gebrauch von der Handicam und stützt somit die allseitige Unruhe, die zunehmend die Handlungen des von Crowe beängstigend real wirkend verkörperten Wigand bestimmt. Pacino nimmt sich nach seiner etwas hyperaktiven Performance in "Heat" angenehm zurück. Außerdem muss diversen Nebendarstellern ein gesondertes Augenmerk zuteil werden: Ganz exzellent etwa Christopher Plummer und Bruce McGill, und für alte 80s-Aficionados gibt es einen aufgedunsenen, mittlerweile offenbar stark unter Hypertonie leidenden Wings Hauser in einem leider zu kurzen Auftritt als Teufelsadvokat.

9/10

Michael Mann Journalismus FBI Zigaretten


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OUT OF AFRICA (Sydney Pollack/USA 1985)


"I had a farm in Africa."

Out Of Africa (Jenseits von Afrika) ~ USA 1986
Directed By: Sydney Pollack


Im Jahre 1913 emigriegrt die abenteuerlustige Dänin Karen Dinesen (Meryl Streep) zusammen mit dem Lebemann Baron von Blixen (Klaus Maria Brandauer) nach Kenia, um ihn dort zu heiraten und mit ihm eine Manufaktur aufzuziehen. Das Leben in der Fremde erweist sich als gleichermaßen faszinierend und schwierig: Blixen überrumpelt Karen mit der Idee, eine Kaffeeplantage statt der geplanten Molkerei aufzuziehen und interessiert sich wesentlich mehr für Safaris und andere Frauen als für die Sesshaftwerdung. Später, die Folgen des Ersten Weltkriegs sind bis in Afrika spürbar, hängt er ihr als Folge seiner amourösen Abenteuer gar die Syphilis an. Dennoch verliebt sich die selbstbewusste Frau ungebrochen in Land, Leute und insbesondere in den Abenteurer Denys Finch-Hatton (Robert Redford).

Seit sage und schreibe viereinhalb Jahren der erste Film, den ich mir im Fernsehen angesehen habe (gerade nachgeschaut, der letzte war "Bad News Bears" im September 05 - auch dafür ist ein lückenlos geführtes FTB gut), und das noch dazu völlig ungeplant. Meine werte Frau Mutter, bei der ich gestern mittag gastierte, treuer Fan von Schmonzetten wie dieser, bestand kurzerhand auf der TV-Beschau und da ich eine Komplettbetrachtung von "Out Of Africa" bislang erfolgreich vermieden, dies jedoch zugleich stets als latente Bildungslücke erachtet hatte, fügte ich mich kurzentschlossen.
Und - was soll ich sagen - ich muss doch einräumen, dass Pollacks Frauenepos mich tatsächlich vereinnahmen konnte, zumindest für die Länge seiner immerhin stattlichen Spielzeit. "Out Of Africa" gibt ja noch immer ein treffliches Beispiel ab für den streng kalkulierten Oscar-Erfolg: Historizität, Biographisches, Meryl Streep (als starke und gebildete Frau selbstverständlich), epische Bilder, John-Barry-Musik. Ich lasse mich ja zugegebenermaßen manchmal ganz gern ein auf derlei kulturelle Bauernfängerei, so sie denn zumindest so gefällig-hübsch arrangiert ist wie in diesem Fall. Außerdem halte ich Brandauer für den verdammt noch mal größten lebenden österreichischen Schauspieler, Waltz hin oder her.

7/10

Biopic Plantage Kolonialismus Afrika WWI Sydney Pollack Historie Best Picture Großkatzen


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THE LAST OF THE MOHICANS (Michael Mann/USA 1992)


"No matter how long it takes, no matter how far, I will find you."

The Last Of The Mohicans (Der letzte Mohikaner) ~ USA 1992
Directed By: Michael Mann

Ostküste, 1757: Der französisch-indianische Krieg in den Kolonien befindet sich auf einem Höhepunkt. Die Engländer rufen die Grenzkolonisten auf, sich zu Milizen zusammenzuschließen und die Armee King Georges II zu unterstützen, darunter auch die Camerons, Freunde des Trappers Nathaniel Poe (Daniel Day-Lewis), genannt Hawkeye. Zusammen mit seinem indianischen Vater Chingachcook (Russell Means) und dessen Sohn Uncas (Eric Schweig) rettet Hawkeye, nachdem sie die Farm der Camerons dem Erdboden gleich vorgefunden haben, die beiden Offizierstöchter Cora (Madeleine Stowe) und Alice Munro (Jodhi May) vor dem rachsüchtigen, mit den Franzosen paktierenden Huronen Magua (Wes Studi), der um jeden Preis seinen Erzfeind Colonel Munro (Maurice Roëves) und dessen Familie tot sehen will. Obgleich Hawkeye Munro gegen die Franzosen beisteht, wird er von diesem der Aufwiegelung beschuldigt, da er den Siedlern rät, den Kampf aufzugeben und zu ihren Häusern zurückzukehren. Später, nachdem Munro sich der französischen Übermacht unter Général Montcalm (Patrice Chereau) gebeugt hat, gelingt Magua doch noch Coras und Alices Entführung, doch Hawkeye und seine Freunde schreiten erneut zur Rettung.

Eine weitere Adaption des legendären Cooper-Abenteuerromans "The Last Of The Mohicans", in dem der fabulierfreudige Autor die Geschichte seines Serienhelden, des von dem fiktiven Stamm der Mohikaner adoptierten Fallenstellers Hawkeye (eigentlich Natty Bumppo) fortschrieb. Mann orientierte sich wesentlich an dem bereits 1936 mit Randolph Scott verfilmten Balderston-Script. Dennoch nahm er auch gegenüber dieser Vorlage einige Änderungen vor, so verbendelte er Major Heyward (Steven Waddington) mit Cora Munro, obgleich dieser ursprünglich mit deren Schwester Alice liiert ist und verzichtete auf Coras tragisches Ende (dafür geht Alice in den Freitod). Zudem erweist sich der auteur hier erneut als Freund großer, bisweilen übermächtiger Stilisierung; manchmal überschreitet er dann auch ganz selbstsicher die Schwelle zum Kitsch, nämlich jeweils in den festlich zelebrierten Einstellungen, in denen Day-Lewis die Stowe, beide von windverwehtem Haar umkranzt, in seinen starken Armen hält und Richtung Westen blickt. Da wird's dann schlicht und ergreifend zuviel. Doch punktet "The Last Of The Mohicans" ebenfalls auf der Haben-Seite glücklicherweise nicht zu knapp: Die akribische Re-Kreierung des Zeitkolorits bereitet große Freude, die Inszenierung der Indianerkämpfe und Schlachten ist beispielhaft, die Bilder der satten, grünen Natur, verbunden mit ihrem unweigerlichen Öko-Symbolismus, hätten auch einen Terrence Malick befriedet. Ach, und der stoische Wes Studi ist toll, wie immer.

8/10

Siebenjähriger Krieg Lederstrumpf French-/Indian War Michael Mann J.F. Cooper Historie


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FLAMMEN & CITRONEN (Ole Christian Madsen/DK, D, CZ 2008)


Zitat entfällt.

Flammen & Citronen (Tage des Zorns) ~ DK/D/CZ 2008
Directed By: Ole Christian Madsen


Am 9. April 1940 wird Dänemark von deutschen Truppen besetzt. Doch regt sich auch dort bald der Widerstand: An vorderster Front kämpfen zwei Attentäter unter den Decknamen 'Flamme' (Thure Lindhardt) und 'Citron' (Mads Mikkelsen) gegen die Okkupanten. Dabei gehen sie im Zuge ihrer Aktionen zunehmend fanatisch und gewissenlos vor, was schließlich bei Citron zum Verlust der Familie und bei Flamme zu einer ins Neurotische abgleitenden Form des Misstrauens führt, besonders als dieser nicht mehr zur Gänze zu erkennen vermag, wem er noch vertrauen kann und wem nicht. Als Flamme es aus persönlichen Gründen mit dem Gestapochef Hoffmann (Christian Berkel) aufnimmt, ist sein Schicksal besiegelt. Vor Kriegsende kommen beide posthum zu Nationalhelden erklärten Widerständler ums Leben.

Mit dem klassischen, auf die besetzten Staaten bezogenen "Résistance"-Begriff bringt man als historischer Laie vor allem die französische Widerstandsbewegung in Verbindung, vielleicht noch die von England aus geleiteten Aktionen. Tatsächlich brachten jedoch auch andere Länder schlagkräftige Untergrundkämpfer hervor, darunter der skandinavische Raum und eben speziell Dänemark, wobei Flamme und Citron dort tatsächlich bis heute als Musterbeispiele für den antidiktatorischen Guerillakampf geführt werden. Madsens Film setzt ihnen ein Denkmal, begeht jedoch nicht den so verlockenden Fehler unkritischer Heldenverklärung. Seine beiden Titelfiguren entwickeln sich zu ausgebrannten Männern mit einem sich potenzierenden Hang zu gewissenloser Brutalität. Interessanterweise sind es hier, im Gegensatz zur üblichen filmischen Darstellung, weniger Gestapo und SS, die als Gräuelstifter charakterisiert werden als Flamme und Citron selbst. Ihre Hemmschwellen werden nach und nach geringer, ihre Machtdemonstrationen färben sich zunehmend persönlich. Schließlich klebt auch das Blut Unschuldiger an ihren Händen. "Flammen" & "Citronen" begibt sich somit auf einen durchaus ungewöhnlichen thetischen Pfad: Um das Böse im Namen humaner Gerechtigkeit effektiv bekämpfen zu können, muss man zuweilen selbst in Kauf nehmen, von der Licht- auf die Schattenseite zu wechseln.
Madsen inszeniert dabei bewusst an amerikanischen Vorbildern orientiert. Wenn seine Widerständler, gewandet in Trenchcoat und Stetson und bewaffnet mit Schmeisser und Thompson auf die Nazis feuern, könnte man sie glatt mit John Dillinger oder Pretty Boy Floyd verwechseln. Allerdings erweist sich dieses zunächst bizarr anmutende Gangster-Guerilla-Bild im Schulterschluss mit dem kritischen Beobachtungsvektor überraschenderweise als gar nicht mal unpassend.

7/10

Biopic Widerstand Nationalsozialismus Daenemark WWII period piece Ole Christian Madsen Historie





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Funxton

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