Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

SCHAMLOS (Eddy Saller/AT, BRD, F 1968)


"Porca miseria!"

Schamlos ~ AT/BRD/F 1968
Directed By: Eddy Saller

Als die lebenslustige Nutte Annabella (Marina Paal) umgebracht wird, verdächtigt alle Welt zunächst den homosexuellen Altschauspieler Hohenberg (Louis Soldan). Als dieser jedoch vor Gericht freigesprochen wird, lässt der eherne, italienisch-katholische Vater (Vladimir Medar) des Mädchens ein Femegericht von dem Unterwelt-Zampano Pohlmann (Udo Kier) inszenieren, der schon bald seinen Konkurrenten Kovalski (Rolf Eden) als den wahren Schuldigen auszumachen glaubt.

Deftige Reaktionärskost fürs Bahnhofskino gestreckt mit betagtem, moralinsaurem Pathos, das alte Herren mit hochgeschlagenem Mantelkragen ob seiner Kritik heuchelnden Perspektive ihrerzeit zumindest halbwegs guten Gewissens wieder in die graue Alltagsrealität der späten Wirtschaftswunderwelt entlassen haben dürfte. Zwar weidet sich "Schamlos" seinem Titel gemäß, wenn auch mit gewisser Zügelung, am wirklich ansehnlichen Leib der schönen Marina Paal, betont jedoch zugleich die verbotene Atmosphäre des Halbwelt-Milieus. Kier und Eden als Rotlicht-Gegenspieler sind natürlich eine erwartungsgemäße Schau; der eine, jung und gutaussehend, wird im Laufe der Geschichte aus seiner Delinquentenrolle zum Retter der Gerechtigkeit hochgejubelt, während der andere, froschäugig und gemein, wie man ihn eden, äh, eben kennt, den finalen Triumph des Bösen markiert. Und noch weitere Weisheiten bietet Sallers Schickflick auf: Schummrige Beatschuppen mit wuschelhaarigen Bands sollten besser gemieden werden, darin gibt's nämlich bestenfalls behaschte Studenten und versoffene Sittenstrolche, italienische Migranten haben alle irgendwie Dreck am Stecken, sexuell emanzipierte, junge Frauen erwartet in Prä-Aids-Zeiten die göttliche Bestrafung auf Umwegen und schwule Outcasts mögen zwar kultiviert erscheinen, sind aber prinzipiell kokainsüchtig und langfristig zum Verzweiflungssuizid verdammt. Für die Scriptautoren, darunter Saller selbst, waren denn auch merklich die skandalösen (und völlig unzurechnungsfähigen) Wendungen seiner Geschichte zweitrangig, vielmehr ging es um die bloße Schilderung sittlicher Unhaltbarkeiten. Wunderbar, mit welch augenzwinkernder Genussbarkeit sich dergleichen heutzutage bestaunen lässt.

6/10

Kiez Sleaze Europloitation Eddy Saller Rolf Eden


Foto

DEEP END (Jerzy Skolimowski/UK, BRD 1970)


"I love her." - "You perverted little monster!"

Deep End ~ UK/BRD 1970
Directed By: Jerzy Skolimowski

Der fünfzehnjährige Londoner Mike (John Moulder-Brown) nimmt einen Job in einer Badeanstalt in Fulham an. Dort lernt er die ein paar Jahre ältere Angestellte Susan (Jane Asher) kennen, auf die sich bald Mikes geballte adoleszente, erotische Phantasien projizieren. Allerdings wurmt speziell die Tatsache, dass Susan, die Mikes verzehrende Gefühle durchaus wahrnimmt und ihn damit neckt, sich zum einen mit einem fatzkenhaften Verlobten (Christopher Sandford) und zum anderen mit Mikes früherem, wesentlich älteren Sportlehrer (Karl Michael Vogler) abgibt, den jungen Mann immens. Durch ein umständliches taktisches Manöver kann Mike Susan schließlich zu einem eher hektischen Beischlaf bewegen, der für ihn enttäuschend ausfällt. Und so einfach will er seine Eroberung dann doch nicht ziehen lassen...

Sozusagen die naturalistische, europäische Antwort auf Nichols' "The Graduate" ist "Deep End" eine besondere cinematographische Ausnahmeerscheinung. Ein in London spielendes Coming-of-Age-Drama, von einem Jungregisseur der polnischen Nouvelle Vague zum Teil in den Bavaria-Studios inszeniert - sowas gab's selbst damals nicht alle Tage. Ein Glücksfall des dekadenwechselnden Kinos zwischen den Sechzigern und Siebzigern war die Folge, der das besondere Kunststück bewerkstelligt, sich gänzlich in das Gefühlschaos eines Heranwachsenden fallen lassen zu können, sozusagen kompromisslos. Heute wird "Deep End" häufig in einem Atemzug genannt mit "Blowup" und "Repulsion", die jeweils das "Swingin' London" jener Tage aus der unbestechlichen Sicht junger internationaler Filmemacher karikierten und in einen albtraumhaften Kontext einbetteten. So falsch ist diese Analogie nicht, aber auch kaum gänzlich zutreffend. Skolimowski weidet sich nicht groß an urbanen Ansichten, sondern verharrt ganz in seinen zwei, drei Schauplätzen, als da wären: das halbverfallene Schwimmbad, ein Stück Rotlichtmeile und der winterliche Stadtpark (freilich im Englischen Garten abgefilmt) und konzentriert sich auf seinen omnipräsenten Hauptcharakter und dessen sich zunehmend irrational gestaltendes Innenleben. Einer der wichtigsten, repräsentativsten Filme seiner Zeit ist die verpflichtende Folge, mit einem aus Songs von Cat Stevens und Can kompilierten Wahnsinns-Soundtrack.

9/10

London Jerzy Skolimowski Kiez Coming of Age


Foto

TOYS IN THE ATTIC (George Roy Hill/USA 1963)


"Just a few amounts..."

Toys In The Attic (Puppen unterm Dach) ~ USA 1963
Directed By: George Roy Hill

Der Glücksritter Julian Berniers (Dean Martin), der sich stets auf seine beiden altjüngferlichen Schwestern Carrie (Geraldine Page) und Anna (Wendy Hiller) verlassen konnte, kehrt mit seiner jungen Frau Lily (Yvette Mimieux) zurück nach New Orleans. Carrie und Anna befürchten das übliche Angepumpe, doch Julian überhäuft sie stattdessen mit teuren Geschenken und der Eröffnung, er sei reich geworden. Tatsächlich hat er den reichen Geschäftsmann Cyrus Warkins (Larry Gates) mithilfe von dessen frustrierter Gattin (Nan Martin) bei einem übervorteilenden Immobilienhandel eine größere Summe aus der Tasche leiern können. Carrie, deren merkwürdige Empfindungen für Julian deutlich über rein geschwisterliche Zuneigung hinausgehen, reagiert höchst eifersüchtig und neurotisch auf die neue Unabhängigkeit ihres Bruders und auf Lily. Als sie die naive junge Frau für eine Intrige missbraucht, kommt es zum großen Knall.

Beziehungsreich-typologisch inszenierter Südstaatenkitsch, in dem, ganz so, wie man es von dieser Art Drama durch Williams und Faulkner gewohnt ist, lange schlummernde, schwelende Familiengeheimnisse aufgebrochen und zur Ader gelassen werden, um dann ihrer Heilung harren können. Dean Martin, der, was leider nur Wenige wissen und glauben wollen, gerade infolge seines Luftikus-Image regelmäßig ganz toll war in dramatischen Parts, geht am Ende als geläuterter Antiheld aus der Sache hervor, wer indes mal wieder richtig genüsslich hassen will, kann sich "Toys In The Attic" wegen der alles überragenden Geraldine Page zu Gemüte führen, eine wahre Louisiana-Pomeranze, der sich mit einiger Gewissheit eine ähnliche Zukunft prophezeien lässt, wie sie Bette Davis in "Hush...Hush Sweet Charlotte" vorlebt. Das New Orleans der großen amerikanischen Dramatiker und Romanciers zeigt sich überhaupt selten von touristischer Attraktivität; in die aus inzestuösen Emotionen, traditionellem Rassismus und verfilzten, altgeldadeligen Dynastien (in "Toys" ist gerne von "old money" die Rede) zusammengehaltene Patina des schwülen Südens traut man sich als Fremder ja kaum herein. Es sei denn als Leinwandbesucher, und dann umso lieber.

7/10

George Roy Hill Lillian Hellman Familie based on play New Orleans Südstaaten


Foto

DON'T LOOK NOW (Nicolas Roeg/UK, I 1973)


"Nothing is what it seems."

Don't Look Now (Wenn die Gondeln Trauer tragen) ~ UK/I 1973
Directed By: Nicholas Roeg

Nach dem tragischen Unfalltod seiner fünfjährigen Tochter Christine (Sharon Williams) im hauseigenen Gartenteich sucht das Ehepaar Baxter Zerstreuung im spätherbstlichen Venedig, wo John Baxter sich mit der Restaurierung einer Kirche befasst. Vor Ort lernen John und seine Frau Laura (Julie Christie) zwei alte Damen (Hilary Mason, Clelia Matana) aus Schottland kennen, von denen eine über das "Zweite Gesicht" verfügt. Sie teilen Laura mit, dass Christine im Jenseits glücklich sei und ständig an der Seite ihrer Eltern stehe. Für Laura ist diese Eröffnung ein Segen, derweil John, der um die psychische Gesundheit seiner Frau fürchtet und der laut den Damen ebenfalls übersinnliche Fähigkeiten besitzen und darüberhinaus in Venedig seines Lebens nicht sicher sein soll, von merkwürdigen Wachträumen heimgesucht wird. Zu allem Überfluss treibt ein mysteriöser Serienmörder sein Unwesen in der Lagunenstadt.

Roegs brillanter, morbider Film ist stets aufs Neue ein Erlebnis. Mit für seine exzentrischen Verhältnisse ungewohnter Eingängigkeit und emotionaler Kraft schildert der Filmemacher dieses schreckliches Elterndrama auf die denkbar intensivstmögliche Weise und stürzt sein Protagonistenpaar in einen wahren Albdruck aus literarischen Leitmotiven: Immer wieder trübes Wasser, Scherben, grelles Rot, bröckelnder Stuck, Mosaiksteinchen. Alles scheint zum Stillstand verdammt im allein schon saisonal bedingt sterbenden Venedig, das sich natürlich als stark beeinflusst präsentiert von Thomas Manns bereits nominell verwandter Novelle. Sutherland als Publikumsmedium, der als Vater zu seiner engelhaften kleinen Tochter mutmaßlich die etwas stärkere Bindung der beiden Eheleute hatte, irrt gegen Ende durch die leere, kalte Stadt wie ein von allem Irdischen Verlassener. Als er ein kleines Mädchen, das in denselben roten Regenmantel wie Christine gehüllt ist, zu sehen glaubt, erfüllen sich endlich sich sein trotziges Schicksal und seine latente Todessehnsucht.
Als verstörendstes Bild von "Don't Look Now" empfand ich persönlich eigentlich stets weder den entsetzten John Baxter mit seiner toten Tochter im Arm, noch den schlitzenden Hutzelzwerg (übrigens bei weitem nicht die einzige motivische Parallele zu den damals aktuellen Gialli), sondern die auf der Trauergondel stehende Julie Christie, wohlweislich lächelnd, von den beiden alten, wie stumme Totenwächter hinter ihr platzierten Schottinnen um die Furcht vor dem ewigen Mysterium Tod beraubt.

10/10

Nicolas Roeg Daphne Du Maurier Venedig PSI Herbst Serienmord


Foto

GARDE À VUE (Claude Miller/F 1981)


Zitat entfällt.

Garde À Vue (Das Verhör) ~ F 1981
Directed By: Claude Miller

Der wohlhabende Pariser Notar Martinaud (Michel Serrault) wird am Silvesterabend einem latent bis offen aggressiven Verhör durch den Polizeiinspektor Gallien (Lino Ventura) unterzogen, der sein Gegenüber für den Schuldigen in zwei Sexualmordfällen an achtjährigen Mädchen hält. Dass mit dem aalglatten Anwalt tatsächlich etwas nicht stimmt bzw. er sich immer wieder in widersprüchliche Aussagen zu flüchten scheint, macht Gallien nur noch misstrauischer. Als schließlich Martinauds sich mysteriös gebende Frau (Romy Schneider) auftaucht und Gallien zusätzlich belastende Indizien zuspielt, ist für den müden Polizisten der Fall endgültig klar. Dabei manövrieren die Geschehnisse geradewegs in eine menschliche Katastrophe.

Gleichermaßen beklemmendes Verhördrama und Meditation über die Gefahr staatlicher Autorität, steht "Garde À Vue" in der Tradition der ähnlich gearteten Filme "The Offence" und "Die verlorene Ehre der Katharina Blum", wobei die politische Dimension des letzteren themengemäß stark abgemildert wird. Allen dreien, auf ihre jeweilige Weise meisterlich inszenierten Filmen gemein ist jedoch die auf staatsdienstlich tätige Individuen projizierte, systemräsonistische Überzeugung, stets professionell und richtig zu handeln und damit die Existenzen ihrer Opfer mit Volldampf zu zertrümmern. Dabei verfährt Miller sogar noch um einiges geschickter als Lumet bzw. Schlöndorff/Böll: Am Anfang ist man naturgemäß ganz bei Lino Ventura, schon aufgrund dessen historischen Renommees; der erfahrene "poulet" kann nur im Recht sein, wenn er diesen arroganten Fatzke im Abendanzug des doppelten Kindsmordes bezichtigt und ihn diesbezüglich zu überführen sucht. Und tatsächlich offenbart Martinaud sich irgendwann als pathologischer Pädophiler, der sich aus der Beklemmung seiner dysfunktionalen Ehe heraus einstmals in eine irrationale, ersponnene Liebesaffäre mit einem kleinen Mädchen (Elsa Lunghini) geflüchtet hat. Dass jedoch Paraphilie nicht zwangsläufig gleichbedeutend sein muss mit akuter Gewalttätigkeit, wird zu "Ermittlungszwecken" kurzzeitig verdrängt. Das Ende, an dem eine völlig diametrale Wahrheit und eine unerwartete Tragödie stehen, lässt ahnen, dass Gallien seinen Hut nehmen wird. Welche Alternative bleibt ihm auch?

9/10

Silvester Verhör Serienmord Paris Nacht Claude Miller


Foto

OUTCAST OF THE ISLANDS (Carol Reed/UK 1951)


"Swine! Swine!"

Outcast Of The Islands (Der Verdammte der Inseln) ~ UK 1951
Directed By: Carol Reed

Nachdem sein früherer Schützling Willems (Trevor Howard) wegen Veruntreuung von Unternehmensgeldern in Singapur inoffiziell zur persona non grata erklärt geworden ist, entschließt sich der Seebär und Wirtschaftsmonopolist Captain Lingard (Ralph Richardson), ihm eine weitere Chance zu geben und Willems als Kompagnon seines Schwiegersohns Almayer (Robert Morley) an seinem Handelsposten im indonesischen Dschungel einzusetzen. Jener Handelsposten kann Lingard allein wegen seiner strategisch geschickten Lage - auf dem Seefahrtsweg kann er nur von höchst geschickten Nautikern angesteuert werden - halten. Als Willems sich in die eingeborene Häuptlingstochter Aissa (Kerima) verliebt und ihr hoffnungslos verfällt, ist es um Lingards Handelsstation geschehen...

Vortreffliches Kolonialabenteuer nach Joseph Conrad, das einmal mehr das Motiv des westlich-stämmigen Dschungelkönigs und dessen langfristiges Scheitern in sein Zentrum stellt. Stark zivilisationskritisch und mit manchen, zwischen reißerisch und bizarr pendelnden Episoden erzählt Reed, ein wiederum auch bei ihm häufig wiederkehrendes Motiv, die Geschichte eines skrupellosen Opportunisten, dem sein eigenes Wohl bereits instinktiv über alles andere geht und der jedwede Sozialisation beiseite drängt, wenn es um die Befriedigung seiner Bedürfnisse geht. Geld und Gut, Erotik und Leidenschaft und dann ersteinmal ganz lange gar nichts markieren die existenziellen Statuten im Leben des Peter Willems, dem keine noch so herbe Erfahrung Vernunft einbläuen kann. Wie einem Alkoholiker oder Drogensüchtigen, so Captain Lingards bittere Erkenntnis, ist Willems einzig und allein damit geholfen, ihn fallenzulassen und mit den Trümmern seiner Schandtaten zu konfrontieren.
Ganz besonders Trevor Howard und Robert Morley in einer wie üblich höchst exzentrischen Darbietung sind für jeden Freund exzellenten Filmschauspiels unverzichtbar!

9/10

Carol Reed Joseph Conrad Singapur Indonesien Kolonialismus


Foto

CLOAK AND DAGGER (Fritz Lang/USA 1946)


"Everyone to leave leaves a hole."

Cloak And Dagger (Im Geheimdienst) ~ USA 1946
Directed By: Fritz Lang

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs lässt sich der amerikanische Nuklearspezialist Alvah Jesper (Gary Cooper) vom Geheimdienst anheuern, um herauszufinden, wie weit die faschistische Achse in Europa mit dem Bau der Atombombe gediehen ist. Die Aussicht, seine alte Schriftkorrespondentin Katerin Lodor (Helen Thimig) wiederzusehen, erscheint ihm allzu verlockend. In der Schweiz will er die Lodor zunächst aufsuchen und in Sicherheit bringen, doch die widerständischen Befreiungsversuche scheitern. Als nächstes gilt es, den in Italien festgehaltenen Professor Polda (Vladimir Pokoff), der mit der Gefangenschaft seiner Tochter erpresst wird, herauszuholen. Zusammen mit der Widerstandskämpferin Gina (Lilli Palmer), in die er sich verliebt, gelingt Jesper das waghalsige Unternehmen.

Erfrischend sorgfältig gemachter Spionagethriller unter Prononcierung starker, dem Mannsvolk ebenbürtigen Frauencharakteren, der wie viele der um diese Zeit von Lang gemachten Kriegsfilme mit knallharter Kritik am Faschismus nicht spart. "Cloak And Dagger" zeigt ein Mitteleuropa der Verunsicherung und des Schweigens, in dem jeder Verdacht und jede falsche Bewegung umgehend zur Verhaftung führen kann. Anders als die späteren Agentenabenteuer, die den Kalten Krieg als Weltkulisse für ihre poppig-exotische Action benutzten, kann hier von "classic excitement" kaum die Rede sein. Das Dritte Reich liegt wie eine bleierne Kuppel über dem bereits teilzerbombten Kontinent und die Angst vor Massenvernichtungswaffen in den Händen Hitlers oder Mussolinis ist allgegenwärtig. Filme wie "Cloak And Dagger", "Ministry Of Fear" oder auch "The Seventh Cross", die eben allesamt von Immigranten gemacht sind, verdeutlichen weit über das übliche propagandistische Hollywood-Schema dieser Tage hinaus die äußere Besorgnis über die Zustände und sind damit durchweg immens wichtige Zeitzeugnisse.

8/10

Widerstand Atombombe Fritz Lang Schweiz Italien WWII Nationalsozialismus


Foto

COMMUNION (Philippe Mora/USA 1989)


"I am the dreamer and you are the dream."

Communion (Die Besucher) ~ USA 1989
Directed By: Philippe Mora

Der Romancier Whitley Strieber (Christopher Walken) empfängt in seinem abgelegenen Wochenendhaus regelmäßig seltsame Träume. Seine Frau (Lindsay Crouse) hält ihn zunächst für verrückt, als die Visionen sich jedoch in körperlichen Schmerzen manifestieren, scheinbar auf den Jungen (Joel Carlson) des Paars übergreifen und Whitley selbst zunehmend paranoid wird, suchen die Striebers einen Arzt (Basil Hoffman) auf. Dieser verweist ihn an die Psychologin Dr. Duffy (Frances Sternhagen), die Erfahrung mit solchen Fällen hat: Offenbar wurde Whitley von friedlichen Aliens entführt, die bereits seit Jahrzehnten die Erde besuchen und ihn medizinisch auf den Kopf gestellt haben.

Ein weiterer, schön verschrobener und sonderbarer Film von Philippe Mora, der eigentlich weniger ihm oder dem witzig um "Authentizität" ringenden Autor Whitley Strieber gehört, sondern dem ausgelassenen Chris Walken, der hier neben seinen denkwürdigen Leistungen in "The Dead Zone", "A View To A Kill" und "King Of New York" seine vielleicht prägnanteste Darstellung abliefert. Walken ist als verklusulierter Ich-Erzähler in ausnahmslos jeder Szene präsent und macht das, was er am besten kann: Tänzeln, grinsen, wem zunicken, improvisieren. Mit etwaigen Verdächtigungen soll man ja immer vorsichtig sein, aber wenn Chris Walken um diese Karrierephase nicht redlichst dem Kokain zugesprochen hat, dann bin ich Dagobert Duck. Besonders hervorhebenswert an "Communion" scheint mir noch seine strikte Verweigerung jedweder Publikumsanbiederung. Der Film kocht einfach sein höchstpersönliches "Close-Encounters"-Süppchen, das einen oft zwar etwas ratlos zurücklässt, am Ende aber doch hinreichend Sinn zu stiften in der Lage ist. Für Walken-Fans sowieso unerlässlich. Bemerkenswert schlecht übrigens die hörbar halbherzig angefertigte deutsche Synchronisation, die "Communion" wirklich furchtbar entstellt und die man um jeden Preis meiden sollte.

7/10

Familie Psychiatrie Kidnapping Aliens Philippe Mora New York Whitley Strieber


Foto

THE WAY WE WERE (Sydney Pollack/USA 1973)


"Fascists!"

The Way We Were (So wie wir waren) ~ USA 1973
Directed By: Sydney Pollack

Sie: eine erzrote, gegen alles unliberale wetternde, jiddische Kommunistin; er: ein gutaussehender, sportiver Jüngling mit Zukunft in Hollywood, erfolgreich in allem, was er tut. Als Katie (Barbra Streisand) und Hubbell (Robert Redford) sich nach längerer Bekanntschaft ineinander verlieben, ist klar, dass sie keinesfalls füreinander geschaffen sind. Eine überaus komplizierte Beziehung mit anschließender Ehe ist die Folge, die endgültig zerbrechen muss, als der McCarthyismus Hollywood und damit auch die Existenzen von Katie und Hubbell überflutet.

Wenn die Liebe sich nicht mit den Liebenden verträgt, wird es brenzlig: Edler Romantikkitsch, ein typisches Streisand-Vehikel und damit zugleich ein typischer Studio-Gegenentwurf zu New Hollywood, wie er so nur in den Siebzigern entstehen konnte. Mit einem intellektuell durchaus tragfähigen Polit-Fundament versehen und permanent unterlegt von Streisands gleichnamigem Ohrwurm erzählt Pollack sein durchaus hübsches, eine Ära von immerhin gut zwei Jahrzehnten umfassendes Rührstück. Versiert, geradlinig und weithin überraschungsfrei, wie es sich für den Regisseur mit zunehmender Routine gehört, toll gespielt mit feinen Nebenparts für James Woods, Bradford Dillman und Patrick O'Neal, letzten Endes aber doch bloß Patina (wenn auch edle) am kulturellen Monolith seiner Filmdekade. Bedenklich wird es, wenn das durchaus sensible Thema der Kommunistenhatz in schwammiger Weise für das ansonsten eher banale Liebesdrama ausgebeutet wird. Wer einen vorsätzlich schmalzigen Taschentuchtränker sehen will, ist mit "The Way We Were" super bedient, wer sich für einen filmischen Abriss über die erzählte Ära interessiert, kann und sollte indes zu Besserem greifen.

6/10

Sydney Pollack McCarthy-Ära Hollywood New York period piece


Foto

DER RICHTER UND SEIN HENKER (Maximilian Schell/BRD, I 1975)


"Just one damn year."

Der Richter und sein Henker ~ BRD/I 1975
Directed By: Maximilian Schell

Seit einer vor dreißig Jahren geschlossenen Wette, derzufolge ein Mord vor den Augen eines Polizisten begangen werden könne, ohne gesetzlich gesühnt zu werden, ist der mittlerweile schwer magenkranke Schweizer Kommissar Bärlach (Martin Ritt) hinter seinem Erzfeind (Robert Shaw) her. Jener, ein wahrer Teufel in Menschengestalt, hat mittlerweile die Identität eines einflussreichen Großbürgers namens Gastmann angenommen und verübt seine Verbrechen nun unweit von Bärlachs Heimat Bern. Diesmal scheint Gastmann jedoch einen Fehler gemacht zu haben: Er hat scheinbar Bärlachs jungen Partner Schmied (Donald Sutherland) ermordet. Zusammen mit Schmieds übereifrigem Nachfolger Tschanz (Jon Voight) hängt sich Bärlach an Gastmanns überdeutliche Fährte.

Ein später Sieg des Guten über das ewiglich Böse: Die Verfilmung von Dürrenmatts berühmter Novelle ist ein kleines, matt scheinendes Glanzstück des europäischen Kinos der siebziger Jahre. Von Schell mit einem verhältnismäßig kleinen Budget hergestellt, aber dafür einigen, die trocken-pointierte Sprache des Buchs sogar noch krönenden Regieeinfällen versetzt, gelingt es ihm und dem Autor selbst hervorragend, Dürrenmatts herbstliche, zudem mit einem sehr finsteren Menschenbild kokettierende Atmosphäre zu transponieren. Unter Schells Regie bekommt das Buchpersonal durchweg adäquate Leinwandentsprechungen, von dem Regisseur Ritt über die erlauchte schönheit von Jacqueline Bisset bis hin zu Sutherlands irrwitzigem Anfangs-Cameo als Leiche Schmieds. Und Jon Voight ist als Bösewicht sowieso stets am Besten.

8/10

Maximilian Schell Friedrich Duerrenmatt Schweiz Bern Duell Herbst





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare