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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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À L'INTÉRIEUR (Alexandre Bustillo, Julien Maury/F 2007)


Zitat entfällt.

À L'Intérieur (Inside) ~ F 2007
Directed By: Alexandre Bustillo/Julien Maury

Vier Monate nach einem schweren, von ihr selbst verursachtem Unfall, bei dem Mathieu (Jean-Baptiste Tabourin), ihr Freund und Vater ihres Kindes, stirbt, steht Sarah (Alysson Paradis) kurz vor der Niederkunft. Just in der Nacht, bevor sie zur Entbindung ins Krankenhaus soll, dringt jedoch eine fremde, schwarzgewandete Frau (Béatrice Dalle) in ihr Haus ein und beschert ihr eine von blutiger Grausamkeit geprägte Nacht.

Mit ihrer vereinnahmend-gewalttätigen Geschichte um das harte Duell zweier vom Leben schwer enttäuschter Mütter machten sich Bustillo und Maury nur wenige Freunde; den meisten, darunter selbst abgebrühten Zuschauern erschien die in ihrem Film dargestellte, wirklich nur schwer zu ertragende Gewalt jenseits akzeptabler Schwellen. Tatsächlich dürfte eine rein dramaturgische Rechtfertigung der in "À L'Intérieur" formulierten, buchstäblichen Blutschwälle ins Leere laufen. Der Film stellt primär eine affektive Belastungsprobe für sein Publikum dar, wobei das psychologische Moment der von auf wahnsinnige Frauenfiguren gewissermaßen abonnierten Béatrice Dalle dargestellten Mutter, der Rache und Genugtuung die finale Existenzgrundlage bescheren, ein durchaus poetisches ist, dass nicht partout Sujet eines Horrorfilms zu sein hat. Man mag "À L'Intérieur" selbstzweckhaft, eklig, vielleicht sogar abartig finden - ich halte ihn für einen der hervorhebenswertesten und herausforderndsten Genre-Beiträge der letzten zehn Jahre.

8/10

Alexandre Bustillo Julien Maury Schwangerschaft Unfall Splatter Slasher Transgression Nacht Home Invasion


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STAY HUNGRY (Bob Rafelson/USA 1976)


"You gotta choose: Start shitting or stand up from your toilet!"

Stay Hungry (Mr. Universum) ~ USA 1976
Directed By: Bob Rafelson

Der Millionenerbe und Dynastiefortführer Craig Blake (Jeff Bridges) weiß wenig mit seinem Leben anzufangen als herumzuhängen und in den Tag hinein zu vegetieren. Allein bewohnt er das stattliche Haus seiner Eltern bei Birmingham, Alabama, lässt sich von seinem Firmenmanagement die Ohren vollsäuseln und sucht nach Abwechslungen im Alltag. Der Gang in ein renovierbedürftiges Fitness-Studio führt ihn mit dem aus Österreich stammenden Bodybuilder Joe Santo (Arnold Schwarzenegger) zusammen, der gerade für die Wahl zum Mr. Universum trainiert. Santo, entgegen seiner hünenhaften Physis ein überaus gewitzter und kultivierter Sportsmann, überlässt Blake bald bereitwillig seine Freundin Mary Tate (Sally Field). Die Zusammenführung zwischen den Bodybuilding-Freaks und der Südstaaten-High-Snobiety will Craig jedoch nicht recht gelingen. Als der alternde Studiobesitzer Erickson (R. G. Armstrong) eine Überdosis Poppers nimmt, kündigt sich eine große Wende an.

Rafelsons frühere Filme gehorchen - zumindest zu großen Teilen ihrer jeweiligen Erzählzeit - nicht selten einer gewissen Rauschmittellogik; tatsächlich bekleiden Drogen und veränderte Wahrnehmung nicht nur in ihnen, sondern auch mit ihnen einen entscheidenden Raumfaktor. Auch auf "Stay Hungry", der sich dem Sportphänomen Bodybuilding auf eine denkbar unvoreingenommene und geradezu sympathisierende Weise nähert, trifft dies zu: Eine für Außenstehende ganz merkwürdig anmutende Subkultur wird hier porträtiert, in die sich der Zuschauer zusammen mit dem Tagedieb Craig Blake, der in den frühen Neunzigern als 'Slacker' bezeichnet worden wäre, mit seltsamer Faszination hineinfallen lassen kann. Die Muskelmann-Kaste zeigt sich als eine Gruppe von auf ein für Außenstrehende nicht nachvollziehbares Ziel zusteuernden Besessenen, beseelt von einer kaum zu fassenden Willenskraft, keinesfalls verblödet, dafür aber in höchstem Maße verrückt. Gegen Ende dreht Rafelson, dem mit Robert Englund, Joe Spinell, Scatman Crothers, Ed Begley jr. oder Roger E. Mosley eine gar grandiose supporting cast beschwert ward, dann völlig auf: R. G. Armstrong ergibt sich einem Sex- und Drogenrausch und läuft Amok, derweil eine ganze Horde Bodybuilder öffentlich auf den Straßen Birminghams posiert. Dabei ist "Stay Hungry" vordergründig ein pädagogisch sogar wertvoller Erweckungsfilm, der für einen sinnvollen Lebenswandel plädiert. Nur dass er sich in all seiner Sperrigkeit niemandem vorsätzlich anbiedert, will wiederum nicht so recht dazu passen.

8/10

Bob Rafelson Alabama Südstaaten New Hollywood Bodybuilding Freundschaft Coming of Age


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LONE STAR (John Sayles/USA 1996)


"Forget the Alamo."

Lone Star ~ USA 1996
Directed By: John Sayles

Sam Deeds (Chris Cooper), sheriff des texanischen Grenzstädtchens Frontera, bekommt es mit der eigenen Familienhistorie zu tun als mitten in der Wüste das Skelett des früheren, von allen gefürchteten Gesetzeshüters Charlie Wade (Kris Kristofferson) gefunden wird. Der einsame Sam, der nach einer langen Zeit außerhalb erst vor Kurzem wieder zurück nach Frontera gekommen ist, muss sich nunmehr dräuenden Fragen betreffs seiner eigenen Vergangenheit und Identität stellen, die noch eine ganze Reihe weiterer Einwohner der Stadt tangieren.

Meisterhaft gescripteter und montierter Ensemblefilm von John Sayles, der sich gleichermaßen als Polizeifilm und Neo-Western begreift, eine südstaatliche Kleinstadt mit all ihren totgeschwiegenen Geheimnissen porträtiert und mittels aller bedurften Gleichmut ein komplexes Beziehungs-Mosaik entwirft. Sayles belegt, dass die alten, geschichtsimmanenten Fragen betreffs Wahrheit und Legende so lange nicht zur Gänze beantwortet werden können, wie alle möglichen kleinen, staubigen Nester im Lande ihre ganz speziellen Pioniersagen um des Fortbestandes Willen benötigen. Somit steht "Lone Star" auch in direkter Ahnenreihe von Fords "The Man Who Shot Liberty Valance", in dem es genau wie in Sayles' Film um Lug, Trug und Vergangenheitsbewältigung in Form bewusster Geschichtsklitterung geht. Darüberhinaus verhandelt der Auteur noch auf höchst integre Art ethnische Platzbestimmungen, die an der Grenze Texas/Mexiko als ein Thema immerwährender Aktualität erscheinen: Indianer, Mexikaner, Weiße, Schwarze und deren Nachkömmlinge, teils längst nicht mehr ohne Weiteres einer Kultur zuzuordnen, finden sich oftmals in einen Frontalzusammenprall mit längst obsoleten Feindbildern involviert. Daraus, dass es neue Hoffnung und Arrangements mit dem Früher geben muss, um weitermachen zu können, macht Sayles keinen Hehl; selbst, wenn dies erst der Bewältigung moralisch höchst prekärer Slalomkurse bedarf.

10/10

John Sayles Grenze Texas Mexiko Ensemblefilm Rassismus Südstaaten ethnics


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LA ORCA (Eriprando Visconti/I 1976)


Zitat entfällt.

La Orca ~ I 1976
Directed By: Eriprando Visconti

Die Industriellentochter Alice (Rena Niehaus) wird von einer Gruppe Kleingangster entführt und in einem abgelegenen Altbau gefangengehalten. Die von einer grauen Eminenz im Hintergrund organisierten, beteiligten Männer kennen sich weder, noch pflegen sie eine Kommunikation, die das Allernötigste übersteigt. Da der junge und naive Michele (Michele Placido) der Einzige ist, der keinerlei anderweitigen Verpflichtungen nachgehen muss, obliegt ihm die Aufgabe, ruind um die Uhr bei Alice zu bleiben und sie zu bewachen. Bald schon vergisst Michele sich angesichts der dräuenden Umstände und glaubt, dass seine Annäherungsversuche bei Alice auf fruchtbaren Boden stoßen. Ein verhängnisvoller Irrtum.

Der Luchino-Neffe Eriprando Visconti spielt in "La Orca" geschickt mit Rollenerwartungen und Figurenzeichnungen. Neben einer eher beiläufig entworfenen Bestandsaufnahme des zeitgenössischen Italien, in dem die Roten Brigaden wüteten und Entführungsfälle wohlhabender Familienmitglieder faktisch an der Tagesordnung waren, richtet er sein Augenmerk auf die abbildhaft-symbolische Beziehung zwischen Alice und Michele, die sich von Anfang an als Katz-und-Maus-Spiel geriert. Während Michele mehr oder weniger bewusst als Identifikationscharakter eines vorrangig voyeuristisch-libidinös gesteuerten, männlichen Publikums dient und mit seinen sexuellen Nötigungen und Missbrauchsavancen auch noch auf eine Goldader zu stoßen scheint, brodelt in der die Situation aufgrund von Intellekt und Geschlecht bald insgeheim beherrschenden Alice von Anfang an der bloße Freiheitswille. Dass infolge dieser wohlfeil kaschierten Ausgangssituation die Arbeiterklasse am Ende einmal mehr von der Oberschicht dominiert und unmerklich gesteuert wurde, liegt, das macht Visconti dem Publikum am Ende noch einmal ganz klar deutlich, in der - wenngleich ungerechten - Natur der Dinge. In the end, we all lose.

7/10

Eriprando Visconti Kidnapping


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ESCAPE FROM THE PLANET OF THE APES (Don Taylor/USA 1971)


"Man might kill his brother, but he could not kill his dog!"

Escape From The Planet Of The Apes (Flucht vom Planet der Affen) ~ USA 1971
Directed By: Don Taylor

Zira (Kim Hunter), Cornelius (Roddy McDowall) und ihrem Freund Milo (Sal Mineo) ist es gelungen, rechtzeitig vor der Explosion der Erde mit Taylors Raumschiff in die Vergangenheit zurückzufliegen. Dort werden sie, gestrandet an der Westküste, von der Öffentlichkeit zunächst mit Begeisterung aufgenommen; der misstrauische Zukunftsforscher Hasslein (Eric Braeden) sähe die beiden jedoch am liebsten tot. Als er erfährt, dass Zira schwanger ist und Cornelius unbeherrscht einen Pfleger erschlägt, hat er die ganze Legitimation, die er braucht, um die Affen zur Strecke zu bringen.

Nun also zurück in die Gegenwart, just zu dem Zeitpunkt, wo Taylors Verschwinden der Weltraumforschung noch Rätsel aufgibt - von seinen Mitreisenden oder von einem Brent ist freilich keine Rede mehr. Aber die waren ja auch nicht Charlton Heston. Stattdessen steigen also drei aufrecht gehende Schimpansen in Astronautenanzügen aus der Raumfähre. Und welch Sensation - Sie sprechen, sind gar gebildet und bald der popkulturelle Hit in jeder Happening-Runde en vogue. Zwischen Feministinnen-Klub, Salongewäsch und Partygesellschaft mitsamt all ihren 'Huchs' und 'Hachs' geht erstmal nichts mehr ohne Zira und Cornelius (Milo wurde derweil bereits leider von einem primitiven Gorilla erwürgt). Doch kein eitel Sonnenschein ohne trübe Wolke am Horizont: Dr. Hassleins anfängliche Verwunderung über die Affen weicht bald einem irregeleiteten Fanatismus, was zu dem wie üblich niederschmetternden Showdown in der Affenserie führt - diesmal jedoch nicht ohne die Hinterlassenschaft eines finalen Hoffnungsschimmers. Ihre Gesellschafts- und Militärkritik behält die Reihe zumindest in abgemilderter Stärke bei; ansonsten gibt sich "Escape" formal und topologisch deutlich moderater als der direkte Vorläufer. Andererseits fehlt es ihm womöglich ein bisschen an Verrücktheit und Konsequenz: Die Schimpansen werden hier deutlich mehr vermenschlicht und in Humanformen gepresst, als es ihnen selbst gefiele.

7/10

Don Taylor Planet Of The Apes Affen Zeitreise Sequel Zirkus Militär Los Angeles


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DIE HINRICHTUNG (Denis Héroux/BRD, I, F, CA 1976)


"Be quiet. Nothing's gonna happen to you. I promise."

Die Hinrichtung ~ BRD/I/F/CA 1976
Directed By: Denis Héroux

Auf dem Nachhauseweg landet der in Vietnam desertierte G.I. Cain (Mathieu Carrière) im ebenfalls von Unruhen durchgeschüttelten Belfast, wo er ein paar Nächte in einem Obdachlosenheim verbringt. Als er auf ein Schwesternwohnheim aufmerksam wird, bricht Cains Psychose vollends durch. Er bringt die acht jungen Frauen in seine Gewalt und tötet sie eine nach der anderen.

Der Beweis dafür, dass Terrorfilme rein sujetbedingt noch lange keinen exploitativen Charakter aufzuweisen haben. Laut Héroux' in "Die Hinrichtung" gezeichnetem Weltbild ist der gesamte Planet (neben Vietnam und Nordirland wird gegen Ende auch der Nahe Osten kurz ins Spiel gebracht) einem global um sich greifenden Irrsinn erlegen, der die Menschen sogartig assimiliert und schlimmstenfalls zu tickenden soziopathischen Zeitbomben macht. Nicht umsonst basieren die dargestellten Ereignisse auf realen Begebenheiten (die sich allerdings wiederum kommentarisch in den Film einbezogen finden). "Die Hinrichtung" wirkt gerade dadurch verstörend, dass er sich so prononciert nüchtern und unbeteiligt gibt. Mit fast dokumentarischer Genauigkeit verfolgt Héroux den Weg des psychisch vollkommen zertrümmerten Vietnam-Veteranen, der, anders als etwa ein Krug Stillo und seine Gang, niemals zu einem vollwertigen Hassobjekt des Publikums verkommt. Weder ist Cain Adamson besonders unsympathisch noch je übermäßig aufbrausend. In stoischer Gleichmut verrichtet er sein Wahnsinnswerk, das, wäre es nicht von derart unmenschlicher Barbarei, auch als nachdrückliche Protestaktion gegen den gegenwärtigen Zustand der Welt verstanden werden könnte - immerhin wählt der Täter für seinen Anschlag auf die Conditio humana ausgerechnet eine Gruppe von Menschen, für die Barmherzigkeit nicht nur ein Tagesgeschäft darstellt, sondern die sogar ihm selbst zuvor noch mit offenen Armen begegnet ist.
Ein paar - vor allem im Hinblick auf eine Massenrezeption - grenzwertiger Einstellungen zum Trotz hält sich Héroux daher auch ganz bewusst vom Sleaze fern und wirkt dadurch nur umso abgründiger. Und was war Carrière doch einst für ein phantastischer Schauspieler...

8/10

Denis Héroux Nordirland Belfast Vietnamkrieg Terrorfilm Madness Nacht Massenmord Veteran


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THE NUN'S STORY (Fred Zinnemann/USA 1959)


"Do good, then disappear."

The Nun's Story (Geschichte einer Nonne) ~ USA 1959
Directed By: Fred Zinnemann

Nachdem die Chirurgentochter Gabrielle Van Der Mal (Audrey Hepburn) als Nonne in ein belgisches Konvent eingetreten ist, findet sie sich unter einer andauernden inneren Konfliktsituation: Der weltliche Stolz auf ihre generöse Arbeit als Krankenpflegerin steht nämlich in höchstem Widerspruch zu ihrem Bescheidenheitsgelöbnis als Ordensschwester. Nach einigen Jahren Tätigkeit im Kongo muss sie zu Beginn des Zweiten Weltkrieges nach Belgien zurückkehren, wo sie, wiederum konträr zu ihrer Berufung, passiv den Widerstand unterstützt und die Nazis hassen lernt. Als Konsequenz verlässt sie den Orden endgültig.

Sanftmütig ausformuliertes Nonnendrama, das Zinnemanns kunstvoller Regie und Hepburns intensivem Spiel alles verdankt. Der Regisseur ist sich der wesensimmanenten Kitschbeladenheit seiner Geschichte jederzeit vollends bewusst und umschifft somit gekonnt jedwede melodramatische Steilvorlage, die andere Studio-Filmemacher - man denke an Henry King oder William Wyler - nur umso mehr gereizt hätten und "The Nun's Story" zu heillosem (unfreiwilligem) Camp hätten werden lassen. In dieser Form jedoch, die mittels denkbar besonnener, ausgiebiger Narration die Vita einer Nonne als entbehrungsreiche und harte, wenn nicht gar abstoßende Existenzspielart bar jeglicher überflüssiger Romantisierung einordnet, wird der Film allerdings zu genau jener intellektuell tragfähigen Auseinandersetzung, die dem Thema gebührt. Selbst für ein ordinär-weltliches Publikum wie meinereiner.

8/10

Fred Zinnemann Belgien Brügge Kongo Afrika Kloster Nonnen period piece Biopic WWII Krankenhaus Psychiatrie


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THE LITTLE DRUMMER GIRL (George Roy Hill/USA 1984)


"I believe in things. I believe in helping end the suffering."

The Little Drummer Girl (Die Libelle) ~ USA 1984
Directed By: George Roy Hill

Der Mossad wird auf die in London tätige US-Theater-Schauspielerin Charlie (Diane Keaton) aufmerksam, die sich bezüglich Nahost-Konflikt-Fragen öffentlich und überdeutlich auf Seiten der Palästinenser positioniert. Dennoch gelingt es den Israelis mit spezieller Unterstützung des charismatischen Agenten Joe (Yorgo Voyagis), in den sich Charlie verliebt, die junge Frau auf ihre Seite zu ziehen. Charlie soll dem Mossad dabei helfen, den arabischen Terroristen Khalil (Sami Frey) und dessen Operationsbasis zu enttarnen. Zu diesem Zweck muss sie sich unerkannt von der PLO anwerben lassen und Khalids Vertrauen gewinnen, was ihr auch gelingt. Dass am Ende der vertrackten Mission ihr eigener psychischer Zusammenbruch stehen könnte, ignoriert Charlie im Vorhinein konsequent...

John Le Carrés Thriller-Beitrag zur ewig schwelenden Nahost-Krise, von George Roy Hill gediegen und fast gänzlich unter Verzicht auf oberflächliche Schaueffekte verfilmt sowie die Intelligenz seines Publikums fordernd statt beleidigend. Diane Keaton einmal fernab von Clinch-Situationen mit Woody Allen zu beobachten bzw. von ihr nicht das amerikanische Hausmütterchen mit schneidigem Verstand aufs Erdnussbutter-Sandwich gelegt zu bekommen, ist ebenfalls eine Wohltat, ebenso wie einen fast domestiziert erscheinenenden Kinski, der einen ungewohnt entspannten Eindruck hinterlässt und seine Regieanweisungen tatsächlich angenommen haben dürfte. Dass er nahezu jede Szene, in der er auftritt, allein durch seine Präsenz souverän dominiert, gehört eben zur Natur dieses Irrwischs. Die einzigen mir erwähnenswert scheinenden Schwächen des durchaus auch als Allegorie auf abendländisches Unverständnis bezüglich orientalischer Mentalitätskonflikte lesbaren Films liegen in seiner etwas klischierten und vor allem allzu ausgewalzten Präsentation des Verhältnisses zwischen Charlie und Joe. Diese mag vielleicht inhaltlich von elementarer Bedeutung sein, inszenatorisch hätte hier jedoch durchaus auch gern auch mal Schmalhans Küchenmeister sein dürfen.

8/10

George Roy Hill John Le Carré Libanon Beirut Freiburg London Terrorismus Nahost-Konflikt undercover


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RUNNING ON EMPTY (John Clark/AU 1982)


"I've got some nitrous oxide injection 'round that's a sweet sensation."

Running On Empty (Mike in 3,8 auf 100) ~ AU 1982
Directed By: John Clark

Autos und Geschwindigkeit sind ihr einziger Lebenszweck: Eine Gruppe illegale Rennen veranstaltender Kids praktiziert in den Vororten von Sidney alle Nase lang harte Raserduelle, bei denen es auch oft und gern einmal zu tödlichen Unfällen kommt. Ungeschlagener König der Beschleunigung ist der kriminelle Fox (Richard Moir). Für Mike (Terry Serio) gibt es indes noch Fox' exaltierte Freundin Julie (Deborah Conway), mit der ihn bald eine stümische Romanze verbindet. Von Fox zum Rennen herausgefordert, wagt Mike zunächst einen kopfklärenden Ausflug aufs Land, wo er dem blinden Autofreak Rebel (Max Cullen) begegnet. Dieser bietet Mike an, seinen Wagen hochzutunen, was dem jungen Mann und vor allem seiner Karosse jedoch überhaupt nicht bekommt - das nächste Rennen gegen Fox endet in einem gigantischen Crash. Doch Rebel besitzt noch einen kraftvollen Chevy...

Ein seltsamer, um nicht zu sagen "spezieller" Film, irgendwo zwischen Cox' "Repo Man" und Hills "Streets Of Fire", der seine porträtierte Jugendkultur wie ein unirdisches, hyperreales Fanal dastehen lässt, in das Außenstehende kaum vorzudringen mögen. Dass viele Australier schon aufgrund der lokalen Ausdehnung und der sich teils im Nirgendwo verlierenden Bevölkerungsdichte eine besondere Beziehung zu Autos hegen, spiegelte die höchst eigenständige Filmkultur des Landes bereits mehrfach wieder: "The Cars That Ate Paris" und die ersten beiden "Mad Max"-Filme sprechen diesbezüglich Bände. In "Running On Empty" überträgt sich die südliche Saga von Blut und Blech auf eine jugendliche Subkultur, in der, ganz wie man es noch aus den frühesten "Juvenile Delinquent Movies" der Fünfziger kennt, der Sieg und die höchstmögliche Geschwindigkeit alles sind. Wer verliert, ist nichts wert, der Ehrenkodex unter den Rasern zwingt ihn sogar, sich mit dem Auto nicht mehr auf die Straße zu wagen. Vor der kargen Kulisse des hierzulande stets ausgetrocknet wirkenden Kontinents entspinnen sich so intra- und interfigurale Dramen, deren Sinn, daran lässt Clarks Film schonmal keinen Zweifel, sich uns Außenstehenden weder erschließen muss noch soll. Umso faszinierter und losgelöster schaut man zu, wenngleich der emotionale Zugang eingangs praktisch verwehrt bleibt. Hier kommt man vielleicht wirklich nur als Aussi rein.

7/10

John Clark Australien Sidney Autorennen Subkultur


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TIGER BAY (J. Lee Thompson/UK 1959)


"I wouldn't have you for a friend, Gillie."

Tiger Bay ~ UK 1959
Directed By: J. Lee Thompson

Der polnischstämmige Matrose Korchinsky (Horst Buchholz) mustert in Cardiff ab, um seine Geliebte Anya (Yvonne Mitchell) zu besuchen. Diese hat sich jedoch in seiner Abwesenheit mit einem Sportkommentator (Anthony Dawson) vergnügt und lässt auf ihren verdutzten Verflossenen nun ein gerüttelt Maß an verachtendem Vokabular herniederprasseln. Wutentbrannt erschießt Korchinsky das üble Frauenzimmer - und wird dabei beobachtet von der elfjährigen Gillie (Hayley Mills), die im selben Haus wohnt. Korchinsky hat Angst vor der Denunziation durch die unfreiwillige, kleine Zeugin, bringt es jedoch ebensowenig fertig, auch sie zu töten. Eine merkwürdige, aber umso tiefere Freundschaft bahnt sich stattdessen an zwischen dem Outlaw und dem rotzigen kleinen Mädchen. Superintendent Graham (John Mills) merkt indes sofort, dass die mehrfach von ihm befragte Gillie ihm tüchtig was vorlügt.

J. Lee Thompson ist ja einer dieser Regisseure, die sich mit zunehmendem Alter und parallel zunehmender Arriviertheit als kaum mehr interessiert an ihrer Arbeit zeigten und zumindest augenscheinlich nur noch Filme drehten um die Butter aufs Brot zu bekommen. Nach seinen Anfängen in Großbritannien, die unter anderem dieses prächtige kleine Werk über eine ungewöhnliche Freundschaft hervorbrachten, begann Thompson, großes, campiges Studiokino zu fertigen, das, anfänglich noch von einer gewissen Selbstironie getragen, immer beliebiger wurde, bis er dann noch kurz vor der Rente bei der Cannon strandete und zu einem von deren Hausregisseuren und Aushängeschildern avancierte. "Tiger Bay" markiert jedoch noch eine ganz andere Hausnummer: Existenzialistisch gefärbtes, britisches New-Wave-Kino findet man bei diesem vor, das einen geschulten Blick in die multikulturellen Hafenviertel und Slums von Cardiff riskiert und, ganz unschuldig und absolut seriös, zwei Verlorene zusammenführt, die einander in ihrem Weltschmerz verdienen. Den Polen Korchinsky, nicht weit vom Analphabeten entfernt, hält es nirgendwo jenseits der See, weil er dort sofort in Stillstand und Depression verfällt, die kleine Gillie, wahrscheinlich ein Waisenkind, schlägt sich mit allerlei Streichen und Dummheiten durchs Leben und hat dabei die ätherische Unschuld eines Engels. Herz und Sympathie können die beiden sich im Überfluss schenken und sind doch nicht gefeit vor irdischer (und überirdischer) Rechtssprechung. Immerhin hat ihre Freundschaft nach dem als echten Nägelkauer in Szene gesetzten Showdown trotz allem noch eine Chance.

9/10

J. Lee Thompson Wales Cardiff Freundschaft Schuld & Sühne





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

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