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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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PRIMARY COLORS (Mike Nichols/USA, UK, F, D, J 1998)


"He's poked his pecker in some sorry trash bins."

Primary Colors (Mit aller Macht) ~ USA/UK/F/D/J 1998
Directed By: Mike Nichols

Der Südstaaten-Gouverneur Jack Stanton (John Travolta) lässt sich für die Vorwahlen des demokratischen Präsidentschaftskandidaten aufstellen. Als seinen Wahlkampfleiter engagiert er vom Fleck weg den idealistischen Henry Burton (Adrian Lester), der in den nächsten Monaten einiges über Dreckbewurf und Skandalvertuschung in der US-Politik zu lernen hat.

Auch der politisch involvierte Mann hatte imit den Neunzigern ein großes Krisenjahrzehnt zu bewältigen. Analog zum Zigarrenfreund Bill Clinton mimte ein wahnsinnig guter John Travolta einen ergrauten Demokraten mit gesteigertem Hang zur Promiskuität, insbesondere in Bezug auf möglichst junge Probandinnen. Und ausgerechnet ein solcher Kerl soll in die Vorwahlen für die Position des mächtigsten Mannes der Welt, Verzeihung, der USA eintreten. Stellvertretend für den von Nichols stets gern wie eine ethologische Jungfrau behandelten Zuschauer muss der dynamisch-unbefleckte Jungspund Henry Burton herhalten, der Wohl und Wehe des Wahlkampfs kennen, lieben und hassen lernt. Die Kandidaten bekämpfen sich, trotz parteilicher Einigkeit, hinter den Kulissen bis aufs Blut, schädigen Reputationen oder tilgen wahlweise ganze Lebensläufe ohne mit der Wimper zu zucken. Die Bevölkerung nimmt derweil scheinbar nur das immerwährende Lügenkonstrükt zusammen mit einem breiten Zahnpasta-Lächeln wahr und lässt sich davon willfährig blenden wie von einem durchschaubaren Zaubertrick. "Ich bin vielleicht nicht die beste Alternative, aber die einzige," weiß Jack Stanton am Ende seine alles andere als weiße Weste zu kommentieren. Ob man ihm selbst in diesem Punkt noch zu glauben bereit ist, diesem schmierigen Lügenbold, Ehebrecher und Nadelstreifengangster, der selbst die Beerdigung einer infolge von politikverdrossenen Suizid umgekommenen Freundin (Kathy Bates) noch zur Wahlkampfveranstaltung macht, überlässt Nichols am Ende seinem einmal mehr zur Mündigkeit erzogenen Publikum. Ich zöge dann doch lieber die Drei.

7/10

Mike Nichols Politik Wahlkampf Südstaaten Satire


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WOLF (Mike Nichols/USA 1994)


"What are you, the last civilized man?"

Wolf ~ USA 1994
Directed By: Mike Nichols

Während einer Firmenreise durch das verschneite, nächtliche Vermont wird der New Yorker Verlagsdirektor Will Randall (Jack Nicholson) von einem Wolf gebissen. Schon bald verbessert sich sein körperliches Befinden, verstärken sich seine Sinne, mobilisiert sich sein kompletter Charakter. Und Will steigt hinter die Kompromisslosigkeit seiner Mitmenschen. Einzig Laura Alden (Michelle Pfeiffer), die Tochter seines Chefs (Christopher Plummer), erweckt noch Gefühle in ihm. Als im Central Park jeweils am Morgen die ersten Leichen gefunden werden, beginnt Will sich aber doch Sorgen zu machen.

In seinem, von ein paar unpassenden Zeitlupeneffekten abgesehen, schönsten und intelligentesten Film seit "Carnal Knowledge" treibt Mike Nichols den in "Regarding Henry" eingeschlagen Weg der Mannsbild-Vivisektion zur Blüte. Es bedarf nämlich, so die These von "Wolf", einer Rückkehr zu den animalischen Urinstinkten, um als Vertreter jenes Geschlechts in den Neunzigern zu elementarer Authentizität zurückkehren zu können. Will Randall ist ein alter, müder und verweichlichter Typ Ende 50, den es kaum tangiert, dass sein schmieriger Arbeitskollege und selbsternannter Freund Stewart Swinton (brillant: James Spader) ihm nicht nur den Job wegnimmt, sondern ihn auch noch mit seiner Frau betrügt. Oder zumindest will er davon nichts wissen. Oder er ist schlicht zu phlegmatisch zur Bewältigung solcherlei Existenzkrisen. Will Randall hat aufgehört zu leben ohne tot zu sein. Erst jener mehr oder minder verhängnisvolle Wolfsbiss auf der nächtlichen Landstraße in New England bringt seine Lebensgeister zurück - um den Preis inflationär gesteigerter Haardichte zwar, aber deshalb keinesfalls unerfreulich. Mit dem verbesserten Ich-Gefühl einhergehend kommt auch seine berufliche Motivation zurück und seine sexuelle Virilität. Motivationstraining per Wolfsbiss; Raubtiereiweiss anstelle von Speed. Am Ende bleibt zwar nurmehr die Entscheidung zwischen einer vollkommenen Existenz als Mann oder Tier; diese beantwortet sich durch eine moralische Einladung jedoch von selbst. Außerdem wird Will sein künftiges, wölfisches Leben nicht allein führen müssen.

8/10

Mike Nichols New York Werwolf Duell Parabel


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REGARDING HENRY (Mike Nichols/USA 1991)


"I can read!"

Regarding Henry (In Sachen Henry) ~ USA 1991
Directed By: Mike Nichols

Nachdem er bei einem Raubüberfall schwer verwundet wird, steht dem als besonders skrupellos berüchtigten New Yorker Rechtsanwalt Henry Turner (Harrison Ford) eine langwierige Rekonvaleszenz bevor: Auf den Entwicklungsstand eines Säuglings zurückkatapultiert muss er sich sämtliche Hirnfunktionen erst neu aneignen und wieder zu seiner Familie finden. Dabei zeigt sich im Laufe der Zeit, dass ein Neuanfang im Falle Henry Turners keinesfalls ein Fluch, sondern ein Segen ist.

Nach seinem losen Frauenfilm-Zyklus widmete sich Nichols ab den Neunzigern der Problematik des hoffnungslos rollenüberforderten Patriarchats. Die für soziale Erfolge unerlässliche Gratwanderung zwischen Softie und Oberarschloch zu beherrschen ist eben nicht jedem Vertreter unseres Geschlechts vergönnt. Auch Henry Turner nicht, der sich bereits vor langer Zeit für Ersteres entschieden hat, der zum Sprachrohr großkapitalistischer Interessen verkommen ist, der, wie man später erfährt, seine Frau betrügt und dessen putzige Tochter (Mikki Allen) ihm ein bloßer Klotz am Bein ist. Da ist der neue Esszimmertisch doch deutlich wichtiger! Doch dieses fleischgewordene Albtraumrelikt der Yuppie-Ära bekommt sogleich sein schicksalhaftes Fett weg: Raus aus der renommierten Kanzlei, ran an die Gehhilfe und aus dem sabbernden Säugling im Erwachsenenleibe gerinnt innerhalb der verbleibenden achtzig Filmminuten ein zwar nach wie vor re-infantilisierter, dafür aber umso geläuterterer Familiendaddy, ganz so, wie Amerika ihn möchte und braucht. Ein Softie nunmehr, mit Bettqualitäten freilich. Eigentlich seltsam, dass Robin Williams den nicht spielen durfte.
Zumindest der intelligente Nichols wählt bezüglich dieses fürchterlich kitschigen Stoffs die einzig probate aufrichtige Entscheidung: Einen fürchterlich kitschigen Film draus zu machen nämlich. Eine komplette Riege von stereotypen Abziehbildern (ganz schlimm: Bill Nunn als Onkel-Tom-Physiotherapeut) tanzt durch das vorhersehbare Geschehen wie durch ein Rodgers/Hammerstein-Musical, nur ohne Musik. Doch anstatt sich verzweifelt gegen die Klischiertheit dieses im Grunde genommen unmöglichen Stoffs zu stemmen und prätentiöses Kritikerkino zu machen, nutzt Nichols seine Ressourcen so gut es geht und macht seiner gesteigert verlustgefährdeten Reputation alle Ehre. Am Ende steht zwar ein etwas peinliches Filmmärchen mit Mentalitätsanleihen aus der Phantastik, das einen aber, wenn hier und da durch seine Hemmungslosigkeit auch unfreiwillig komisch, zumindest keine Millisekunde langweilt. Und allein das ist schon einen Asbach Uralt wert.

5/10

Mike Nichols Amnesie Behinderung Familie New York J.J. Abrams


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POSTCARDS FROM THE EDGE (Mike Nichols/USA 1990)


"Go on and cry. You'll pee less, as my grandma used to say."

Postcards From The Edge (Grüße aus Hollywood) ~ USA 1990
Directed By: Mike Nichols

Nach einem überdosierten, lebensgefährlichen Medikamente-Cocktail muss der süchtigen Film-Aktrice Suzanne Vale (Meryl Streep) der Magen ausgepumpt werden. Für sie ein deutliches Signal, etwas zu ändern. Der folgende Aufenthalt in einer Suchtklinik bringt sie deutlich nach vorn, doch die Bewährungsproben, die das Leben in Form promisker Hollywood-Produzenten (Dennis Quaid) und vor allem in Person ihrer gelinde gesagt komplizierten Mutter (Shirley MacLaine) für sie bereithält, stellen erst die wahre Bewährungsprobe für Suzanne dar...

Basierend auf Carrie Fishers semibiographischem Roman und Script wandte sich Mike Nichols nach seinem völlig zu Unrecht untergegangenen, weil sehr sehenswerter Militärdramödie "Biloxi Blues" einem weiteren aufzuarbeitenden Frauenschicksal zu; wiederum mit der begnadeten Meryl Streep. Diese gibt die für sie ungewöhnliche Rolle einer drogensüchtigen Schauspielerin, also eine im Vergleich zu ihrer realen persona recht diametral angelegte Charakterstudie. Nachdem sie in "Ironweed" bereits eine Alkoholikerin darzustellen hatte, war sie auf diesem Terrain zumindest nicht mehr ganz unbeleckt. Den eigentlichen Nukleus der Geschichte bildet allerdings nicht so sehr die nach und nach in den Griff bekommene Medikamentensucht Suzanne Vales, sondern das schwierige Verhältnis zwischen ihr und ihrer Mutter, einem einstmals selbst gefeierten, welkenden Hollywoodstar, der wiederum mit zunehmender Altersverzweiflung dem Alkohol zuspricht und nicht einsehen will, das seine Zeit abgelaufen und reif für eine Beerbung ist. Fishers Erzählung, eine Spiegelung ihrer eigenen, von Schwierigkeiten geprägten Beziehung zu ihrer Mutter Debbie Reynolds (die sogar die entsprechende Rolle im Film spielen wollte, jedoch zu Gunsten MacLaines fallengelassen wurde) und Nichols' Inszenierung legen das Hauptaugenmerk auf ebendiesen Generationskonflikt sowie haufenweise mehr oder minder satirisch gefärbter Seitenhiebe gegen die faktisch menschenverachtende Filmindustrie. Während Ebert bemängelte, dass der Film die Chance verpasst, sich erschöpfend mit einer Suchtrekonvaleszenz auseinanderzusetzen, halte ich gerade dies für eine seiner Stärken inmitten des üblichen "Qualitätskino-Syndroms": Entgiftung, Entwöhnung, Entsagung kann man andernorts wesentlich authentischer und berührender dargestellt vorfinden als von einer für solche Fälle ohnehin eher ungeeigneten Streep. So läuft "Postcards From The Edge", abgesehen von mancherlei allzu sehr geglätteten Facetten, die mit Nichols ohnehin zunehmend domestizierter Art der Werkbearbeitung einhergehen, vornehmlich reibungslos.

7/10

Mike Nichols Carrie Fisher Hollywood Mutter-Tochter Drogen Alkohol Sucht Film im Film Kalifornien


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STRAW DOGS (Rod Lurie/USA 2011)


"I got 'em all."

Straw Dogs ~ USA 2011
Directed By: Rod Lurie

Um in Ruhe sein Script zu einem geplanten Stalingrad-Film fertigstellen zu können, reist der Hollywood-Autor David Sumner (James Marsden) mit seiner Frau Amy (Kate Bosworth) zu deren Familiensitz in dem Städtchen Black Water, Mississippi. Mit den ortsansässigen Arbeiter, die David beschäftigt, um eine ruinöse Scheune zu restaurieren, kommt es bald zu gegenseitigen Sticheleien, die sich auf die völlig konträren Persönlichkeiten und Weltbilder von David auf der einen und den Kleinstädtern auf der anderen Seite rekurrieren. Nachdem Amy bereits von zweien der Männer vergewaltigt wurde, darüber jedoch schweigt, eskaliert die Situation vollends, als das Paar dem geistig behinderten Jeremy (Dominic Purcell) Schutz gewährt, der gelyncht werden soll.

Zumindest halbwegs geglücktes Remake von Peckinpahs eruptiver Gewaltstudie, deren allein durch Motiv-, Lokalitäts- und Zeitwechsel absehbarer Schaden sich in Grenzen hält. Weitgehend von der subtilen Bedrohlichkeit des Originals entfernt ist Luries Neuverfilmung zumindest spannend und von von oberflächlicher Affektivität. Die Idee, die Profession des Akademikers von der Mathematik hin zur Drehbuchschreiberei zu verlagern, funktioniert lediglich ansatzweise in ihrem bildhaft-überdeutlichem Entschlüsselungsbestreben. Schließlich sind es gerade die komplexen Kodierungen und Unbegreiflichkeiten, die das ursprüngliche Werk so zutiefst ungemütlich machen. Solche Glättungen waren jedoch zu erwarten. Lieber sollte man die hervohebenswerten Aspekte des Films genießen: Die wunderbar eingefangene, dampfende Südstaaten-Provinz etwa, Kate Bosworths natürliche Schönheit oder James Woods als versoffenen Hinterhof-Patriarchen. Dann, abseits von zwangsläufigen Vergleichsmomenten, kann man mit "Straw Dogs '11" durchaus seinen Spaß haben.

6/10

Rod Lurie Remake Südstaaten Mississippi Selbstjustiz Belagerung Ehe


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HEARTBURN (Mike Nichols/USA 1986)


"I don't believe in marriage." - "Neither do I."

Heartburn (Sodbrennen) ~ USA 1986
Directed By: Mike Nichols

Trotz einiger Bedenken an ihrem Hochzeitstermin lässt sich die zweifelnde Rachel (Meryl Streep) schließlich doch breitschlagen, ihren Mark (Jack Nicholson) zu heiraten. Ihr Zusammenleben entwickelt sich jedoch trotz vieler schöner Episoden zu einer mittleren Katastrophe - verschuldet durch Mark, der nicht aufhören kann, außereheliche Affären zu pflegen.

Als eine Art periodischer, weiblicher Woody Allen verfügte Nora Ephron ehedem über das fabelhafte Talent, Beziehungsebenen und -desaster gleichermaßen pointiert und entlarvend zu vivisezieren. Später verkam diese Beobachtungsgabe dann zu einer Zuwendung hin zum völlig bedeutungslosen Kitsch- und Hausfrauenkino, dem immerhin die klassische Oscar-Damenriege Hollywoods jedoch die Treue hielt. "Heartburn", basierend auf Ephrons gleichnamigem Roman, kann zudem auf die erfahrene Inszenierung Mike Nichols' zurückgreifen, der als einer von Jack Nicholsons drei Hausregisseuren (neben Bob Rafelson und später James L. Brooks) auf hinreichend gute Erfahrungen mit selbigem zurückgreifen und ihn regelmäßig zu Höchstleistungen anzuspornen wusste. So auch hier, wobei des Films primärer Antriebsmotor sich zwar in Person der angenehm methodisch agierenden Streep (in einer komplett diametralen Vorstellung zu ihrer Rolle in "Kramer Vs. Kramer) findet, mit der Besetzung Nicholsons jedoch gleichermaßen eine treffliche Konterkarierung erfährt.
Zudem bietet die Geschichte eine der raren filmischen Gelegenheiten, gelebten Feminismus im Kommerzkino als wahres, wichtiges und vor allem für Männer ungefährliches Zeitzeichen zu goutieren. Qualitätskino im besten, unterhaltendsten Wortsinne.

8/10

Mike Nichols Nora Ephron Washington D.C. New York Ehe Familie


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DREAD (Anthony DiBlasi/UK, USA 2009)


"Call it an experiment in catharsis."

Dread ~ UK/USA 2009
Directed By: Anthony DiBlasi

Der Philosophie-Student und Maler Quaid (Shaun Evans) lernt den Filmakademiker Stephen (Jackson Rathbone) kennen und unterbreitet ihm und seiner Freundin Cheryl (Hanne Steen) die Idee, für ihre Semesterarbeit den Angstkomplexen ihrer Kommilitonen filmisch auf die Spur zu kommen. Quaid, selbst von einem schweren Kindheitstrauma um den gewaltsamen Tod seiner Eltern geplagt, nimmt das Experiment allzu persönlich, setzt seine Neuroleptika ab und steigert sich immer mehr in die Idee, die tief verwurzelten Ängste sowohl seiner Mitmenschen als auch seine eigenen durch bewusste Konfrontationserlebnisse offenlegen und ausräumen zu können. Dabei übertritt er nach und nach immer mehr ethische Grenzen...

Mit der Kurzgeschichte "Moloch Angst" eröffnete Clive Barker einst sein "Zweites Buch des Blutes". Darin lotet der Autor ausnahmsweise weniger phantastische Zwischenwelten aus denn die Untiefen der menschlichen Seele. Der Film bemüht sich, wohl in erster Linie aus Dehnungszwecken um eine etwas komplexere Figurenzeichnung, die der Story um die beiden sich wechselseitig wahnsinnig machenden Studenten eher wenig bekommt. Besonders die Charakterisierung Stephens, dessen Motivation zur Rückkehr in Quaids unheimliches Haus mit seiner blutigen Vergangenheit im Film etwas tumb formulierten Rachegelüsten Platz macht, leidet unter dem Script. Dennoch lässt sich vermelden, dass mit "Dread" wiederum eine - wie in den letzten Jahren üblich ("Book Of Blood" muss und werde ich noch nachholen) - alles in allem gelungene Barker-Adaption vorgelegt wurde, der gegenüber sich die jüngeren King-Litaneien verhalten wie imbeziles Kasperltheater.

7/10

Clive Barker Anthony DiBlasi Studenten Angst Madness Boston


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KALIFORNIA (Dominic Sena/USA 1993)


"Feeling remorse. Dealing with guilt. Confronting a conscience. Early never did."

Kalifornia ~ USA 1993
Directed By: Dominic Sena

Auf ihrer Autofahrt ins gelobte Land Kalifornien, mit diversen Zwischenstopps an Mordschauplätzen, zu denen später ein Buch veröffentlicht werden soll, nehmen die Bohémiens Brian (David Duchovny) und Carrie (Michelle Forbes) das White-Trash-Pärchen Early (Brad Pitt) und Adele (Juliette Lewis) mit. Während Carrie Early gegenüber sogleich ein ungutes Gefühl fernab ihrer "natürlichen" Arroganz gegenüber Unterschichtsmenschen hat, braucht Brian etwas länger, um die Wahrheit zu erkennen: Early ist ein geistesgestörter Serienkiller.

Long time no see, zählte "Kalifornia" in den mittleren Neunzigern noch zu allabendlich aufgetischtem Pflicht- und Dauerprogramm. Der Abstand der Zeit zur letzten Rezeption hat dem Film in keinster Weise geschadet. Seine transgressiven Elemente kamen mir diesmal sogar noch deutlich markiger und packender vor als noch zuletzt. Außerdem scheint mir die tief verwurzelte, charakterliche Konfrontationsebene des Films, die in geradezu brillanter Weise diese beiden völlig unterschiedlichen Paare gegenüberstellt und zugleich Möglich- und Unmöglichkeiten einer tiefergehenden Freundschaft eruiert, sehr gewachsen zu sein. Oder ich verstehe sie nunmehr schlicht besser. Da gibt es einen gleichermaßen wunderschönen und traurigen Moment, in dem die von Juliette Lewis gespielte, geistig etwas lädiert wirkende Adele Carrie ihre naiven, emotionalen Träume von einer gemeinsamen freundschaftlichen Zukunft in Kalifornien unterbreitet, was die stets eiskalt wirkende Fotokünstlerin mittels einer gleichermaßen verlegenen wie bemitleidenden und belustigenden Reaktion repliziert. Adele jedoch versteht, und zwar mehr als gut. In dieser Szene erreicht "Kalifornia" seine eigentliche empathische Klimax, die sehr viel intensiver und berührender daherkommt als die späteren Mordsequenzen.
Zudem, was auch mal gesagt werden muss, ein Vorzeige-Beispiel für deutsche Synchronisations-Kunst.

9/10

Freundschaft Dominic Sena Südstaaten Wüste Road Movie Serienmord Madness Couple on the Loose


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HOLLYWOODLAND (Allen Coulter/USA 2006)


"Go on, I'm ready. Prove one fuckin' thing."

Hollywoodland (Die Hollywood-Verschwörung) ~ USA 2006
Directed By: Allen Coulter

Der als 'Superman' in einem TV-Serial zu Beliebtheit gelangte Schauspieler George Reeves (Ben Affleck) wird im Sommer 59 nach seinem Suizid in seinem Haus in Hollywood aufgefunden. Doch war es wirklich Selbstmord, oder steckt dahinter möglicherweise eine der Frauen aus Reeves' Leben? Die Mutter (Lois Smith) des Toten beauftragt den kleinen Privatschnüffler Louis Simo (Adrien Brody), sich auf die - von ihm medienwirksam gestaltete - Suche nach der Wahrheit zu begeben. Während dieser vergegenwärtigt sich der Detektiv seine eigenen Existenztrümmer.

Die schmutzigen Rätsel von Tinseltown - wer einmal Kenneth Angers zwei "Hollywood Babylon"-Bände gelesen hat, weiß um deren schillerndes Wesen. Morde, Selbstmorde, Sex-Skandale und Karrierebrecher, das golden- und silver age der Filmstadt war voll davon. Eines jener längst zu einer Art Meta-Pulp-Realität verklärten Mysterien ist der Selbstmord des Fernseh-Superman George Reeves, dessen wankelmütige Existenz vor seinem Ableben auch ganz andere Rückschlüsse zuließ. So wäre etwa die Affäre mit der älteren Produzentengattin Toni Mannix (Diane Lane) zu nennen, die sich in einem mehrfachen Eifersuchtsdrama auflöste, das sowohl Toni selbst als auch ihren als skrupellos berüchtigten Ehegatten Eddie (Bob Hoskins) sehr frustriert zurückließ. Außerdem seine geplante Ehe mit dem großmäuligen Starlet Leonore Lemmon (Robin Tunney), bei dem Reeves ohrenkundig wenig zu lachen hatte. "Hollywoodland", der ebenso mühelos wie geschickt zwischen seinen beiden Protagonisten hin- und herwechselt, enthält sich einer eindeutigen Interpretation der Ereignisse, liebäugelt aber doch mit der beruhigenden Auflösung, dass Reeves, zunehmend deprimiert von seiner abwärts deutenden Karriere, sich die Pistole doch selbst an die Schläfe gehalten haben könnte. Ob solcherlei De-Mystifikation dem alten Hollywood eher guttut oder schadet, liegt wohl im Auge des Betrachters. Coulters weitgehend gelungenen Film, der der von ihm porträtierten Ära so oder so neue Vitalität einhaucht, schadet sie jedenfalls überhaupt nicht. Der irreführende deutsche Titel ist derweil eine Beleidigung.

7/10

Allen Coulter period piece Hollywood Superman Kalifornien film noir


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THE BOYS IN COMPANY C (Sidney J. Furie/USA, HK 1978)


"Move it up until the private in front of you smiles."

The Boys In Company C (Die Boys von Kompanie C) ~ USA/HK 1978
Directed By: Sidney J. Furie

1968 durchlaufen einige junge Marine-Rekruten einen harten Drill, bevor sie nach Vietnam entsendet werden, um dort einige ihnen teils äußerst widerstrebende Missionen durchzuführen. Ein völlig inkompetenter Platoon-Führer (Scott Hylands), die miese, imperalistische Moral der US-Armee und andere Angelegenheiten machen ihnen ihren lebensgefährlichen Job alles andere als leicht.

In der zweiten Welle von Vietnamkriegs-Filmen gegen Ende der Siebziger befand sich neben den beiden großen Meisterwerken "The Deer Hunter" und "Apocalypse Now" auch dieses Kleinod, dass ganz ohne große Skandale, zwanghafte Regisseure oder Stars auskommen musste und seine Sache dennoch vortrefflich bewerkstelligt. Der sich bei Cimino als Identitätsverlust und bei Coppola als metaphorische Bilderwelt manifestierende Kriegsirrsinn zeigt sich in "The Boys In Company C" Furie im Zuge einer höchst realistischen Schilderung: Einige stinknormale Prä-Twens, teils auf der Flucht vor bürgerlichen Existenzfallen, teils auf der Suche nach lockeren Geschäften oder auch einfach nur Opfer der eigenen Bildungsferne, lässt sich anwerben, um für die USA Weltpolizei zu spielen. In Südostasien angekommen stehen sie einer Mischung aus Fremdkultur und Entwicklungsland gegenüber, werden in einen für sie kaum nachvollziehbaren Bürgerkrieg verwickelt, mit Geschlechtskrankheiten infiziert oder heroinsüchtig. Von Sperrfeuer, Landmienen und Guerillaangriffen gar nicht zu reden. Furie involviert sich selbst nur so weit wie eben nötig in seine Inszenierung und scheut selbst vor banal erscheinenden Allerweltsepisoden nicht zurück. Es bedarf eben nicht immer gleich Wagner, um großes Kino zu machen. Dass am Ende ein Amateur-Fußballspiel über persönliche Ehrbegriffe entscheidet, krönt "The Boys From Comany C" geradezu. Schließlich hat's noch R. Lee Ermey, realer Veteran und Ex-Drill-Instructor, in seiner ersten von diversen zumeist sehenswerten und bisweilen bereits legendären Filmrollen ebendiesen Zuschnitts.

8/10

Sidney J. Furie Vietnamkrieg Vietnam period piece Militär Ausbildung Freundschaft Fußball





Filmtagebuch von...

Funxton

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