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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE FALLEN IDOL (Carol Reed/UK 1948)


"It's a great life if you don't weaken."

The Fallen Idol (Kleines Herz in Not) ~ UK 1948
Directed By: Carol Reed

Für Phillipe (Bobby Henrey), den kleinen Sohn des französischen Botschafters (Gerard Heinz) in London, ist der gutherzige Butler Baines (Ralph Richardson) ein veritabler Vaterersatz, zumal sein eigener Papa nur selten daheim ist. Doch auch die Weste des stets um Korrekthei bemühten Dieners ist nicht ganz blütenrein. Er pflegt nämlich trotz seiner zermürbenden Ehe mit einem veritablen Hausdrachen (Sonia Dresdel) eine Affäre mit der deutlich jüngeren Bürokraft Julie (Michèle Morgan). Phillipe ist noch zu klein, um die zufällige Entdeckung eines tête-à-tête zwischen Baines und Julie richtig einzuordnen, doch auch er hasst Mrs. Baines von ganzem Herzen. Als am Folgeabend die von der Liebschaft ihres Mannes in Kenntnis gesetzte Eifersüchtige dem Paar eine Falle stellt, kommt es zum Eklat: Die Gute fällt eine Treppe hinunter und bricht sich das Genick. Doch war es wirklich ein Unfall? Phillipe ist sich selbst nicht ganz sicher...

Von dem grausamen deutschen Titel, der eine Liebesschmonzette um Rühmann und Lassie vermuten lässt, sollte man sich hier bitte nicht irreleiten lassen: Carol Reeds auf einer Kurzgeschichte von Graham Greene basierendes Drama ist vielmehr eine kriminalistische Variation von David Leans "Brief Encounter", das sich vor allem durch seine meisterliche Perspektivierung auszeichnet. Praktisch das ganze Geschehen spielt sich nämlich betrachtet durch die naiven Augen des kleinen Phillipe ab, ganz so, wie er die urbane Londoner Welt rund ums Diplomatenviertel wahrnimmt: fremd, hermetisch, geheimnisvoll und manchmal feindselig, lässt Reed sie auch uns angedeihen. Natürlich ahnen wir, dass die hübsche junge Frau, mit der der sympathische Baines sich da trifft, wohl kaum seine Nichte sein dürfte, wie Phillipe großmütig annimmt - dafür kann man sich andererseits nie ganz sicher sein, ob Mrs. Baines nicht eine aus dem Lande Oz entflohene Hexe ist. Wie Reed am Ende Spannungsmomente schürt und das Publikum schließlich sogar gegen seine vorherige Identifikationsperson, den Jungen nämlich, aufbringt, weil dieser, um richtig zu handeln, etwas Falsches zu sagen droht, ist nur ein weiteres inszenatorisches Kabinettstückchen in diesem an Kabinettstückchen überhaupt alles andere als armem Filmschmaus.

9/10

Carol Reed Freundschaft Amour fou London England Graham Greene


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VON RICHTHOFEN AND BROWN (Roger Corman/USA 1971)


"When you hunt, you think about your hunting, don't you?"

Von Richthofen And Brown (Manfred von Richthofen - Der Rote Baron) ~ USA 1971
Directed By: Roger Corman

1916 kommt der frühere Kavallerie-Soldat Manfred von Richthofen (John Phillip Law) zur bei Verdun stationierten Jagdstaffel 2, wo er sich als unkonventioneller, aber ebenso genialer Luftkämpfer einen Namen macht. Von Richthofen steigt schließlich zu einem der Popstars des Kaiserreichs auf, doch auf der Gegenseite lauert schon sein späterer Todfeind, der kanadische Mechaniker Roy Brown (Don Stroud), der eine wesentlich bodenständigere Einstellung zur Kriegsführung besitzt als dessen Kontrahent von Richthofen.

Einer von Cormans besten Filmen, der den erklärten Produktionsökonomen einmal mehr als Regisseur von Weltformat ausweist, so ihm nur die entsprechenden monetären Mittel zur Verfügung standen. In einer sonderbaren Mischung aus großer Faszination und kühler Distanziertheit nähert sich Corman der späten Vita des legendären Roten Barons an, der ja noch heute als einer der wenigen deutschen Schlachtfeldhelden zweier Weltkriege gilt, welche man fasziniert observieren kann, ohne unmittelbar in den Verdacht des unverhältnismäßigen Verschuldungspatriotismus zu geraten. Eng verbunden ist dieser Umstand liegt natürlich auch mit von Richthofens Einstellung zu den Dingen. Seine offene Rivalität zu dem bereits damals nazistisch auftretenden Kampfgenossen Hermann Göring (Barry Primus) verhilft ihm dabei ebenso zu gesteigerter Sympathität wie seine Hinterfragung des vom Vater (Ferdy Mayne) eisern verteidigten Standesdünkels der kaiserlichen Gesellschaft. Doch auch von Richthofens Widersacher Roy Brown (dessen tatsächlicher Abschuss des Roten Barons später als historisch unwahrscheinliches Faktum dargelegt wurde) erlebt dem Filmtitel gemäß eine tiefere, tatsächlich sogar noch deutlich empathischere Charakterisierung. Er gibt sich angeekelt von dem tradierten Kriegsbegriff der Briten, die ungeniert auf ihren Gegner trinken und versucht, seinem bluitigen Geschäft einen Hauch Menschlichkeit abzuringen. In der wahrscheinlich schönsten und bedeutungsvollsten Szene des Films flirtet er mit einer schönen Französin, die am Fenster ihres Hauses steht und lädt sie zu einem Motorradausflug ein. Als sie ihm die Tür öffnet, stellt er mit schwerlich verborgenem Entsetzen fest, dass sie kriegsversehrt ist und nur ein Bein hat. Mit einer ihm gerade zurecht kommenden Einsatz-Ausrede entschuldigt er sich und verspricht, wiederzukommen. Ob er diese Ankündigung einhält, verschweigt der Film, aber begründete Zweifel bleiben. In einem Krieg ist keiner frei von Schuld, auch nicht der Gewinner.

8/10

Roger Corman WWI Fliegerei Luftkampf Manfred Von Richthofen Biopic


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THE CHARGE OF THE LIGHT BRIGADE (Tony Richardson/UK 1968)


"Has anybody seen my regiment?"

The Charge Of The Light Brigade (Der Angriff der Leichten Brigade) ~ UK 1968
Directed By: Tony Richardson

Im Jahre 1851 kehrt der Indien-Veteran Captain Nolan (David Hemmings) nach England zurück und findet sich fortan dem Oberkommando des exzentrischen Lord Cardigan (Trevor Howard) unterstellt, mit dem er immer wieder aneinandergerät und der ihn schließlich wegen einer etikettischen Lappalie (Nolan trinkt in Cardigans Casino Burgunder statt Champagner) in Haft nehmen lässt. Parallel dazu verlebt Nolan jedoch auch glückliche Tage mit seinem alten Freund Morris (Mark Burns) und dessen Frau Clarissa (Vanessa Redgrave), die ein Auge auf Nolan wirft. Als es zum Krimkrieg kommt, rückt das gesamte Regiment Richtung Schwarzmeer aus. Der legendäre 25. Oktober des Jahres 1854, an dem sie Schlacht von Blaklawa geschlagen wird, erweist sich schließlich für alle Beteiligten als ein von strategischer Fehlplanung, Egomanie und Senilität geprägtes, schwarzes Datum der Militärhistorie.

Richardsons in der bitter-ironischen Tradition seiner bisherigen englischen Dramen stehende Antikriegsgroteske verhält sich in punkto Eleganz, Verve und Authentizitätsverpflichtung im Vergleich zu der alten Hollywood-Version von Michael Curtiz in etwa wie eine Flasche Hendrick's zu einem Tonkrug schwarzgebrannten Kentucky-Moonshine-Fusels. Richardson nutzt die Ereignisse jener legendären Attacke von Cardigans Kavallerie-Regiment zu einer breitgefächerten Offensive gegen die ureigene Arroganz des Commonwealth und den Status der Briten im 19. Jahrhundert als selbsternannte Weltpolizei, die bei etwas bedächtigerem Hinsehen natürlich mühelos auf die damals gegenwärtigen Praktiken der US-Außenpolitik übertragbar ist. Formal unterstützt wird dieses Ansinnen nicht allein durch eine vorzügliche Darstellerriege großer Inselschauspieler, sondern auch durch wunderbare Animationssequenzen von Richard Williams, dessen grandiose Trickeinspieler sich an zeitgenössischen, politischen Karikaturen orientieren und dabei stets voll ins Schwarze treffen. Ein bravouröses, nachhaltig beeindruckendes Filmerlebnis steht am Ende jener kreativen Bemühungen; eines, das einem jeden Verehrer des Free Cinema als eine von dessen Pflichtveranstaltungen nur wärmstens ans Herz gelegt werden kann.

9/10

Tony Richardson period piece Historie Satire Krimkrieg Militär Schwarze Komödie


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THE LAST AMERICAN HERO (Lamont Johnson/USA 1973)


"Nobody knows more than a rookie."

The Last American Hero (Der letzte Held Amerikas) ~ USA 1973
Directed By: Lamont Johnson

Das Herz des jungen Hillbilly-Boys Junior Jackson (Jeff Bridges) schlägt für schnelle Autos. Als wegen einer seiner Provokationen gegenüber der örtlichen Polizei sein Vater (Art Lund), der sich als illegaler Schnapsbrenner verdingt, verknackt wird, ist Junior gezwungen, semiprofessionell Rennen zu fahren, um den Anwalt bezahlen zu können. Dabei lernt er die leichtlebige Marge (Valerie Perrine) kennen.

Nettes kleines Familiendrama aus dem Hillbilly- und Redneck-Milieu, das eine dankbare frühe Hauptrolle für den jungen Jeff Bridges bereithält. Einige weitere bekannte Gesichter, unter anderem die von Gary Busey, Ed Lauter, William Smith und Ned Beatty zieren Johnsons Aufsteigerfabel, in der einmal mehr der Amerikanische Traum ausgelebt werden darf. Mit kompromissloser Dickköpfigkeit und einigen zu lernenden Lektionen in Sachen Liebe boxt Junior Jackson sich nach oben und der Film lässt am Ende durchblicken, dass sein weiterer Weg noch einiges an Erfolgsverwöhnung bereithalten wird. Glücklicherweise vermeidet Johnson eine allzu kitschige Mise-en-scène und pflegt, getreu den ungeschriebenen Gesetzen New Hollywoods, einen eher verhalten Realismus. Andererseits hätte "The Last American Hero" etwas mehr Emotionalität, in einem Maße etwa, wie sie sein etwas später entstandener "Nachfolger" "Rocky" transportierte, gut getan. So bleibt man zwar relativ untangiert von dem Geschicken Junior Jacksons, kann sich jedoch immerhin an ein paar fabelhaft inszenierten Rennsequenzen und der besagten, erstklassigen Besetzung erfreuen.

7/10

Lamont Johnson Tom Wolfe Südstaaten Appalachen Autorennen Familie Bootlegging Virginia


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L'AMANTE DELL'ORSA MAGGIORE (Valentino Orsini/I, F, D 1972)


Zitat entfällt.

L'Amante Dell'Orsa Maggiore (Der Geliebte der großen Bärin) ~ I/F/D 1972
Directed By: Valentino Orsini

Ostpolen, 1921: Nach dem Friedensschluss von Riga schlägt sich der mittellose Vladek (Giuliano Gemma) mehr schlecht als recht durchs Leben. Als er den Schmuggler Sacha (Bruno Cremer) kennenlernt, schließt er sich dessen buntgemischter Truppe an. Sacha und seine Leute exportieren auf illegalem Wege allerlei Waren in das postrevolutionäre Russland. Dabei geraten sie allenthalben an die ihnen übel gesonnenen Rotarmisten. Vladek gerät eines Tages in deren Gefangenschaft, kann jedoch von seiner russischen Geliebten Nina (Nicoletta Macchiavelli) wieder befreit werden. Er selbst hat derweil nur Sachas schöne Frau Fela (Senta Berger) im Kopf...

Sehr schleppend erzählte Oktoberrevolutionsfolklore, die gern den epischen Hauch eines "Dr. Zhivago" atmen würde, sich jedoch der mentalen Beschränktheit südeuropäischen Kitschkinos unterworfen findet. Die schwülstige Taiga-Romantik eines Herrn Konsalik glaubt man hier wiederzufinden, in dieser Mär der lustigen Schmuggler-Clique, die gern Kosakentänze und Vodka-Orgien praktiziert und auch sonst kein leichtes Leben hat angesichts der steifen politischen Brise, der nuerdings durch ihre Gefilde bläst. Giuliano Gemma, Sunnyboy des mediterranen Westerns, erweist sich neben dem wie immer großartigen Bruno Cremer und der schon abartig schönen Senta Berger schließlich als ziemlicher Ofenschuss, der eine episch umwehte Hauptrolle wie diese kaum zu tragen in der Lage ist. Als Zeugnis seiner Leinwandepoche nicht uninteressant, wird "L'Amante Dell'Orsa Maggiore" (dessen adäquat übersetzter deutscher Romanname "Der Geliebte der Großen Bärin" weitaus deutlichere Bände spricht als der Wiederaufführungs- und DVD-titel "Nur der Letzte kam durch") mir vor allem als gepflegter Langeweiler in Erinnerung bleiben.

4/10

Valentino Orsini Polen Russland period piece Schmuggel Sergiusz Piasecki


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THE SEVENTH CROSS (Fred Zinnemann/USA 1944)


"You cannot kill every single ant."

The Seventh Cross (Das siebte Kreuz) ~ USA 1944
Directed By: Fred Zinnemann

Das KZ Westhofen, 1936: Sieben Häftlinge fliehen aus dem Lager und schon nachdem der erste von ihnen, der Widerstandskämpfer Ernst Wallau (Ray Collins), gefasst und zu Tode geschunden wurde, lässt der Kommandant Fahrenburg (George Zucco) zur Abschreckung sieben Kreuze errichten, an denen die Flüchtlinge nach und nach aufgehängt werden. Allein Wallaus Freund Georg Heisler (Spencer Tracy) gelingt mithilfe enormer Willenskraft, einer gehörigen Portion Glück und der Unterstützung mutiger Systemgegner die Flucht. Das siebte Kreuz wird leer bleiben.

Seghers' berühmter Roman ist ein Lehrstück über Zivilcourage in Krisenzeiten und darüber, auch im tiefsten Dunkel nie die Hoffnung und den Glauben an Vernunft und Menschlichkeit aufzugeben. Dass selbst im finstersten Loch - und ein solches bildete das Dritte Reich bekanntermaßen bereits 1936 - noch irgendwo das Licht eines wegweisenden Kerzleins brennt, versichern Film und Buch ihrer Rezipientenschaft. Zinnemann inszeniert mit aller gebotenen Zurückhaltung und verzichtet auf die üblichen Marotten des Hollywood-Propagandakinos jener Tage. Zwar mögen Karl Freunds von Schatten überlagerte Bilder auch nicht ganz ohne eine gewisse Stilisierung auskomen, aber dies sei dem Film angesichts seines gleichermaßen erschütternden wie nachhaltigen Wesens gestattet. Einige aus NS-Deutschland geflohene Kunstschaffende wirkten an Zinnemanns Film mit, darunter Brechts Gattin Helene Weigel (in ihrer einzigen Filmrolle - ausgerechnet als stumme Denunziantin). Allein deren Beteiligung an diesem ehrgeizigen und zutiefst humanistischen Film sollte für sich sprechen.

10/10

Fred Zinnemann Anna Seghers Nationalsozialismus Karl Freund Mainz Widerstand


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CONTAGION (Steven Soderbergh/USA, AE 2011)


"We want forsythia!"

Contagion ~ USA/AE 2011
Directed By: Steven Soderbergh

In Hong Kong bricht ein Virus aus, das die Infizierten binnen weniger Tage schwächt und tötet. Die amerikanische Firmenangestellte und Familienmutter Beth Emhoff (Gwyneth Paltrow) schleppt die Krankheit in den USA ein und sorgt dort als Überträgerin für eine sich rasend schnell ausbreitende Epidemie. Sowohl das Gesundheitsministerium als auch der Seuchenschutz haben fortan massig zu tun. Der skrupellose Internet-Blogger Alan Krumwiede (Jude Law) nutzt die sich ausbreitende, allgemeine Panik derweil ganz bequem zu Popularitätszwecken.

Deutlich hellsichtiger als etwa der vergleichbare "Outbreak" macht sich Soderbergh daran, die hypothetische Frage nach den Folgen einer die Weltbevölkerung unvorbereitet heimsuchenden Pandemie zu stellen. Im bereits traditionsverhafteten Erzählmodus paralleler Handlungsstränge berichtet er von eifrig und mutig rotierenden Wissenschaftlern und Ärzten in den USA und in Hong Kong, stellt einen ängstlichen, wenngleich immunen Familienvater (Matt Damon) vor, dessen Gattin (Paltrow) zugleich die Urwirtin des Seuchenvirus ist, beschreibt das Panikpotential, die Verzweiflung und Unsicherheiten der Bevölkerung, eruiert Versorgungsengpässe und macht die beängstigende Entdeckung, dass die neuen Informationsmedien nicht nur als Segen, sondern gleichermaßen als Fluch fungieren können, wenn sie nur jemand entsprechend missbraucht.
"Contagion" bietet spannendes, gutes Entertainment, wenngleich kein Film, der Originalitätspreise verdient hat oder der seinem daueraktiven Regisseur einen speziellen Höhepunkt bescheren könnte. Für einen regnerischen Sonntagabend aber erstklassig geeignet.

7/10

Steven Soderbergh Virus Ensemblefilm Atlanta Hong Kong Chicago Internet


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WARRIOR (Gavin O'Connor/USA 2011)


"Okay, gentlemen. Let's go to war!"

Warrior ~ USA 2011
Directed By: Gavin O'Connor

Unabhängig voneinander melden sich die zwei voneinander entfremdeten Brüder Brendan (Joel Edgerton) und Tommy Conlon (Tom Hardy) zum hochdotierten 'Sparta', einem in Atlantic City auszutragenden Freistil-Martial-Arts-Turnier, an. Ihre Motivationen sind recht unterschiedlich: Brendan will seiner eigenen Familie die Privatinsolvenz ersparen und ein sorgenfreieres Lebven ermöglichen, für Tommy, Irakkriegsveteran und Deserteur, bedeutet der Gewinn, dass er den Leuten seines am Golf gefallenen, besten Freundes helfen kann. Tommy lässt sich von seinem Vater (Nick Nolte), einem trockenen Alkoholiker, trainieren, betont jedoch ständig, dass es ihm nicht um eine neue familiäre Annäherung ginge. Als die beiden Brüder sich zum Finale des Sparta-Turniers im Kampfkäfig gegenüberstehen, geht es längst nicht mehr nur um den monetären Gewinn.

Ein Film, wie es ihn seit geschätzt rund zwanzig Jahren in solcher Form nicht zu sehen gab, und der der so gern als 'new sincerity' bezeichneten Stille im Hollywood-Kino nicht nur eine geballte Faust entgegenreckt, sondern ihr gleich noch einen gezielten Fußtritt hinterhersetzt. "Warrior" bemüht nicht nur den Intellekt, sondern setzt dort an, wo emotional basierte Filme eigentlich stets andocken müssen: direkt am Rezipientenherzen. Der Existenzialismus, von dem hier die Rede ist, ist so klischeehaft wie authentisch: Manch einer muss sich, ob im übertragenen Sinne oder voll frontal, erst mit Nachdruck die Fresse polieren lassen, um heutzutage auf einen grünen Zweig zu kommen. Gavin O'Connor, gebürtiger Ire, hat den Film unter anderem in Zusammenarbeit mit seinem Bruder gemacht und liefert damit gleichwohl eine unweigerliche Ernsthaftigkeitsempfehlung ab. "Warrior" müsste nicht zwangsläufig im Amerika des neuen Jahrtausends angesiedelt sein, er könnte auch ebensogut im Dublin von vor hundert Jahren spielen. Diese Geschichte einer zaghaften, familiären Wiederannäherung mitsamt herzblutendem Schuld-, Sühne-&-Erlösungs-Impact, kann sich, weil wir es nicht mit irgendwem, sondern mit traditionell starrköpfigen Kerlen zu tun haben, einzig und allein über Körperlichkeit zutragen. Das mag nicht jedem schmecken, ist aber von höchster immanenter Aufrichtigkeit. Den Adrenalinpegel unterstützend gibt es aufpeitschende Sportreporter-Kommentare und frenetischen Zuschauerjubel, kombiniert mit manipulativem Schnitt und extradramatischer Musik, wie man all das zum letzten Mal im ernstzunehmenden Kino bei "Rocky IV" sehen und zu hören konnte. Kurzum: Wer eine aktuelle filmische Reise in die Kino-Vergangenheit antreten und eine wirkliche Fortführung damaliger Erzählkunst genießen möchte, keine bloße Hommage, der sollte diesen Ritt mitmachen. Es lohnt, gottverdammt.

9/10

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SHANGHAI (Mikael Håfström/USA, CN 2010)


"Leave Shanghai - before it's too late!"

Shanghai ~ USA/CN 2010
Directed By: Mikael Håfström

Oktober 1941: Der Agent Paul Soames (John Cusack) tingelt, im Auftrag für die US-Regierung und getarnt als Journalist, durch die Krisenherde der Welt. In der kurz vor der Invasion durch die Japaner stehenden chinesischen Metropole Shanghai soll Soames aktuell aufklären, wer seinen Berufsgenossen und Freund Conner (Jeffrey Dean Morgan) ermordet haben könnte und warum. Soames, der sich im Nu in den höchsten gesellschaftlichen Kreisen der Stadt bewegt und Kontakte mit undurchsichtigen Menschen wie dem Triaden-Boss Anthony Lan Ting (Chow Yun-Fat), dessen Frau, der Untergrundkämpferin Anna (Gong Li) sowie dem japanischen Offizier Tanaka (Ken Watanabe) pflegt, findet bald heraus, dass Conner um geheimnisvolle maritime Truppenbewegungen der Japaner wusste. Als diese Pearl Harbor bombardieren und den Staaten den Krieg erklären, wird die Lage für Soames überaus brenzlig.

Spannender, im Noir-Stil gehaltener und stilvoller Politthriller, der ganz in der Tradition klassischen Hollywoodkinos zwischen prachtvoller Ausstattung und erlesener Garderobe steht. In bewusst unaufgeregter Weise entfaltet sich die von kühl-analytischen Voice-Over-Kommentaren durch den Protagonisten begleitete Geschichte an einem der illustersten, exotischen Kriegsschauplätze der Welt und steht damit in ähnlich guter Tradition wie die nicht minder romantisch konnotierten "Casablanca", "From Here To Eternity", "Love Is A Many-Splendored Thing" et.al.. In "Shanghai" knistert es nun zwischen John Cusack und der wunderschönen Gong Li, wobei sich ihre kleine amour fou leider nie gänzlich entfalten kann - zu undurchsichtig der Gegenpart für den jeweils Anderen, zu brisant ihre gedachte Romanze, zu explosiv der Schauplatz. Dass mit der Figur des Captain Tanaka sogar ein immerhin halbwegs sympathischer Widersacher eingeflochten wurde, ist dem Film, der immerhin aus chinesischer Ko-Produktion stammt, durchaus hoch anzurechnen. Auf welch feindselige Weise man dort im Film schon traditionell mit den verhassten Okkupanten umspringt, ist bekannt und die Beispiele dafür sind Legion. "Shanghai" lässt neben manch anderem durchblicken, dass die Zeit für eine Annäherung noch nicht zu spät ist.

8/10

Mikael Håfström China Shanghai WWII Pearl Harbor Spionage film noir neo noir Pazifikkrieg


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THE CONSPIRATOR (Robert Redford/USA 2010)


"Have you ever believed in something far greater than yourself?"

The Conspirator (Die Lincoln Verschwörung) ~ USA 2010
Directed By: Robert Redford

Nachdem der Lincoln-Mörder John Wilkes Booth (Toby Kebbell) auf der Flucht erschossen wurde, kommen seine angeblichen Mitverschwörer vor Gericht - darunter auch die Hotelbetreiberin Mary Surratt (Robin Wright), in deren Haus die Tat offensichtlich geplant wurde und deren Sohn (Johnny Simmons) nach wie vor flüchtig ist. Für den liberalen Senator Johnson (Tom Wilkinson) ist die Anklage gegen die faktisch unschuldige Mary Surratt eine reine Farce, die einzig und allein als staatlicher Racheakt gewertet werden muss und die damit eine verfassungsschädigende Aktion darstellt. Er bekniet den Nachwuchsanwalt und Kriegsveteranen Frederick Aiken (James Macavoy), Mrs. Surratt zu verteidigen, eine ebenso zermürbende wie letzten Endes müßige Aufgabe.

Welche und wie viele unrühmliche(n) Kapitel es in der amerikanischen Historie gibt, kann man besonders akribisch anhand der US-Filmgeschichte ablesen, die seit ihrem Bestehen als Aufbereitungs- und Aufarbeitungsmaschinerie für nationale Fehler und Debakel gehandhabt wird. "The Conspirator" fügt jener Gattung einen neuerlichen Beitrag hinzu. Zwar hat die unrechte Verurteilung und Hinrichtung Mary Surratts, wie der Film einem per Schlusstafel versichert, dazu geführt, dass jeder US-Zivilist auch das Recht auf einen Zivilprozess hat, dies macht die arme Frau (von Robin Wright mit einer beinahe schon sakralen Märtyrerinnen-Gleichmut porträtiert) jedoch auch nicht wieder lebendig und die ihr aufgrund rein staatlicher Willkür widerfahrene Ungerechtigkeit keinesfalls ungeschehen. Worum es dem sich ja selbst gern zum intellektuellen Förderer stilisierenden Redford letzten Endes vornehmlich ging; um die Bestandsaufnahme eines krisengeschüttelten und von der Überreaktion bedrohten Staates oder um die Darstellung des steinigen Weges hin zu einem weiteren Schritt Freiheit, kann nur gemutmaßt werden. Filmisch betrachtet ist "The Conspirator" - erwartungsgemäß - in seiner Position als Ausstattungsdrama höchst akkurat und mit größter Sorgfalt gefertigt. Die stark stilisierten Bilder sind durch digitale Nachbereitung in ausschließlich bräunlichen sepiafarben gehalten und wirken, zeitgenössischen Fotografien gleich, zusätzlich ausgeblichen und unscharf. Mag sein, dass ihre anfängliche, affektive Wirkung zunächst noch von dem ansonsten etwas fleischlos scheinenden Skelett des Films ablenken kann; allen äußeren Schmuckes entledigt bleibt jedoch wenig mehr als ein immerhin gut gemeintes, leicht überdurchschnittliches Werk.

6/10

Robert Redford period piece Historie Verschwörung Courtroom Abraham Lincoln





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Funxton

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